Don Carlos - Friedrich von Schiller - E-Book

Don Carlos E-Book

Friedrich von Schiller

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Beschreibung

Friedrich Schiller erarbeitete in den Jahren 1783 bis 1787 seinen "Don Carlos. Infant von Spanien" als dramatische Gedicht in fünf Akten.

Das E-Book Don Carlos wird angeboten von BoD - Books on Demand und wurde mit folgenden Begriffen kategorisiert:
Taschenbuch-Literatur-Klassiker, Drama, Friedrich Schiller, Don Carlos

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Inhalt

Erster Akt

Zweiter Akt

Dritter Akt

Vierter Akt

FünfterAkt

Personen.

Philipp der Zweite, König von Spanien.

Elisabeth von Valois, seine Gemahlin.

Don Carlos, der Kronprinz.

Alexander Farnese, Prinz von Parma, Neffe des Königs.

Infantin Klara Eugenia, ein Kind von drei Jahren.

Herzogin von Olivarez, Oberhofmeisterin.

Marquisin von Mondekar,

Prinzessin von Eboli,

Gräfin Fuentes, Damen der Königin.

Marquis von Posa, ein Malteserritter,

Herzog von Alba,

Graf von Lerma, Oberster der Leibwache,

Herzog von Feria, Ritter des Vlieses,

Herzog von Medina Sidonia, Admiral,

Don Raimond von Taxis, Oberpostmeister, Granden von Spanien.

Domingo, Beichtvater des Königs.

Der Grossinquisitor des Königreichs.

Der Prior eines Kartäuserklosters.

Ein Page der Königin.

Don Ludwig Merkado, Leibarzt der Königin.

Mehrere Damen und Granden, Pagen, Offiziere.

Die Leibwache und verschiedene stumme Personen.

Erster Akt

Der königliche Garten in Aranjuez.

Erster Auftritt

Carlos, Domingo.

DOMINGO.

Die schönen Tage in Aranjuez

Sind nun zu Ende. Eure königliche Hoheit

Verlassen es nicht heiterer. Wir sind

Vergebens hier gewesen. Brechen Sie

Dies rätselhafte Schweigen. Öffnen Sie

Ihr Herz dem Vaterherzen, Prinz. Zu teuer

Kann der Monarch die Ruhe seines Sohns –

Des einzgen Sohns – zu teuer nie erkaufen.

Carlos sieht zur Erde und schweigt.

Wär noch ein Wunsch zurücke, den der Himmel

Dem liebsten seiner Söhne weigerte?

Ich stand dabei, als in Toledos Mauern

Der stolze Karl die Huldigung empfing,

Als Fürsten sich zu seinem Handkuß drängten,

Und jetzt in einem – einem Niederfall

Sechs Königreiche ihm zu Füßen lagen –

Ich stand und sah das junge stolze Blut

In seine Wangen steigen, seinen Busen

Von fürstlichen Entschlüssen wallen, sah

Sein trunknes Aug durch die Versammlung fliegen,

In Wonne brechen – Prinz, und dieses Auge

Gestand: Ich bin gesättigt.

Carlos wendet sich weg.

Dieser stille

Und feierliche Kummer, Prinz, den wir

Acht Monde schon in Ihren Blicken lesen,

Das Rätsel dieses ganzen Hofs, die Angst

Des Königreichs, hat Seiner Majestät

Schon manche sorgenvolle Nacht gekostet,

Schon manche Träne Ihrer Mutter.

CARLOS dreht sich rasch um.

Mutter?

– O Himmel, gib, daß ich es dem vergesse,

Der sie zu meiner Mutter machte!

DOMINGO.

Prinz?

CARLOS besinnt sich und fährt mit der Hand über die Stirne.

Hochwürdger Herr – ich habe sehr viel Unglück

Mit meinen Müttern. Meine erste Handlung,

Als ich das Licht der Welt erblickte, war

Ein Muttermord.

DOMINGO.

Ists möglich, gnädger Prinz?

Kann dieser Vorwurf Ihr Gewissen drücken?

CARLOS.

Und meine neue Mutter – hat sie mir

Nicht meines Vaters Liebe schon gekostet?

Mein Vater hat mich kaum geliebt. Mein ganzes

Verdienst war noch, sein Einziger zu sein.

Sie gab ihm eine Tochter – O wer weiß,

Was in der Zeiten Hintergrunde schlummert?

DOMINGO.

Sie spotten meiner, Prinz. Ganz Spanien

Vergöttert seine Königin. Sie sollten

Nur mit des Hasses Augen sie betrachten?

Bei ihrem Anblick nur die Klugheit hören?

Wie, Prinz? Die schönste Frau auf dieser Welt,

Und Königin – und ehmals Ihre Braut?

Unmöglich, Prinz! Unglaublich! Nimmermehr!

Wo alles liebt, kann Karl allein nicht hassen;

So seltsam widerspricht sich Carlos nicht.

Verwahren Sie sich, Prinz, daß sie es nie,

Wie sehr sie ihrem Sohn mißfällt, erfahre;

Die Nachricht würde schmerzen.

CARLOS.

Glauben Sie?

DOMINGO.

Wenn Eure Hoheit sich des letzteren

Turniers zu Saragossa noch entsinnen,

Wo unsern Herrn ein Lanzensplitter streifte –

Die Königin mit ihren Damen saß

Auf des Palastes mittlerer Tribune

Und sah dem Kampfe zu. Auf einmal riefs:

»Der König blutet!« – Man rennt durcheinander,

Ein dumpfes Murmeln dringt bis zu dem Ohr

Der Königin. »Der Prinz?« ruft sie und will,

Und will sich von dem obersten Geländer

Herunterwerfen, – »Nein! Der König selbst!«

Gibt man zur Antwort – »So laßt Ärzte holen!«

Erwidert sie, indem sie Atem schöpfte.

Nach einigem Stillschweigen.

Sie stehen in Gedanken?

CARLOS.

Ich bewundre

Des Königs lustgen Beichtiger, der so

Bewandert ist in witzigen Geschichten.

Ernsthaft und finster.

Doch hab ich immer sagen hören, daß

Gebärdenspäher und Geschichtenträger

Des Übels mehr auf dieser Welt getan,

Als Gift und Dolch in Mörders Hand nicht konnten.

Die Mühe, Herr, war zu ersparen. Wenn

Sie Dank erwarten, gehen Sie zum König.

DOMINGO.

Sie tun sehr wohl, mein Prinz, sich vorzusehn

Mit Menschen – nur mit Unterscheidung. Stoßen Sie

Nicht mit dem Heuchler auch den Freund zurück.

Ich mein es gut mit Ihnen.

CARLOS.

Lassen Sie

Das meinen Vater ja nicht merken. Sonst

Sind Sie um Ihren Purpur.

DOMINGO stutzt.

Wie?

CARLOS.

Nun ja.

Versprach er Ihnen nicht den ersten Purpur,

Den Spanien vergeben würde?

DOMINGO.

Prinz,

Sie spotten meiner.

CARLOS.

Das verhüte Gott,

Daß ich des fürchterlichen Mannes spotte,

Der meinen Vater seligsprechen und

Verdammen kann!

DOMINGO.

Ich will mich nicht

Vermessen, Prinz, in das ehrwürdige

Geheimnis Ihres Kummers einzudringen.

Nur bitt ich Eure Hoheit, eingedenk

Zu sein, daß dem beängstigten Gewissen

Die Kirche eine Zuflucht aufgetan,

Wozu Monarchen keinen Schlüssel haben,

Wo selber Missetaten unterm Siegel

Des Sakramentes aufgehoben liegen –

Sie wissen, was ich meine, Prinz. Ich habe

Genug gesagt.

CARLOS.

Nein! Das sei fern von mir,

Daß ich den Siegelführer so versuchte!

DOMINGO.

Prinz, dieses Mißtraun – Sie verkennen Ihren

Getreusten Diener.

CARLOS faßt ihn bei der Hand.

Also geben Sie

Mich lieber auf. Sie sind ein heilger Mann,

Das weiß die Welt – doch, frei heraus – für mich

Sind Sie bereits zu überhäuft. Ihr Weg,

Hochwürdger Vater, ist der weiteste,

Bis Sie auf Peters Stuhle niedersitzen.

Viel Wissen möchte Sie beschweren. Melden

Sie das dem König, der Sie hergesandt.

DOMINGO.

Mich hergesandt? –

CARLOS.

So sagt ich. O, zu gut,

Zu gut weiß ich, daß ich an diesem Hof

Verraten bin – ich weiß, daß hundert Augen

Gedungen sind, mich zu bewachen, weiß,

Daß König Philipp seinen einzgen Sohn

An seiner Knechte schlechtesten verkaufte,

Und jede von mir aufgefangne Silbe

Dem Hinterbringer fürstlicher bezahlt,

Als er noch keine gute Tat bezahlte.

Ich weiß – O still! Nichts mehr davon! Mein Herz

Will überströmen, und ich habe schon

Zu viel gesagt.

DOMINGO.

Der König ist gesonnen,

Vor Abend in Madrid noch einzutreffen.

Bereits versammelt sich der Hof. Hab ich

Die Gnade, Prinz –

CARLOS.

Schon gut. Ich werde folgen.

Domingo geht ab. Nach einem Stillschweigen.

Beweinenswerter Philipp, wie dein Sohn

Beweinenswert! – Schon seh ich deine Seele

Vom giftgen Schlangenbiß des Argwohns bluten,

Dein unglückselger Vorwitz übereilt

Die fürchterlichste der Entdeckungen,

Und rasen wirst du, wenn du sie gemacht.

Zweiter Auftritt

Carlos. Marquis von Posa.

CARLOS.

Wer kommt? – Was seh ich? O ihr guten Geister!

Mein Roderich!

MARQUIS.

Mein Carlos!

CARLOS.

Ist es möglich?

Ists wahr? Ists wirklich? Bist dus? – O, du bists!

Ich drück an meine Seele dich, ich fühle

Die deinige allmächtig an mir schlagen.

O, jetzt ist alles wieder gut. In dieser

Umarmung heilt mein krankes Herz. Ich liege

Am Halse meines Roderich.

MARQUIS.

Ihr krankes,

Ihr krankes Herz? Und was ist wieder gut?

Was ists, das wieder gut zu werden brauchte?

Sie hören, was mich stutzen macht.

CARLOS.

Und was

Bringt dich so unverhofft aus Brüssel wieder?

Wem dank ich diese Überraschung? Wem?

Ich frage noch? Verzeih dem Freudetrunknen,

Erhabne Vorsicht, diese Lästerung!

Wem sonst als dir, Allgütigste? Du wußtest,

Daß Carlos ohne Engel war, du sandtest

Mir diesen, und ich frage noch?

MARQUIS.

Vergebung,

Mein teurer Prinz, wenn ich dies stürmische

Entzücken mit Bestürzung nur erwidre.

So war es nicht, wie ich Don Philipps Sohn

Erwartete. Ein unnatürlich Rot

Entzündet sich auf Ihren blassen Wangen,

Und Ihre Lippen zittern fieberhaft.

Was muß ich glauben, teurer Prinz? – Das ist

Der löwenkühne Jüngling nicht, zu dem

Ein unterdrücktes Heldenvolk mich sendet –

Denn jetzt steh ich als Roderich nicht hier,

Nicht als des Knaben Carlos Spielgeselle –

Ein Abgeordneter der ganzen Menschheit

Umarm ich Sie – es sind die flandrischen

Provinzen, die an Ihrem Halse weinen,

Und feierlich um Rettung Sie bestürmen,

Getan ists um Ihr teures Land, wenn Alba,

Des Fanatismus rauher Henkersknecht,

Vor Brüssel rückt mit spanischen Gesetzen.

Auf Kaiser Karls glorwürdgem Enkel ruht

Die letzte Hoffnung dieser edeln Lande.

Sie stürzt dahin, wenn sein erhabnes Herz

Vergessen hat, für Menschlichkeit zu schlagen.

CARLOS.

Sie stürzt dahin.

MARQUIS.

Weh mir! Was muß ich hören!

CARLOS.

Du sprichst von Zeiten, die vergangen sind.

Auch mir hat einst von einem Karl geträumt,

Dems feurig durch die Wangen lief, wenn man

Von Freiheit sprach – doch der ist lang begraben.

Den du hier siehst, das ist der Karl nicht mehr,

Der in Alkala von dir Abschied nahm,

Der sich vermaß in süßer Trunkenheit,

Der Schöpfer eines neuen goldnen Alters

In Spanien zu werden – O, der Einfall

War kindisch, aber göttlich schön! Vorbei

Sind diese Träume. –

MARQUIS.

Träume, Prinz? – So wären

Es Träume nur gewesen?

CARLOS.

Laß mich weinen,

An deinem Herzen heiße Tränen weinen,

Du einzger Freund. Ich habe niemand – niemand –

Auf dieser großen, weiten Erde niemand.

So weit das Zepter meines Vaters reicht,

So weit die Schiffahrt unsre Flaggen sendet,

Ist keine Stelle – keine – keine, wo

Ich meiner Tränen mich entlasten darf,

Als diese. O, bei allem, Roderich,

Was du und ich dereinst im Himmel hoffen,

Verjage mich von dieser Stelle nicht.

Marquis neigt sich über ihn in sprachloser Rührung.

CARLOS.

Berede dich, ich wär ein Waisenkind,

Das du am Thron mitleidig aufgelesen.

Ich weiß ja nicht, was Vater heißt – ich bin

Ein Königssohn – O, wenn es eintrifft, was

Mein Herz mir sagt, wenn du aus Millionen

Herausgefunden bist, mich zu verstehn,

Wenns wahr ist, daß die schaffende Natur

Den Roderich im Carlos wiederholte,

Und unsrer Seelen zartes Saitenspiel

Am Morgen unsres Lebens gleich bezog,

Wenn eine Träne, die mir Lindrung gibt,

Dir teurer ist als meines Vaters Gnade –

MARQUIS.

O teurer als die ganze Welt.

CARLOS.

So tief

Bin ich gefallen – bin so arm geworden,

Daß ich an unsre frühen Kinderjahre

Dich mahnen muß – daß ich dich bitten muß,

Die lang vergeßnen Schulden abzutragen,

Die du noch im Matrosenkleide machtest –

Als du und ich, zween Knaben wilder Art,

So brüderlich zusammen aufgewachsen,

Kein Schmerz mich drückte, als von deinem Geiste

So sehr verdunkelt mich zu sehn – ich endlich

Mich kühn entschloß, dich grenzenlos zu lieben,

Weil mich der Mut verließ, dir gleich zu sein.

Da fing ich an, mit tausend Zärtlichkeiten

Und treuer Bruderliebe dich zu quälen;

Du stolzes Herz gabst sie mir kalt zurück.

Oft stand ich da, und – doch das sahst du nie!

und heiße, schwere Tränentropfen hingen

In meinem Aug, wenn du, mich überhüpfend,

Geringre Kinder in die Arme drücktest.

Warum nur diese? rief ich trauernd aus:

Bin ich dir nicht auch herzlich gut? – Du aber,

Du knietest kalt und ernsthaft vor mir nieder:

Das, sagtest du, gebührt dem Königssohn.

MARQUIS.

O stille, Prinz, von diesen kindischen

Geschichten, die mich jetzt noch schamrot machen.

CARLOS.

Ich hatt es nicht um dich verdient. Verschmähen,

Zerreißen konntest du mein Herz, doch nie

Von dir entfernen. Dreimal wiesest du

Den Fürsten von dir, dreimal kam er wieder

Als Bittender, um Liebe dich zu flehn

Und dir gewaltsam Liebe aufzudringen.

Ein Zufall tat, was Carlos nie gekonnt.

Einmal geschahs bei unsern Spielen, daß

Der Königin von Böhmen, meiner Tante,

Dein Federball ins Auge flog. Sie glaubte,

Daß es mit Vorbedacht geschehn, und klagt' es

Dem Könige mit tränendem Gesicht.

Die ganze Jugend des Palastes muß

Erscheinen, ihm den Schuldigen zu nennen.

Der König schwört, die hinterlistge Tat,

Und wär es auch an seinem eignen Kinde,

Aufs schrecklichste zu ahnden. – Damals sah ich

Dich zitternd in der Ferne stehn, und jetzt,

Jetzt trat ich vor und warf mich zu den Füßen

Des Königs. Ich, ich tat es, rief ich aus:

An deinem Sohn erfülle deine Rache.

MARQUIS.

Ach, woran mahnen Sie mich, Prinz!

CARLOS.

Sie wards!

Im Angesicht des ganzen Hofgesindes,

Das mitleidsvoll im Kreise stand, ward sie

Auf Sklavenart an deinem Karl vollzogen.

Ich sah auf dich und weinte nicht. Der Schmerz

Schlug meine Zähne knirschend aneinander;

Ich weinte nicht. Mein königliches Blut

Floß schändlich unter unbarmherzgen Streichen;

Ich sah auf dich und weinte nicht – Du kamst;

Laut weinend sankst du mir zu Füßen. Ja,

Ja, riefst du aus, mein Stolz ist überwunden.

Ich will bezahlen, wenn du König bist.

MARQUIS reicht ihm die Hand.

Ich will es, Karl. Das kindische Gelübde

Erneur ich jetzt als Mann. Ich will bezahlen.

Auch meine Stunde schlägt vielleicht.

CARLOS.

Jetzt, jetzt –

O, zögre nicht – jetzt hat sie ja geschlagen.

Die Zeit ist da, wo du es lösen kannst.

Ich brauche Liebe. – Ein entsetzliches

Geheimnis brennt auf meiner Brust. Es soll,

Es soll heraus. In deinen blassen Mienen

Will ich das Urteil meines Todes lesen.

Hör an – erstarre – doch erwidre nichts –

Ich liebe meine Mutter.

MARQUIS.

O mein Gott!

CARLOS.

Nein! Diese Schonung will ich nicht. Sprichs aus,

Sprich, daß auf diesem großen Rund der Erde

Kein Elend an das meine grenze – sprich –

Was du mir sagen kannst, errat ich schon.

Der Sohn liebt seine Mutter. Weltgebräuche,

Die Ordnung der Natur und Roms Gesetze

Verdammen diese Leidenschaft. Mein Anspruch

Stößt fürchterlich auf meines Vaters Rechte.

Ich fühls, und dennoch lieb ich. Dieser Weg

Führt nur zum Wahnsinn oder Blutgerüste.

Ich liebe ohne Hoffnung – lasterhaft –

Mit Todesangst und mit Gefahr des Lebens –

Das seh ich ja, und dennoch lieb ich.

MARQUIS.

Weiß

Die Königin um diese Neigung?

CARLOS.

Konnt ich

Mich ihr entdecken? Sie ist Philipps Frau

Und Königin, und das ist span'scher Boden.

Von meines Vaters Eifersucht bewacht,

Von Etikette ringsum eingeschlossen,

Wie konnt ich ohne Zeugen mich ihr nahn?

Acht höllenbange Monde sind es schon,

Daß von der hohen Schule mich der König

Zurückberief, daß ich sie täglich anzuschauen

Verurteilt bin und, wie das Grab, zu schweigen.

Acht höllenbange Monde, Roderich,

Daß dieses Feur in meinem Busen wütet,

Daß tausendmal sich das entsetzliche

Geständnis schon auf meinen Lippen meldet,

Doch scheu und feig zurück zum Herzen kriecht.

O Roderich – nur wen'ge Augenblicke

Allein mit ihr –

MARQUIS.

Ach! Und Ihr Vater, Prinz –

CARLOS.

Unglücklicher! Warum an den mich mahnen?

Sprich mir von allen Schrecken des Gewissens,

Von meinem Vater sprich mir nicht.

MARQUIS.

Sie hassen Ihren Vater?

CARLOS.

Nein! Ach, nein!

Ich hasse meinen Vater nicht – doch Schauer

Und Missetäters Bangigkeit ergreifen

Bei diesem fürchterlichen Namen mich.

Kann ich dafür, wenn eine knechtische

Erziehung schon in meinem jungen Herzen

Der Liebe zarten Keim zertrat? Sechs Jahre

Hatt ich gelebt, als mir zum erstenmal

Der Fürchterliche, der, wie sie mir sagten,

Mein Vater war, vor Augen kam. Es war

An einem Morgen, wo er stehnden Fußes

Vier Bluturteile unterschrieb. Nach diesem

Sah ich ihn nur, wenn mir für ein Vergehn

Bestrafung angekündigt ward. – O Gott!

Hier fühl ich, daß ich bitter werde – Weg –

Weg, weg von dieser Stelle!

MARQUIS.

Nein, Sie sollen,

Jetzt sollen Sie sich öffnen, Prinz. In Worten

Erleichtert sich der schwer beladne Busen.

CARLOS.

Oft hab ich mit mir selbst gerungen, oft

Um Mitternacht, wenn meine Wachen schliefen,

Mit heißen Tränengüssen vor das Bild

Der Hochgebenedeiten mich geworfen,

Sie um ein kindlich Herz gefleht – doch ohne

Erhörung stand ich auf. Ach, Roderich!

Enthülle du dies wunderbare Rätsel

Der Vorsicht mir – Warum von tausend Vätern

Just eben diesen Vater mir? Und ihm

Just diesen Sohn von tausend bessern Söhnen?

Zwei unverträglichere Gegenteile

Fand die Natur in ihrem Umkreis nicht.

Wie mochte sie die beiden letzten Enden

Des menschlichen Geschlechtes – mich und ihn –

Durch ein so heilig Band zusammenzwingen?

Furchtbares Los! Warum mußt es geschehn?

Warum zwei Menschen, die sich ewig meiden,

In einem Wunsche schrecklich sich begegnen?

Hier, Roderich, siehst du zwei feindliche

Gestirne, die im ganzen Lauf der Zeiten

Ein einzig Mal in scheitelrechter Bahn

Zerschmetternd sich berühren, dann auf immer

Und ewig auseinanderfliehn.

MARQUIS.

Mir ahndet

Ein unglücksvoller Augenblick.

CARLOS.

Mir selbst.

Wie Furien des Abgrunds folgen mir

Die schauerlichsten Träume. Zweifelnd ringt

Mein guter Geist mit gräßlichen Entwürfen;

Durch labyrinthische Sophismen kriecht

Mein unglückselger Scharfsinn, bis er endlich

Vor eines Abgrunds gähem Rande stutzt –

O Roderich, wenn ich den Vater je

In ihm verlernte – Roderich – ich sehe,

Dein totenblasser Blick hat mich verstanden –

Wenn ich den Vater je in ihm verlernte,

Was würde mir der König sein?

MARQUIS nach einigem Stillschweigen.

Darf ich

An meinen Carlos eine Bitte wagen?

Was Sie auch willens sind zu tun, versprechen Sie,

Nichts ohne Ihren Freund zu unternehmen.

Versprechen Sie mir dieses?

CARLOS.

Alles, alles,

Was deine Liebe mir gebeut. Ich werfe

Mich ganz in deine Arme.

MARQUIS.

Wie man sagt,

Will der Monarch zur Stadt zurückekehren.

Die Zeit ist kurz. Wenn Sie die Königin

Geheim zu sprechen wünschen, kann es nirgends

Als in Aranjuez geschehn. Die Stille

Des Orts – des Landes ungezwungne Sitte

Begünstigen –

CARLOS.

Das war auch meine Hoffnung.

Doch, ach, sie war vergebens!

MARQUIS.

Nicht so ganz.

Ich gehe, mich sogleich ihr vorzustellen.

Ist sie in Spanien dieselbe noch,

Die sie vordem an Heinrichs Hof gewesen,

So find ich Offenherzigkeit. Kann ich

In ihren Blicken Carlos' Hoffnung lesen,

Find ich zu dieser Unterredung sie

Gestimmt – sind ihre Damen zu entfernen –

CARLOS.

Die meisten sind mir zugetan. – Besonders

Die Mondekar hab ich durch ihren Sohn,

Der mir als Page dient, gewonnen. –

MARQUIS.

Desto besser.

So sind Sie in der Nähe, Prinz, sogleich

Auf mein gegebnes Zeichen zu erscheinen.

CARLOS.

Das will ich – will ich – also eile nur.

MARQUIS.

Ich will nun keinen Augenblick verlieren.

Dort also, Prinz, auf Wiedersehn!

Beide gehen ab zu verschiedenen Seiten.

Die Hofhaltung der Königin in Aranjuez.

Eine einfache ländliche Gegend, von einer Allee durchschnitten, vom

Landhause der Königin begrenzt.

Dritter Auftritt

Die Königin. Die Herzogin von Olivarez. Die Prinzessin von Eboli und die Marquisin von Mondekar, welche die Allee heraufkommen.

KÖNIGIN zur Marquisin.

Sie will ich um mich haben, Mondekar.

Die muntern Augen der Prinzessin quälen

Mich schon den ganzen Morgen. Sehen Sie,

Kaum weiß sie ihre Freude zu verbergen,

Weil sie vom Lande Abschied nimmt.

EBOLI.

Ich will es

Nicht leugnen, meine Königin, daß ich

Madrid mit großen Freuden wiedersehe.

MONDEKAR.

Und Ihre Majestät nicht auch? Sie sollten

So ungern von Aranjuez sich trennen?

KÖNIGIN.

Von – dieser schönen Gegend wenigstens.

Hier bin ich wie in meiner Welt. Dies Plätzchen

Hab ich mir längst zum Liebling auserlesen.

Hier grüßt mich meine ländliche Natur,

Die Busenfreundin meiner jungen Jahre.

Hier find ich meine Kinderspiele wieder,

Und meines Frankreichs Lüfte wehen hier.

Verargen Sie mirs nicht. Uns alle zieht

Das Herz zum Vaterland.

EBOLI.

Wie einsam aber,

Wie tot und traurig ist es hier! Man glaubt

Sich in la Trappe.

KÖNIGIN.

Das Gegenteil vielmehr.

Tot find ich es nur in Madrid. – Doch was

Spricht unsre Herzogin dazu?

OLIVAREZ.

Ich bin

Der Meinung, Ihre Majestät, daß es

So Sitte war, den einen Monat hier,

Den andern in dem Pardo auszuhalten,

Den Winter in der Residenz, solange

Es Könige in Spanien gegeben.

KÖNIGIN.

Ja, Herzogin, das wissen Sie, mit Ihnen

Hab ich auf immer mich des Streits begeben.

MONDEKAR.

Und wie lebendig es mit nächstem in

Madrid sein wird! Zu einem Stiergefechte

Wird schon die Plaza Mayor zugerichtet,

Und ein Autodafé hat man uns auch

Versprochen –

KÖNIGIN.

Uns versprochen! Hör ich das

Von meiner sanften Mondekar?

MONDEKAR.

Warum nicht?

Es sind ja Ketzer, die man brennen sieht.

KÖNIGIN.

Ich hoffe, meine Eboli denkt anders.

EBOLI.

Ich? – Ihre Majestät, ich bitte sehr,

Für keine schlechtre Christin mich zu halten

Als die Marquisin Mondekar.

KÖNIGIN.

Ach! Ich

Vergesse, wo ich bin. – Zu etwas anderm. –

Vom Lande, glaub ich, sprachen wir. Der Monat

Ist, deucht mir, auch erstaunlich schnell vorüber.

Ich habe mir der Freude viel, sehr viel

Von diesem Aufenthalt versprochen, und

Ich habe nicht gefunden, was ich hoffte.

Geht es mit jeder Hoffnung so? Ich kann

Den Wunsch nicht finden, der mir fehlgeschlagen.

OLIVAREZ.

Prinzessin Eboli, Sie haben uns

Noch nicht gesagt, ob Gomez hoffen darf?

Ob wir Sie bald als seine Braut begrüßen?

KÖNIGIN.

Ja! Gut, daß Sie mich mahnen, Herzogin.

Zur Prinzessin.

Man bittet mich, bei Ihnen fürzusprechen.

Wie aber kann ich das? Der Mann, den ich

Mit meiner Eboli belohne, muß

Ein würdger Mann sein.

OLIVAREZ.

Ihre Majestät,

Das ist er, ein sehr würdger Mann, ein Mann,

Den unser gnädigster Monarch bekanntlich

Mit ihrer königlichen Gunst beehren.

KÖNIGIN.

Das wird den Mann sehr glücklich machen – Doch

Wir wollen wissen, ob er lieben kann

Und Liebe kann verdienen. – Eboli,

Das frag ich Sie.

EBOLI steht stumm und verwirrt, die Augen zur Erde geschlagen,

endlich fällt sie der Königin zu Füßen.

Großmütge Königin,

Erbarmen Sie sich meiner. Lassen Sie –

Um Gottes willen, lassen Sie mich nicht –

Nicht aufgeopfert werden.

KÖNIGIN.

Aufgeopfert?

Ich brauche nichts mehr. Stehn Sie auf. Es ist

Ein hartes Schicksal, aufgeopfert werden.

Ich glaube Ihnen. Stehn Sie auf. – Ist es

Schon lang, daß Sie den Grafen ausgeschlagen?

EBOLI aufstehend.

O viele Monate. Prinz Carlos war

Noch auf der hohen Schule.

KÖNIGIN stutzt und sieht sie mit forschenden Augen an.

Haben Sie

Sich auch geprüft, aus welchen Gründen?

EBOLI mit einiger Heftigkeit.

Niemals

Kann es geschehen, meine Königin,

Aus tausend Gründen niemals.

KÖNIGIN sehr ernsthaft.

Mehr als einer ist

Zu viel. Sie können ihn nicht schätzen – Das

Ist mir genug. Nichts mehr davon.

Zu den andern Damen.

Ich habe

Ja die Infantin heut noch nicht gesehen.

Marquisin, bringen Sie sie mir.

OLIVAREZ sieht auf die Uhr.

Es ist

Noch nicht die Stunde, Ihre Majestät.

KÖNIGIN.

Noch nicht die Stunde, wo ich Mutter sein darf?

Das ist doch schlimm. Vergessen Sie es ja nicht,

Mich innern, wenn sie kommt.

Ein Page tritt auf und spricht leise mit der Oberhofmeisterin, welche sich darauf zur Königin wendet.

OLIVAREZ.

Der Marquis

Von Posa, Ihre Majestät –

KÖNIGIN.

Von Posa?

OLIVAREZ.

Er kommt aus Frankreich und den Niederlanden

Und wünscht die Gnade zu erhalten, Briefe

Von der Regentin Mutter übergeben

Zu dürfen.

KÖNIGIN.

Und das ist erlaubt?

OLIVAREZ bedenklich.

In meiner Vorschrift

Ist des besondern Falles nicht gedacht,

Wenn ein kastilianscher Grande Briefe

Von einem fremden Hof der Königin

Von Spanien in ihrem Gartenwäldchen

Zu überreichen kommt.

KÖNIGIN.

So will ich denn

Auf meine eigene Gefahr es wagen!

OLIVAREZ.

Doch mir vergönne Ihre Majestät,

Mich solang zu entfernen. –

KÖNIGIN.

Halten Sie

Das, wie Sie wollen, Herzogin.

Die Oberhofmeisterin geht ab, und die Königin gibt dem Pagen einen

Wink, welcher sogleich hinausgeht.

Vierter Auftritt

Königin. Prinzessin von Eboli. Marquisin von Mondekar und Marquis von Posa.

KÖNIGIN.

Ich heiße Sie

Willkommen, Chevalier, auf span'schem Boden.

MARQUIS.

Den ich noch nie mit so gerechtem Stolze

Mein Vaterland genannt als jetzt. –

KÖNIGIN zu den beiden Damen.

Der Marquis

Von Posa, der im Ritterspiel zu Reims

Mit meinem Vater eine Lanze brach

Und meine Farbe dreimal siegen machte –

Der erste seiner Nation, der mich

Den Ruhm empfinden lehrte, Königin

Der Spanier zu sein.

Zum Marquis sich wendend.

Als wir im Louvre

Zum letztenmal uns sahen, Chevalier,

Da träumt' es Ihnen wohl noch nicht, daß Sie

Mein Gast sein würden in Kastilien.

MARQUIS.

Nein, große Königin – denn damals träumte

Mir nicht, daß Frankreich noch das einzige

An uns verlieren würde, was wir ihm

Beneidet hatten.

KÖNIGIN.

Stolzer Spanier!

Das einzige? – Und das zu einer Tochter

Vom Hause Valois?

MARQUIS.

Jetzt darf ich es

Ja sagen, Ihre Majestät – denn jetzt

Sind Sie ja unser.

KÖNIGIN.

Ihre Reise, hör ich,

Hat auch durch Frankreich Sie geführt. – Was bringen

Sie mir von meiner hochverehrten Mutter

Und meinen vielgeliebten Brüdern?

MARQUIS überreicht ihr die Briefe.

Die Königin-Mutter fand ich krank, geschieden

Von jeder andern Freude dieser Welt,

Als ihre königliche Tochter glücklich

Zu wissen auf dem span'schen Thron.

KÖNIGIN.

Muß sie

Es nicht sein bei dem teuern Angedenken

So zärtlicher Verwandten? bei der süßen

Erinnrung an – Sie haben viele Höfe

Besucht auf Ihren Reisen, Chevalier,

Und viele Länder, vieler Menschen Sitte

Gesehn – und jetzt, sagt man, sind Sie gesonnen,

In Ihrem Vaterland sich selbst zu leben?

Ein größrer Fürst in Ihren stillen Mauern,

Als König Philipp auf dem Thron – ein Freier!

Ein Philosoph! – Ich zweifle sehr, ob Sie

Sich werden können in Madrid gefallen.

Man ist sehr – ruhig in Madrid.

MARQUIS.

Und das

Ist mehr, als sich das ganze übrige

Europa zu erfreuen hat.

KÖNIGIN.

So hör ich.

Ich habe alle Händel dieser Erde

Bis fast auf die Erinnerung verlernt.

Zur Prinzessin von Eboli.

Mir deucht, Prinzessin Eboli, ich sehe

Dort eine Hyazinthe blühen – Wollen

Sie mir sie bringen?

Die Prinzessin geht nach dem Platze. Die Königin etwas leiser zum Marquis.

Chevalier, ich müßte

Mich sehr betrügen, oder Ihre Ankunft

Hat einen frohen Menschen mehr gemacht

An diesem Hofe.

MARQUIS.

Einen Traurigen

Hab ich gefunden – den auf dieser Welt

Nur etwas fröhlich –

Die Prinzessin kommt mit der Blume zurück.

EBOLI.

Da der Chevalier

So viele Länder hat gesehen, wird

Er ohne Zweifel viel Merkwürdiges

Uns zu erzählen wissen.

MARQUIS.

Allerdings.

Und Abenteuer suchen, ist bekanntlich

Der Ritter Pflicht – die heiligste von allen,

Die Damen zu beschützen.

MONDEKAR.

Gegen Riesen!

Jetzt gibt es keine Riesen mehr.

MARQUIS.

Gewalt

Ist für den Schwachen jederzeit ein Riese.

KÖNIGIN.

Der Chevalier hat recht. Es gibt noch Riesen,

Doch keine Ritter gibt es mehr.

MARQUIS.

Noch jüngst,

Auf meinem Rückweg von Neapel, war

Ich Zeuge einer rührenden Geschichte,

Die mir der Freundschaft heiliges Legat

Zu meiner eigenen gemacht. – Wenn ich

Nicht fürchten müßte, Ihre Majestät

Durch die Erzählung zu ermüden

KÖNIGIN.

Bleibt

Mir eine Wahl? Die Neugier der Prinzessin

Läßt sich nichts unterschlagen. Nur zur Sache.

Auch ich bin eine Freundin von Geschichten.

MARQUIS.

Zwei edle Häuser in Mirandola,

Der Eifersucht, der langen Feindschaft müde,

Die von den Ghibellinen und den Guelfen

Jahrhunderte schon fortgeerbt, beschlossen,

Durch der Verwandtschaft zarte Bande sich

In einem ewgen Frieden zu vereinen.

Des mächtigen Pietro Schwestersohn,

Fernando, und die göttliche Mathilde,

Colonnas Tochter, waren ausersehn,

Dies schöne Band der Einigkeit zu knüpfen.

Nie hat zwei schönre Herzen die Natur

Gebildet für einander – nie die Welt,

Nie eine Wahl so glücklich noch gepriesen.

Noch hatte seine liebenswürdge Braut

Fernando nur im Bildnis angebetet –

Wie zitterte Fernando, wahr zu finden,

Was seine feurigsten Erwartungen

Dem Bilde nicht zu glauben sich getrauten!

In Padua, wo seine Studien

Ihn fesselten, erwartete Fernando

Des frohen Augenblickes nur, der ihm

Vergönnen sollte, zu Mathildens Füßen

Der Liebe erste Huldigung zu stammeln.

Die Königin wird aufmerksamer. Der Marquis fährt nach einem

kurzen Stillschweigen fort, die Erzählung, soweit es die Gegenwart

der Königin erlaubt, mehr an die Prinzessin von Eboli gerichtet.

Indessen macht der Gattin Tod die Hand

Pietros frei. – Mit jugendlicher Glut

Verschlingt der Greis die Stimmen des Gerüchtes,

Das in dem Ruhm Mathildens sich ergoß.

Er kommt! Er sieht! – Er liebt! Die neue Regung

Erstickt die leisre Stimme der Natur,

Der Oheim wirbt um seines Neffen Braut

Und heiligt seinen Raub vor dem Altare.

KÖNIGIN.

Und was beschließt Fernando?

MARQUIS.

Auf der Liebe Flügeln,

Des fürchterlichen Wechsels unbewußt,

Eilt nach Mirandola der Trunkene.

Mit Sternenschein erreicht sein schnelles Roß

Die Tore – ein bacchantisches Getön

Von Reigen und von Pauken donnert ihm

Aus dem erleuchteten Palast entgegen.

Er bebt die Stufen scheu hinauf und sieht

Sich unerkannt im lauten Hochzeitsaale,

Wo in der Gäste taumelndem Gelag

Pietro saß – ein Engel ihm zur Seite,

Ein Engel, den Fernando kennt, der ihm

In Träumen selbst so glänzend nie erschienen.

Ein einzger Blick zeigt ihm, was er besessen,

Zeigt ihm, was er auf immerdar verloren.

EBOLI.

Unglücklicher Fernando!

KÖNIGIN.

Die Geschichte

Ist doch zu Ende, Chevalier? – Sie muß

Zu Ende sein.

MARQUIS.

Noch nicht ganz.

KÖNIGIN.

Sagten Sie

Uns nicht, Fernando sei Ihr Freund gewesen?

MARQUIS.

Ich habe keinen teurern.

EBOLI.

Fahren Sie

Doch fort in der Geschichte, Chevalier.

MARQUIS.

Sie wird sehr traurig – und das Angedenken

Erneuert meinen Schmerz. Erlassen Sie

Mir den Beschluß –

Ein allgemeines Stillschweigen.

KÖNIGIN wendet sich zur Prinzessin von Eboli.

Nun wird mir endlich doch

Vergönnt sein, meine Tochter zu umarmen. –

Prinzessin, bringen Sie sie mir.

Diese entfernt sich. Der Marquis winkt einem Pagen, der sich im Hintergrunde zeigt und sogleich verschwindet. Die Königin erbricht die Briefe, die der Marquis ihr gegeben, und scheint überrascht zu werden. In dieser Zeit spricht der Marquis geheim und sehr angelegentlich mit der Marquisin von Mondekar. – Die Königin hat die Briefe gelesen und wendet sich mit einem ausforschenden Blicke zum Marquis.

Sie haben

Uns von Mathilden nichts gesagt? Vielleicht

Weiß sie es nicht, wieviel Fernando leidet?

MARQUIS.

Mathildens Herz hat niemand noch ergründet –

Doch große Seelen dulden still.

KÖNIGIN.

Sie sehn sich um? Wen suchen Ihre Augen?

MARQUIS.

Ich denke nach, wie glücklich ein Gewisser,