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Oshos Antworten zu Fragen der Geschlechterverhältnisse sind von verblüffender Aktualität In diesen Texten über Frauen und Männer zeigt sich der rebellische und unabhängige Geist Oshos in aller Klarheit. Provokant und in vielem seiner Zeit voraus, analysiert er die Stellung der Frauen in westlichen und östlichen Gesellschaften. Von Orgasmus, Intimität, Prostitution, Frauenbewegung, Mutterschaft, Alter, Geburtenkontrolle und Patriarchat reicht die Spanne der Themen, über die er spricht. Voller Tiefe, Anteilnahme und Humor fordert er dazu auf, eigene aber auch die gesellschaftlichen Konzepte über das Leben mit dem anderen Geschlecht loszulassen und in den wirklichen Kontakt mit dem Gegenüber zu gehen. Solche Begegnungen können das Verhältnis zwischen Männern und Frauen revolutionieren. Denn das ist es, worum es Osho geht: eine feminine Qualität in unser Zusammenleben zu bringen.
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Seitenzahl: 202
Die Vorlage zu diesem Buch ist das gesprochene Wort Oshos. Die Diskurse sind, wie alle seine „Talks“, aus dem Stegreif vor einer großen Zuhörerschaft gehalten und wurden vom Tonband übersetzt. Die Redaktion der deutschen Übersetzung folgt der englischen Buchausgabe und gibt, wie diese, so genau wie möglich den spontanen Redefluss Oshos wieder. Alle Osho Diskurse sind als Originale publiziert worden und als Original-Audios erhältlich. Audios und das vollständige Text-Archiv finden sie unter der Onlinebibliothek „Osho Library“ bei www.osho.com
Titel der englischen Originalausgabe: A New Vision of Women‘s Liberation
Ebookausgabe 2021
Umschlaggestaltung: Bunda S. Watermeier, www.watermeier.net
Übersetzung: Nirvano Spohr
Copyright © 1965, 2021 OSHO International Foundation, Zürich, Switzerland
www.osho.com/copyrights
Copyright © 2021 Innenwelt Verlag GmbH, Köln
www.innenwelt-verlag.de
Alle Rechte vorbehalten
OSHO® ist eine registrierte Handelsmarke der Osho International Foundation,
Schweiz, lizensiert durch diese. www.osho.com/trademarks
eISBN 978-3-947508-89-1
Vorwort
Teil I
Die Unterschiede zwischen Mann und Frau
Wenn du nicht weißt, was dir entgeht …
Die Angst vor Intimität
Die Verschwörung der Männer
Dein männlicher Chauvinismus ist verletzend!
Niemand will benutzt werden
Ohne Freiheit stirbt die Liebe
Nur eine Sache lässt sich besitzen
Liebe ist wie ein Vogel im Flug
Du hast schon oft gelebt
Faszination und Angst hängen zusammen
Keine Geburtenkontrolle und keine Abtreibung: globaler Selbstmord
Im innersten Kern des Seins verwundet
Ein Sklave kann kein Freund sein
Tantra war nie männlich-chauvinistisch
Schwanger mit dir selbst
Wer will denn schon ein Mann sein?
Teil II
Interviewfragen
Als ich dieses Osho-Buch aus dem Jahre 1989 vor zwei Jahren das erste Mal in der Hand hielt, habe ich zunächst sehr gelacht. Das Format, die lila glänzende Schreibschrift mit Prägung auf dem Cover: alles atmete die Achtzigerjahre, altmodisch, unmodern, unfreiwillig komisch. Dann habe ich begonnen zu lesen. Und mein Lachen wich Staunen, an manchen Stellen fast Ehrfurcht, ob der Klugheit, der Modernität und der Radikalität dieser Texte, die in weiten Teilen heute, fast vierzig Jahre nach ihrem Entstehen ihrer Zeit in Vielem immer noch voraus sind. Und ich schüttelte den Kopf, war an manchen Stellen fassungslos über Formulierungen, Gedanken, Aussagen. „Kann man das so sagen? Darf man das so denken?“
Ich bin keine Sannyasin, war auch nie eine. Für mich hatte Osho nie die Stellung eines spirituellen Lehrers oder Gurus. Für mich ist er vor allem ein Philosoph, ein großer Denker, der viel über das Menschsein wusste.
Ihm war die Freiheit, vor allem die Freiheit des Geistes heilig. Hannah Arendt hat den wunderbaren Begriff des „Denkens ohne Geländer“ geprägt. Damit meinte sie ein Denken, das frei ist, frei von Konzepten, von Interessen, selbst von vordergründiger Moral. Nur ein solches Denken erlaubt es uns und unserem Geist wirklich in die Weite zu gehen. Wirklich Neues zu denken, wirklich neu zu denken. Für mich ist Osho ein Denker, der genau das tat.
Und er lädt uns ein, ihm darin zu folgen: frei zu denken, eigene und fremde Konzepte loszulassen und den Blick auf das Leben von Frauen und Männern zu wagen, wie es ist. In all seiner Schönheit und Grausamkeit. Seinen Texten ist jede Vorstellung von politischer Korrektheit fremd, ohne Filter spricht er aus, was er wahrnimmt und was gesagt werden will. Ganz ohne Rücksicht auf mögliche Befindlichkeiten.
Dabei übertritt er häufig Grenzen des heute Sagbaren. Und genau das macht dieses Buch für mich so wertvoll. An diesen Texten kann ich mich reiben, meine Vorstellungen an ihnen messen. Prüfen, was des Gesagten ich teile, was nicht und wo sich mein innerer Zensor meldet. Wo ich mir Gedanken, Wahrnehmungen nicht erlaube.
Und beim Thema Frauen und Männer ist das Feld des Nicht-Sagbaren groß. Das Verhältnis der Geschlechter erscheint immer komplizierter. Menschen, die sich in der Polarität von Mann und Frau nicht wiederfinden fordern lautstark ihren Raum ein. Sprache soll wenn möglich alle Varianten von Geschlechtlichkeit abbilden. Radiosendungen über Menstruation meiden den Begriff Frau aus Rücksicht auf Menschen, die mit ihrem weiblichen Körper nicht in Frieden leben. An manchen Stellen wird die Abschaffung der Benennung der Geschlechterdualität gefordert.
In diesen von Ideologien geprägten Diskurs hinein nun ein Buch das den Titel trägt „Die Zukunft gehört den Frauen“.
Schon der Titel ist eine Provokation. Was ist das denn, eine Frau? Nach tausenden Jahren des Patriarchats, ist das schwer zu ergründen. Was unserer Geschlechtlichkeit ist Zuschreibung, was Effekt von Jahrhunderten der Unterdrückung und Abwertung. Was ist genuin Weiblich? Gibt es etwas jenseits der Biologie? Und auch diesseits der Biologie: Was macht es mit unserer Wahrnehmung der Welt, einen Leib zu haben, der Leben schenken kann? In der Sexualität empfangen zu können? Welchen Einfluss haben Hormone wie Östrogen, das eine befreundete Ärztin als „Fürsorgehormon“ bezeichnet?
Auch wenn Osho die Begriffe Frau und Mann verwendet, so wird doch schnell deutlich, dass es ihm um etwas Größeres geht, als die in den Leib geschriebene Existenz. Er spricht über die Qualität des Femininen und des Maskulinen. Über die Qualitäten dieser beiden Pole, die nur gemeinsam ein Ganzes ergeben.
Immer noch wird die feminine Qualität systematisch abgewertet. Und vieles das sich heute Feminismus nennt, tut leider dasselbe. Gleichwertigkeit wird mit Gleichheit verwechselt. Statt eine Welt zu schaffen, in der das Feminine Raum hat und in seiner Qualität gewürdigt wird, wird uns vorgegaukelt, dass eine gleiche Teilhabe von Frauen am Patriarchat Gleichberechtigung sei. Sollen Frauen alles tun können, dass Männer tun. Das klingt verlockend. Wird Weiblichkeit doch oft immer noch vor allem mit Schwäche, mit Opfer identifiziert. Macht, Kraft, Einfluss scheinen rein maskuline Qualitäten. Welche Wunden dieses Missverständnis schlägt, beschreibt Osho schonungslos.
Er hält Frauen und Männern den Spiegel vor. Es braucht Mut in diesen Spiegel zu schauen. Sich mit der Fratze des Patriarchats zu konfrontieren und die eigenen Anteile darin zu sehen. Der eigenen Versehrtheit und der eigenen Täter-Innenschaft ins Auge zu sehen. Mut, mit einem kritischen Geist, jenseits jeder Ideologie den ehrlichen Blick auf die Wirklichkeit zu wagen.
Doch das ist die Voraussetzung für Frieden zwischen Frauen und Männern, dem Femininen und dem Maskulinen, auch in uns selbst.
Insofern brauchen wir keine Abschaffung der Dualität, wir brauchen eine Feier der Dualität, einen Tanz der Pole, denn nur der Gegensatz birgt die Möglichkeit, ganz zu werden. Wenn das gelingt, gehört die Zukunft nicht nur den Frauen, sondern allen Menschen.
Anne Petersen im Juli 2021
Mein erster Sannyasin hieß Ma Anand Madhu - eine Frau natürlich, denn genau das war meine Absicht.
Niemand außer mir hat je Frauen in Sannyas eingeweiht. Nicht nur das, ich wollte als Erstes eine Frau in Sannyas einweihen, um einfach wieder eine Balance herzustellen, um auszugleichen …
Natürlich wollte der Ehemann von Anand Madhu zuerst eingeweiht werden … das war im Himalaja, in Manali, wo ich ein Meditations-Camp leitete.
Ich lehnte das ab mit den Worten: „Du kannst nur Zweiter sein, nicht Erster.” Das machte ihn so wütend, dass er das Camp auf der Stelle verließ.
Von da an hab ich mich stets bemüht, Frauen so weit wie möglich nach vorn zu bringen. Das mag Männern vielleicht unfair erscheinen. Ist es nicht. Ich gleiche einfach ein paar Dinge aus. Nach Jahrhunderten, in denen Männer Frauen ausgebeutet haben, ist das keine leichte Aufgabe.
Osho, Glimpses of a Golden Childhood, Chapter #3
Die meisten Unterschiede zwischen Mann und Frau rühren von der jahrtausendealten Konditionierung her. Es sind keine grundlegenden natürlichen Unterschiede. Es gibt jedoch ein paar Verschiedenheiten, die die einzigartige Schönheit und Individualität von Mann und Frau ausmachen. Diese Unterschiede lassen sich an ein paar Fingern abzählen.
Einer besteht darin, dass die Frau imstande ist, Leben hervorzubringen, und der Mann nicht. In dieser Hinsicht ist er ihr unterlegen, und diese Unterlegenheit hat eine entscheidende Rolle in der Herrschaft des Mannes über die Frau gespielt. So funktioniert der Minderwertigkeitskomplex: Man tut so, als wäre man der Überlegene, und auf diese Weise macht man sich selbst und der ganzen Welt etwas vor. Darum hat der Mann seit undenklichen Zeiten die Genialität der Frau, ihre Talente und Fähigkeiten unterdrückt, um sich selbst und der Welt seine Überlegenheit zu beweisen.
Die Frau ist, solange sie ein Kind austrägt, für neun Monate und länger äußerst schutzbedürftig und vom Mann abhängig. Die Männer haben das auf sehr hässliche Weise ausgenutzt. Das ist aber nur ein physiologischer Unterschied, der überhaupt nicht ins Gewicht fällt.
Die psychologische Verfassung der Frau ist vom Mann verfälscht worden, indem er ihr Dinge erzählte, die nicht wahr sind. Er hat sie zu seiner Sklavin gemacht, hat sie in dieser Welt zu einer Bürgerin zweiter Klasse degradiert. Und der Grund dafür ist, dass er die stärkeren Muskeln hat. Die Muskelkraft gehört jedoch zu unserem animalischen Erbe. Wenn sich daraus eine Überlegenheit ableiten ließe, wäre jedes Tier dem Mann überlegen.
Doch die wahren Unterschiede sind zweifellos vorhanden, und wir müssen sie hinter einem Berg von fiktiven Unterschieden aufspüren. Ein Unterschied, den ich sehe, besteht darin, dass die Frau mehr zur Liebe fähig ist als der Mann. Die Liebe des Mannes ist mehr oder weniger eine physische Notwendigkeit; die Liebe der Frau ist das nicht. Sie ist etwas Größeres, Höheres; sie ist eine spirituelle Erfahrung. Deshalb ist die Frau auch monogam, während der Mann polygam ist. Der Mann wünscht sich sämtliche Frauen der Welt und wäre doch nie befriedigt in seiner grenzenlosen Unzufriedenheit.
Die Frau hingegen kann mit einer einzigen Liebe zufrieden sein, völlig erfüllt, denn sie schaut nicht auf den Körper des Mannes; sie schaut auf seine innersten Qualitäten. Sie verliebt sich nicht in den Mann, der einen schönen, muskulösen Körper hat; sie verliebt sich in einen Mann, der Charisma hat – etwas Undefinierbares, ungeheuer Anziehendes –, einen Mann, der ein Geheimnis in sich trägt, das es zu entdecken gilt. Sie sucht nicht bloß einen Mann; sie sucht das Abenteuer der Erforschung des Bewusstseins.
Der Mann ist, was seine Sexualität betrifft, sehr schwach; er kann nur einen einzigen Orgasmus haben. Darin ist ihm die Frau unendlich überlegen; sie kann mehrfache Orgasmen haben. Das hat sich als eines der schwierigsten Probleme erwiesen. Der männliche Orgasmus ist lokal, auf die Genitalien beschränkt. Der weibliche Orgasmus ist total und nicht auf die Genitalien beschränkt. Ihr ganzer Körper ist sexuell erregbar, und sie kann eine wunderbare orgasmische Erfahrung haben – tausendfach größer und tiefer, bereichernder und nährender, als ein Mann sie je haben kann.
Doch die Tragödie besteht darin, dass ihr ganzer Körper angeregt werden muss, und daran ist der Mann nicht interessiert; daran war er nie interessiert. Er hat die Frau als Sexmaschine benutzt, nur um seine eigenen sexuellen Spannungen loszuwerden. Innerhalb von Sekunden ist er fertig. Und wenn er fertig ist, hat die Frau noch nicht einmal angefangen!
Sex sollte zu etwas Heiligem werden,denn im gewöhnlichen Leben gibt es nichts Heiliges,auéer ihr macht die Liebe zu etwas Heiligem.Damit öffnet ihr zum ersten Mal eine Türzum Phänomen des kosmischen Bewusstseins.
Sobald der Mann mit dem Geschlechtsakt fertig ist, dreht er sich um und schläft. Der Geschlechtsakt verschafft ihm einen tiefen, entspannten Schlaf, nachdem er alle Spannungen in der sexuellen Betätigung losgeworden ist. Und noch jede Frau, die das erlebte, hat geweint und geheult. Sie hat noch nicht einmal begonnen, sie ist noch nicht in Fahrt gekommen. Sie ist benutzt worden, und das ist die hässlichste Sache im Leben: wenn man wie ein Ding, wie eine Maschine, wie ein Objekt benutzt wird. Sie kann dem Mann nicht verzeihen, dass er sie benutzt hat.
Damit die Frau als Partnerin ebenfalls orgasmisch wird, muss der Mann das Vorspiel lernen, muss er lernen, im Bett ohne Eile zu sein. Er sollte aus der Liebe eine Kunst machen. Man kann aus dem Schlafzimmer einen Liebestempel machen – mit Räucherstäbchen und gedämpftem Licht, nur Kerzenschein. Und der Mann sollte sich der Frau nur nähern, wenn er in einer positiven Stimmung ist, voller Freude, überfließend. Normalerweise ist es so, dass Mann und Frau erst streiten, bevor sie sich lieben. Das vergiftet die Liebe. Sie wird zu einer Art Waffenstillstand – zumindest für eine Nacht. Liebe als Bestechung, als Täuschungsmanöver.
Der Mann sollte so Liebe machen, wie ein Maler ein Bild malt: wenn sich sein Herz danach gedrängt fühlt. Oder wie ein Dichter ein Gedicht schreibt, wie ein Musiker Musik macht. Der Körper der Frau sollte wie ein Musikinstrument sein, denn er ist es. Wenn der Mann voller Freude ist, wird der Sex für ihn nicht bloß als Entladung, als Entspannung, als Schlafmittel dienen. Dann wird es ein Vorspiel geben. Dann wird er mit der Frau tanzen, wird mit ihr singen, und schöne Musik und Räucherwerk – was immer sie beide mögen – werden den Liebestempel erfüllen.
Sex sollte zu etwas Heiligem werden, denn im gewöhnlichen Leben gibt es nichts Heiliges, außer ihr macht die Liebe zu etwas Heiligem. Damit öffnet ihr zum ersten Mal eine Tür zum Phänomen des kosmischen Bewusstseins.
Liebe sollte niemals erzwungen werden, Liebe sollte niemals angestrengt sein. Ihr solltet sie überhaupt nicht im Kopf haben. Ihr spielt, tanzt, singt, genießt einfach … es ist alles Teil eurer ausgedehnten Freude. Wenn es passiert, ist es schön. Wenn Liebe passiert, hat sie eine Schönheit. Wenn ihr es macht, ist es hässlich.
Und wenn ihr euch liebt und der Mann oben auf der Frau ist … man nennt das die „Missionarsstellung“. Der Osten findet das hässlich, weil der Mann schwerer, größer und muskulöser ist und das zarte Wesen unter sich fast erdrückt. Im Osten hat man es immer genau umgekehrt gehalten: die Frau oben. Unter dem Gewicht des Mannes hat die Frau keine Bewegungsfreiheit. Dann bewegt sich nur der Mann und kommt innerhalb von Sekunden zum Orgasmus, und die Frau ist in Tränen aufgelöst. Sie, als seine Partnerin, wurde überhaupt nicht einbezogen. Sie wurde nur benutzt. Wenn die Frau oben ist, hat sie mehr Bewegungsfreiheit und der Mann weniger, und das wird ihren Orgasmus näher zusammenbringen. Wenn beide gemeinsam zum Orgasmus kommen, hat es etwas Überirdisches. Es ist der erste Funken von Samadhi (kosmischem Bewusstsein), der erste Funke der Erfahrung, dass der Mensch nicht sein Körper ist. Man vergisst den Körper, vergisst die Welt. Dann öffnet sich für beide, Mann und Frau, eine neue Dimension, die sie noch nie entdeckt hatten.
Die Frau hat die Fähigkeit zu multiplen Orgasmen; darum sollte der Mann so langsam wie möglich vorgehen. In der Realität hat er es jedoch mit allem so eilig, dass die ganze Beziehung deswegen kaputtgeht. Der Mann sollte ganz entspannt sein, damit die Frau mehrere Orgasmen haben kann. Sein Orgasmus sollte ganz zum Schluss kommen, wenn die Orgasmen der Frau ihren Höhepunkt erreicht haben. Es ist eine simple Frage des Verstehens der natürlichen Zusammenhänge.
Das sind natürliche Unterschiede; sie haben nichts mit der Konditionierung zu tun. Es gibt noch andere Unterschiede. So zum Beispiel ist die Frau zentrierter als der Mann. Sie ist gelassener, ruhiger, geduldiger, kann besser warten. Vielleicht liegt es an diesen Eigenschaften, dass sie mehr Widerstandskraft gegen Krankheiten besitzt und länger lebt als der Mann. Durch ihre Gelassenheit, ihre Zartheit kann sie einem Mann große Erfüllung im Leben bringen. Sie wird sein Leben mit einer sanften, behaglichen Atmosphäre umgeben.
Doch der Mann hat Angst. Er will nicht, dass die Frau ihn mit ihrer Sanftheit einhüllt, er will nicht, dass sie diese behagliche Wärme um ihn herum verbreitet. Er hat Angst, dass er dadurch von ihr abhängig werden könnte. Darum hat er sie seit Jahrhunderten auf Distanz gehalten. Und er hat Angst, weil er tief im Innern weiß, dass die Frau mehr ist als er: Sie kann neues Leben gebären. Sie ist von der Natur zur Fortpflanzung auserkoren, nicht der Mann.
Die Funktion des Mannes bei der Fortpflanzung ist praktisch null. Diese Unterlegenheit hat zum größten Problem geführt: Der Mann fing an, der Frau die Flügel zu stutzen. Er fing an, sie in jeder Hinsicht herabzusetzen und zu verurteilen, damit er glauben konnte, er sei der Überlegene. Er hat die Frauen wie Vieh behandelt – und noch schlimmer.
The Sword and the Lotus, 1986
Ich habe dich sagen hören, dass achtundneunzigProzent aller Frauen im Osten noch nie einenOrgasmus gehabt haben. Wie kommt es, dass sieso anmutig wirken und nicht frustriert wie dieFrauen im Westen?
Es ist eine seltsame Logik des Lebens, aber in gewisser Weise ganz einfach. Im Osten haben die Frauen – achtundneunzig Prozent – noch nie erfahren, was ein Orgasmus ist. Deine Frage ist: Warum sehen sie dann so anmutig aus und nicht frustriert wie die Frauen im Westen?
Man muss zunächst einmal in der Lage sein, eine bestimmte Erfahrung zu machen, und erst, wenn sie dir dann verweigert wird, setzt die Frustration ein. Wenn du noch gar nicht weißt, dass es so etwas wie einen Orgasmus gibt, kommt Frustration überhaupt nicht in Frage. Im Westen war die Frau bis unmittelbar vor diesem Jahrhundert auch noch nicht frustriert, weil die Situation die gleiche war. Erst mit der Psychoanalyse und der tieferen Erforschung menschlicher Energien entdeckte man, dass wir ein Jahrtausend lang in einem Trugschluss gelebt haben, dem Trugschluss, dass die Frau einen vaginalen Orgasmus hat. Aber das hat sich als unwahr herausgestellt. Sie hat überhaupt keinen vaginalen Orgasmus.
Tatsächlich ist die Vagina der Frau völlig unsensibel; sie fühlt nichts. Ihr Orgasmus wird von der Klitoris ausgelöst, und die ist ein völlig unabhängiger Teil – die Frau kann Kinder hervorbringen, ohne irgendeinen Orgasmus zu kennen. Sie kann ohne jeden Orgasmus Liebe machen. Und so hat sich die Frau, im Osten wie im Westen, Jahrhunderte damit zufrieden gegeben, Mutter zu werden; und in gewisser Weise war sie gegen den Sex, weil er ihr keinerlei Freude schenkte. Er brachte ihr nur Ärger – die Schwangerschaft.
Jahrhundertelang haben die Frauen nur wie Fabriken zur Reproduktion von Kindern gelebt, und der Mann hat sie als Fabriken gebraucht, nicht als menschliche Wesen; denn von zehn Kindern starben früher neun. Wenn man also zwei, drei Kinder haben will, muss die Frau zwei, drei Dutzend Kinder hervorbringen. Das heißt, dass sie ihr ganzes sexuelles Leben über – solange sie gebären kann – schwanger bleibt, immer wieder. Und Schwangerschaft ist ein Kreuz.
Sie ist nie für Sex gewesen. Sie hat ihn erlitten, sie hat ihn ertragen, sie hat ihn über sich ergehen lassen, weil es ihre Pflicht war. Und im tiefsten Herzen hasste sie ihren Mann, weil er sich aufführte wie ein Tier. Warum, glaubt ihr, haben Frauen seit jeher keusche Heilige angebetet? Der tiefste Grund ist der, dass deren Keuschheit sie als heiligere Wesen auswies. Ihren eigenen Ehemann kann sie nicht in gleicher Weise achten.
Sobald du mit einer Frau eine sexuelle Beziehung hast, kann sie keine Achtung mehr vor dir haben. Das ist der Preis. Denn sie weiß, dass du sie benutzt hast …
In jeder Sprache macht der entsprechende Ausdruck eines klar: dass es der Mann ist, der mit der Frau Liebe macht – nicht umgekehrt. Das ist seltsam, wo sie sich doch beide lieben! Aber in den Sprachen ist es immer der Mann, der die Liebe macht, und die Frau ist nur ein Objekt, die Frau erträgt es nur und lässt sich darauf ein, weil es ihrem Hirn eingehämmert worden ist, dass das ihre Pflicht ist. Der Ehemann ist ihr Gott, und sie muss ihm sein Leben so angenehm wie möglich machen.
Aber der Sex hat ihr nichts gegeben. Und man hat sie nicht wissen lassen – denn der Mann muss bemerkt haben, und zwar sehr früh, als es noch keine Ehe gab und Männer und Frauen so frei waren wie die Vögel … damals muss der Mann bemerkt haben, und die Frauen der frühesten Urzeit ebenfalls, dass die Frau eine Fähigkeit zum multiplen Orgasmus hat.
Für den Mann ist es ein höchstes Alarmsignal, wenn er die orgasmischen Energien der Frau auslöst. Der Mann kann sie nicht befriedigen, kein Mann kann das. Es scheint eine Diskrepanz zu sein, ein Fehler der Natur, dass die Frau mehrere Orgasmen haben kann, der Mann dagegen nur einen Orgasmus haben kann. Und so hat der Mann sich sogar blind zu stellen versucht, so als könne die Frau überhaupt keinen Orgasmus haben. Darum ist es im Osten heute noch so, vor allem in den entlegenen Teilen des Landes, einmal abgesehen von den großen Städten, wo ein paar wenige Frauen vielleicht darauf gestoßen sind, wo sie durch ihre Erziehung vielleicht die Namen von Masters und Johnson gehört haben, wo sie ihre Fähigkeit zu mehreren Orgasmen entdeckt haben.
Aber im Westen wurde es zu einem Problem, denn die Entdeckung des multiplen Orgasmus ging einher mit der Entdeckung des uralten Betrugs des Mannes an der Frau. Zur gleichen Zeit entstand die Frauenbewegung. Und die Frauen versuchten, all das Unrecht aufzudecken, das der Mann ihnen angetan hat. Sie bekamen plötzlich dieses neue Phänomen zu fassen, diese Ergebnisse der Forschung. Und die fanatischsten Frauen der Frauenbewegung sind lesbisch geworden, weil nur eine Frau einer anderen Frau zum multiplen Orgasmus verhelfen kann, der nämlich gar nichts mit der Vagina zu tun hat.
Die Körper von Mann und Frau sind einfach sehr ähnlich, außer dass der Mann nur Ansätze zu einer Brust hat und die Frau wirkliche Brüste hat. Aber der Mann hat die physiologischen Merkmale an seinem Körper. Die Klitoris ist nur ein Ansatz zum männlichen Penis, nur ein kleiner Auswuchs, aber sie ist außerhalb der Vagina – Kinder werden aus der Vagina geboren, und der Mann braucht die Klitoris überhaupt nicht zu berühren. Und wenn er nicht mit der Klitoris spielt, kann die Frau nicht zum Orgasmus kommen. Es war also sehr einfach, der Sache aus dem Wege zu gehen.
Die östliche Frau wirkt deswegen anmutiger, weil sie sich nicht bewusst ist, was ihr entgeht. Sie ist deswegen anmutiger, weil sie noch nicht einmal angefangen hat, an Befreiung zu denken. Der Osten insgesamt hat in einer Konditionierung des Sich-Dreinschickens gelebt – sowohl der Mann wie die Frau – in Armut, Unfreiheit, Krankheit, Tod.
Aber der Gedanke der Revolution war unmöglich im östlichen Denken, weil diese Konditionierung, dass man nichts anderes ist als das Produkt seiner eigenen Taten in vergangenen Leben, so stark und so viele Jahrhunderte alt war. Was du bist hat also nichts zu tun mit der gesellschaftlichen Struktur, es hat nichts mit Erziehung zu tun, es hat nichts mit der Klassentrennung in der Gesellschaft zu tun, es hat nichts mit der Unterwerfung der Frau durch den Mann zu tun.
Die Konditionierung ist so alt, dass man damit geboren wird, und das ganze Klima unterstützt diese Konditionierung von allen Seiten.
Alle Religionen des Ostens predigen, dass die Frau aufgrund ihrer früheren Taten als Frau geboren wird. Der Mann ist das höhere Wesen, und die Frau ist das niedrigere Wesen. Das ist allgemein akzeptiert. Wenn du arm bist, dann nicht aufgrund der Ausbeutung durch die Reichen, sondern arm bist du aufgrund deiner Missetaten in der Vergangenheit.
Das Denken der Menschen wurde von den Realitäten auf fiktive Erklärungen abgelenkt. Und du kannst nichts machen, um dein vergangenes Leben zu ändern, du musst es über dich ergehen lassen. Unglaubliche religiöse Sekten sind im Osten entstanden, die kein vernünftiger Mensch akzeptieren kann. Aber Millionen sind ihnen gefolgt.
Zum Beispiel glauben die Jainas, dass die Frau nicht von einem Frauenkörper aus zur Erleuchtung gelangen kann – weil sie nicht wirklich von Sexualität frei sein kann. Sie kann nämlich nicht ihre Periode abstellen, und damit bleibt sie ein sexuelles Wesen! Und solange sie es sich nicht dadurch verdient, dass sie dem Ehemann auf eine zufriedene, anmutige und andächtige Weise dient und alles als ihr Schicksal hinnimmt, gibt es keine Möglichkeit, im nächsten, kommenden Leben als Mann geboren zu werden. Im Augenblick lässt sich also nichts ändern. Im Augenblick musst du dich einfach fügen und dich zufriedengeben. Und alles Rebellieren würde dir obendrein nur die Chancen für die Zukunft verderben. Alle Unzufriedenheit, alle Frustration würde nicht nur deine Gegenwart zerstören, sondern würde auch deine Zukunft zerstören. Der bessere Kurs, der intelligente Kurs ist also, den Mund zu halten. Niemand kann dir helfen, weil du im vergangenen Leben schlimme Dinge getan hast … Obgleich eure Armut nichts mit vergangenen Leben zu tun hat – aber das ist eine sehr neue Erkenntnis und ist bisher noch nicht ins östliche Denken eingedrungen.