Die Wiederentdeckung meiner Stille - Catherine Eschweiler - E-Book

Die Wiederentdeckung meiner Stille E-Book

Catherine Eschweiler

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Beschreibung

Von einem Tag auf den anderen traute sie sich nicht mehr in die Natur, der Wald machte ihr Angst und schon der Gedanke daran versetze sie in Panik. Viele Jahre sollten vergehen, bis sie endlich ihre wichtige Aufgabe darin erkannte. Auf der tiefsten Reise ihres Lebens, einer Visionssuche im Tessin, bekam sie schlussendlich all die Antworten auf ihre Fragen und das größte Geschenk für ihr Leben. Die Wiederentdeckung ihrer Stille! Dies ist die Geschichte über die Reise zurück zu sich selbst, dem eigenen Innern und der heilenden Stille, die nur die Natur schenken kann.

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In liebevollen Gedenken an meine geliebte Oma Erika Sie schickte mir im Traum die wohl - lebe, liebe, atme - Danke für deine Leibe und die große Aufgabe für mein Leben

Inhalt

Vorwort

Vorwort von Johanna Tiefenbeck

I. Aufbruch ins Neue

Die Medizinwanderung

Tag 1 – Die Ankunft im Tessin

Tag 2 – Der Aufstieg

Tag 3 – Auf dem Berg

Tag 4 – Die Stillezeit beginnt

Tag 5 – Ein neuer Morgen inmitten der Natur

Tag 6 – Aufbruch ins Neue

Tag 7 – Abschied vom Berg

Tag 8 – Der heilende Frauenkreis

Tag 9 – Der Abschied

Meine Heldenreise – Wer bin ich ab jetzt?

Epilog

II. Trau dir selbst das Größte zu

Jetzt geht meine Reise erst richtig los

Die Ankunft zu Hause

Die Suche nach meinem Weg

Hingabe oder Aufgabe

Inneres Kind heilen

Vergebung

In der Stille fand ich Gott

Körper Geist Seele im Einklang

Allein im Wald

Die Visionssuche

Gefühle und Empfindungen befreien – werde frei und vergebe

In Liebe annehmen was ist

Fest verwurzelt im eigenen Selbst

Der Stille immer wieder Raum geben

Das Drama verlassen

Vertrauen

Dankbarkeit

In Einfachheit leben

Die Wildheit in mir will leben

Zurück zur wilden Natur

Glaube

Glaube an Wunder

Sprache des Herzens – Die Liebe in allem finden

Loslassen und Neues wagen

Aufbruch ins Neue – das Unbekannte lieben lernen

Was ist für dich ein gut gelebtes Leben?

Epilog

Danksagung

Stillemeditation

Über die Autorin

Was ist eine Visionssuche?

Über Johanna Tiefenbeck:

Quellenverweise

Vorwort

Wenn Stille zu mir findet, kann Heilung entstehen, Frieden wirken und ich kann ganz werden.

Diese meine Reise ist bewegend und klar und sie ist so, wie ich mich ihr widme. Wenn ich mit Freude und Leichtigkeit daran gehe, werde ich Freude und Leichtigkeit empfinden. Gehe ich mit Angst und Sorge daran, werde ich viele sorgenvolle Momente durchleben.

Das Leben schenkt dir genau immer das, was du lernen darfst. Es lässt dich spüren, wo du Sorge trägst und wo du heilen darfst.

Diese Reise machte mir das unerwartet schönste und zugleich größte Geschenk. Die Wiederentdeckung meiner Stille und die Rückverbindung mit der Natur. Sie schenkte mir einen neuen Blick auf mein zuvor schweres Leben. Erlöste mich von alten Dämonen und gab mir die Schönheit des Lebens zurück. Ich gewann neue Klarheit über mein Leben als Frau und durfte anderen Frauen auf herzvolle Weise begegnen.

Vorwort von Johanna Tiefenbeck

Schön, dass du dich für dieses Buch interessierst.

In diesen Seiten, die du nun in den Händen hältst, wirst du Zeuge*in einer außergewöhnlichen Reise, einer Reise zum Ursprung unseres Seins.

Du wirst den Atem der Schweizer Berge spüren und die endlosen Weiten der Natur wahrnehmen. Doch diese Reise ist weit mehr als nur ein Aufenthalt in einer atemberaubenden Landschaft. Es ist eine Reise nach Innen. Catherine nimmt uns mit auf ihre Visionssuche, die ich begleiten durfte, wofür ich sehr dankbar bin. Sie teilt mit uns ihre Erfahrungen und Erkenntnisse, die sie tief verändert haben.

Catherine ist eine Frau, die den Mut fand, sich ihren Ängsten zu stellen und sie dadurch transformieren konnte. Sie hat ihre Komfortzone verlassen, um den Pfad der Selbsterkenntnis und -reflexion zu betreten. Sie teilt mit uns ihre persönliche Erfahrung während dieser intensiven Visionssuche im Schweizer Tessin.

Eingehüllt in die Stille der Berge, begleitet von den klaren Bächen und dem sanften Rascheln der Blätter, fand sie ihren eigenen Weg zurück zu ihrem Herzen und dem Ruf ihrer Seele.

Es ist ein großartiges Geschenk, welches Catherine den Leser*innen dieses Buches macht. Möge es dein Herz berühren und deine Seele zum Singen bringen. Möge es dich dazu inspirieren, deinen eigenen Weg zu finden und deine Träume ins Dasein zu träumen.

Also los gehts, schnüre deine Wanderschuhe und bereite dich auf das Abenteuer ins Unbekannte vor.

Dir, liebe Catherine, möchte ich an dieser Stelle von Herzen Danke sagen, für deine Offenheit, deinen Mut, dich ungeschminkt zu zeigen und uns alle an deiner Visionssuche teilhaben zu lassen. Es ist ein Geschenk an die Welt.

Mögest du mit diesem Buch viele Menschen ermutigen und berühren, dem Ruf der Seele zu lauschen und Neues zu wagen.

Herzlichst Johanna Tiefenbeck von turya.eu

I. Aufbruch ins Neue

Die Medizinwanderung

Das unbekannte Abenteuer sollte starten. Eine Reise zu mir selbst und den Geheimnissen der Natur - unter dieser Prämisse stand meine Bereitschaft mich einzulassen.

Johanna, die Organisatorin der Reise, schrieb mir vor Beginn, dass es die wichtigste Reise eines jeden Menschen sei. Dass der Geist sich bereits davor darauf einstellt, und ich auf meine Träume, Gedanken und Inspirationen achten sollte. Mit wachem Blick den Raum des Nichtwissens darüber achten dürfte, was mir dort oben auf dem Berg begegnen würde. Wer auf eine Visionssuche geht, würde die Bereitschaft brauchen, etwas anderes zu empfangen, als das, was er sich vorgestellt hatte.

Vor der eigentlichen Reise sollte ich eine Medizinwanderung unternehmen, um mich dem, was auf mich zukommt, langsam zu öffnen und mich darauf einzustellen. Es hieß weiter: „Du gehst morgens, möglichst bei Sonnenaufgang los, du hast kein Ziel im Sinn, du folgst einfach deiner Intuition. Du gehst, du schaust, du lauscht, du sitzt und gehst natürlich allein. Schweigend und fastend folgst zu deinem Innersten. Vielleicht hast du Fragen, du erforscht sie nicht, du trägst sie in dir – vielleicht taucht eine Antwort auf – vielleicht auch nicht. Du kehrst erst bei Sonnenuntergang wieder zurück und schreibst deine Eindrücke in dein Visionstagebuch, welches du mit auf den Berg nimmst.“

Andächtig lief ich an diesem Morgen los. Nichtwissend, was mich erwarten würde. Was mir begegnen und ob ich mir selbst auf einer anderen Art und Weise näherkommen würde. Ich lief ohne Eile und Hast, Schritt für Schritt den Berg hinauf Richtung Wald. Mir war warm an diesem Morgen. Die Sonne schlief noch hinter den Bäumen und die Luft war frisch und duftete klar und rein nach Fichten. Jeder Schritt den ich setzte fühlte sich dennoch schwer und behäbig an. Mir schien es, als würde ich eine riesige Last tragen. Lasten meiner Ahnen, meiner Selbst, meiner geliebten Oma?

Ich erinnerte mich daran, wie ich vor knapp zehn Jahren eine wahre Panik vor dem Wald bekam. Von einem auf den anderen Tag war sie plötzlich da. Ließ sich nicht wegdrücken, gar schönreden. Es schien mir unerklärlich. Ich konnte nicht mehr in den Wald, hatte Angst vor allem, vor der Dunkelheit des Waldes, vor den Geräuschen und den innewohnenden Geschöpfen und besonders vor der Stille. Wie gelähmt fühlte sich mein Zustand an und lange verstand ich nicht wieso. Vielleicht konnte die Reise mir dafür Heilung schenken.

Immer tiefer lief ich an diesem Morgen in den Wald. Viel hatte ich mit dieser damaligen Angst gearbeitet, doch schien sie nun sehr präsent nochmals hochzukommen.

Hier und da raschelte es im Unterholz. Es knackte, Äste zerbrachen und meine Beklommenheit nahm mehr und mehr zu. Unbeirrt lief ich jedoch weiter, denn etwas zog mich. Wie ein stiller Sog, der mich den Berg nach oben beförderte, und doch hatte ich eine leise Vorahnung, wo ich landen würde.

Die Dunkelheit um mich herum bescherte mir Gänsehaut. Ich spürte, wie mir abwechselnd heiß und wieder kalt wurde. Es schien mir fast, als würde sie immer näherkommen. Mich packen zu wollen. Die düsteren Bäume, Äste, Zweige, die dichte Dunkelheit: Alles wirbelte meine Gedanken angstvoll durcheinander. Ich blickte in die Abgeschiedenheit meines Weges und sah, wie aufsteigender Nebel langsam aus dem Unterholz auf mich zu krabbelte. Es schien mir, als würden sich daraus Gestalten formen, die wabernd immer näher kamen. Sie tänzelten gehässig um mich herum, und meine Gedanken ritten durch meinen Kopf, wie wild gewordene Pferde.

Dann blieb ich stehen. Bewusst, ganz präsent atmete ich langsam und gleichmäßig. Ich musste mich beruhigen, die Enge in meinem zugeschnürten Hals lösen, um weiter gehen zu können. Ich atmete mit geschlossenen Augen in die Dunkelheit. Ein und wieder aus. Ganz langsam, um meine Angst unter Kontrolle zu bekommen und nicht noch Panik daraus werden zu lassen.

Langsam beruhigte ich mich wieder und meine wild gewordenen Phantasien spielten mir keine weiteren Streiche. Ich setzte meinen Weg fort und beobachtete meine Gedanken. Wie kam es, dass ich hier draußen im Wald vom Allerschlimmsten ausgehen würde? Woher kamen diese schrecklich düsteren und zerstörerischen Gedanken? Fragen um Fragen verstopften meinen müden und trägen Kopf. Ich ließ sie gewähren und wieder ziehen. Ließ einfach zu, dass sie an mir zupften und ging unbeirrt den Weg weiter.

Der Wald um mich herum wurde immer dichter, dunkler. Ich lief auf eine vor mir liegende Lichtung zu. Hier und da kreischte ein Vogel, verärgert, aufgeregt, wütend, wie eine Warnung, die er an den Wald abgeben wollte. War ich ein Eindringling? War ich ungebeten eingetreten und nicht willkommen?

Meine Schritte lösten knackend hallende Geräusche aus, ich lief gedankenverloren immer weiter und fand mich plötzlich wie durch Zauberhand in einem Feld grünen, dichten Mooses wieder. Der Boden fühlte sich weich und wohlig an. Langsam lugten erste Lichtstrahlen durch die verstreut stehenden Fichten.

Der ausgetretene Waldweg lag einiges von mir entfernt, und plötzlich vernahm ich ein brummend ratterndes Geräusch. Es kam näher und näher und wurde unaufhörlich lauter. Mechanisch scheppernd knatterte es durch den Wald. Ein bedrückendes Gefühl stieg in mir auf. Es war beklemmend und ich empfand Hilflosigkeit, gefolgt von rasender Angst. Ich konnte kaum atmen, so als würde mir die Situation jegliche Luft nehmen. Näher und näher donnerte das Fahrzeug auf dem Waldweg in meine Richtung. Und dann hielt es mit einem Mal. Ein innerer Impuls forderte mich dazu auf, mich sofort zu ducken. Die Tür öffnete sich und wurde heftig ins Schloss zurückgeworfen. Noch immer saß ich geduckt im Dickicht und beobachtet das Geschehen. Mein Herz pochte bis zum Hals und immer wieder spielte meine Fantasie vollkommen verrückt mit mir. Wieso nahm mich das so mit, und wieso hatte ich eine derartige Angst, als würde ich verfolgt werden.

Es knackte, Äste brachen, Schritte kamen näher in meine Richtung, hielten mal an, stoppten abrupt. In mir stiegen die düstersten Gedanken hoch. Es fühlte sich gar an, als wäre ich von etwas besetzt. Als würde diese Empfindung nicht zu mir gehören. Als würde ich sie nochmals für jemand anderen durchleben. Ich atmete schwer und bekam kaum Luft, so sehr nahm mich die Situation mit. Immer wieder schaute ich in Richtung des Fahrzeuges, horchte auf die Stimmen, die langsam immer mehr verstummten. Bis dann endlich die Fahrertür wieder geöffnet wurde und das Fahrzeug sich mit einem rasanten Getöse in Bewegung setzte. Erleichtert und etwas verstört atmete ich auf. Ich blickte um mich und beobachtete die funkelnden Lichtstrahlen, die durch die Fichten blitzten. Vollkommen aufgelöst schnellten Fragen durch meinen Kopf. Wie konnte mir das so unglaublich viel Angst bereiten? Durchlebte ich erneut etwas durch meine Ahnen? Auf was sollte ich stoßen? Es war, als wollte mir das Geschehene eine wichtige Botschaft mitgeben.

Langsam erhob ich mich aus dem verzweigten Unterschlupf und setzte mich angsterfüllt auf einen Baumstumpf. Ich fühlte mich elend, wie gefangen, und in diesem Moment brach alles aus mir heraus. Dicke Tränen liefen mir unaufhörlich die Wangen hinab. Ich schluchzte, Tränen tropften wieder und wieder auf meine Jacke. Wimmernd saß ich wie versteinert auf dieser Lichtung. Ich fühlte mich nackt, hilflos, gebrochen.

Wie sollte ich das weiterhin schaffen? Wie konnte ich weitergehen, wenn mich schon jetzt eine derartige Situation so aus der Bahn warf?

Ich bin es nicht mehr gewohnt, sichtbar ausgetretene Waldwege zu verlassen. Direkt durch das Unterholz zu laufen, ohne dass mir ein Wegweiser zeigt wo es langgeht. Es macht mir Angst und lähmt mich. Nimmt mir die Luft zum Atmen und das sichere Gefühl beschützt zu sein. Und vielleicht ist genau diese Begebenheit ein so wichtiges Zeichen für mich und mein Leben. Neue Wege zu gehen, sich mutig dem Unbekannten hinzuwenden. Neue unentdeckte innere Qualitäten zu entdecken, die schlummernd auf ihren Einsatz warten.

Ich nahm all meinen Mut zusammen und setzte meine Reisen fort. Nach und nach wich die Angst und wurde durch frische neue Energie ersetzt. Innere aufkommende Ruhe und Klarheit erfüllten mich mit neuem Lebensmut.

Der Morgen erwachte durch lautes Gezwitscher und von überall her kamen die verrücktesten Laute. Mal schrilles Gepipse, mal melodisches Gezirpe, mal brüllend laute Schreie. Es hatte etwas von einem heimischen Dschungel.

Ich atmete gleichmäßig, ganz ruhig. Schritt für Schritt folgte ich dem Weg. Folgte dem Pfad hinauf in Richtung des vor mir liegenden Berges. Jeder Schritt erschwerte mir den Aufstieg. Ich zitterte, Hitze und Kälte krabbelten mir gleichsam über alle Glieder. Mein geschwächter müder Körper schwankte vor Kälte und ich setzte mich erschöpft auf die dortige Bank. Gedankenverloren schweifte mein Blick über die Baumkronen. Das Siebengebirge lag mir zu Füßen und ich fühlte in mir eine Art Demut, tiefe Dankbarkeit für diesen wundersam heiligen Ort. Alles schien noch schlafend zu ruhen. Kaum ein menschengemachtes Geräusch war zu hören. Ganz ruhig lag die Stadt vor mir noch in tiefem Schlaf.

Aus meinem Rucksack zog ich unterdes meine Thermoskanne mit heißem Tee und die mitgebrachte Decke hervor. Eingehüllt trank ich kleine Schlückchen und beobachtete den herannahenden Morgen. Die Sonne lugte langsam über den Rand des Horizonts, tauchte die grünen Kronen der Bäume in ein zart rosafarbenes Licht. Jetzt und hier fühlte ich in der Stille des Morgens allumfassende Schönheit und Reinheit. Ich war beseelt und fühlte mich vollkommen geborgen auf dem thronenden Rücken des steinernen Bergmassivs.

Von der wilden Schönheit übermannt, überkam mich langsam eine tiefe Müdigkeit. Und so fiel ich in einen leichten, halb wachen Schlaf. Mal träumte ich, mal saß ich schläfrig dämmernd da. Alles schien unwirklich, gar von gellender Fantasterei umgeben. Wild zerrissene Fetzen aus verwirrenden Bildern präsentierten sich mir. Ich konnte sie kaum zuordnen, geschweige denn deuten und so verbrachte ich einige Stunden halb schlafend auf der Bank hoch oben am Berg.

Es war gegen Mittag, als ich meine Augen langsam wieder öffnete. Ich musste einige Stunden in diesem Wachschlaf verbracht haben und konnte mich kaum an Bilder oder Träume erinnern. Nur dieser aufkommende Gedanke schien einen Sinn zu haben. Ich brauchte den Überblick, um mich sicher und geborgen zu fühlen.

Ich brauchte die Weite, die Distanz, um eine neue Sichtweise zu erlangen. Den Abstand, um wieder mit gestärkter Energie mein Leben leben zu können.

Fröstelnd und zugleich schläfrig packte ich meine Sachen zusammen und trat den Abstieg an. Das Fasten, so merkte ich, war mit mir allein, hier draußen, leichter. Denn ohne die äußerliche Ablenkung konnte ich ganz zu mir finden und die Klärung, die es mit sich brachte, annehmen. Ich spürte, wie sehr ich diese Entgiftung gebraucht hatte, wie ich an Kraft gewann und so schien es mir, als würde sich mein Körper neu sortieren.

So lief ich in mir ruhend weiter durch den Wald. Gezogen von einer unsichtbaren Kraft. Einem magnetischen Sog, der den für mich passenden Platz bereit hielt. Ich lief unwegsame Pfade entlang, wurde immer mutiger und verlor komplett das Gefühl für Zeit und Raum. Es musste nachmittags sein, denn die Sonne hatte gedreht und schien aus schrägen Winkeln durch den schattigen Wald. Die Strahlen fielen wie leuchtende Silberpfeile vereinzelt durch die mächtigen Eichenbäume. Sie schienen sich zu duellieren und stachen gewaltig in den Erdboden. Ein zauberhaftes Momentum inmitten dieses mystisch verwegenen Waldstückes.

Allein, ich, inmitten der Natur. Ein seltsam wechselndes Gefühl zwischen Vertrautheit und nackter Angst. Mal setzte ich mich, mal lief ich. Ich folgte den Gesetzmäßigkeiten der Natur und dem Feld des Waldes. Schlief vereinzelt oder saß Stunden beobachtend inmitten des Waldes, vollkommen ruhend oder entblößt, verängstigt einfach nur da. Der Tag war ein auf und ab zwischen Gefühlen, Empfindungen, von Langeweile und innerer Eile, von Entspannung, tiefer Verbundenheit und Liebe zur Natur in mir selbst.

Immer wieder suchten mich neugierig die Tiere des Waldes auf. Beäugten mich und es schien, als hätten allesamt mir etwas Wichtiges zu sagen oder würden mit mir kommunizieren wollen. An diesem Tag begleitete mich der Bussard auf all meinen Wegen. Er zog Kreise über mich oder saß bewegungslos auf Baumstümpfen. Er ist mein Krafttier, mein liebgewonnener Beschützer und Hüter. Er taucht auf, wenn ich draußen in der Natur wandere und erinnert mich jedes Mal an seine wichtige Botschaft:

„Der Bussard kommt in dein Leben und bringt dir Präsenz, Klarheit und Fokus. Es liegt an dir, dass das Alte gehen darf und das Neue so richtig viel Platz bekommt. Worauf richtest du dich aus? Meditiere viel. Sei beim Atmen und alles geht und kommt von alleine.“1

Langsam kehrte wieder Ruhe in den geschäftigen Wald ein. Es war erstaunlich, wie wach und präsent ich war. Geleert von wirren Gedanken und vollkommen angebunden, eins mit der Natur.

Gegen Abend zog es mich an einen kleinen Bachlauf. Ich war dem ausgetrockneten Rinnsal gefolgt und wurde wie magisch an diesen Platz gezogen. Still setzte ich mich hockend auf den Waldboden. Ich fühlte mich wie ein unentdeckter Krieger, ein stiller Hüter des Waldes. Und so passierte etwas sehr Bezauberndes. Ich beobachtete die Landschaft und nahm plötzlich zwei Tiere vor mir wahr.

Eine Ricke mit ihrem neugeborenen Kitz. Achtlos streiften sie vor mir durchs Dickicht. Sie waren so nah, so greifbar vor meinen Augen. Kaum zehn Meter von mir entfernt. Sie schienen mich nicht wahrzunehmen. Aßen junge Triebe und blickten ab und an auf. Schauten sich um und blieben dennoch vollkommen ruhend in sich. Ich war verblüfft und sprachlos zugleich. War ich bereits Teil des Waldes geworden? War ich eins mit der Natur, mit den Tieren, dem natürlichen Feld? Reglos saß ich lange dort und beobachtete diese vollkommene Schönheit, dieses liebevolle Miteinander zwischen zwei wunderschön anmutigen und normalerweise schreckhaften Tieren.

So nahm der Tag langsam ein Ende. Die Sonne tauchte in ihre schönsten Farben und zauberte ein Farbspektakel auf den heranziehenden Abendhimmel. An einer Anhöhe verweilte ich, bis die Sonne den Horizont küsste und resümierte über den vergangenen Tag. Die wichtigsten Erkenntnisse schrieb ich in mein Tagebuch, das ich auf meiner Reise mitgenommen hatte:

Ich darf mich immer wieder verbinden, denn Mama Erde löst dich von Gedanken, die in deinem Kopf vielfach kreisen. Ich habe meine Angst Mama Erde gegeben. Ich darf anfangen meinen Weg zu gehen und darf mein eigenes Tempo gehen. Ich darf Erfolge feiern, sie genüsslich auskosten. Ich darf mich fallen lassen und einfach nur sein.

Ich bin ein Teil des Waldes geworden, denn sogar die Tiere nehmen mich kaum wahr. Ich besiege die Angst in meinem Kopf, wenn ich mich ihr zuwende, bin mutig, stark und beeindruckt von mir selbst.

Mein starker Wille wird mich tragen. Ich bin mehr als ich denke. Alles ist da. Immer.

Alles jetzt ist richtig hier.

Alles kommt zur rechten Zeit.

Alles geht, wenn die Zeit ist reif.

Alles bleibt, wenn´s bleiben darf.

Alles zur rechten Zeit.

Nun war ich vorbereitet auf das wohl größte Abenteuer in meinem Leben.

Tag 1 – Die Ankunft im Tessin

Meine Reise begann mit einem mulmig ungeduldigen Gefühl in mir. Was wird mich erwarten? Was für Frauen werden mir mit ihren Geschichten begegnen? Werde ich mich trauen, mir selbst roh und nackt zu begegnen, oder werde ich mein Herz verschlossen lassen?

Ich kam nach einer langen mit Musik untermalten Fahrt in der Schweiz an und trug den Gedanken in mir, mehr Leichtigkeit in mein Leben einzuladen, mir selbst wieder auf einfühlsame Weise mit vollem Sein offen zu begegnen und mich zu spüren.

Die alten Muster und Glaubenssätze hatte ich allerdings auch im Gepäck und so ließ ich mich nach langer Zeit wieder darauf ein, etwas Neues auszuprobieren. Ich hätte weiterfahren können, ich hätte bis zu meinem Ziel durchfahren können, als eine kleine zarte Stimme zu mir flüsterte. Nein. Und das Nein war neu.

Was ist, wenn ich mich auf Neues einlasse und Neues zulasse? Was passiert dann mit mir?

Vielleicht klingt es banal, sonderbar, einfach und unscheinbar.

Ich traf die Entscheidung, die Autobahn vor meinem Ziel zu verlassen und eine Pause einzulegen. Meine Route führte mich über Lausanne, entlang eines Sees und ich entschied: Hier möchte ich einen Moment verharren.

Ein neues Gefühl für mich. Pause. Ein mir verborgenes Wort, ein Zustand den ich lange nicht mehr gespürt und an mich herangelassen hatte.

So fand ich diesen zauberhaften Ort, einen Platz am See, der bläulich glitzernd strahlte. Ich setze mich in ein nah am Wasser gelegenes Restaurant und lauschte dem Wasser, dem Treiben am kleinen Hafen, den lautstark, heiteren Gesprächen der Menschen um mich herum und entdeckte mich.

Allein mit mir, so ein wunderbar neues, schönes, warmes Gefühl. So lange hatte ich mich selbst ignoriert und mich nicht mehr empfunden. Hatte die Bedürfnisse anderer in den Vordergrund gestellt und mich vergessen.

Vor meiner anstehenden Fastenzeit bestellte ich mir einen Teller Bruscetta, einen Salat und etwas zu trinken. Mit sehnsüchtigem Blick auf den See erkannte ich die Schönheit in diesem Moment. Ich erkannte mich, ich erkannte die sehnend fragwürdigen Blicke so Vieler. Besonders so vieler Frauen, und ich konnte ihre Gedanken erahnen.

Was macht sie so ganz allein?

Wurde sie versetzt?

In den starren und fragenden Blicken erkannte ich aber auch ihre eigene Sehnsucht. Nur mit sich zu sein. Voller Genuss aß ich meine Mahlzeit, die wohltuend und bekömmlich war und trank genüsslich kleine Schlückchen des köstlichen Getränkes. Mit sattem Gefühl und dem neuen Drang in mir, mich wieder selbst zu entdecken, setze ich meine Reise fort. Die Natur bot mir ein Schauspiel am Himmel, rotdurchtränkt lag der Himmel satt über den Gipfeln und der Weg schlängelte sich durch einsame, malerisch verlassene Dorfketten.