4,99 €
**Vertrau auf deine Magie und stell dich deinen Ängsten** Die Situation in Itampira spitzt sich zu und Tivra hat nur ein Ziel: ihr Land vor der Vernichtung zu schützen. Als wäre das nicht schon genug, kämpft sie nach wie vor mit der übernatürlichen Anziehungskraft, die der Rudelanführer der Gestaltwandler auf sie ausübt. Bevor sie der Sache auf den Grund gehen können, funkt ihnen jedoch Tivras Exfreund Ryan dazwischen, der noch nicht bereit ist, die junge Magierin aufzugeben. Unversehens schließt er sich den beiden auf der Suche nach Hinweisen an, die sie brauchen, um die zerstörerische Göttin zu besiegen. Tauch ab in eine magische Urban-Fantasy-Welt Aurelia L. Night schafft es erneut, den Leser mit einer fantastisch-magischen Welt in ihren Bann zu ziehen. Ein absolutes Muss für alle Fans von düster-romantischer Fantasy! //Dies ist der zweite Band der düster-magischen Buchserie: -- Divine Damnation 1: Vermächtnis der Magie -- Divine Damnation 2: Der Fluch der Zerstörung -- Divine Damnation 3: Der Zorn der Göttin//
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Impress
Die Macht der Gefühle
Impress ist ein Imprint des Carlsen Verlags und publiziert romantische und fantastische Romane für junge Erwachsene.
Wer nach Geschichten zum Mitverlieben in den beliebten Genres Romantasy, Coming-of-Age oder New Adult Romance sucht, ist bei uns genau richtig. Mit viel Gefühl, bittersüßer Stimmung und starken Heldinnen entführen wir unsere Leser*innen in die grenzenlosen Weiten fesselnder Buchwelten.
Tauch ab und lass die Realität weit hinter dir.
Jetzt anmelden!
Jetzt Fan werden!
Aurelia L. Night
Divine Damnation 2: Der Fluch der Zerstörung
**Vertrau auf deine Magie und stell dich deinen Ängsten**Die Situation in Itampira spitzt sich zu und Tivra hat nur ein Ziel: ihr Land vor der Vernichtung zu schützen. Als wäre das nicht schon genug, kämpft sie nach wie vor mit der übernatürlichen Anziehungskraft, die der Rudelanführer der Gestaltwandler auf sie ausübt. Bevor sie der Sache auf den Grund gehen können, funkt ihnen jedoch Tivras Exfreund Ryan dazwischen, der noch nicht bereit ist, die junge Hexe aufzugeben. Unversehens schließt er sich den beiden auf der Suche nach Hinweisen an, die sie brauchen, um die zerstörerische Göttin zu besiegen.
Buch lesen
Vita
Glossar
Das könnte dir auch gefallen
© privat
Aurelia L. Night wurde in Gelsenkirchen geboren, wo sie auch aufwuchs. Nach einer Ausbildung als Schilder- und Lichtreklameherstellerin machte sie ihr Fachabitur in Gestaltung und arbeitet nun in einem kleinen Betrieb. Sie lebt mit ihrem Freund und zwei verrückten Katzen nahe der niederländischen Grenze. Wenn sie nicht selbst schreibt, durchlebt sie Abenteuer auf den Seiten anderer Bücher oder kämpft auf ihrer Xbox gegen Dämonen.
Staub verklebte meine Lunge und erschwerte mir das Atmen. Mein Körper explodierte vor Schmerz. Ich hatte immer gedacht, dass sich der Tod langsam und sanft wie ein Tuch über einen legte und nicht, als wäre man gerade von einem zerberstenden Turm erschlagen worden. Ich versuchte mich zu bewegen. Der Schmerz intensivierte sich. Ein zischender Laut kam über meine Lippen.
»Tivra?«, hörte ich Nerims Stimme.
Blinzelnd bemühte ich mich die Augen zu öffnen. Sand, Dreck und Staub erschwerten mir die Sicht. Ich blinzelte weiter. Doch auch als meine Lider geöffnet blieben, hüllte mich Dunkelheit ein. Ich konnte absolut nichts erkennen. Mein Herz in der Brust begann zu rasen.
»Beruhige dich. Du bist nicht blind.«
Ich konnte das Schmunzeln Nerims förmlich wahrnehmen, obwohl die Sorge in seinen Worten nicht zu überhören war. »Es ist hier einfach so dunkel«, meinte er.
Erleichtert entspannte ich mich. »O…kay«, hauchte ich. Meine Stimme klang rau, kratzig und so gar nicht nach mir.
»Wie fühlst du dich?«
»Als hätte ich … gegen einen riesigen Baru gekämpft … und wäre danach einen Turm hinuntergefallen«, murmelte ich schläfrig. Dabei schloss ich die Augen wieder. Ich war so müde … Alles zerrte mich wieder in die angenehme Bewusstlosigkeit, in der ich noch keinerlei Schmerz gefühlt hatte.
»Hey, bleib bei mir. Du kannst dich an alles erinnern. Deine Barriere hat uns gerettet.«
»Hmhm …«, murmelte ich schwerfällig. »Avan?«, fragte ich leise. Mein Bewusstsein entglitt mir immer mehr. Noch klammerte ich mich daran. Ich musste wissen, wie es ihm ging.
»Er ist stabil. Seine Wunden habe ich geheilt, trotzdem sollte ein Chiki noch einmal drüberschauen. Bin doch eher zum Kämpfen gemacht. Für dich habe ich leider keine Kraft mehr«, gab er mit bebender Stimme zu.
»Ist okay«, nuschelte ich und driftete dabei weiter ab.
»Bleib bei mir, Tivra, okay?«
»I…ich su…suche …«
Ich spürte seine Hände auf meinem Körper. »Hey!« Er rüttelte mich sanft, was mich schmerzerfüllt aufschreien ließ.
»Es tut mir leid, aber bleib wach! Du musst bei uns bleiben.«
»Tivra?«
Avan! Seine Stimme zu hören lockte mich etwas weiter fort von der seligen Ruhe. Etwas raschelte in der Dunkelheit. Warme Finger umschlossen meine Hand. Erleichtert seufzte ich. »Avan …«
Avans Ton wurde fordernd. »Hast du noch mit deiner Familie sprechen können? Sind sie in Sicherheit?«
»Hmhm«, gab ich von mir. Ich wollte schlafen … nur noch schlafen. Mich der schmerzfreien Dunkelheit übergeben und einfach vergessen, was passiert war. Einfach alles loslassen.
»Was hast du Ina gesagt?«
»Müssen gehen … in Sicherheit.«
»Gut. Also sind sie fort?«
»Ich denke …«
»Gut. Weißt du schon, was Nimas Kind wird?«
»Will sie …« Ich wollte einfach versinken, mich treiben lassen und keine Fragen mehr beantworten.
»He, Tiv. Wird es ein Mädchen?«
»Weiß … nicht.«
»Hat sie es euch nicht verraten?«
»Will selbst … nicht wissen.«
Er hielt mich von der dankbaren Dunkelheit ab. Dabei wollte ich doch nur schlafen. Seine Stimme zu hören war beruhigend. Ich liebte sie. Ich wollte, dass er mir ganz viele Dinge erzählte und ich ihm einfach lauschen konnte … Aber noch mehr wollte ich jetzt gerade einfach nur schlafen.
»Möchte Nima es denn selbst nicht wissen?«
»Nima … Überraschungen.«
»Nima mag Überraschungen?«
»Hmhm …«
»Werden Devin und sie vorher heiraten?«
»Ina hofft …«
»Wie lange dauert das noch?«, zischte Avan jemanden an. »Sie hält nicht mehr lange durch.«
Jemand murmelte eine Antwort und Avan seufzte unzufrieden.
»Tiv, willst du leben?«
»Schlafen …«
»Du verstehst aber, dass du jetzt nicht schlafen darfst, oder?«, fragte Avan drängend nach. »Wenn du jetzt loslässt, ist die Chance zu gering, dass du wieder aufwachst.«
Ich runzelte die Stirn. Das gefiel mir nicht.
»Ich möchte noch so viel mit dir erleben und deswegen darfst du der Verlockung der Dunkelheit nicht nachgeben, verstanden?«
»Aber …«
Seine Hand umschloss meine fester und hob sie an seine Lippen. Er hauchte zarte Küsse auf meine Haut, die mich in Brand gesetzt hätten, wenn ich nicht so müde gewesen wäre. »Ich brauche dich. Gib nicht auf.«
Blinzelnd öffnete ich wieder die Augen. Ich wollte seinen Blick sehen. Wollte in den grauen Seen versinken, die mich bis in mein tiefstes Inneres zu erkennen schienen. Doch alles, was ich wahrnahm, war undurchdringliche Dunkelheit. Ein protestierender Laut kam über meine Lippen.
»Tiv …«
Er dachte, mein Laut bezog sich auf seine Worte. »Will … dich sehen«, murmelte ich schwach.
»Ganz bald, du musst nur die Augen auflassen. Kannst du das tun?«
»Ja.« Zumindest hoffte ich das.
»Sehr gut. Weißt du, ich möchte nämlich noch sehr viel Zeit mit dir verbringen.«
Bei seinen Worten hoben sich meine Mundwinkel. »Ich auch …«, murmelte ich. Die Schwärze versuchte mich erneut zu packen, aber ich kämpfte dagegen an. Ich hörte, wie Bewegung in meine Umgebung kam. Steine knirschten aneinander.
»Da!«, rief jemand.
Ich musste meine Augen zukneifen, als der feine Lichtstrahl direkt auf mein Gesicht schien.
»Wir haben es fast«, rief Nerim.
»Nerim?« Eine andere Stimme hallte durch den nun geschaffenen Zugang.
»Joe? Hier sind wir!«, schrie der Anführer der Ladee.
»Götter sei Dank! Seid ihr verletzt?«
»Tivra hat ziemlich was abbekommen, ihr müsst uns helfen das Geröll zu bewegen.«
Der Boden erzitterte leicht.
»Darf ich … schlafen?«, fragte ich.
»Noch nicht. Ganz, ganz bald. Bitte lass erst jemanden hier sein, der sich um dich kümmert.«
Ich sah in Avans Augen. Die Sorge darin raubte mir den Atem. Tränen tropften über meine Wangen. »Tut … tut mir leid …«
»Was tut dir leid?«, fragte er.
»Zu … zu wenig Zeit …« Ich spürte, wie mich meine Kraft verließ. Wie es mir immer schwerer fiel, die Lider offen zu halten.
Er schüttelte den Kopf. »Du hast es fast geschafft, verstanden? Wir werden noch eine Menge Zeit haben. Wir geben nicht auf.« Sein Finger strich über meine Wange und wischte eine Träne fort.
Ich nickte zaghaft und kämpfte weiter.
»Erzähl mir von der Akademie«, bat Avan. Im Hintergrund hörte ich, wie die Pashu und Deva gemeinsam an einem Weg arbeiteten, um uns zu befreien.
»Viel gelernt … Kopf raucht. Zu viel … Wissen.« Ich stammelte irgendwelche sinnlosen Worte, um wach zu bleiben und mich nicht der Dunkelheit hinzugeben, die mich so verführerisch lockte.
»Wir haben’s«, rief Nerim. »Trägst du sie raus oder soll das eine Deva machen?«
»Wenn ich sie bewege, tue ich ihr wahrscheinlich noch mehr weh«, antwortete Avan.
»Okay, Denise, hol Tivra hier raus!«
Ich spürte, wie ich emporgehoben wurde. Es war, als ob ich auf einer Wolke schwebte. »Jetzt?«, fragte ich leise.
Avans Hand umklammerte meine noch immer.
»Ja, jetzt darfst du schlafen.«
Erleichtert gab ich den Kampf mit der Dunkelheit auf und ließ mich fallen …
***
Mein ganzer verfluchter Körper schmerzte, als ich das nächste Mal die Augen öffnete. Ich gab einen Knurrlaut von mir, während ich versuchte eine angenehme Position zu finden, in der meine Muskeln nicht protestierten.
»Tiv?«
Avans Stimme ließ mich zu ihm sehen. Er hatte einen Bart bekommen, der sein kantiges Gesicht betonte. Zuvor hatten nur leichte Schatten seine Züge bedeckt. Zu meiner Schande musste ich gestehen, dass ich den Bart sehr sexy fand.
»Hey«, sagte ich.
Meine Zunge klebte am Gaumen. Ich wandte den Blick zum Tisch neben dem Bett, auf dem ich lag. Eine Glaskaraffe stand darauf, in der verführerisch Wasser glitzerte. Erst jetzt bemerkte ich meinen trockenen Mund.
Avan musste meinen Blick mitbekommen haben. Seine Hand schloss sich um den Krug und er goss mir etwas ein. »Soll ich dir helfen?«, erkundigte er sich.
Langsam richtete ich mich auf. Dabei spürte ich ein schmerzendes Ziehen in meinem Körper. »Verflucht!«, zischte ich.
»Du hast ziemlich was abbekommen.«
Vorsichtig half er mir mich aufzusetzen.
»Merke ich.« Langsam nippte ich an dem Glas und genoss die kühle Flüssigkeit, die meinen verdorrten Körper ausfüllte.
»Wie lang war ich weg?«
»Drei Tage.«
Ich verschluckte mich fast. »Was? Ich … ich muss Ina …«
Avan hob eine Hand. »Ich habe sie bereits angerufen. Und direkt wieder aus dem Krankenhaus gescheucht.«
»Sie haben sich verscheuchen lassen?«
»Nur weil ich versprochen habe dich keinen Moment aus den Augen zu lassen und sie direkt anzurufen, wenn du wach wirst.«
»Du … du warst die ganze Zeit hier?«, fragte ich vollkommen perplex.
»Meinst du wirklich, ich lasse dich allein?«
»Was ist mit deinem Rudel? Was ist mit Dane?«, fragte ich und nahm noch einen Schluck.
Avan sackte auf den Stuhl und stützte seine Ellenbogen auf die Oberschenkel. »Ich habe versagt. Wir haben die Grenzen beschützt … aber Dane und Vinaash habe ich nicht sehen können.«
Ich presste die Lippen aufeinander. »Das tut mir leid.«
»Muss es nicht.« Er lehnte sich vor und strich mir über die Wange. »Ich bin so froh, dass du wieder bei mir bist.«
»Wir werden Dane finden«, sagte ich, legte meine Hand auf seine und drückte sie zuversichtlich.
»Bestimmt.« Ein gequältes Lächeln bildete sich auf seinen Lippen.
Ich nahm seine Hand in meine und hauchte einen liebevollen Kuss auf seine Haut. Ihn zu berühren und seine Gesten zuzulassen fühlte sich so normal an wie Atmen. Es war unglaublich. »Wir werden ihn finden und befreien. Das verspreche ich dir.«
Avans Mundwinkel wiesen traurig nach unten. Er stand auf, kam zu mir und nahm mich sanft in die Arme. »Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht«, murmelte er in meine Haare.
Seine Wärme hüllte mich ein wie ein Kokon. Ich schloss die Augen, genoss seine Zärtlichkeiten und ließ die Gefühle zu, die in mir aufkeimten.
Er löste sich als Erstes von mir und holte sein Handy aus der Tasche. »Ich werde dann mal Ina kontaktieren. Sonst wird sie mich lynchen.«
Ich begann zu grinsen. »Das stimmt.«
»Bist du bereit für die familiäre Fürsorge?«
»Kann man dafür jemals bereit sein?«
Er lachte leise und wählte Inas Nummer.
***
Avan hatte ein paar Minuten mit Ina gesprochen und nach Kräften versucht sie zu beruhigen.
»Was hat Vinaash jetzt vor?«, wollte ich wissen, als er aufgelegt hatte. Während ich immer wacher geworden war, hatten sich auch die drängenden Gedanken gemeldet, die nach der Wahrheit lechzten.
Avan ließ sich wieder auf das Bett sinken. »Wenn wir das wüssten, wären wir schon um einiges weiter. Nachdem der Turm gefallen war, hat sie sich mit den Baru zurückgezogen.« Er bewegte sich nervös auf der Sitzfläche.
Ich runzelte die Stirn. »Avan, da ist doch noch mehr, oder? Was ist los?«
»Es gab nach dem Einsturz eine magische Explosion, die etliche Häuser niedergerissen und teilweise sogar den Dschungel in Mitleidenschaft gezogen hat.«
»Wie … wie kann das sein?«, erkundigte ich mich erstaunt.
»Tiv, wann wurden die Türme erbaut?«
Erst jetzt bemerkte ich, dass er mich nicht mehr Tivra, sondern Tiv nannte. Mir gefiel es. Ich wandte mich wieder seiner Frage zu und schob die anderen Gedanken beiseite. »Ich weiß es nicht. In der Akademie haben wir auch nichts darüber gelernt. Sie waren einfach irgendwie … na ja … immer da«, erklärte ich entschuldigend grinsend, weil ich wusste, dass meine Antwort ihm nicht wirklich helfen würde.
»Diese Magie, die durch die Stadt und danach durch den Dschungel geströmt ist, kam mir irgendwie … bekannt vor. Etwas in mir hat sich davon angezogen gefühlt.«
»Du glaubst, es war Vinaashs Magie?«, hakte ich verwirrt nach.
»Es wäre die einzige logische Erklärung. Lucian meint auch, dass das sehr gut sein könnte.«
Ich erinnerte mich daran, dass Avans und mein Blut zu leuchten begonnen hatte, als wir auf dem Turm gestanden waren.
Erschrocken riss ich die Augen auf. »Avan, ich weiß, wieso Vinaash dich und mich braucht!«
Avan sah mich mit durchdringenden Augen an. »Was? Und wieso?«
»Wenn dies wirklich Vinaashs Magie ist …« Ich sortierte meine Gedanken und fing noch einmal von vorn an. »Als wir noch auf dem Turm standen, hat sich unser Blut miteinander verbunden. Es hat angefangen zu leuchten und Symbole wurden auf dem Boden sichtbar, in dessen Zentrum der Schutzschild eingeritzt worden war. Wenn Sarina und Vivek also Vinaashs Magie ebenfalls gebannt haben, werden sie sehr wahrscheinlich dieselben Schlüssel benutzt haben, wie auch bei dem Bann, der Vinaash gefangen gehalten hat.« Ich machte eine kurze Pause, in der sich ein einzelner Gedanke in dem ganzen Wirrwarr, das in meinem Kopf herrschte, herauskristallisierte. »Wenn dieser Turm wirklich die Magie Vinaashs in sich getragen hat, dann müssen die anderen Türme ebenfalls Kräfte in sich bergen.«
Mir brach der Schweiß aus. Adrenalin rauschte durch meine Adern. Ich war aufgedreht und fuhr mir mit der Hand durch mein abstehendes Haar.
Avan rieb sich übers Gesicht. »Wenn das stimmt und sie unser Blut braucht, um die Banne zu sprengen … dann müssen wir uns schnellstmöglich verstecken.«
Ich blinzelte verwirrt. »Was?« So hatte ich das eigentlich nicht gemeint.
In diesem Moment öffnete sich die Tür und schlug gegen die Mauer. Ina kam in das Krankenzimmer gestürzt, gefolgt vom Rest der Familie.
»Tivra! Pita sei Dank. Ich hatte solch eine Angst um dich.«
Meine Ziehmutter zog mich an ihre Brust, sodass sie mir die Luft aus der Lunge quetschte. »Wie geht’s dir? Meine Güte! Wir hätten bei dir sein sollen! Was war denn los?«, murmelte Ina in mein Haar.
»Mama! Lass Tivra doch erst mal zu Atem kommen«, warf Pepe ein.
»Oh …«, kam es von Ina und sie schob mich von sich. »Was ist passiert? Wie konnte dieser Unfall geschehen? Warum ist der Turm eingestürzt?«
»Ina … Ich kann euch leider nicht alles erzählen«, sagte ich.
Sie presste die Lippen unzufrieden aufeinander. »Tivra, der Zirkel …«
»Tivra sollte sich wohl noch etwas erholen«, warf Avan ein.
Verwirrt sah ich zu ihm. »Was ist mit dem Zirkel?«
Ina kaute auf ihrer Lippe, doch auch die anderen sagten nichts. Für einen Moment kippte die Stimmung.
»Ich erzähle dir alles in Ruhe«, versicherte Avan mir.
Ina nickte und widerwillig folgte ich ihrem Beispiel, aber nur, weil ich gerade die Zeit mit meiner Familie mehr als genoss, was ja durchaus selten der Fall war. Ich war einfach dankbar, dass ich noch bei ihnen sein durfte.
»Du hast uns so einen Schrecken eingejagt«, murmelte Ina und strich dabei über mein Gesicht. »Versprich mir, dass du jetzt besser auf dich aufpasst!«
»Ich passe immer auf mich auf«, erwiderte ich.
Meine Familie hob einstimmig die Augenbrauen. »Wie oft warst du in den letzten Monaten im Krankenhaus?«, erkundigte sich Nima vorwurfsvoll.
Ich grinste. »Es wird besser, versprochen.«
Hector sah zu Avan. »Du wirst sie weiterhin beschützen, oder?«
»Nein, das muss er …«, wollte ich ablehnen, doch Avan ignorierte meine Worte.
»Natürlich. Bei mir und dem Rudel ist sie in absoluter Sicherheit.«
»Könntet ihr bitte aufhören über mich zu reden, als sei ich nicht da?«, verlangte ich. »Ich bin sehr wohl in der Lage, selbst auf mich aufzupassen.«
»Wenn unsere Theorien stimmen, will sie uns mit allen Mitteln in die Hand bekommen. Ich wäre dafür, wenn deine Familie«, Avan sah zu den Leuten, die mir wichtig waren, »vorausgesetzt, sie willigt ein, ebenfalls mit ins Rudel zieht. Da haben wir bessere Sicherheitsbedingungen und können euch und Tiv beschützen.«
»Was ist hier eigentlich los? Ich kapier überhaupt nichts mehr«, sagte Pepe und baute sich schützend vor Nima auf, als seien wir die Gefahr und nicht Vinaash und die Monster, die dort draußen auf Avan und mich warteten.
»Wie Tiv auch kann ich nicht viel dazu sagen. Es wäre mir aber eine Ehre, für euch Wohnungen bereitzustellen.«
Meine Familie tauschte unsichere Blicke aus, ehe sie zu mir sah.
»Die Entscheidung liegt bei euch.« Ich holte tief Luft. »Ich würde mich jedoch wohler fühlen, wenn ich wüsste, dass in eurer Nähe jemand ist, der sich zu verteidigen weiß«, gab ich leise zu.
»Na gut. Dann werden wir das Angebot annehmen, Avan«, sagte Ina. Pepe schaute missgünstig und wollte offensichtlich widersprechen.
Aber Avan kam ihm zuvor. »Gut, ich werde dem Rudel schon einmal Bescheid sagen, dass sie euch heute noch erwarten können, und lasse euch kurz allein.« Bevor er den Raum verließ, warf er mir noch einen aufmunternden Blick zu.
»Wie mächtig ist dieser Feind?«, erkundigte sich Hector leise.
Ich seufzte. »Sehr mächtig.«
Meine Liebsten starrten mich aus bedrückten Gesichtern an.
»Es tut mir so leid, dass ich euch hier mit hineingezogen habe …«, sagte ich.
»Was?« Nima sah mich verwirrt an.
»Hättet ihr mich damals nicht aufgenommen, würdet ihr gar nicht im Aufmerksamkeitsbereich dieser Wahnsinnigen stehen …«
»Halt den Mund«, sagte Pepe. »Sofort!«
Mit großen Augen sah ich zu ihm.
»Pepe hat recht. Tiv, selbst wenn wir wüssten, was auf uns zukäme, würden wir wieder dieselbe Entscheidung treffen. Du gehörst zu unserer Familie. Du bist meine Tochter. Ich finde es einfach fürchterlich, dass ich dir nicht helfen kann, sondern machtlos dabei zusehen muss, wie du gegen einen Feind kämpfst, der halb Itampira in Schutt und Asche legt.«
Tränen brannten erneut in meinen Augen. Hectors Worte zu hören war wie ein Streicheln für meine Seele. Ich liebte jeden Einzelnen meiner Familie und es bedeutete mir viel, so selbstverständlich dazuzugehören. »Danke … Ich werde alles Nötige tun, damit ihr in Sicherheit seid«, versprach ich.
Ina nahm mich in den Arm. »Versprich uns lieber, dass du auf dich achtgibst. Ich werde nämlich keins meiner Kinder zu Grabe tragen«, murmelte Ina.
Ich musste lachen. »Ich gebe mir Mühe.«
Sie knuffte mich in die Seite. Schmerzerfüllt zuckte ich zusammen.
»Ach je«, murmelte Ina entschuldigend, obwohl dabei ein Grinsen ihre Lippen zierte, das mir klar und deutlich zeigte, dass dieser Schmerz zum Teil gewollt gewesen war. »Hab vergessen, dass du verletzt bist.«
Ich begann zu lachen. »Ist ja auch kaum zu erkennen«, murmelte ich.
Avan klopfte, bevor er hineinkam. »Ich habe das Rudel benachrichtigt. Ein paar von ihnen werden mit zu euch nach Hause fahren, um tragen zu helfen.«
»Dann machen wir uns auf den Weg, um zu packen«, sagte Hector und zog Ina von mir fort. Pepe folgte seinen Eltern.
Nima kam noch auf mich zu. »Dir geht’s wirklich gut?«
Ich nickte. »Ja. Es tut noch weh, aber alles heilt schnell«, versicherte ich ihr.
Zaghaft nahm sie mich in den Arm. »Pass auf dich auf. Ich will meinem Baby nicht erklären müssen, wieso es keine Patentante hat.«
Wieder brannten Tränen in meinen Augen. »Das würde ich dir nicht antun.«
»Gut, das wollte ich hören.«
Ich lächelte. »Und, Nima?«
»Ja?«
»Ich wusste, dass du mich zur Patentante machst«, sagte ich hochnäsig.
Sie streckte mir die Zunge raus. »Noch steht nichts auf dem Papier«, warnte sie mich.
Ich lachte laut, gab meiner Lieblingsfreundin einen dicken Kuss auf die Wange und winkte ihr beim Rausgehen zu.
Avan und ich waren wieder allein. Er stützte sich auf das Bettgestell und betrachtete mich nachdenklich.
Müde kuschelte ich mich ins Kissen und erwiderte seinen Blick.
»Du bist glücklich«, stellte er fest.
»In diesem Augenblick definitiv, ja.«
Er lächelte. »Ich mag es, wenn du so aussiehst.« Er fuhr mir mit seiner Hand über die Wange. »Möchtest du noch etwas schlafen?«
Ich nickte und konnte ein Gähnen nicht mehr unterdrücken. »Bleibst … bleibst du noch hier?«, fragte ich zaghaft, beinahe schüchtern. So langsam hatte ich das Gefühl, dass sich Avan zu einer Schwäche entwickelte. Ich liebte seine Nähe. Ich hatte das Gefühl, dass ich ihn brauchte, um mich komplett zu fühlen. So sehr ich es auch hasste, diese Schwäche zuzugeben, so sehr genoss ich es doch, ihn bei mir zu haben.
Avan grinste. »Es gibt nichts, was mich davon abhalten könnte.«
Ich rutschte in meinem Bett etwas zur Seite und klopfte auf die Decke.
Überrascht sah er mich an. »Bist du dir sicher?«
»Komm her, bevor ich es mir anders überlege«, murmelte ich bereits schläfrig. Ich war noch immer nicht vollständig wiederhergestellt und der Besuch meiner Familie und die Erkenntnisse, die Avan und ich gewonnen hatten, hatten mir all meine Kraft geraubt.
Mit bereits geschlossenen Augen hörte ich, wie er seine Schuhe auszog und sich dann neben mich legte. Seinen Arm schob er unter meinen Kopf. Ich kuschelte mich an seine Brust und legte ein Bein besitzergreifend über seine Hüfte.
»Schlaf gut, Tiv«, murmelte er und gab mir einen hauchzarten Kuss auf den Scheitel.
So geborgen wie in diesem Moment hatte ich mich schon seit Ewigkeiten nicht mehr gefühlt.
***
»Guten Morgen.« Eine männliche Stimme riss mich aus dem Schlaf.
Ich runzelte die Stirn, irgendwie kam sie mir bekannt vor. Schläfrig rieb ich mir über die Augen, ehe ich sie blinzelnd öffnete.
Vor mir saß ein Mann mit weißen Haaren, Sommersprossen und einem frechen Grinsen, in das ich mich einmal verliebt hatte. Erschrocken richtete ich mich auf. »Was zum Geier machst du hier?« In meinen Ton verirrte sich unterschwellige Wut.
Er hob die Augenbrauen an. »Du hattest dir doch gewünscht, dass wir uns besuchen.«
Das Herz in meiner Brust schlug hektisch – als wäre ich ein Kaninchen auf der Flucht. »Und du hast abgelehnt«, erinnerte ich ihn. »Sogar sehr deutlich.«
Meine Zimmertür ging auf. Avan stand mit zwei Bechern im Türrahmen. »Morgen. Wer sind Sie?«
»Ich dachte, dass Tiv bereits von mir erzählt hat. Ich bin Ryan.«
Avan versteifte sich. Sein Blick wanderte von Ryan zu mir. »Sie hat von dir erzählt«, sagte er steif. »Aber nichts davon, dass du hier erscheinen würdest.«
Ryan machte eine wegwerfende Handbewegung, als sei das eine durch und durch belanglose Information. »Ach, das wusste sie selbst auch nicht. Der Zirkel in Itampira hat einen neuen Khojak angefordert. Zwar hätte ich lieber weiter an der Akademie unterrichtet, aber wie kann ich schon Nein sagen, wenn sich hier eine Katastrophe nach der nächsten abspielt?«
»Du bist aber ein Ladee«, erinnerte ich ihn.
»Ja, das weiß auch der Zirkel, deswegen haben sie mir den Auftrag gegeben, dich zu observieren. Das heißt, ich werde dich in jeder Minute deines Lebens begleiten.«
Mir wurde eiskalt und heiß zugleich. »Das klingt eher wie eine Drohung«, stellte ich fest.
Ein Grinsen erschien auf seinen Lippen. »Der Zirkel vermutet, dass du den Turm absichtlich zerstört hast. Deswegen kannst du es als Drohung oder als Versprechen ansehen, ganz nach Belieben.«
Mir verschlug es die Sprache. »Ich soll was getan haben?«
»Die Deva auf dem Dach haben bloß gesehen, wie dein Blut sich mit dem dieses Tieres verbunden …«, er deutete dabei abfällig in Avans Richtung, »und plötzlich der Boden unter ihnen nachgegeben hat.«
»Hätte ich das absichtlich getan, dann sicherlich nicht in einem Zustand, der mich fast das Leben gekostet hätte!«, wehrte ich die Anschuldigung ab.
»Tivra, mir brauchst du das nicht zu erzählen. Ich weiß, dass du mit solchen Tieren nichts anfangen würdest.«
»Mit solchen Tieren …?«
Ich hörte Avan tief Luft holen. »Vielleicht sollte ich euch lieber allein lassen«, grollte er.
»Was? Avan!«
Doch er hatte sich bereits umgedreht und den Raum verlassen. Ich stieß ein frustriertes Seufzen aus. Für einen Moment barg ich das Gesicht in meinen Händen, ehe ich wieder zu Ryan sah.
Um seine Lippen schwebte noch immer dieses provozierende Grinsen, das ich ihm am liebsten aus dem Gesicht gewischt hätte. »Was hat der Zirkel vor?«
»Ich soll dich beobachten. Feststellen, ob du eine Gefahr bist.«
Mein Blick richtete sich auf seine grünen Augen. Ryan war für mich früher wie ein offenes Buch gewesen. Ich hatte alles in seinen Augen lesen können. Doch jetzt wirkte er verschlossen, unnahbar, fremd. »Glaubst du, dass ich den Turm absichtlich niedergerissen habe?«
Sein Blick wurde weich. »Ich weiß, dass du in deiner Wut ganze Städte niederreißen könntest, wenn man dich herausforderte. Aber ich glaube nicht, dass du dem Zirkel absichtlich schaden würdest«, gab er zu.
Ich nickte dankbar.
»Das heißt aber nicht, dass ich wohlwollend zu dir gekommen bin.«
»Das habe ich mir gedacht«, bemerkte ich.
»Und was ist mit dir und dem … Tier?«
Ich verdrehte die Augen. »Kannst du aufhören ihn so zu nennen? Er ist ein Pashu.«
»Ein magisches Tier, das die Form eines Log annehmen kann, aber noch immer ein Tier.«
»Was zwischen mir und Avan ist, geht dich einen feuchten Dreck an«, sagte ich.
Er runzelte die Stirn. »Du magst ihn.«
»Wie gesagt, das hat dich nicht zu interessieren.« Ich schwang die Beine über die Bettkante, zischte dabei aber. Der Schmerz rollte über mich hinweg wie ein Tsunami, Schwindel überfiel mich und mir wurde für einen Moment schwarz vor Augen.
»Brauchst du Hilfe?«, erkundigte sich Ryan.
Obwohl ich nicht zu ihm sah, konnte ich das süffisante Grinsen in seinem Gesicht aus jedem seiner verdammten Worte hören. »Nein«, knurrte ich und stieß mich vom Bett ab.
Meine Beine fühlten sich noch etwas schwach an, als ich sie vorsichtig belastete. Frische Anziehsachen lagen auf dem Besucherstuhl, auf dem Avan die letzte Zeit gesessen hatte. Ich warf einen Blick über die Schulter. »Darf ich zumindest beim Anziehen etwas Privatsphäre haben?«, erkundigte ich mich.
»Da gibt es nichts, was ich nicht schon gesehen hätte«, erinnerte Ryan mich.
Ich knirschte mit den Zähnen. »Geh! Raus!«, forderte ich.
Leise lachend stand mein Ex-Freund auf und verließ den Raum. Als er die Tür hinter sich schloss, sackte ich in mich zusammen und verbarg mein Gesicht in den Händen. Der Zirkel glaubte, ich hätte sie – meine Familie – verraten.
Der Gedanke riss mich beinahe wieder von den Füßen. Wie hatte das alles nur solche Ausmaße annehmen können? Ich fuhr mir durch die wirren Haare. Ich brauchte eine Dusche. Dringend.
Aber nicht hier.
Hastig machte ich eine Katzenwäsche über dem Waschbecken und zog mich an. Ich wollte gerade meine Hand auf die Türklinke legen, als diese nach unten gedrückt wurde.
»Ms Kande. Werden wir noch öfter das Vergnügen mit Ihnen haben?« Der Arzt vom letzten Mal sah mich mit einem Lächeln an.
»Ich hoffe nicht, aber leider kann ich nichts versprechen«, erwiderte ich grinsend.
»Darf ich Sie noch ein einziges Mal scannen, damit wir sichergehen können, dass Ihre inneren Verletzungen komplett verheilt sind?«
»Natürlich«, stimmte ich zu und legte mich noch einmal aufs Bett.
Der Arzt holte sein Tablet hervor und fuhr damit über meinen Körper. »Es ist unglaublich«, sagte er staunend.
»Also kann ich gehen?«, erkundigte ich mich.
»So kann ich Sie hier nicht festhalten. Aber versuchen Sie etwas vorsichtiger zu sein. Und achten Sie auf die Verbrennungen an ihren Handgelenken. Die konnten wir nicht wirklich heilen.« Er sah mich mahnend an.
Überrascht sah ich in Richtung meiner Hände und erstarrte. Die Abdrücke der heißen Schlingen, mit denen Letizia mich festgehalten hatte, hatten sich in meine Haut gebrannt. Ich blickte wieder zu dem Doktor auf und tat so, als sei alles in bester Ordnung, während ich innerlich zu zittern begann. »Ich gebe mein Bestes.«
Diese Wundmale hätten längst verschwunden sein müssen. Ich warf noch einen Blick auf die Verbrennungen. Sie schmerzten nicht einmal. Aber sie hoben sich rot von der restlichen Haut ab.
Er nickte und verließ den Raum. Im Türrahmen stand Ryan und musterte mich. »Bereit?«
»Ich kenne das Prozedere, das heißt aber nicht, dass ich es akzeptieren werde«, gab ich von mir und lief an ihm vorbei. Ich wollte meine Ruhe haben. Allein sein und die ganzen Geschehnisse verarbeiten. Dabei brauchte ich niemanden, der mir über die Schulter sah und jede meiner Bewegungen verfolgte.
»Du weißt, dass du nichts daran ändern kannst.«
»Ich kann einfach gehen.«
»Ich werde dir folgen«, erinnerte mich Ryan.
Ein Knurren kam über meine Lippen und ich beschleunigte die Schritte.
»Tivra …«
»Spar dir die Luft!«, warnte ich ihn zornig und ging weiter.
Hinter mir hörte ich seine eiligen Schritte. »Wohin willst du jetzt?«
»Zum Rudel.«
»Du willst zu diesen … Tieren?«
Ich sah zu ihm. »Wohin sollte ich sonst gehen? Ich habe noch einen Job zu erledigen.«
»Glaubst du wirklich, dass die Meetings zwischen dem Zirkel und den Log Zukunft haben, wenn in den Medien steht, dass die Pashu die Stadt zerstört haben und du ihnen dabei geholfen hast?«
Abrupt blieb ich stehen. »Was? Die Pashu haben nicht …«
»Meinst du nicht, dass du besser dran wärst, wenn du den Job kündigst und dorthin zurückkehrst, wo du hingehörst? Tiv, der Zirkel ist deine Familie – nicht diese Tiere.«
Meine Hände ballten sich zu Fäusten. Mein Blick schweifte einmal durch den Krankenhausflur. Das, was ich mit Ryan zu besprechen hatte, ging niemanden etwas an. Mit donnernden Schritten verließ ich gefolgt von meinem Ex das Krankenhaus. Ich führte Ryan in den kleinen abgeschiedenen Park, der an das Gebäude grenzte. Als ich mir sicher war, dass uns niemand hörte, fuhr ich zu ihm herum.
»Dorthin, wo ich hingehöre? Weißt du, was Letizia mit mir gemacht hast, als ich ihr erzählt habe, dass die Baru angreifen? Sie. Hat. Mich. Gefoltert! Sie wollte in meinen Geist eindringen! Es war ihr egal, dass ich nicht zugestimmt hatte!« Ich hob die Hände und zeigte ihm die Wunden, die sie hinterlassen hatte. »Sie …«
Ryan umfasste meine Schultern. »Letizia ist fort«, unterbrach er mich. »Der Zirkel von Itampira ist momentan ohne Führung und Hauptquartier. Die Überlebenden sind gerade dabei, Aufzeichnungen sowie Vermisste aus den Trümmern zu retten.«
Ich war wie erstarrt. »Vermisste?«
»Du konntest vielleicht alle retten, die auf dem Turm waren, aber innerhalb des Gebäudes haben sich auch Deva aufgehalten.«
Ein Kloß breitete sich in meinem Hals aus. »Wie viele?«
»Tiv …«
»Wie viele?«, unterbrach ich ihn.
»Vierundzwanzig.«
Ich holte tief Luft und fuhr mir durch die Haare. »Das Einzige, was ich möchte, ist ein friedliches Zusammenleben unter den verschiedenen Spezies«, gestand ich.
Ryan schüttelte den Kopf. »Tiv, es sind Tiere! Du kannst nicht in Frieden mit ihnen zusammenleben.«
»Aber wieso nicht? Glaubst du wirklich, dass wir besser sind als sie? Findest du nicht, dass in uns allen Bosheit schlummert?«
»Du solltest doch wissen, wie sie ticken«, warf er mir vor.
»Das war einer von ihnen. Ein einziger irrer Pashu!«, schrie ich ihn an.
»Ein einziger, der nun frei ist.«
Ich machte große Augen. »Was?« Ein Zittern erfasste meinen Körper.
»Baru haben in derselben Nacht, als der Turm fiel, Ayangron angegriffen.«
»Nein.« Ich schlug die Hand vor den Mund. Die Angst krallte sich in meine Eingeweide. Ayangron war die Insel der Schrecken. Dort stand das Gefängnis, in dem Deva, Pashu und andere Wesen landeten, wenn sie gegen die Regeln verstoßen hatten. Niemand außer den Wächtern war auf der Insel willkommen, dafür sorgten die Schatten, die jeden Eindringling fernhalten sollten.
Ich fuhr mir durch mein wirres Haar. Mich durchlief das entsetzliche Gefühl, wieder in dem Schrank zu hocken, zusehen zu müssen, wie das Monster meine Mutter ermordete … »Nein …«
Ryan rieb über meine Oberarme. »Ich soll dich beschützen und im Auge behalten. Verstehst du das?«, erkundigte er sich.
Doch was er sagte, prallte an mir ab. In meinen Ohren dominierte das Rauschen. Ich konnte keinen Gedanken fassen, weil mich die Angst vollkommen einnahm.
Ich spürte, wie Ryan seine Arme um mich legte. Es fühlte sich falsch an. Ich stieß ihn von mir. »Fass mich nicht an!«, verlangte ich und stolperte mehrere Schritte nach hinten.
Ich konnte nicht atmen. Meine Lunge füllte sich hektisch mit Luft, aber irgendwie gelangte sie dennoch nicht in meinen Körper. Es war, als versperrte die Angst den restlichen Weg, damit der Sauerstoff nicht weiterfließen konnte.
»Tiv!«, hörte ich Ryans Stimme dumpf. »Lauf nicht weg.«
Ich schluckte und versuchte noch die Tränen aufzuhalten, doch es misslang mir. Mitten im Park stehend begann ich zu weinen.
»Was ist hier los?«
Ich verharrte in meinem Schluchzen und starrte zu Avan, der auf dem Weg stand und mich fragend ansah.
»Das … Der Pashu, der meine Eltern ermordet hat … er ist frei«, presste ich hervor.
Avan sah so geschockt aus, wie ich mich fühlte, ehe er sich in Bewegung setzte und mich in seine Arme zog. Ich ließ seine Nähe zu, die sich wie ein wärmender Mantel um meinen Körper legte. Meine Finger krallten sich in sein T-Shirt. Ich spürte erneute Tränen, die über meine Wangen liefen.
»Er wird dir nichts antun können«, wisperte Avan in meine Haare. »Ich lasse nicht zu, dass dir etwas passiert.«
Mit tränenverschleiertem Blick sah ich zu ihm hoch.
Er zog mich enger an sich. »Lass uns zum Rudel zurückkehren.«
Ich nickte und ließ mich von ihm führen.
»Ich werde euch dann mit meinem Auto folgen.«
Avan verharrte und sah zurück zu Ryan. »Wieso?«
»Der Zirkel hat mich abgestellt, um Tiv zu beschützen und observieren zu können, damit sie Itampira nicht noch mehr Schaden zufügt«, erklärte Ryan.
»Sie hat dieser Insel keinerlei Schaden zugefügt, sondern noch davor bewahrt!«, verteidigte mich Avan. »Und beschützen kann ich sie.«
»Es ist mein Auftrag«, beharrte Ryan. »Ich persönlich glaube zudem, dass man niemals genug Schutz haben kann.«
Ich wollte nur noch zurück in meine Wohnung, die Bettdecke über den Kopf ziehen und einfach vergessen, was hier gerade um mich herum geschah.
Avan stieß ein Seufzen aus. »Dann vermute ich, dass ich dir auch eine Wohnung anbieten muss? Damit du in ihrer Nähe bleiben kannst?«
»Wenn ich meinen Job machen soll, wäre das hilfreich«, erwiderte mein Ex. »Sonst kann ich auch auf Tivras Sofa schlafen.«
»Dann fahr uns hinterher.«
»Aber gern.«
Avan führte mich zu den Parkplätzen. Sein Auto stand etwas abseits. Er öffnete mir die Tür und ich stieg ein. Ich fühlte mich wie betäubt. Von meiner restlichen Umwelt bekam ich nichts mit. Ich war so mit mir selbst beschäftigt und konnte nicht glauben, nicht fassen, dass Ayangron – die sicherste Insel, die es in meiner Vorstellung gab – angegriffen worden war.
»Was haben wir jetzt vor?«, fragte ich Avan, als er sich neben mich in den Fahrersitz gleiten ließ.
»Erst mal fahren wir nach Hause und danach sehen wir weiter.«
»Das klingt nach einem guten Plan«, murmelte ich.
Avans Finger streichelten sanft über meinen Arm. Ich griff danach und verschränkte unsere Hände miteinander.
Während wir auf dem Weg zum Rudel waren, starrte ich aus dem Fenster. Das Krankenhaus war nicht weit entfernt vom Turm und als wir den Parkplatz verlassen hatten, hatte ich bereits das Ausmaß dessen erkennen können, was Vinaashs Magie angerichtet hatte. Stangen aus Metall, die das Innere eines Hauses gestützt hatten, ragten nutzlos in die Luft, während sich Ziegel und Mauerstücke zu Staub zerbröselt auf dem Bordstein gesammelt hatten. Ein schwerer, schmerzhafter Brocken legte sich auf meine Eingeweide.
»Wir sind schuld daran«, murmelte ich.
»Tiv, das darfst du so nicht sagen. Wir haben alles Mögliche versucht, um das zu verhindern.«
»Aber … anscheinend nicht gut genug.«
»Wir werden Vinaash aufhalten. Solange sie uns zwei nicht in ihre Finger bekommt, besteht Hoffnung.«
Ich wusste, dass Avan recht hatte. Aber diese Hoffnung kam für die Leute zu spät, die zwischen dem Schutt gefangen waren, die ihre Liebsten eventuell nie wiedersehen würden …
Je näher wir dem Turm kamen, umso schrecklicher wurde das Bild. »Götter«, murmelte ich und hob die Hand an den Mund.
Der komplette Stadtteil sah aus, als hätte ein Riese sich den Spaß gemacht, auf die Häuser einzudreschen, damit sie in sich zusammenfielen.
Ich konnte dem Chaos, was sich mir bot, nur mit großen Augen folgen. Niemals hätte ich mir so etwas vorstellen können. Nicht einmal in meinen kühnsten Träumen. Diese Zerstörungskraft war umfassend, sie war tödlich und … unberechenbar.
»Was wollte Ina im Krankenhaus noch sagen?«, erkundigte ich mich und sah zu Avan.
Seine Knöchel traten weiß hervor, als er sie fester ums Lenkrad klammerte.
»Der Zirkel behauptet, dass die Pashu die Baru angeheuert hätten. Dass das alles ein abgekartetes Spiel gewesen sei, um uns gut dastehen zu lassen.«
Ich riss meine Augen auf. »Was? Aber das ist doch eine fiese Lüge!«
Mit traurigem Blick sah Avan zu mir. »In Momenten, die Angst und Verwirrung erzeugen, ist es für die meisten nicht von Belang, ob etwas der Wahrheit entspricht oder eine gut gemünzte Lüge ist.«
Sprachlos musterte ich den Paid, der sich wieder auf die Straße konzentrierte. »Deswegen glauben sie, dass ich hinter dir stehe. Weil der Turm gefallen ist. Das Wahrzeichen der Deva. Sie glauben, dass ich dir die Informationen, wie man den Turm einreißen kann, gegeben habe.«
»Ja.«
»Aber … es waren so viele bei uns, die das Gegenteil gesehen haben«, fuhr ich auf.
»Sie alle wissen nicht, was genau sie gesehen haben. Sie beobachteten, wie unser Blut angefangen hat zu leuchten und plötzlich alles zusammenstürzte. Tiv, wir können gerade nichts daran ändern. Wir müssen versuchen das Beste aus dieser Situation zu machen.«
Ich schlug die Hand vor den Mund. In meinem Kopf wirbelten die Gedanken umher wie ein Tornado, ohne dass ich auch nur irgendeinen davon fassen konnte. Doch ich versuchte mich zu sortieren.
»Es stehen vier Dinge fest, Avan: Die Pashu – und auch ich – sind in Itampira nicht mehr erwünscht. Der Zirkel befindet sich am Ende seiner Kräfte. Vinaash hat einen Teil ihrer Macht zurückbekommen und wir haben noch immer keine Ahnung, wie wir sie wieder bannen sollen.« Mir wurde schlecht, während ich die Fakten aufzählte.
Avan legte eine Hand über meine und drückte sie sanft. »Es ist nicht hoffnungslos. Solange wir da und bereit zu kämpfen sind, haben wir noch immer eine Chance.«
Mechanisch nickte ich. Seine Worte ergaben Sinn, aber wirklich daran glauben konnte ich in diesem Moment nicht.
***
Nach einer heißen Dusche ging es mir besser. Die eisige Kälte aus meinem Inneren hatte ich aber nicht verbannen können. Es waren zu viele Dinge, die auf mich einprasselten, zu viele Dinge, um die ich mir schreckliche Sorgen machte. Seufzend schlang ich mir ein Handtuch um den Kopf und ging ins Wohnzimmer.
Dass der Zirkel mir Ryan als Aufpasser geschickt hatte, glich einem schlechten Scherz. Sie wussten, dass wir eine gemeinsame Vergangenheit hatten. Meine Gedanken schweiften zu Dane. Wir mussten ihn irgendwie befreien. Wir konnten ihn nicht sich selbst überlassen, er war in den Fängen dieser Irren …
Mein Kopf fühlte sich wie ein Kettenkarussell an, es wirbelte alles wild in meinem Kopf umher, aber niemals kam ich wirklich zu einem Stopp, zu einer Lösung, weil sich ein neues Problem stets schnell in den Vordergrund drängte.
Avan saß noch auf dem Sofa und betrachtete mich besorgt. Vor ihm auf den Tisch standen Kartons, aus denen ein himmlischer Duft drang.
»Du hast was zu essen bestellt?«, fragte ich erstaunt.
»Wenn du willst, kann ich es auch in meiner Woh…«
Ich schüttelte den Kopf, noch ehe er zu Ende gesprochen hatte. »Nein. Bleib.«
Ein erleichtertes Lächeln legte sich auf Avans Lippen.
»Hast du Lust, beim Essen einen Film zu gucken?«, erkundigte ich mich und setzte mich neben ihn aufs Sofa.
»Macht man das nicht erst beim dritten Date?«
Ich versteifte mich. »Was?«
»Na ja, daheim essen und Filme gucken.«
Ich zuckte mit den Schultern. »Man geht auch erst nach dem fünften Date miteinander ins Bett.«
Er lachte leise. »Stimmt, da war was.«
Sein Lachen zu hören war wie nach Hause kommen und ich gab mein Bestes, die lockere Situation zuzulassen und für ein paar gestohlene Augenblicke zu vergessen, dass die Welt gerade vor dem Abgrund stand. »Also, welchen Film?«
»Such du einen aus. Ist deine Wohnung.«
Ein Lächeln legte sich auf meine Lippen. »In Ordnung. Denk dran, wenn wir diesen Film schauen«, warnte ich ihn.
Wieder lachte er. »Mache ich.«
Ich grinste und wählte einen Film aus.
Avan beugte sich vor und reichte mir einen Karton und die Gabel.
»Ist das aus dem einen Restaurant?«, erkundigte ich mich, als ich die Nase über den Karton hielt und genüsslich daran roch.
»Ja.«
»Ich hätte nicht gedacht, dass sie einen Lieferdienst haben«, bemerkte ich.
»Haben sie auch nicht.«
»Hast du wieder deinen Anführercharme spielen lassen?«, erkundigte ich mich.
»Meinen was?«, fragte Avan mit einem Grinsen.
»Deinen Anführercharme«, wiederholte ich.
Er beugte sich zu mir vor. Seine Nähe wurde mir mit einem Mal schlagartig bewusst. Hitze durchfuhr meinen Körper und kam in meinem Bauch kribbelnd an.
»Du findest mich also charmant?«
Bei seinem Blick zog sich mein Unterleib verzückt zusammen. In seine Augen war wieder der Hunger getreten, der mich um den Verstand brachte. Dieses Spiel konnten auch zwei Leute spielen. Ich beugte mich näher zu ihm, sodass sich unsere Nasenspitzen beinahe berührten. Sein Atem streifte mein Gesicht. »Ich habe niemals das Gegenteil behauptet, oder?«
Avans Blick lag auf meinen Lippen. Er wirkte wie hypnotisiert. Ich hatte verdammte Lust, ihn zu reizen. Mit meiner Zunge fuhr ich mir über die Oberlippe.
Ruckartig sah er nach oben. »Du Biest«, fluchte er und suchte schmunzelnd Abstand.
Ich lachte und stopfte mir eine volle Gabel in meinen Mund.
Vom Geschmack berauscht stöhnte ich und schloss die Augen. »Das ist so lecker …«, schwärmte ich.
Ohne dass ich zu Avan sah, wusste ich, dass er mich anlächelte. Es war schön, ihn so zu sehen. Es tat uns beiden gut, die Welt für einen Moment vergessen zu können.
Der Film lief während des ganzen Essens nebenher. Als ich meinen leeren Karton auf den Tisch abstellte, tat es Avan mir nach. Er räusperte sich. »Das ist also dein Ryan?«
Ich sah zu ihm. Sein Blick lag konzentriert auf dem Fernseher, doch ich hatte das Gefühl, dass er gar nicht darauf achtete, was dort passierte.
»Er ist nicht mein Ryan, aber ja, das ist er.«
Sein Kehlkopf hüpfte nervös. »Was hältst du davon, dass er jetzt hier in deiner Nähe ist?«
Ich seufzte. »Er ist mein Aufpasser. Mein Wächter, um genau zu sein, damit er kontrollieren kann, ob ich wirklich etwas mit dem Einsturz des Turms zu tun habe oder nicht.«
»Ich verstehe nicht, wie der Zirkel so etwas von seinen Leuten glauben kann«, meinte Avan. Sein Blick hatte sich verfinstert.
»Ich verstehe es auch nicht. Aber Ryan ist nicht nur deswegen hier. Er soll mich auch vor dem Mörder meiner Eltern beschützen.«
»Weißt du, wieso sie gerade ihn ausgewählt haben könnten?«
»Er ist ein Ladee … mit den Fähigkeiten eines Khojak. Das heißt, dass er mich verteidigen und auch meine Vergangenheit sehen kann. Die perfekte Mischung, um zu überprüfen, ob mir der Zirkel vertrauen kann. Und leider eine seltene Mischung, sodass sie wahrscheinlich nicht so viel Auswahl hatten.«
Avan lehnte sich an das Sofa und seufzte. »Da hätte es auch andere Deva gegeben, oder?«
»Mit Sicherheit … aber wahrscheinlich keinen, der mich so gut kennt.«
Der Paid fuhr sich durch die Haare, sodass sie wirr abstanden. »Mir gefällt es nicht, dass er da ist«, gab er zu.
»Mir auch nicht.«