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Dieses eBook: "Differenz der demokritischen und epikureischen Naturphilosophie" ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Karl Marx (1818-1883) war ein deutscher Philosoph, Ökonom, Gesellschaftstheoretiker, politischer Journalist, Protagonist der Arbeiterbewegung sowie Kritiker der bürgerlichen Gesellschaft und der Religion. Am 15. April 1841 wurde Marx in absentia an der Universität Jena mit einer Arbeit zur Differenz der demokritischen und epikureischen Naturphilosophie zum Doktor der Philosophie promoviert. Auf eine Professur rechnend, zog Marx hierauf nach Bonn; doch verwehrte die Politik der preußischen Regierung ihm - wie Ludwig Feuerbach, Bruno Bauer und anderen - die akademische Laufbahn, galt Marx doch als ein führender Kopf der oppositionellen Linkshegelianer. Unter seinem Namen veröffentlichte er im Januar 1841 in der junghegelianischen Zeitschrift Athenäum zwei Gedichte unter dem Titel Wilde Lieder. Aus dem Buch: "Da im Atom die Materie als reine Beziehung auf sich aller Veränderlichkeit und Relativität enthoben ist: so folgt unmittelbar, daß die Zeit aus dem Begriff des Atoms, der Welt des Wesens, auszuschließen ist. Denn die Materie ist nur ewig und selbständig. Insofern von dem zeitlichen Moment in ihr abstrahiert wird. Hierin stimmen auch Demokrit und Epikur überein. Sie differieren aber in der Art und Weise, wie die Zeit, die aus der Welt der Atome entfernt ist, nun bestimmt, wohin sie verlegt wird. Dem Demokrit hat die Zeit keine Bedeutung, keine Notwendigkeit für das System. Er erklärt sie, um sie aufzuheben. Als ewig wird sie bestimmt, damit, wie Aristoteles und Simplicius sagen, Entstehen und Vergehen, also das Zeitliche, von den Atomen entfernt werde. Sie selbst, die Zeit, biete den Beweis dar, daß nicht alles einen Ursprung, ein Moment des Anfangs haben müsse."
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Seitenzahl: 94
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Seinem teuern väterlichen Freunde, dem Geheimen Regierungsrate Herrn Ludwig von Westaphalen zu Trier widmet diese Zeilen als ein Zeichen kindlicher Liebe der Verfasser
Sie verzeihen, mein teurer väterlicher Freund, wenn ich Ihren mir so lieben Namen einer unbedeutenden Broschüre vorsetze. Ich bin zu ungeduldig, eine andere Gelegenheit abzuwarten, um Ihnen einen kleinen Beweis meiner Liebe zu geben.
Möchten alle, die an der Idee zweifeln, so glücklich sein als ich, einen jugendstarken Greis zu bewundern, der jeden Fortschritt der Zeit mit dem Enthusiasmus und der Besonnenheit der Wahrheit begrüßt und mit jenem überzeugungstiefen, sonnenhellen Idealismus, der allein das wahre Wort kennt, vor dem alle Geister der Welt erscheinen, nie vor den Schlagschatten der retrograden Gespenster, vor dem oft finstern Wolkenhimmel der Zeit zurückbebte, sondern mit göttlicher Energie und männlich-sicherm Blick stets durch alle Verpuppungen hindurch das Empyreum schaute, das im Herzen der Welt brennt. Sie, mein väterlicher Freund, waren mir stets ein lebendiges argumentum ad oculos daß der Idealismus keine Einbildung, sondern eine Wahrheit ist.
Körperliches Wohlsein brauche ich für Sie nicht zu erflehen. Der Geist ist der große zauberkundige Arzt, dem Sie sich anvertraut haben.1
1 ursprünglich lautete dieser Absatz: Ich hoffe, diesem Liebesboten, den ich Ihnen sende, auf dem Fuße nachzufolgen und an Ihrer Seite unsere wunderbar pittoresken Berge und Wälder wieder zu durchirren. Körperliches Wohlsein brauche ich für Sie nicht zu erflehen. Der Geist und die Natur sind die großen, zauberkundigen Ärzte, denen Sie sich anvertraut haben. – Am linken Rand dieser Seite stehen die Worte: Nebenstehende Widmung ist mit größerer Schrift zu drucken.
Die Form dieser Abhandlung würde einesteils streng wissenschaftlicher, andrerseits in manchen Ausführungen minder pedantisch gehalten sein, wäre nicht ihre primitive Bestimmung die einer Doktordissertation gewesen. Sie dennoch in dieser Gestalt dem Druck zu übergeben, bin ich durch äußere Gründe bestimmt. Außerdem glaube ich in ihr ein bis jetzt ungelöstes Problem aus der Geschichte der griechischen Philosophie gelöst zu haben.
Sachverständige wissen, daß für den Gegenstand dieser Abhandlung keine irgendwie brauchbaren Vorarbeiten existieren. Was Cicero und Plutarch geschwatzt haben, ist bis auf die heutige Stunde nachgeschwatzt worden. Gassendi, der den Epikur aus dem Interdikt befreite, mit dem die Kirchenväter und das ganze Mittelalter, die Zeit der realisierten Unvernunft, ihn belegt hatten, bietet in seinen Darstellungen nur ein Interessantes Moment dar. Er sucht sein katholisches Gewissen mit seinem heidnischen Wissen und den Epikur mit der Kirche zu akkommodieren, was freilich verlorene Mühe war. Es ist, als wollte man der griechischen Lais einen christlichen Nonnenkittel um den heiter blühenden Leib werfen. Gassendi lernt vielmehr aus dem Epikur Philosophie, als daß er uns über Epikurs Philosophie belehren könnte.
Man betrachte diese Abhandlung nur als Vorläufer einer größern Schrift, in der ich ausführlich den Zyklus der epikureischen, stoischen und skeptischen Philosophie in ihrem Zusammenhang mit der ganzen griechischen Spekulation darstellen werde. Die Mängel dieser Abhandlung in Form u.dgl. werden dort wegfallen.
Hegel hat zwar das Allgemeine der genannten Systeme im ganzen richtig bestimmt; allein bei dem bewunderungswürdig großen und kühnen Plan seiner Geschichte der Philosophie, von der überhaupt erst die Geschichte der Philosophie datiert werden kann, war es teils unmöglich, in das einzelne einzugehen, teils hinderte den riesenhaften Denker seine Ansicht von dem, was er par excellence spekulativ nannte, in diesen Systemen die hohe Bedeutung zu erkennen, die sie für die Geschichte der griechischen Philosophie und den griechischen Geist überhaupt haben. Diese Systeme sind der Schlüssel zur wahren Geschichte der griechischen Philosophie. Über ihren Zusammenhang mit dem griechischen Leben findet sich eine tiefere Andeutung in der Schrift meines Freundes Köppen »Friedrich der Große und seine Widersacher«.
Wenn als Anhang eine Kritik der plutarchischen Polemik gegen Epikurs Theologie hinzugefügt ist: so geschah dies, weil diese Polemik nichts einzelnes ist, sondern Repräsentant einer espèce, indem sie das Verhältnis des theologisierenden Verstandes zur Philosophie sehr treffend an sich darstellt.
In der2 Kritik bleibt unter anderm auch das unberührt, wie falsch Plutarchs Standpunkt überhaupt ist, wenn er die Philosophie vor das Forum der Religion zieht. Darüber genüge, statt alles Räsonnements, eine Stelle aus David Hume:
»Es ist gewiß eine Art Beschimpfung für die Philosophie, wenn man sie, deren souveränes Ansehen allenthalben anerkannt werden sollte, zwingt, bei jeder Gelegenheit sich wegen ihrer Folgen zu verteidigen und sich bei Jeder Kunst und Wissenschaft, die an ihr Anstoß nimmt, zu rechtfertigen. Es fällt einem dabei ein König ein, der des Hochverrats gegen seine eigenen Untertanen beschuldigt wird.«3
Die Philosophie, solange noch ein Blutstropfen in ihrem weltbezwingenden, absolut freien Herzen pulsiert, wird stets den Gegnern mit Epikur zurufen:
Asebês de, ouch ho tous tôn pollôn theous anairôn, all' ho tas pollôn doxas theois prosaptôn.
Die Philosophie verheimlicht es nicht. Das Bekenntnis des Prometheus:
haplô logô, tous pantas echthairô theous
ist ihr eigenes Bekenntnis, ihr eigener Spruch gegen alle himmlischen und Irdischen Götter, die das menschliche Selbstbewußtsein nicht als die oberste Gottheit anerkennen. Es soll keiner neben ihm sein.
Den tristen Märzhasen aber, die über die anscheinend verschlechterte bürgerliche Stellung der Philosophie frohlocken, entgegnet sie wieder, was Prometheus dem Götterbedienten Hermes:
tês sês latreias tên emên dyspraxian,
saphôs epistas', ouk an allaxaim' egô.
kreisson gar oimai têde latreuein petra
ê patri phynai Zêni piston angelon.
Prometheus ist der vornehmste Heilige und Märtyrer im philosophischen Kalender.
Berlin, im März 1841
2 von Marx korrigiert aus: dieser
3 alle Hervorhebungen von Marx
Der griechischen Philosophie scheint zu begegnen, was einer guten Tragödie nicht begegnen darf, nämlich ein matter Schluß. Mit5 Aristoteles, dem mazedonischen Alexander der griechischen Philosophie, scheint die objektive Geschichte der Philosophie in Griechenland aufzuhören und selbst den männlich-starken Stoikern nicht zu gelingen6, was den Spartanern in ihren Tempeln gelang, die Athene7 an den Herakles festzuketten, so daß sie nicht davonfliehen konnte.
Epikureer, Stoiker, Skeptiker werden als ein fast ungehöriger Nachtrag betrachtet, der in keinem Verhältnis stehe zu seinen gewaltigen Prämissen8. Die epikureische Philosophie sei ein synkretistisches Aggregat aus demokritischer Physik und kyrenaischer Moral, der Stoizismus eine Verbindung heraklitischer Naturspekulation, kynisch-sittlicher Weltanschauung, etwa auch aristotelischer Logik, endlich der Skeptizismus das notwendige Übel, das diesen Dogmatismen entgegengetreten. Man verbindet diese Philosophien so unbewußt mit der alexandrinischen, indem man sie zu einem nur einseitigem und tendenziösem Eklektizismus macht. Die alexandrinische Philosophie endlich wird als gänzliche Schwärmerei und Zerrüttung betrachtet, – eine Verwirrung, in der höchstens die Universalität der Intention anzuerkennen sei.
Nun ist es zwar eine sehr triviale Wahrheit. Entstehen, Blühen und Vergehen sind der eherne Kreis, in den jedes Menschliche gebannt ist, den es durchlaufen muß. So hätte es nichts Auffallendes, wenn die griechische Philosophie, nachdem sie in Aristoteles die höchste Blüte erreicht, dann verwelkt wäre. Allein der Tod der Helden gleicht dem Untergang der Sonne, nicht dem Zerplatzen eines Frosches, der sich aufgeblasen hat.
Und dann: Entstehen, Blühen und Vergehen sind ganz allgemeine, ganz vage Vorstellungen, in die zwar alles einrangiert werden kann, mit denen aber nichts zu begreifen ist. Der Untergang selbst ist im Lebendigen präformiert; seine Gestalt wäre daher ebenso in spezifischer Eigentümlichkeit zu fassen wie die Gestalt des Lebens.
Endlich, wenn wir auf die Historie einen Blick werfen, sind Epikureismus, Stoizismus, Skeptizismus partikulare Erscheinungen? Sind sie nicht die Urtypen des römischen Geistes? Die Gestalt, in der Griechenland nach Rom wandert? Sind sie nicht so charaktervollen, intensiven und ewigen Wesens, daß die moderne Welt selbst ihnen volles geistiges Bürgerrecht einräumen mußte?
Ich hebe dies nur hervor, um die historische Wichtigkeit dieser Systeme ins Gedächtnis zu rufen; hier aber handelt es sich nicht um ihre allgemeine Bedeutung für die Bildung überhaupt, es handelt sich um ihren Zusammenhang mit der altern griechischen Philosophie.
Hätte es nicht in Beziehung auf dies Verhältnis wenigstens zur Nachforschung anreizen müssen, die griechische Philosophie mit zwei verschiedenen Gruppen eklektischer Systeme, deren eine der Zyklus der epikureischen, stoischen und skeptischen Philosophie, die andere unter dem Namen der alexandrinischen Spekulation zusammengefaßt ist, enden zu sehen? Ist es ferner nicht ein merkwürdiges Phänomen, daß nach den platonischen und aristotelischen, zur Totalität sich ausdehnenden Philosophien neue Systeme auftreten, die nicht an diese reichen Geistesgestalten sich anlehnen, sondern, weiter rückblickend, zu den einfachsten Schulen – was die Physik angeht, zu den Naturphilosophen, was die Ethik betrifft, zu der sokratischen Schule – sich hinwenden? Worin ist es ferner begründet, daß die Systeme, die auf Aristoteles folgen, gleichsam ihre Fundamente fertig in der Vergangenheit vorfinden? Daß Demokrit mit den Kyrenaikern, Heraklit mit den Kynikern zusammengebracht wird? Ist es Zufall, daß in den Epikureern, Stoikern und Skeptikern alle Momente des Selbstbewußtseins vollständig, nur jedes Moment als eine besondere Existenz, repräsentiert sind? Daß diese Systeme zusammengenommen9 die vollständige Konstruktion des Selbstbewußtseins bilden? Endlich der Charakter, mit dem die griechische Philosophie mythisch in den sieben Weisen beginnt, der sich, gleichsam als ihr Mittelpunkt, in Sokrates verkörpert, als ihr Demiurg, ich sage, der Charakter des Weisen – des sophos – wird er zufällig in jenen Systemen als die Wirklichkeit der wahren Wissenschaft behauptet?
Es scheint mir, daß, wenn die frühern Systeme für den Inhalt, die nacharistotelischen, und vorzugsweise der Zyklus der epikureischen, stoischen und skeptischen Schulen, für die subjektive Form, den Charakter der griechischen Philosophie bedeutsamer und interessanter sind. Allein eben die subjektive Form, der geistige Träger der philosophischen Systeme, ist bisher fast gänzlich über ihren metaphysischen Bestimmungen vergessen worden.
Ich behalte es einer ausführlichem Betrachtung vor, die epikureische, stoische und skeptische Philosophie in ihrer Gesamtheit und ihrem totalen Verhältnis zur frühern und spätern griechischen Spekulation darzustellen.
Hier genüge es, an einem Beispiel gleichsam und auch nur nach einer Seite hin, nämlich der Beziehung zur frühern Spekulation, dies Verhältnis zu entwickeln.
Als ein solches Beispiel wähle ich das Verhältnis der epikureischen zur demokritischen Naturphilosophie. Ich glaube nicht, daß es der bequemste Anknüpfungspunkt ist. Denn einerseits ist es ein altes eingebürgertes Vorurteil, demokritische und epikureische Physik zu identifizieren, so daß man in den Veränderungen Epikurs nur willkürliche Einfälle sieht; andrerseits bin ich gezwungen, was das Einzelne betrifft, in scheinbare Mikrologien einzugehen. Allein eben weil jenes Vorurteil so alt ist als die Geschichte der Philosophie, weil die Unterschiede so versteckt sind, daß sie gleichsam nur dem Mikroskope sich entdecken: wird es um so wichtiger sein, wenn eine wesentliche, bis ins kleinste durchgehende Differenz der demokritischen und epikureischen Physik trotz ihres Zusammenhanges sich nachweisen läßt. Was sich im kleinen nachweisen läßt, ist noch leichter zu zeigen, wo die Verhältnisse in größern Dimensionen gefaßt werden, während umgekehrt ganz allgemeine Betrachtungen den Zweifel zurücklassen, ob das Resultat im einzelnen sich bestätigen werde.
Nach »Schluß« von Marx gestrichen: ein inkohärentes Finale
5 von Marx korrigiert aus: Nach
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