Die wichtigsten Werke von Karl Marx (50 Titel in einem Band) - Karl Marx - E-Book

Die wichtigsten Werke von Karl Marx (50 Titel in einem Band) E-Book

Karl Marx

0,0

Beschreibung

Dieses Buch ist unverzichtbar für Studenten, Wissenschaftler und alle, die sich für politische Philosophie, Soziologie und Wirtschaft interessieren. Die Werke von Karl Marx bieten eine fundierte Grundlage für das Verständnis der sozialen Dynamik und wirtschaftlichen Prozesse in der modernen Welt. Durch die Vielfalt der enthaltenen Titel erhalten Leser einen vollständigen Überblick über Marx' Denken und können seine Ideen auf vielfältige Weise erforschen. 'Die wichtigsten Werke von Karl Marx' ist ein Meisterwerk der politischen Literatur und ein unverzichtbares Nachschlagewerk für jeden, der sich mit den Grundlagen der sozialen Wissenschaften auseinandersetzen möchte.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 9616

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Karl Marx

Die wichtigsten Werke von Karl Marx

(50 Titel in einem Band)

Biografie + Das Kapital + Manifest der Kommunistischen Partei + Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie + Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte + Zur Judenfrage + Lohn, Preis und Profit...

Books

- Innovative digitale Lösungen & Optimale Formatierung -
2017 OK Publishing
ISBN 978-80-272-0793-0

Inhaltsverzeichnis

Philosophie und Ökonomie:
Differenz der demokritischen und epikureischen Naturphilosophie
Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie
Zur Judenfrage
Ökonomisch-philosophische Manuskripte aus dem Jahre 1844
Die heilige Familie oder Kritik der kritischen Kritik
Die deutsche Ideologie
Das Elend der Philosophie
Manifest der kommunistischen Partei
Lohnarbeit und Kapital
Zur Kritik der politischen Ökonomie
Lohn, Preis, Profit
Das Kapital
Politik und Zeitgeschichte:
Bemerkungen über die neue preußische Zensurinstruktion
Die Verhandlungen des 6. rheinischen Landtags
Das philosophische Manifest der historischen Rechtsschule
Der leitende Artikel in Nr. 179 der »Kölnischen Zeitung«
Der Kommunismus und die Augsburger »Allgemeine Zeitung«
Kritische Randglossen
Forderungen der Kommunistischen Partei in Deutschland
Die Klassenkämpfe in Frankreich 1848 bis 1850
Ansprache der Zentralbehörde an den Bund vom März 1850
Ansprache der Zentralbehörde an den Bund vom Juni 1850
Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte
Enthüllungen über den Kommunisten-Prozeß zu Köln
Die Revolution in China und in Europa
Die britische Herrschaft in Indien
Die Ostindische Kompanie, ihre Geschichte und die Resultate ihres Wirkens
Die künftigen Ergebnisse der britischen Herrschaft in Indien
Das revolutionäre Spanien
Der nordamerikanische Bürgerkrieg
Der Bürgerkrieg in den Vereinigten Staaten
Der Amerikanische Bürgerkrieg
Inauguraladresse der Internationalen Arbeiter-Assoziation
Provisorische Statuten der Internationalen Arbeiter-Assoziation
An Abraham Lincoln, Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika
Bericht des Generalrats der Internationalen Arbeiter-Assoziation an den IV. allgemeinen Kongreß in Basel
Der Bürgerkrieg in Frankreich
Allgemeine Statuten und Verwaltungs-Verordnungen der Internationalen Arbeiterassoziation
Die angeblichen Spaltungen in der Internationale
Rede über den Haager Kongreß
Ein Komplott gegen die Internationale Arbeiter-Assoziation
Kritik des Gothaer Programms
Brief an die Redaktion der »Otetschestwennyje Sapiski«
Zirkularbrief an Bebel, Liebknecht, Bracke u.a.
Fragebogen für Arbeiter
Brief an V. I. Sassulitsch
Dokumente:
Betrachtung eines Jünglings bei der Wahl eines Berufes
Brief an den Vater
Verteidigungsrede vor den Kölner Geschwornen
Biografie:
Karl Marx - Geschichte seines Lebens (Franz Mehring)

Differenz der demokritischen und epikureischen Naturphilosophie

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

[Widmung]
Vorrede
Erster Teill Differenz der demokritischen und epikureischen Naturphilosophie im allgemeinen
I. Gegenstand der Abhandlung
II. Urteile über das Verhältnis der demokritischen und epikureischen Physik
III. Schwierigkeiten hinsichtlich der Identität demokritischer und epikureischer Naturphilosophie
Zweiter Teill Über die Differenz der demokritischen und epikureischen Physik im einzelnen
Erstes Kapitel Die Deklination des Atoms von der geraden Linie
Zweites Kapitel Die Qualitäten des Atoms
Drittes Kapitel Atomoi archai und atoma stoicheia
Viertes Kapitel Die Zeit
Fünftes Kapitel Die Meteore
[Fragment aus dem Anhang]
[Neuer Entwurf der Vorrede]
Sachanmerkungen zu Kapitel I/4

[Widmung]

Inhaltsverzeichnis

Seinem teuern väterlichen Freunde, dem Geheimen Regierungsrate Herrn Ludwig von Westaphalen zu Trier widmet diese Zeilen als ein Zeichen kindlicher Liebe der Verfasser

Sie verzeihen, mein teurer väterlicher Freund, wenn ich Ihren mir so lieben Namen einer unbedeutenden Broschüre vorsetze. Ich bin zu ungeduldig, eine andere Gelegenheit abzuwarten, um Ihnen einen kleinen Beweis meiner Liebe zu geben.

Möchten alle, die an der Idee zweifeln, so glücklich sein als ich, einen jugendstarken Greis zu bewundern, der jeden Fortschritt der Zeit mit dem Enthusiasmus und der Besonnenheit der Wahrheit begrüßt und mit jenem überzeugungstiefen, sonnenhellen Idealismus, der allein das wahre Wort kennt, vor dem alle Geister der Welt erscheinen, nie vor den Schlagschatten der retrograden Gespenster, vor dem oft finstern Wolkenhimmel der Zeit zurückbebte, sondern mit göttlicher Energie und männlich-sicherm Blick stets durch alle Verpuppungen hindurch das Empyreum schaute, das im Herzen der Welt brennt. Sie, mein väterlicher Freund, waren mir stets ein lebendiges argumentum ad oculos daß der Idealismus keine Einbildung, sondern eine Wahrheit ist.

Körperliches Wohlsein brauche ich für Sie nicht zu erflehen. Der Geist ist der große zauberkundige Arzt, dem Sie sich anvertraut haben.1

1 ursprünglich lautete dieser Absatz: Ich hoffe, diesem Liebesboten, den ich Ihnen sende, auf dem Fuße nachzufolgen und an Ihrer Seite unsere wunderbar pittoresken Berge und Wälder wieder zu durchirren. Körperliches Wohlsein brauche ich für Sie nicht zu erflehen. Der Geist und die Natur sind die großen, zauberkundigen Ärzte, denen Sie sich anvertraut haben. – Am linken Rand dieser Seite stehen die Worte: Nebenstehende Widmung ist mit größerer Schrift zu drucken.

Vorrede

Inhaltsverzeichnis

Die Form dieser Abhandlung würde einesteils streng wissenschaftlicher, andrerseits in manchen Ausführungen minder pedantisch gehalten sein, wäre nicht ihre primitive Bestimmung die einer Doktordissertation gewesen. Sie dennoch in dieser Gestalt dem Druck zu übergeben, bin ich durch äußere Gründe bestimmt. Außerdem glaube ich in ihr ein bis jetzt ungelöstes Problem aus der Geschichte der griechischen Philosophie gelöst zu haben.

Sachverständige wissen, daß für den Gegenstand dieser Abhandlung keine irgendwie brauchbaren Vorarbeiten existieren. Was Cicero und Plutarch geschwatzt haben, ist bis auf die heutige Stunde nachgeschwatzt worden. Gassendi, der den Epikur aus dem Interdikt befreite, mit dem die Kirchenväter und das ganze Mittelalter, die Zeit der realisierten Unvernunft, ihn belegt hatten, bietet in seinen Darstellungen nur ein Interessantes Moment dar. Er sucht sein katholisches Gewissen mit seinem heidnischen Wissen und den Epikur mit der Kirche zu akkommodieren, was freilich verlorene Mühe war. Es ist, als wollte man der griechischen Lais einen christlichen Nonnenkittel um den heiter blühenden Leib werfen. Gassendi lernt vielmehr aus dem Epikur Philosophie, als daß er uns über Epikurs Philosophie belehren könnte.

Man betrachte diese Abhandlung nur als Vorläufer einer größern Schrift, in der ich ausführlich den Zyklus der epikureischen, stoischen und skeptischen Philosophie in ihrem Zusammenhang mit der ganzen griechischen Spekulation darstellen werde. Die Mängel dieser Abhandlung in Form u.dgl. werden dort wegfallen.

Hegel hat zwar das Allgemeine der genannten Systeme im ganzen richtig bestimmt; allein bei dem bewunderungswürdig großen und kühnen Plan seiner Geschichte der Philosophie, von der überhaupt erst die Geschichte der Philosophie datiert werden kann, war es teils unmöglich, in das einzelne einzugehen, teils hinderte den riesenhaften Denker seine Ansicht von dem, was er par excellence spekulativ nannte, in diesen Systemen die hohe Bedeutung zu erkennen, die sie für die Geschichte der griechischen Philosophie und den griechischen Geist überhaupt haben. Diese Systeme sind der Schlüssel zur wahren Geschichte der griechischen Philosophie. Über ihren Zusammenhang mit dem griechischen Leben findet sich eine tiefere Andeutung in der Schrift meines Freundes Köppen »Friedrich der Große und seine Widersacher«.

Wenn als Anhang eine Kritik der plutarchischen Polemik gegen Epikurs Theologie hinzugefügt ist: so geschah dies, weil diese Polemik nichts einzelnes ist, sondern Repräsentant einer espèce, indem sie das Verhältnis des theologisierenden Verstandes zur Philosophie sehr treffend an sich darstellt.

In der2 Kritik bleibt unter anderm auch das unberührt, wie falsch Plutarchs Standpunkt überhaupt ist, wenn er die Philosophie vor das Forum der Religion zieht. Darüber genüge, statt alles Räsonnements, eine Stelle aus David Hume:

»Es ist gewiß eine Art Beschimpfung für die Philosophie, wenn man sie, deren souveränes Ansehen allenthalben anerkannt werden sollte, zwingt, bei jeder Gelegenheit sich wegen ihrer Folgen zu verteidigen und sich bei Jeder Kunst und Wissenschaft, die an ihr Anstoß nimmt, zu rechtfertigen. Es fällt einem dabei ein König ein, der des Hochverrats gegen seine eigenen Untertanen beschuldigt wird.«3

Die Philosophie, solange noch ein Blutstropfen in ihrem weltbezwingenden, absolut freien Herzen pulsiert, wird stets den Gegnern mit Epikur zurufen:

Asebês de, ouch ho tous tôn pollôn theous anairôn, all' ho tas pollôn doxas theois prosaptôn.

Die Philosophie verheimlicht es nicht. Das Bekenntnis des Prometheus:

haplô logô, tous pantas echthairô theous

ist ihr eigenes Bekenntnis, ihr eigener Spruch gegen alle himmlischen und Irdischen Götter, die das menschliche Selbstbewußtsein nicht als die oberste Gottheit anerkennen. Es soll keiner neben ihm sein.

Den tristen Märzhasen aber, die über die anscheinend verschlechterte bürgerliche Stellung der Philosophie frohlocken, entgegnet sie wieder, was Prometheus dem Götterbedienten Hermes:

tês sês latreias tên emên dyspraxian,

saphôs epistas', ouk an allaxaim' egô.

kreisson gar oimai têde latreuein petra

ê patri phynai Zêni piston angelon.

Prometheus ist der vornehmste Heilige und Märtyrer im philosophischen Kalender.

Berlin, im März 1841

2 von Marx korrigiert aus: dieser

3 alle Hervorhebungen von Marx

Erster Teill Differenz der demokritischen und epikureischen Naturphilosophie im allgemeinen

I. Gegenstand der Abhandlung

Inhaltsverzeichnis

Der griechischen Philosophie scheint zu begegnen, was einer guten Tragödie nicht begegnen darf, nämlich ein matter Schluß. Mit5 Aristoteles, dem mazedonischen Alexander der griechischen Philosophie, scheint die objektive Geschichte der Philosophie in Griechenland aufzuhören und selbst den männlich-starken Stoikern nicht zu gelingen6, was den Spartanern in ihren Tempeln gelang, die Athene7 an den Herakles festzuketten, so daß sie nicht davonfliehen konnte.

Epikureer, Stoiker, Skeptiker werden als ein fast ungehöriger Nachtrag betrachtet, der in keinem Verhältnis stehe zu seinen gewaltigen Prämissen8. Die epikureische Philosophie sei ein synkretistisches Aggregat aus demokritischer Physik und kyrenaischer Moral, der Stoizismus eine Verbindung heraklitischer Naturspekulation, kynisch-sittlicher Weltanschauung, etwa auch aristotelischer Logik, endlich der Skeptizismus das notwendige Übel, das diesen Dogmatismen entgegengetreten. Man verbindet diese Philosophien so unbewußt mit der alexandrinischen, indem man sie zu einem nur einseitigem und tendenziösem Eklektizismus macht. Die alexandrinische Philosophie endlich wird als gänzliche Schwärmerei und Zerrüttung betrachtet, – eine Verwirrung, in der höchstens die Universalität der Intention anzuerkennen sei.

Nun ist es zwar eine sehr triviale Wahrheit. Entstehen, Blühen und Vergehen sind der eherne Kreis, in den jedes Menschliche gebannt ist, den es durchlaufen muß. So hätte es nichts Auffallendes, wenn die griechische Philosophie, nachdem sie in Aristoteles die höchste Blüte erreicht, dann verwelkt wäre. Allein der Tod der Helden gleicht dem Untergang der Sonne, nicht dem Zerplatzen eines Frosches, der sich aufgeblasen hat.

Und dann: Entstehen, Blühen und Vergehen sind ganz allgemeine, ganz vage Vorstellungen, in die zwar alles einrangiert werden kann, mit denen aber nichts zu begreifen ist. Der Untergang selbst ist im Lebendigen präformiert; seine Gestalt wäre daher ebenso in spezifischer Eigentümlichkeit zu fassen wie die Gestalt des Lebens.

Endlich, wenn wir auf die Historie einen Blick werfen, sind Epikureismus, Stoizismus, Skeptizismus partikulare Erscheinungen? Sind sie nicht die Urtypen des römischen Geistes? Die Gestalt, in der Griechenland nach Rom wandert? Sind sie nicht so charaktervollen, intensiven und ewigen Wesens, daß die moderne Welt selbst ihnen volles geistiges Bürgerrecht einräumen mußte?

Ich hebe dies nur hervor, um die historische Wichtigkeit dieser Systeme ins Gedächtnis zu rufen; hier aber handelt es sich nicht um ihre allgemeine Bedeutung für die Bildung überhaupt, es handelt sich um ihren Zusammenhang mit der altern griechischen Philosophie.

Hätte es nicht in Beziehung auf dies Verhältnis wenigstens zur Nachforschung anreizen müssen, die griechische Philosophie mit zwei verschiedenen Gruppen eklektischer Systeme, deren eine der Zyklus der epikureischen, stoischen und skeptischen Philosophie, die andere unter dem Namen der alexandrinischen Spekulation zusammengefaßt ist, enden zu sehen? Ist es ferner nicht ein merkwürdiges Phänomen, daß nach den platonischen und aristotelischen, zur Totalität sich ausdehnenden Philosophien neue Systeme auftreten, die nicht an diese reichen Geistesgestalten sich anlehnen, sondern, weiter rückblickend, zu den einfachsten Schulen – was die Physik angeht, zu den Naturphilosophen, was die Ethik betrifft, zu der sokratischen Schule – sich hinwenden? Worin ist es ferner begründet, daß die Systeme, die auf Aristoteles folgen, gleichsam ihre Fundamente fertig in der Vergangenheit vorfinden? Daß Demokrit mit den Kyrenaikern, Heraklit mit den Kynikern zusammengebracht wird? Ist es Zufall, daß in den Epikureern, Stoikern und Skeptikern alle Momente des Selbstbewußtseins vollständig, nur jedes Moment als eine besondere Existenz, repräsentiert sind? Daß diese Systeme zusammengenommen9 die vollständige Konstruktion des Selbstbewußtseins bilden? Endlich der Charakter, mit dem die griechische Philosophie mythisch in den sieben Weisen beginnt, der sich, gleichsam als ihr Mittelpunkt, in Sokrates verkörpert, als ihr Demiurg, ich sage, der Charakter des Weisen – des sophos – wird er zufällig in jenen Systemen als die Wirklichkeit der wahren Wissenschaft behauptet?

Es scheint mir, daß, wenn die frühern Systeme für den Inhalt, die nacharistotelischen, und vorzugsweise der Zyklus der epikureischen, stoischen und skeptischen Schulen, für die subjektive Form, den Charakter der griechischen Philosophie bedeutsamer und interessanter sind. Allein eben die subjektive Form, der geistige Träger der philosophischen Systeme, ist bisher fast gänzlich über ihren metaphysischen Bestimmungen vergessen worden.

Ich behalte es einer ausführlichem Betrachtung vor, die epikureische, stoische und skeptische Philosophie in ihrer Gesamtheit und ihrem totalen Verhältnis zur frühern und spätern griechischen Spekulation darzustellen.

Hier genüge es, an einem Beispiel gleichsam und auch nur nach einer Seite hin, nämlich der Beziehung zur frühern Spekulation, dies Verhältnis zu entwickeln.

Als ein solches Beispiel wähle ich das Verhältnis der epikureischen zur demokritischen Naturphilosophie. Ich glaube nicht, daß es der bequemste Anknüpfungspunkt ist. Denn einerseits ist es ein altes eingebürgertes Vorurteil, demokritische und epikureische Physik zu identifizieren, so daß man in den Veränderungen Epikurs nur willkürliche Einfälle sieht; andrerseits bin ich gezwungen, was das Einzelne betrifft, in scheinbare Mikrologien einzugehen. Allein eben weil jenes Vorurteil so alt ist als die Geschichte der Philosophie, weil die Unterschiede so versteckt sind, daß sie gleichsam nur dem Mikroskope sich entdecken: wird es um so wichtiger sein, wenn eine wesentliche, bis ins kleinste durchgehende Differenz der demokritischen und epikureischen Physik trotz ihres Zusammenhanges sich nachweisen läßt. Was sich im kleinen nachweisen läßt, ist noch leichter zu zeigen, wo die Verhältnisse in größern Dimensionen gefaßt werden, während umgekehrt ganz allgemeine Betrachtungen den Zweifel zurücklassen, ob das Resultat im einzelnen sich bestätigen werde.

Nach »Schluß« von Marx gestrichen: ein inkohärentes Finale

5 von Marx korrigiert aus: Nach

6 der Satzteil: »scheint die objektive Geschichte der Philosophie in Griechenland aufzuhören und selbst den männlich-starken Soikern nicht zu gelingen« lautete ursprünglich: scheinen der Eule der Minerva die Fittiche zu sinken, und selbst den männlich-starken Stoikern scheint nicht gelungen zu sein

7 von Marx korrigiert aus: Minerva

8 »eine sehr triviale Wahrheit« von Marx korrigiert aus: nicht abzulehnen

9 nach »zusammengenommen« von Marx gestrichen: gleichsam

II. Urteile über das Verhältnis der demokritischen und epikureischen Physik

Inhaltsverzeichnis

Wie meine Ansicht sich im allgemeinen zu den frühern verhält, wird in die Augen springen, wenn man die Urteile der Alten über das Verhältnis der demokritischen und epikureischen Physik flüchtig durchmustert.

Posidonius der Stoiker, Nikolaus und Sotion werfen dem Epikur vor, er habe die demokritische Lehre von den Atomen und die des Aristipp vom Vergnügen für sein Eigentum ausgegeben. Cotta der Akademiker fragt bei Cicero: »Was wäre wohl in der Physik des Epikur, das nicht dem Demokrit10 gehörte? Er verändert zwar einiges, das meiste aber spricht er jenem nach.« So sagt Cicero selbst: »In der Physik, in der Epikur am meisten prahlt, ist er ein vollkommener Fremdling. Das meiste gehört dem Demokrit; wo er von ihm abweicht, wo er verbessern will, da verdirbt und verschlechtert er.« Obgleich aber von vielen Seiten dem Epikur Schmähungen gegen den Demokrit vorgeworfen werden: so behauptet dagegen Leonteus nach Plutarch, Epikur11 habe den Demokrit12 geehrt, weil dieser13 vor ihm zur wahren Lehre sich bekannt, weil er14 früher die Prinzipien der Natur entdeckt habe. In der Schrift De placitis philosophorum wird Epikur ein nach Demokrit Philosophierender genannt. Plutarch in seinem Kolotes geht weiter. Indem er den Epikur der Reihe nach mit Demokrit, Empedokles, Parmenides, Plato, Sokrates, Stilpo, den Kyrenaikern und Akademikern vergleicht, sucht er das Resultat zu gewinnen, »Epikur habe aus der ganzen griechischen Philosophie sich das Falsche zugeeignet, das Wahre nicht verstanden«, wie auch die15 Abhandlung De eo, quod secundum Epicurum non beate vivi possit von feindseligen Insinuationen ähnlicher Art angefüllt ist.

Diese ungünstige Ansicht der altern Schriftsteller bleibt dieselbe bei den Kirchenvätern. Ich führe in der Anmerkung nur eine Stelle des Clemens Alexandrinus an, eines Kirchenvaters, der in bezug auf Epikur vorzugsweise Erwähnung verdient, weil er die Warnung des Apostels Paulus vor der Philosophie überhaupt in eine Warnung vor epikureischer Philosophie umdeutet, als welche nicht einmal über Vorsehung u.dgl. phantasiert habe. Wie geneigt man aber überhaupt war, dem Epikur Plagiate zur Last zu legen, zeigt am auffallendsten Sextus Empiricus, der einige ganz ungehörige Stellen aus Homer und Epicharmus zu Hauptquellen epikureischer Philosophie umstempeln will.

Daß die neuern Schriftsteller im ganzen ebenfalls den Epikur, soweit er Naturphilosoph, zu einem bloßen Plagiarius des Demokrit machen, ist bekannt. Ihr Urteil im allgemeinen repräsentiere hier ein Ausspruch von Leibniz: »Nous ne savons presque de ce grand homme« (Démocrite), »que ce qu'Epicure en a emprunté, qui n'était pas capable d'en prendre toujours le meilleur«. Wenn also Cicero den Epikur die demokritische Lehre verschlechtern läßt, wobei ihm wenigstens der Wille bleibt, sie zu verbessern, und das Auge, ihre Mängel zu sehen; wenn Plutarch ihm Inkonsequenz und eine prädeterminierte Neigung für das Schlechtere zuschreibt, also auch seinen Willen verdächtigt: so spricht ihm Leibniz sogar die Fähigkeit ab, den Demokrit auch nur geschickt zu exzerpieren.

Alle aber kommen darin überein, daß Epikur seine Physik von Demokrit entlehnt habe.

10 von Marx korrigiert aus: Epikur

11 von Marx korrigiert aus: er (Epikur)

12 von Marx korrigiert aus: ihn (den Demokrit)

13 von Marx korrigiert aus: er

14 nach »er« von Marx gestrichen: (Demokrit)

15 von Marx korrigiert aus: seine

III. Schwierigkeiten hinsichtlich der Identität demokritischer und epikureischer Naturphilosophie

Inhaltsverzeichnis

Außer den historischen Zeugnissen spricht vieles für die Identität demokritischer und epikureischer Physik. Die Prinzipien – Atome und Leere – sind unstreitig dieselben. Nur in einzelnen Bestimmungen scheint willkürliche, daher unwesentliche Verschiedenheit zu herrschen.

Allein so bleibt ein sonderbares, nicht zu lösendes Rätsel. Zwei Philosophen lehren ganz dieselbe Wissenschaft, ganz auf dieselbe Weise; aber – wie inkonsequent!- in allem stehen sie sich diametral entgegen, was Wahrheit, Gewißheit, Anwendung dieser Wissenschaft, was das Verhältnis von Gedanken und Wirklichkeit überhaupt betrifft. Ich sage, sie stehen sich diametral entgegen, und werde es jetzt zu beweisen suchen.

A. Das Urteil des Demokrit über Wahrheit und Gewißheit des menschlichen Wissens scheint schwer zu ermitteln. Es liegen widersprechende Stellen vor, oder vielmehr nicht die Stellen, sondern Demokrits Ansichten widersprechen sich. Denn Trendelenburgs Behauptung im Kommentar zur aristotelischen Psychologie, erst spätere Schriftsteller, nicht aber Aristoteles wisse von solchem Widerspruch, ist faktisch unrichtig. In der Psychologie16 des Aristoteles heißt es nämlich: »Demokrit setzt Seele und Verstand als ein und dasselbe, denn das Phänomen sei das Wahre«, in der »Metaphysik« dagegen: »Demokrit behauptet, nichts sei wahr, oder uns sei es verborgen.« Widersprechen sich diese Stellen des Aristoteles nicht? Wenn das Phänomen das Wahre ist, wie kann das Wahre verborgen sein? Die Verborgenheit beginnt erst, wo sich Phänomen und Wahrheit trennen.17Diogenes Laertius aber berichtet, man habe Demokrit zu den Skeptikern gezählt. Es wird sein Spruch angeführt: »In Wahrheit wissen wir nichts, denn im Abgrund des Brunnens liegt die Wahrheit.« Ähnliches findet sich bei Sextus Empiricus.

Diese skeptische, unsichere und innerlich sich widersprechende Ansicht des Demokrit ist nur weiterentwickelt in der Weise, wie das Verhältnis des Atoms und der sinnlich erscheinenden Welt bestimmt wird.

Einerseits kömmt die sinnliche Erscheinung nicht den Atomen selbst zu. Nicht objektive Erscheinung ist sie, sondern subjektiver Schein. »Die wahrhaften Prinzipien sind die Atome und das Leere; alles andere ist Meinung, Schein.« »Nur der Meinung nach ist das Kalte, der Meinung nach das Warme, in Wahrheit aber die Atome und das Leere.« Es wird daher in Wahrheit nicht eins aus den vielen Atomen, sondern »durch die Verbindung der Atome scheint jedes eins zu werden.« Durch die Vernunft zu schauen sind daher allein die Prinzipien, die schon wegen ihrer Kleinheit dem sinnlichen Auge unzugänglich sind; daher heißen sie sogar Ideen. Allein andrerseits ist die sinnliche Erscheinung das allein wahre Objekt, und die aisthêsisist diephronêsis, dies Wahre aber ist wechselnd, unstet, Phänomen. Daß aber das Phänomen das Wahre sei, widerspricht sich. Es wird also bald die eine Seite, bald die andere zum Subjektiven und zum Objektiven gemacht. So scheint der Widerspruch auseinandergehalten, Indem er an zwei Welten verteilt wird. Demokrit macht daher die sinnliche Wirklichkeit zum subjektiven Schein; allein die Antinomie, aus der Welt der Objekte verbannt, existiert nun in seinem eigenen Selbstbewußtsein, in dem der Begriff des Atoms und die sinnliche Anschauung feindlich zusammentreffen.

Demokrit entrinnt also der Antinomie nicht. Sie zu erklären ist hier noch nicht der Ort. Genug, daß ihre Existenz nicht zu leugnen ist. Hören wir dagegen Epikur.

Der Weise, sagt er, verhält sich dogmatisch, nicht skeptisch. Ja, eben das ist sein Vorzug vor allen, daß er mit Überzeugung weiß. »Alle Sinne sind Herolde des Wahren.« »Nichts kann die sinnliche Wahrnehmung widerlegen; weder die gleichartige die gleichartige wegen der gleichen Giltigkeit, noch die ungleichartige die ungleichartige, denn sie urteilen nicht über dasselbe, noch der Begriff, denn der Begriff hängt ab von den sinnlichen Wahrnehmungen«, heißt es im Kanon. Während aber Demokrit die sinnliche Welt zum subjektiven Schein macht, macht sie Epikur zur objektiven Erscheinung. Und mit Bewußtsein unterscheidet er sich hierin; denn er behauptet, dieselben Prinzipien zu teilen, nicht aber die sinnlichen Qualitäten zum Nur-Gemeinten zu machen.

War also einmal sinnliche Wahrnehmung das Kriterium des Epikur, entspricht ihr die objektive Erscheinung: so kann man nur als richtige Konsequenz betrachten, worüber Cicero die Achsel zuckt. »Die Sonne scheint dem Demokrit groß, weil er ein wissenschaftlicher und in der Geometrie vollendeter Mann ist; dem Epikur etwa von zwei Fuß Größe, denn er urteilt, sie sei so groß, als sie scheint.«

B. DieseDifferenz in den theoretischen Urteilen des Demokrit und des Epikur über Sicherheit der Wissenschaft und Wahrheit ihrer Objekte verwirklicht sich in der disparaten wissenschaftlichen Energie und Praxis dieser Männer.

Demokrit, dem das Prinzip nicht in die Erscheinung tritt, ohne Wirklichkeit und Existenz bleibt, hat dagegen als reale und inhaltsvolle Welt die Welt der sinnlichen Wahrnehmung sich gegenüber. Sie ist zwar subjektiver Schein, allein eben dadurch vom Prinzip losgerissen, in ihrer selbständigen Wirklichkeit belassen; zugleich einziges reales Objekt, hat sie als solche Wert und Bedeutung. Demokrit wird daher in empirische Beobachtung getrieben. In der Philosophie unbefriedigt, wirft er sich dem positiven Wissen in die Arme. Wir haben schon gehört, daß Cicero ihn einen vir eruditus nennt. In der Physik, Ethik, Mathematik, in den enzyklischen Disziplinen, in jeder Kunst ist er bewandert. Schon der Bücherkatalog bei Diogenes Laertius zeugt für seine Gelehrsamkeit. Wie es aber der Charakter der Gelehrsamkeit ist, in die Breite zu gehen und zu sammeln und von außen zu suchen: so sehen wir den Demokrit die halbe Welt durchwandern, um Erfahrungen, Kenntnisse, Beobachtungen einzutauschen. »Ich«, rühmt er von sich selbst, »habe von meinen Zeitgenossen den größten Teil der Erde durchirrt, das Entlegenste durchforschend; und die meisten Himmelsstriche und Lande sah ich, und die meisten gelehrten Männer hörte ich; und in der Linienkomposition mit Beweis übertraf mich niemand, auch nicht der Ägypter sogenannte Arsepedonapten.«

Demetrius in den homônymois und Antisthenes in den diadochais erzählen, daß er gewandert sei nach Ägypten zu den Priestern, um Geometrie zu lernen, und zu den Chaldäern nach Persien und daß er gekommen zum Roten Meere. Einige behaupten, er sei auch zusammengetroffen mit den Gymnosophisten in Indien und habe Äthiopien betreten. Es ist einerseits die Wissenslust, die ihm keine Ruhe läßt; es ist aber zugleich die Nichtbefriedigung im wahren, d.i. philosophischen Wissen, die ihn in die Weite treibt. Das Wissen, das er für wahr hält, ist inhaltslos; das Wissen, das ihm Inhalt gibt, ist ohne Wahrheit. Mag sie eine Fabel sein, aber eine wahre Fabel, weil sie das Widersprechende seines Wesens schildert, ist die Anekdote der Alten. Sich selbst habe Demokrit geblendet, damit das sinnliche Augenlicht nicht die Geistesschärfe verdunkle. Es ist derselbe Mann, der, wie Cicero sagt, die halbe Welt18 durchwandert. Aber er hatte nicht gefunden, was er suchte.

Eine entgegengesetzte Gestalt erscheint uns in Epikur.

Epikur ist befriedigt und selig in der Philosophie. »Der Philosophie«, sagt er, »mußt du dienen, damit dir die wahre Freiheit zufalle. Nicht zu harren braucht der, der sich ihr unterwarf und übergab; sogleich wird er emanzipiert. Denn dies selbst, der Philosophie dienen, ist Freiheit.« »Weder der Jüngling«, lehrt er daher, »zögere zu philosophieren, noch lasse ab der Greis vom Philosophieren. Denn keiner ist zu unreif, keiner zu überreif, um an der Seele zu gesunden. Wer aber sagt, entweder noch nicht da sei die Zeit des Philosophierens oder vorübergegangen sei sie, der ist ähnlich dem, der behauptet, zur Glückseligkeit sei noch nicht die Stunde, oder sie sei nicht mehr.« Während Demokrit, von der Philosophie unbefriedigt, sich dem empirischen Wissen in die Arme wirft, verachtet Epikur die positiven Wissenschaften; denn nichts trügen sie bei zur wahren Vollendung. Ein Feind der Wissenschaft, ein Verächter der Grammatik wird er genannt. Unwissenheit selbst wird ihm vorgeworfen; »aber«, sagt ein Epikureer bei Cicero, »nicht Epikur war ohne Erudition, sondern diejenigen [sind] ungelehrt, die glauben, was dem Knaben Schande macht, nicht zu wissen, sei noch vom Greise herzusagen.«

Während aber Demokrit von ägyptischen Priestern, persischen Chaldäern und indischen Gymnosophisten zu lernen sucht, rühmt Epikur von sich, er habe keinen Lehrer gehabt, er sei Autodidakt. Einige, sagt er nach Seneca, ringen nach Wahrheit ohne jegliche Beihilfe. Unter diesen habe er sich selbst den Weg gebahnt. Und sie, die Autodidakten, lobt er am meisten. Die andern seien Köpfe zweiten Ranges. Während es den Demokrit in alle Weltgegenden treibt, verläßt Epikur kaum zwei- oder dreimal seinen Garten zu Athen und reist nach Jonien, nicht um Forschungen anzustellen, sondern um Freunde zu besuchen. Während endlich19 Demokrit, am Wissen verzweifelnd, sich selbst blendet, steigt Epikur, als er die Stunde des Todesnahen fühlt, in ein warmes Bad und begehrt reinen Wein und empfiehlt seinen Freunden, der Philosophie treu zu sein.

C. Die eben entwickelten Unterschiede sind nicht der zufälligen Individualität beider Philosophen zuzuschreiben; es sind zwei entgegengesetzte Richtungen, die sich verkörpern. Wir sehen als Differenz der praktischen Energie, was oben als Unterschied des theoretischen Bewußtseins sich ausdrückt.

Wir betrachten endlich die Reflexionsform, die die Beziehung des Gedankens auf das Sein, das Verhältnis derselben darstellt. In dem allgemeinen Verhältnisse, das der Philosoph der Welt und dem Gedanken zueinander gibt, verobjektiviert er sich nur, wie sein besonderes Bewußtsein sich zur realen Welt verhält.

Demokrit nun wendet als Reflexionsform der Wirklichkeit die Notwendigkeit an. Aristoteles sagt von ihm, er führe alles auf Notwendigkeit zurück. Diogenes Laertius berichtet, der Wirbel der Atome, aus dem alles entstehe, sei die demokritische Notwendigkeit. Genügender spricht hierüber der Auctor De placitis philosophorum: Die Notwendigkeit sei nach Demokrit das Schicksal und das Recht und die Vorsehung und Weltschöpferin. Die Substanz aber dieser Notwendigkeit sei die Antitypie und die Bewegung und der Schlag der Materie. Eine ähnliche Stelle findet sich in den physischen Eklogen des Stobäus und im 6ten Buch der Praeparatio evangelica des Eusebius. In den ethischen Eklogen des Stobäus ist folgende Sentenz des Demokrit aufbewahrt, die im 14ten Buch des Eusebius fast ebenso wiederholt wird, nämlich: Die Menschen fingierten sich das Scheinbild des Zufalls, – eine Manifestation ihrer eigenen Ratlosigkeit; denn mit einem starken Denken kämpfe der Zufall. Ebenso deutet Simplicius eine Stelle, in der Aristoteles von der alten Lehre spricht, die den Zufall aufhebt, auf den Demokrit.

Dagegen20 Epikur:

»Die Notwendigkeit, die von einigen als die Allherrscherin eingeführt21 ist, ist nicht, sondern einiges ist zufällig, anderes hängt von unserer Willkür ab. Die Notwendigkeit ist nicht zu überreden, der Zufall dagegen unstet. Es wäre besser, dem Mythos über die Götter zu folgen, als Knecht zu sein der heimarmenê der Physiker. Denn jener läßt Hoffnung der Erbarmung wegen der Ehre der Götter, diese aber die unerbittliche Notwendigkeit. Der Zufall aber, nicht Gott, wie die Menge glaubt, ist anzunehmen.« »Es ist ein Unglück, in der Notwendigkeit zu leben, aber in der Notwendigkeit zu leben, ist keine Notwendigkeit. Offen stehen überall zur Freiheit die Wege, viele, kurze, leichte. Danken wir daher Gott, daß niemand im Leben festgehalten werden kann. Zu bändigen die Notwendigkeit selbst, ist gestattet.«

Ähnliches spricht der Epikureer Vellejus bei Cicero über die stoische Philosophie: »Was soll man von einer Philosophie halten, welcher, wie alten und zwar ungelehrten Vetteln, alles durch das Fatum zu geschehen scheint? .... vom Epikur sind wir erlöst, in Freiheit gesetzt worden.«

So leugnet Epikur selbst das disjunktive Urteil, um keine Notwendigkeit anerkennen zu müssen.

Es wird zwar auch vom Demokrit behauptet, er habe den Zufall angewandt; allein von den beiden Stellen, die sich hierüber beim Simplicius finden, macht die eine die andere verdächtig, denn sie zeigt offenbar, daß nicht Demokrit die Kategorie des Zufalls gebraucht, sondern Simplicius sie ihm als Konsequenz beigelegt. Er sagt nämlich: Demokrit gebe von der Weltschöpfung im allgemeinen keinen Grund an; er scheine also den Zufall zum Grunde zu machen. Hier handelt es sich aber nicht um die Inhaltsbestimmung, sondern um die Form, die Demokrit mit Bewußtsein angewandt hat. Ähnlich verhält es sich mit dem Bericht des Eusebius: Demokrit habe den Zufall zum Herrscher des Allgemeinen und Göttlichen gemacht und behauptet, hier geschehe alles durch ihn, während er ihn vom menschlichen Leben und der empirischen Natur ferngehalten, seine Verkünder aber sinnlos gescholten habe.

Teils sehen wir hierin eine bloße Konsequenzmacherei des christlichen Bischofs Dionysius, teils, wo das Allgemeine und Göttliche anfängt, hört der demokritische Begriff der Notwendigkeit auf, vom Zufall verschieden zu sein.

Soviel ist also historisch sicher, Demokrit wendet die Notwendigkeit, Epikur den Zufall an; und zwar verwirft jeder die entgegengesetzte Ansicht mit polemischer Gereiztheit.

Die Hauptkonsequenz dieses Unterschiedes erscheint in der Erklärungsweise der einzelnen physischen Phänomene.

Die Notwendigkeit erscheint nämlich in der endlichen Natur als relative Notwendigkeit, als Determinismus. Die relative Notwendigkeit kann nur deduziert werden aus der realen Möglichkeit, d.h. es ist ein Umkreis von Bedingungen, Ursachen, Gründen usw., durch welche sich jene Notwendigkeit vermittelt. Die reale Möglichkeit ist22 die Explikation der relativen Notwendigkeit. Und sie finden wir vom Demokrit angewandt. Wir führen einige Belege aus Simplicius an.

Wenn einer dürstet und trinkt und gesund wird: so wird Demokrit nicht den Zufall als die Ursache23 angeben, sondern das Dürsten. Denn wenn er auch bei der Weltschöpfung den Zufall zu gebrauchen schien: so behauptet er doch, daß dieser im einzelnen von nichts die Ursache sei, sondern führt auf andere Ursachen zurück. So sei z.B. das Graben die Ursache des Schatzfindens oder das Wachsen des Ölbaums.

Die Begeisterung und der Ernst, mit dem Demokrit jene Erklärungsweise in die Betrachtung der Natur einführt, die Wichtigkeit, die er der Begründungstendenz beilegt, spricht sich naiv24 in dem Bekenntnisse aus: »Ich will lieber eine neue Ätiologie finden als die persische Königswürde erlangen!«

Epikur steht dem Demokrit wiederum direkt gegenüber. Der Zufall ist eine Wirklichkeit, welche nur den Wert der Möglichkeit hat. Die abstrakte Möglichkeit aber ist gerade der Antipode der realen. Die letztere ist beschränkt in scharfen Grenzen, wie der Verstand; die erste schrankenlos, wie die Phantasie. Die reale Möglichkeit sucht die Notwendigkeit und Wirklichkeit ihres Objektes zu begründen; der abstrakten ist es nicht um das Objekt zu tun, das erklärt wird, sondern um das Subjekt, das erklärt. Es soll der Gegenstand nur möglich, denkbar sein. Was abstrakt möglich ist, was gedacht werden kann, das steht dem denkenden Subjekt nicht im Wege, ist ihm keine Grenze, kein Stein des Anstoßes. Ob diese Möglichkeit nun auch wirklich sei, ist gleichgiltig, denn das Interesse erstreckt sich hier nicht auf den Gegenstand als Gegenstand.

Epikur verfährt daher mit einer grenzenlosen Nonchalance in der Erklärung der einzelnen physischen Phänomene.

Näher wird dies aus dem Brief an den Pythokles erhellen, den wir später zu betrachten haben. Hier genüge es, auf sein Verhältnis zu den Meinungen früherer Physiker aufmerksam zu machen. Wo der Auctor De placitis philosophorum und Stobäus die verschiedenen Ansichten der Philosophen über die Substanz der Sterne, die Größe und Figur der Sonne und ähnliches anführen, heißt es immer vom Epikur: Er verwirft keine dieser Meinungen, alle könnten richtig sein, er halte sich am Möglichen. Ja, Epikur polemisiert sogar gegen die verständig bestimmende und eben daher einseitige Erklärungsweise aus realer Möglichkeit.

So sagt Seneca in seinen Quaestiones naturales: Epikur behauptet, alle jene Ursachen könnten sein, und versucht dazu noch mehrere andere Erklärungen und tadelt diejenigen, die behaupten, irgendeine bestimmte von diesen finde statt, da es gewagt sei, über das, was nur aus Konjekturen zu folgern, apodiktisch zu urteilen.

Man sieht, es ist kein Interesse vorhanden, die Realgründe der Objekte zu untersuchen: Es handelt sich bloß um eine Beruhigung des erklärenden Subjekts. Indem alles Mögliche als möglich zugelassen wird, was dem Charakter der abstrakten Möglichkeit entspricht, wird offenbar der Zufall des Seins nur in den Zufall des Denkens übersetzt. Die einzige Regel, die Epikur vorschreibt, »nicht widersprechen dürfe die Erklärung der sinnlichen Wahrnehmung«, versteht sich von selbst; denn das Abstrakt-Mögliche besteht eben darin, frei vom Widerspruch zu sein, der also zu verhüten ist. Endlich gesteht Epikur, daß seine Erklärungsweise nur die Ataraxie des Selbstbewußtseins bezwecke, nicht die Naturerkenntnis an und für sich.

Wie ganz entgegengesetzt er sich also auch hier zu Demokrit verhalte, bedarf wohl keiner Ausführung mehr.

Wir sehen also beide Männer sich Schritt für Schritt entgegenstehn. Der eine ist Skeptiker, der andere Dogmatiker; der eine hält die sinnliche Welt für subjektiven Schein, der andere für objektive Erscheinung. Derjenige, der die sinnliche Welt für subjektiven Schein hält, legt sich auf empirische Naturwissenschaft und positive Kenntnisse und stellt die Unruhe der experimentierenden, überall lernenden, in die Weite schweifenden Beobachtung dar. Der andere, der die erscheinende Welt für real hält, verachtet die Empirie; die Ruhe des in sich befriedigten Denkens, die Selbständigkeit, die ex principio interno ihr Wissen schöpft, sind in ihm verkörpert. Aber noch höher steigt der Widerspruch. Der Skeptiker und Empiriker, der die sinnliche Natur für subjektiven Schein hält, betrachtet sie unter dem Gesichtspunkte der Notwendigkeit und sucht die reale Existenz der Dinge zu erklären und zu fassen. Der Philosoph und Dogmatiker dagegen, der die Erscheinung für real hält, sieht überall nur Zufall; und seine Erklärungsweise geht vielmehr dahin, alle objektive Realität der Natur aufzuheben. Es scheint eine gewisse Verkehrtheit in diesen Gegensätzen zu liegen.

Kaum aber kann man noch vermuten, daß diese Männer, in allem sich widersprechend, einer und derselben Lehre anhangen werden. Und doch scheinen sie aneinander gekettet.

Ihr Verhältnis im allgemeinen zu fassen, ist die Aufgabe des nächsten Abschnitts.25

16 von Marx korrigiert aus: Physiologie

17 dieser und der vorhergehende Satz von Marx eingefügt

18 »halbe Welt« von Marx korrigiert aus: ganze Unendlichkeit

19 nach »endlich« von Marx gestrichen: der vielgewanderte

20 von Marx korrigiert aus: Hören wir dagegen den

21 von Marx korrigiert aus: aufgeführt

22 nach »ist« von Marx gestrichen: gleichsam

23 in der Abschrift: Ursach

24 nach »naiv« von Marx gestrichen: auch

25 die im Inhaltsverzeichnis aufgeführten Kapitel IV und V sind in der vorliegenden Kopie nicht erhalten

Zweiter Teill Über die Differenz der demokritischen und epikureischen Physik im einzelnen

Erstes Kapitel Die Deklination des Atoms von der geraden Linie

Inhaltsverzeichnis

Epikur nimmt eine dreifache Bewegung der Atome im Leeren an. Die eine Bewegung ist die des Falls in gerader Linie; die andere entsteht dadurch, daß das Atom von der geraden Linie abweicht; und die dritte wird gesetzt durch die Repulsion der vielen Atome. Die Annahme der ersten und letzten Bewegung hat Demokrit mit dem Epikur gemein, die Deklination des Atoms von der geraden Linie unterscheidet ihn von demselben.

Über diese deklinierende26 Bewegung ist viel gescherzt worden. Cicero vor allen ist unerschöpflich, wenn er dies Thema berührt. So heißt es unter anderm bei ihm: »Epikur behauptet, die Atome würden durch ihr Gewicht abwärts getrieben in gerader Linie; diese Bewegung sei die natürliche der Körper. Dann aber fiel es auf, daß, wenn alle von oben nach unten getrieben würden, nie ein Atom das andere treffen könne. Der Mann nahm daher zu einer Lüge seine Zuflucht. Er sagte, das Atom weiche ganz wenig aus, was aber durchaus unmöglich ist. Daher entständen Komplexionen, Kopulationen und Adhäsitationen der Atome unter sich und aus diesen die Welt und alle Teile der Welt und was in ihr ist. Außer dem, daß diese ganze Sache knabenhaft fingiert ist, erreicht er nicht einmal, was er will.« Eine andere Wendung finden wir bei Cicero im 1. Buch der Schrift »Über die Natur der Götter«: »Da Epikur einsah, daß, wenn die Atome durch ihr eigenes Gewicht abwärts getrieben würden, nichts in unserer Gewalt stände, weil ihre Bewegung bestimmt und notwendig ist: erfand er ein Mittel, der Notwendigkeit zu entgehen, was dem Demokrit entgangen war. Er sagt, das Atom, obgleich es durch Gewicht und Schwere von oben nach unten getrieben wird, weiche ein klein wenig aus. Dies zu behaupten ist schmählicher als das, was er will, nicht verteidigen zu können.«

Ähnlich urteilt Pierre Bayle: »Avant lui« (c.-à-d. Epicure) »on n'avait admis dans les atomes que le mouvement de pesanteur, et celui de réflexion. [...] Epicure supposa que même au milieu du vide, les atomes déclinaient un peu de la ligne droite, et de là venait la liberté, disait-il..... Remarquons en passant que ce ne fut [pas] le seul motif qui le porta à inventer ce mouvement de déclinaison, il le fit servir aussi a expliquer la rencontre des atomes; car il vit bien qu'en supposant qu'ils se mouvaient [tous] avec une égale vitesse par des lignes droites qui tendaient toutes de haut en bas, il ne ferait jamais comprendre qu'ils eussent pu se rencontrer, et qu'ainsi la production du monde aurait été impossible. Il fallut donc [...] qu'ils s'écartaient de la ligne droite.«

Ich lasse einstweilen die Bündigkeit dieser Reflexionen dahingestellt. Soviel wird jeder im Vorbeigehen bemerken können, daß der neuste Kritiker des Epikur, Schaubach, den Cicero falsch aufgefaßt hat, wenn er sagt: »Die Atome würden alle durch die Schwere abwärts, also nach physischen Gründen parallel getrieben, bekämen aber durch gegenseitiges Abstoßen27 eine andere Bewegung28, nach Cicero (de nat. deor. I, 25[,69]) eine schräge Bewegung durch zufällige Ursachen, und zwar von Ewigkeit her.« Cicero macht in der angeführten Stelle erstens nicht das Abstoßen zum Grund der schrägen Richtung, sondern vielmehr die schräge Richtung zum Grund des Abstoßens. Zweitens spricht er nicht von zufälligen Ursachen, sondern tadelt vielmehr, daß gar keine Ursachen angegeben werden, wie es denn an und für sich widersprechend wäre, zugleich das Abstoßen und nichtsdestoweniger zufällige Ursachen als Grund der schrägen Richtung anzunehmen. Höchstens könnte denn noch von zufälligen Ursachen des Abstoßens, nicht aber der schrägen Richtung die Rede sein.

Eine Sonderbarkeit in Ciceros und Bayles Reflexionen ist übrigens zu augenfällig, um sie nicht sogleich hervorzuheben. Sie schieben nämlich dem Epikur Beweggründe unter, von denen der eine den andern aufhebt. Einmal soll Epikur die Deklination der Atome annehmen, um die Repulsion, das andere Mal, um die Freiheit zu erklären. Treffen sich aber die Atome nicht ohne Deklination: so ist die Deklination zur Begründung der Freiheit überflüssig; denn das Gegenteil der Freiheit beginnt, wie wir aus Lukrez ersehen, erst mit dem deterministischen und gewaltsamen Sich-Treffen der Atome. Treffen sich aber die Atome ohne Deklination, so ist sie zur Begründung der Repulsion überflüssig. Ich sage, dieser Widerspruch entsteht, wenn die Gründe der Deklination des Atoms von der geraden Linie so äußerlich und zusammenhangslos aufgefaßt werden, wie es von Cicero und Bayle geschieht. Wir werden bei Lukrez, der überhaupt von allen Alten die epikureische Physik allein begriffen hat, eine tiefere Darstellung finden.

Wir wenden uns jetzt zur Betrachtung der Deklination selbst.

Wie der Punkt in der Linie aufgehoben ist: so ist jeder fallende Körper in der geraden Linie aufgehoben, die er beschreibt. Hier kömmt es gar nicht auf seine spezifische Qualität an. Ein Apfel beschreibt beim Fall so gut eine senkrechte Linie als ein Stück Eisen. Jeder Körper, sofern er in der Bewegung des Falls aufgefaßt wird, ist also nichts als ein sich bewegender Punkt, und zwar ist er ein unselbständiger Punkt, der in einem gewissen Dasein – der geraden Linie, die er beschreibt – seine Einzelheit aufgibt. Aristoteles bemerkt daher mit Recht gegen die Pythagoreer: »ihr sagt, die Bewegung der Linie sei die Fläche, die des Punktes die Linie; also werden auch die Bewegungen der Monaden Linien sein.« Die Konsequenz hiervon sowohl bei den Monaden als den Atomen wäre also, da sie in steter Bewegung sind, daß weder Monade noch Atom existieren, sondern vielmehr in der geraden Linie untergehen; denn die Solidität des Atoms ist noch gar nicht vorhanden, sofern es nur als in gerader Linie fallend aufgefaßt wird. Zunächst, wenn die Leere als räumliche Leere vorgestellt wird, ist das Atom die unmittelbare Negation des abstrakten Raums: also ein räumlicher Punkt. Die Solidität, die Intensivität, die sich gegen das Außereinander des Raums in sich behauptet, kann nur durch ein Prinzip hinzukommen, das den Raum seiner ganzen Sphäre nach negiert, wie es in der wirklichen Natur die Zeit ist. Außerdem, wollte man dies selbst nicht zugeben, ist das Atom, soweit seine Bewegung gerade Linie ist, rein durch den Raum bestimmt, ihm ein relatives Dasein vorgeschrieben und seine Existenz eine rein materielle. Aber wir haben gesehen, das eine Moment im Begriff des Atoms ist reine Form, Negation aller Relativität, aller Beziehung auf ein anderes Dasein zu sein. Wir haben zugleich bemerkt, daß Epikur beide Momente, die sich zwar widersprechen, die aber im Begriff des Atoms liegen, sich verobjektiviert.

Wie kann Epikur nun die reine Formbestimmung des Atoms, den Begriff der reinen Einzelheit, der jedes durch anderes bestimmte Dasein negiert, verwirklichen?

Da er sich im Feld des unmittelbaren Seins bewegt, so sind alle Bestimmungen unmittelbare. Also werden die entgegengesetzten Bestimmungen als unmittelbare Wirklichkeiten sich entgegengesetzt.

Die relative Existenz aber, die dem Atom gegenübertritt, das Dasein, das es zu negieren hat, ist die gerade Linie. Die unmittelbare Negation dieser Bewegung ist eine andere Bewegung, also, selbst räumlich vorgestellt, Deklination von der geraden Linie.

Die Atome sind rein selbständige Körper oder vielmehr der Körper, in absoluter Selbständigkeit gedacht, wie die Himmelskörper. Sie bewegen sich daher auch wie diese, nicht in geraden, sondern in schrägen Linien. Die Bewegung des Falls ist die Bewegung der Unselbständigkeit.

Wenn also Epikur in der Bewegung des Atoms nach gerader Linie die Materialität desselben darstellt, so hat er in der Deklination von der geraden Linie seine Formbestimmung realisiert; und diese entgegengesetzten Bestimmungen werden als unmittelbar entgegengesetzte Bewegungen vorgestellt.

Lukrez behauptet daher mit Recht, daß die Deklination die fall foedera durchbricht; und, wie er dies sogleich auf das Bewußtsein anwendet, so kann vom Atom gesagt werden, die Deklination sei das Etwas in seiner Brust, was entgegenkämpfen und widerstehen kann.

Wenn Cicero aber dem Epikur vorwirft:

»Er erreiche nicht einmal das, weswegen er dies erdichtet habe; denn deklinierten alle Atome: so würden sich nie welche verbinden, oder einige würden ausweichen, andere würden durch ihre Bewegung geradeaus getrieben werden. Man müßte vorher also gleichsam den Atomen bestimmte Posten zuweisen, welche geradeaus und welche schräg sich bewegen sollten«,

so hat dieser Einwurf darin seine Berechtigung, daß beide Momente, die im Begriff des Atoms liegen, als unmittelbar verschiedene Bewegungen vorgestellt werden, also auch verschiedenen Individuen zufallen müßten; – eine Inkonsequenz, die aber konsequent ist, denn des Atoms Sphäre ist die Unmittelbarkeit.

Epikur fühlt recht gut den Widerspruch, der darin liegt. Er sucht daher die Deklination soviel als möglich unsinnlich darzustellen. Sie ist Nec regione loci certa, nec tempore certo, ie geschieht im möglichst kleinsten Raum.

Ferner tadelt Cicero und, nach Plutarch, mehrere Alten, daß die Deklination des Atoms ohne Ursache geschehe; und etwas Schmählicheres, sagt Cicero, kann einem Physiker nicht passieren. Allein erstens würde eine physische Ursache, wie sie Cicero will, die Deklination des Atoms in die Reihe des Determinismus zurückwerfen, aus dem sie gerade erheben soll. Dann aber ist das Atom noch gar nicht vollendet, ehe es in der Bestimmung der Deklination gesetzt ist. Nach der Ursache29 dieser Bestimmung fragen heißt also, nach der Ursache fragen, die das Atom zum Prinzip macht, – eine Frage, die offenbar für den sinnlos ist, dem das Atom Ursache von allem, also selbst ohne Ursache ist.

Wenn endlich Bayle, auf die Auctorität des Augustinus gestützt, nach dem Demokrit den Atomen ein spirituelles Prinzip zugeschrieben hat – eine Auctorität, die übrigens bei dem Gegensatz zu Aristoteles und den andern Alten gänzlich unbedeutend ist –, dem Epikur vorwirft, statt dieses spirituellen Prinzips die Deklination ersonnen zu haben: so wäre im Gegenteil mit der Seele des Atoms bloß ein Wort gewonnen, während in der Deklination die wirkliche Seele des Atoms, der Begriff der abstrakten Einzelheit, dargestellt ist.

Ehe wir die Konsequenz der Deklination des Atoms von der geraden Linie betrachten ist noch ein höchst wichtiges, bis jetzt gänzlich übersehenes Moment hervorzuheben.

Die Deklination des Atoms von der geraden Linie ist nämlich keine besondere, zufällig in der epikureischen Physik vorkommende Bestimmung. Das Gesetz, das sie ausdrückt, geht vielmehr durch die ganze epikureische Philosophie hindurch, so allerdings, wie sich von selbst versteht, daß die Bestimmtheit seiner Erscheinung von der Sphäre abhängig ist, in der es angewandt wird.

Die abstrakte Einzelheit kann nämlich ihren Begriff, ihre Formbestimmung, das reine Fürsichsein, die Unabhängigkeit von dem unmittelbaren Dasein, das Aufgehobensein aller Relativität, nur so betätigen, daß sie von dem Dasein, das ihr gegenübertritt, abstrahiert; denn, um es wahrhaft zu überwinden, müßte sie es idealisieren, was nur die Allgemeinheit vermag.

Wie also das Atom von seiner relativen Existenz, der geraden Linie, sich befreit. Indem es von ihr abstrahiert, von ihr ausbeugt: so beugt die ganze epikureische Philosophie überall da dem beschränkenden Dasein aus, wo der Begriff der abstrakten Einzelheit, die Selbständigkeit und Negation aller Beziehung auf anderes, in seiner Existenz dargestellt werden soll.

So ist der Zweck des Tuns das Abstrahieren, das Ausbeugen vor dem Schmerz und der Verwirrung, die Ataraxie. So ist das Gute die Flucht vor dem Schlechten, so ist die Lust das Ausbeugen vor der Pein. Endlich, wo die abstrakte Einzelheit in ihrer höchsten Freiheit und Selbständigkeit, in ihrer Totalität erscheint, da ist konsequenterweise das Dasein, dem ausgebeugt Wird, alles Dasein; und daher beugen die Götter der Welt aus und bekümmern sich nicht um dieselbe und wohnen außerhalb derselben.

Man hat gespottet über diese Götter des Epikur, die, Menschen ähnlich, in den Intermundien der wirklichen Welt wohnen, keinen Körper, sondern einen Quasikörper, kein Blut, sondern Quasiblut haben und, in seliger Ruhe verharrend, kein Flehen erhören, unbekümmert um uns und die Welt, wegen ihrer Schönheit, ihrer Majestät und ihrer vorzüglichem Natur, keines Gewinnes wegen, verehrt werden.

Und doch sind diese Götter nicht Fiktion des Epikur. Sie haben existiert. Es sind die plastischen Götter der griechischen Kunst. Cicero, der Römer, persifliert sie mit Recht; aber Plutarch, der Grieche, hat alle griechische Anschauung vergessen, wenn er meint, Furcht und Aberglaube hebe diese Lehre von den Göttern auf, Freude und Gunst der Götter gebe sie nicht, sondern sie leihe uns zu ihnen das Verhältnis, das wir zu den hyrkanischen Fischen haben, von denen wir weder Schaden noch Nutzen erwarten. Die theoretische Ruhe ist ein Hauptmoment des griechischen Göttercharakters, wie auch Aristoteles sagt: »Was das Beste ist, bedarf keiner Handlung, denn es selbst ist der Zweck.«

Wir betrachten jetzt die Konsequenz, die aus der Deklination des Atoms unmittelbar hervorgeht. Es ist in ihr ausgedrückt, daß das Atom alle Bewegung und Beziehung negiert, worin es als ein besonderes Dasein von einem andern bestimmt wird. Es ist dies so dargestellt, daß das Atom abstrahiert von dem Dasein, das ihm gegenübertritt, und sich demselben entzieht. Was aber hierin enthalten ist, seine Negation aller Beziehung auf anderes, muß verwirklicht, positiv gesetzt werden. Dies kann nur geschehen, indem das Dasein, auf das es sich bezieht, kein anderes als es selbst ist, also ebenfalls ein Atom und, da es selbst unmittelbar bestimmt ist, viele Atome. So ist die Repulsion der vielen Atome die notwendige Verwirklichung der lex atomi, wie Lukrez die Deklination nennt. Weil hier aber jede Bestimmung als ein besonderes Dasein gesetzt wird: so kömmt die Repulsion als dritte Bewegung zu den frühern hinzu. Mit Recht sagt Lukrez, wenn die Atome nicht zu deklinieren pflegten, wäre weder Gegenschlag noch Treffen derselben entstanden und niemals die Welt erschaffen worden. Denn die Atome sind sich selbst ihr einziges Objekt, können sich nur auf sich beziehen, also, räumlich ausgedrückt, sich treffen, indem jede relative Existenz derselben, in der sie auf anderes sich bezögen, negiert ist; und diese relative Existenz ist, wie wir gesehen haben, ihre ursprüngliche Bewegung, die des Falls in gerader Linie. Also treffen sie sich erst durch Deklination von derselben. Um die bloß materielle Zersplitterung ist es nicht zu tun.

Und in Wahrheit: die unmittelbar seiende Einzelheit ist erst ihrem Begriff nach verwirklicht, insofern sie sich auf ein anderes bezieht, das sie selbst ist, wenn auch das andere in der Form unmittelbarer Existenz gegenübertritt. So hört der Mensch erst auf, Naturprodukt zu sein, wenn das andere, auf das er sich bezieht, keine verschiedene Existenz, sondern selbst ein einzeler Mensch ist, ob auch noch nicht der Geist. Daß der Mensch als Mensch sich aber sein einziges wirkliches Objekt werde, dazu muß er sein relatives Dasein, die Macht der Begierde und der bloßen Natur, in sich gebrochen haben. Die Repulsion ist die erste Form des Selbstbewußtseins; sie entspricht daher dem Selbstbewußtsein, das sich als Unmittelbar-Seiendes, Abstrakt-Einzeles erfaßt.

In der Repulsion ist also der Begriff des Atoms verwirklicht, wonach es die abstrakte Form, aber nicht minder das Gegenteil, wonach es abstrakte Materie ist; denn das, auf das es sich bezieht, sind zwar Atome, aber andere Atome. Verhalte ich mich aber zu mir selbst als zu einem Unmittelbar-Anderen, so ist mein Verhalten ein materielles. Es ist die höchste Äußerlichkeit, die gedacht werden kann. In der Repulsion der Atome ist also die Materialität derselben, die im Fall nach gerader Linie, und die Formbestimmung derselben, die in der Deklination poniert war, synthetisch vereinigt.

Demokrit im Gegensatz zu Epikur macht zu einer gewaltsamen Bewegung, zu einer Tat der blinden Notwendigkeit, was jenem Verwirklichung des Begriffs des Atoms ist. Schon oben haben wir gehört, als Substanz der Notwendigkeit gebe er den Wirbel (dinê) an, der aus dem Repellieren und Aneinanderstoßen der Atome entsteht. Er faßt also in der Repulsion nur die materielle Seite, die Zersplitterung, die Veränderung, nicht die ideelle, wonach darin alle Beziehung auf anderes negiert und die Bewegung als Selbstbestimmung gesetzt ist. Dies sieht man klar daraus, daß er sich ganz sinnlich einen und denselben Körper durch den leeren Raum in viele geteilt denkt wie Gold, das in Stücke gebrochen ist. Er faßt also kaum das Eins als den Begriff des Atoms.

Mit Recht polemisiert Aristoteles gegen ihn: »Deswegen wäre dem Leukipp und dem Demokrit, die behaupten. Immer bewegten sich die ersten Körper im Leeren und im Unendlichen, zu sagen, welcher Art die Bewegung sei, und welche die ihrer Natur adäquate Bewegung. Denn wenn jedes der Elemente von dem andern durch Gewalt bewegt wird: so ist es doch notwendig, daß jedes auch eine natürliche Bewegung habe, außer welcher die gewaltsame ist; und diese erste Bewegung muß nicht gewaltsam, sondern natürlich sein. Sonst findet der Progreß ins Unendliche statt.«

Die epikureische Deklination des Atoms hat also die ganze innere Konstruktion des Reichs der Atome verändert, indem durch sie die Bestimmung der Form geltend gemacht und der Widerspruch, der im Begriff des Atoms liegt, verwirklicht ist. Epikur hat daher zuerst, wenn auch in sinnlicher Gestalt, das Wesen der Repulsion erfaßt, während Demokrit nur ihre materielle Existenz gekannt hat.

Wir finden daher auch30 konkretere Formen der Repulsion von Epikur angewandt; im Politischen ist es der Vertrag, im Sozialen die Freundschaft, die als das Höchste gepriesen wird.31

26 von Marx korrigiert aus: letzte

27 bei Schaubach: (S. 549): Anstoßen (ictu)

28 bei Schaubach: Richtung

29 in der Abschrift: Ursach

30 nach »auch« von Marx gestrichen: die höhern

31 dieser Absatz in der Abschrift von Marx hinzugefügt

Zweites Kapitel Die Qualitäten des Atoms

Inhaltsverzeichnis

Es widerspricht dem Begriff des Atoms, Eigenschaften zu haben; denn, wie Epikur sagt, jede Eigenschaft ist veränderlich, die Atome aber verändern sich nicht. Allein es ist nichtsdestoweniger eine notwendige Konsequenz, ihnen dieselben beizulegen. Denn die vielen Atome der Repulsion, die durch den sinnlichen Raum getrennt sind, müssen notwendig unmittelbar voneinander und von ihrem reinen Wesen verschieden sein, d.h. Qualitäten besitzen.

Ich nehme daher in der folgenden Entwickelung gar keine Rücksicht auf Schneiders und Nürnbergers Behauptung, »Epikur habe den Atomen keine Qualitäten beigelegt, die §§ 44 und 54 in dem Brief an Herodot bei Diogenes Laertius seien untergeschoben«. Wäre wirklich an dem, wie wollte man die Zeugnisse des Lukrez, des Plutarch, ja aller Schriftsteller, die über Epikur berichten, entkräften? Dazu erwähnt Diogenes Laertius die Qualitäten des Atoms nicht in zwei, sondern in zehn Paragraphen, nämlich den §§ 42, 43, 44, 54, 55, 56, 57, 58, 59 und 61. Der Grund, den jene Kritiker angeben, »sie wüßten die Qualitäten des Atoms mit seinem Begriff nicht zu vereinigen«, ist sehr seicht. Spinoza sagt, die Ignoranz sei kein Argument. Wollte jeder die Stellen, die er in den Alten nicht versteht, ausstreichen, wie bald hätte man tabula rasa!

Durch die Qualitäten erhält das Atom eine Existenz, die seinem Begriff widerspricht, wird es als entäußertes, von seinem Wesen unterschiedenes Dasein gesetzt. Dieser Widerspruch ist es, der das Hauptinteresse des Epikur bildet. Sobald er daher eine Eigenschaft poniert und so die Konsequenz der materiellen Natur des Atoms gezogen hat: kontraponiert er zugleich Bestimmungen, welche diese Eigenschaft in ihrer eigenen Sphäre wieder vernichten und dagegen den Begriff des Atoms geltend machen. Er bestimmt daher alle Eigenschaften so, daß sie sich selbst widersprechen. Demokrit dagegen betrachtet nirgends die Eigenschaften in bezug auf das Atom selbst, noch verobjektiviert er den Widerspruch zwischen Begriff und Existenz, der in ihnen liegt. Vielmehr geht sein ganzes Interesse darauf, die Qualitäten in bezug auf die konkrete Natur, die aus ihnen gebildet werden soll, darzustellen. Sie sind ihm bloß Hypothesen zur Erklärung der erscheinenden Mannigfaltigkeit. Der Begriff des Atoms hat daher nichts mit ihnen zu schaffen.

Um unsere Behauptung zu erweisen, ist es zuvörderst nötig, uns mit den Quellen zu verständigen, die sich hier zu widersprechen scheinen.

In der Schrift De placitis philosophorum heißt es: »Epikur behauptet, den Atomen komme dies Dreifache zu: Größe, Gestalt, Schwere. Demokrit nahm nur zweierlei an: Größe und Gestalt; Epikur setzte diesen als Drittes die Schwere hinzu.« Dieselbe Stelle findet sich, wörtlich wiederholt, in der Praeparatio evangelica des Eusebius.

Sie wird bestätigt durch das Zeugnis des Simplicius und Philoponus, nach dem Demokrit den Atomen nur den Unterschied der Größe und der Gestalt zugeteilt hat. Direkt entgegen steht Aristoteles, der im 1. Buch De generatione et corruptione den Atomen des Demokrit verschiedenes Gewicht beilegte. An einer andern Stelle (im 1. Buch De coelo) läßt Aristoteles unentschieden, ob Demokrit den Atomen Schwere beigelegt habe oder nicht; denn er sagt: »So wird keiner der Körper absolut leicht sein, wenn alle Schwere haben; wenn aber alle Leichtigkeit haben, wird keiner schwer sein.« Ritter in seiner »Geschichte der alten Philosophie« verwirft, auf das Ansehen des Aristoteles sich stützend, die Angaben bei Plutarch, Eusebius und Stobäus; die Zeugnisse des Simplicius und Philoponus berücksichtigt er nicht.

Wir wollen zusehen, ob sich jene Stellen wirklich so sehr widersprechen. In den angeführten Zitaten spricht Aristoteles von den Qualitäten des Atoms nicht ex professo. Dagegen heißt es im 7. Buch der »Metaphysik«: »Demokrit setzt drei Unterschiede der Atome. Denn der zugrunde liegende Körper sei der Materie nach einer und derselbe; er sei aber unterschieden durch den rhysmos, das die Gestalt, durch die tropê, das die Lage, oder durch die diathigê, das die Ordnung bedeutet.« Soviel folgt sogleich aus dieser Stelle.32 Die Schwere wird nicht als eine Eigenschaft der demokritischen Atome erwähnt. Die zersplitterten, durch die Leere auseinandergehaltenen Stücke der Materie müssen besondere Formen haben, und diese werden ganz äußerlich aus der Betrachtung des Raumes aufgenommen. Noch deutlicher geht dies aus folgender Stelle des Aristoteles hervor: »Leukipp und sein Genösse Demokrit sagen, die Elemente seien das Volle und das Leere..... Diese seien Grund des Seienden als Materie. Wie nun diejenigen, die eine einzige Grundsubstanz setzen, das andere aus deren Affektionen erzeugen, indem sie das Dünne und das Dichte als Prinzipien der Qualitäten unterstellen: auf dieselbe Weise lehren auch jene, daß die Unterschiede der Atome Ursachen des andern seien; denn das zum Grunde liegende Sein unterscheide sich allein durch rhysmos, diathigê und tropê..... Es unterscheide sich nämlich A von N durch die Gestalt, AN von NA durch die Ordnung, Z von N durch die Lage.«

Es folgt aus dieser Stelle evident, daß Demokrit die Eigenschaften der Atome nur in bezug auf die Bildung der Unterschiede der Erscheinungswelt, nicht in bezug auf das Atom selbst betrachtet. Es folgt ferner, daß Demokrit die Schwere nicht als eine wesentliche Eigenschaft der Atome hervorhebt. Sie versteht sich ihm von selbst, weil alles Körperliche schwer ist. Ebenso ist selbst die Größe nach ihm keine Grundqualität. Sie ist eine akzidentelle Bestimmung, die den Atomen schon mit der Figur gegeben ist. Nur die Verschiedenheit der Figuren – denn weiter ist in Gestalt, Lage, Stellung nichts enthalten – interessieren den Demokrit. Größe, Gestalt, Schwere, indem sie zusammengestellt werden, wie es vom Epikur geschieht, sind Differenzen, welche das Atom an sich selbst hat; Gestalt, Lage, Ordnung [-] Unterschiede, welche ihm in bezug auf ein anderes zukommen. Während wir also bei Demokrit bloße hypothetische Bestimmungen zur Erklärung der Erscheinungswelt finden, wird sich uns bei Epikur die Konsequenz des Prinzips selbst darstellen. Wir betrachten daher seine Bestimmungen der Eigenschaften des Atoms im einzelnen.

Erstens haben die Atome Größe. Andrerseits wird auch die Größe negiert. Sie haben nämlich nicht jede Größe, sondern es sind nur einige Größenwechsel unter ihnen anzunehmen. Ja es ist nur die Negation des Großen ihnen zuzuschreiben, das Kleine, und auch nicht das Minimum, denn dies wäre eine rein räumliche Bestimmung, sondern das Unendlichkleine, das den Widerspruch ausdrückt. Rosinius in seinen Adnotationen zu den Fragmenten des Epikur übersetzt daher eine Stelle falsch und übersieht die andere gänzlich, wenn er sagt: »Hujusmodi autem tenuitatem atomorum incredibili parvitate arguebat Epicurus, utpote quas nulla magnitudine praeditas ajebat, teste Laertio X, 44.« Ich will nun keine Rücksicht darauf nehmen, daß nach Eusebius erst Epikur unendliche Kleinheit den Atomen zugeschrieben, Demokrit aber auch die größten Atome – Stobäus sagt sogar, von Weltgröße – angenommen habe.

Einerseits widerspricht dies dem Zeugnis des Aristoteles, andrerseits widerspricht Eusebius oder vielmehr der alexandrinische Bischof Dionysius, den er exzerpiert, sich selbst; denn in demselben Buche heißt es, Demokrit habe als Prinzipien der Natur unteilbare, durch die Vernunft anschaubare Körper unterstellt. Allein soviel ist klar, Demokrit bringt sich den Widerspruch nicht zum Bewußtsein; er beschäftigt ihn nicht, während er das Hauptinteresse Epikurs bildet.

Die zweite Eigenschaft der epikureischen Atome ist die Gestalt. Allein auch diese Bestimmung widerspricht dem Begriff des Atoms, und es muß ihr Gegenteil gesetzt werden. Die abstrakte Einzelheit ist das Abstrakt-sich-Gleiche und daher gestaltlos. Die Unterschiede der Gestalt der Atome sind daher zwar unbestimmbar, allein sie sind nicht absolut unendlich. Vielmehr ist es eine bestimmte und endliche Anzahl von Gestalten, durch die die Atome unterschieden werden. Es ergibt sich hieraus von selbst, daß es nicht so viel verschiedene Figuren als Atome gibt, während Demokrit unendlich viele Figuren setzt. Hätte jedes Atom eine besondere Gestalt, so müßte es Atome von unendlicher Größe geben; denn sie hätten einen unendlichen Unterschied, den Unterschied von allen übrigen, an sich, wie die Leibnizischen Monaden. Die Behauptung von Leibniz, daß nicht zwei Dinge sich gleich seien, wird daher umgekehrt; und es gibt unendlich viele Atome von derselben Gestalte, womit offenbar die Bestimmung der Gestalt wieder negiert ist; denn eine Gestalt, die [sich] nicht mehr von anderm unterscheidet, ist nicht Gestalt.33

Höchst wichtig ist es endlich34, daß Epikur als dritte Qualität die Schwere anführt; denn im Schwerpunkt besitzt die Materie die Ideale Einzelheit, die eine Hauptbestimmung des Atoms bildet. Sind also die Atome einmal in das Reich der Vorstellung versetzt, so müssen sie auch schwer sein.

Allein die Schwere widerspricht auch direkt dem Begriff des Atoms; denn sie ist die Einzelheit der Materie als ein Idealer Punkt, der außerhalb derselben liegt. Das Atom ist aber selbst diese Einzelheit, gleichsam der Schwerpunkt, als eine einzele Existenz vorgestellt. Die Schwere existiert daher für den Epikur nur als verschiedenes Gewicht, und die Atome sind selbst substantielle Schwerpunkte wie die Himmelskörper. Wendet man dies auf das Konkrete an: so ergibt sich von selbst, was der alte Brucker so wunderbar findet und was uns Lukrez