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"Don Juan" ist ein satirisches Gedicht basierend auf der gleichnamigen Sage. Dabei dreht Byron aber den Charakter seines Protagonisten um vom Frauenheld zu einem leicht von Frauen zu verführenden Mann ...
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Seitenzahl: 580
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Don Juan
Lord George Gordon Noel Byron
Inhalt:
George Noel Gordon Lord Byron - Biografie und Bibliografie
Don Juan
Zueignung.
Erster Gesang.
Zweiter Gesang.
Dritter Gesang.
Vierter Gesang.
Fünfter Gesang.
Sechster Gesang.
Siebter Gesang.
Achter Gesang.
Neunter Gesang.
Zehnter Gesang.
Elfter Gesang.
Zwölfter Gesang.
Dreizehnter Gesang.
Vierzehnter Gesang.
Funfzehnter Gesang.
Sechzehnter Gesang.
Don Juan, Lord George Byron
Jazzybee Verlag Jürgen Beck
Loschberg 9
86450 Altenmünster
ISBN: 9783849605469
www.jazzybee-verlag.de
Der größte engl. Dichter des 19. Jahrh., Enkel des vorigen, geb. 22. Jan. 1788 in London, gest. 19. April 1824 in Missolunghi, war durch seine Mutter, Miß Gordon, mit dem schottischen Königshaus verwandt. Sein Vater, Kapitän in der königlichen Garde, der »tolle Jack« genannt, verschwendete in kurzem fast das ganze Vermögen seiner Frau, verließ sie und starb 1791 in Valenciennes. Byrons Mutter, eine Frau von leidenschaftlicher Heftigkeit, zog sich 1790 nach Aberdeen zurück, um der Erziehung ihres Sohnes zu leben. Hier besuchte B. die Grammar-School, wurde auch einmal, acht Jahre alt, zur Stärkung seiner Gesundheit in die Hoch lande geschickt. Während der ungebundene Aufenthalt in der Herrlichkeit der schottischen Berge ihn an Leib und Seele kräftigte, übte der schnelle Wechsel von ängstlicher Obhut und voller Ungebundenheit einen nachteiligen Einfluss auf seinen Charakter aus, insofern Eigensinn und Übermut in ihm geweckt wurden. Zugleich aber erwachte auch jener Sinn für wilde Naturschönheit, der aus seinen Dichtungen widerklingt. Im Alter von zehn Jahren erbte B. durch den Tod seines Onkels William (1798) die Lordschaft, wurde unter die Vormundschaft seines Großoheims, des Grafen von Carlisle, gebracht und bezog nach einem kürzeren Aufenthalt in London, wo man vergeblich die Heilung seines Klumpfußes versucht hatte, die Schule zu Harrow. Hier schrieb er seine ersten elegischen Verse. Dann bezog er die Universität Cambridge (Trinity College), wo er bereits den Atheisten herauskehrte. In Anlehnung an Gray, Burns, Ossian und die alten Balladen schrieb er die Jugendgedichte: »Hours of idleness« (Newark 1807), die wegen einiger aristokratischer Sonderlichkeiten den Zorn der »Edinburgh Review« herausforderten. Scheinbar unbekümmert lebte er dann auf seinem Stammsitz, der Abtei Newstead, und in der Hauptstadt; eine der Damen, mit denen er sich damals umtrieb, führte er in Pagenverkleidung bei sich; in nächtlichen Mönchsfesten lebte er Walter Scotts Epen nach. Plötzlich gab er eine geharnischte, sein rhetorisches Talent zuerst glänzend bekundende Satire (»English bards and Scotch reviewers«, 1809, in vier Auflagen gedruckt) gegen die unter Jeffreys Leitung stehende »Edinburgh Review« heraus, geißelte alle Romantiker und stellte sich auf den Standpunkt der scheinbar überwundenen Klassizisten. Zur selben Zeit mündig geworden, übernahm er die Verwaltung seiner Stammgüter, nahm seinen Sitz im Oberhaus ein und verließ dann im Juni 1809 London, um mit seinem Freund Hobhouse (vgl. Hobhouse, Journey through Albania, Lond. 1814, zuletzt 1855) ins Ausland zu gehen. Die Reise führte ihn durch Portugal und Spanien nach Malta und Albanien, von wo aus er einen großen Teil von Griechenland und die Küste von Kleinasien bereiste. Er besuchte Konstantinopel, durchschwamm in 1 Stunde 10 Minuten den Hellespont und kehrte nach einem längeren Aufenthalt in Athen im Juli 1811 ins Vaterland zurück. Hier erschienen im folgenden Jahre die beiden ersten Gesänge seines »Childe Harold«, die seine Reise bis Griechenland schildern und Werthersche Sentimentalität mit dem romantischen Glanze von Walter Scotts Epen vereinen. Sie machten ihn zum Abgotte der fashionablen Welt Englands. Diesen Ruhm steigerte eine Reihe von Romanzen, die z. T. noch Früchte der Reise waren: »The Giaur«, »The bride of Abydos« (1813), »The Corsair«, »Lara« (1814), »The siege of Corinth« (1815), »Parisina« (1816). Seine Enttäuschung an Napoleon drückte sich nach dessen Abdankung in der berühmten »Ode to Napoleon Buonaparte« aus und seine Bewunderung für Th. Moores »Irish melodies« in den »Hebrew melodies« (1815). Seine Ehe mit Anna Isabella Milbanke, der einzigen Tochter des Sir Ralph Milbanke (2. Jan. 1815), war bei der großen Verschiedenheit ihrer Naturen nicht glücklich und wurde auch durch die Geburt einer Tochter, Ada, nicht befestigt, so dass es bald zu förmlicher Scheidung kam. B. mit seiner »umgekehrten Heuchelei« gab sich gern noch schlechter und abnormer, als er war, während seine Frau für Theologie und Mathematik veranlagt war. Die öffentliche Meinung nahm stürmisch gegen ihn Partei (über die sogen. Enthüllungen, die Mrs. Beecher-Stowe 1869 über diese Trennung angeblich aus dem Munde der Lady B. veröffentlichte, s. unten). B. verließ daher (25. April 1816) zum zweiten mal England mit der Absicht, es nie wiederzusehen. Er zog durch Belgien und den Rhein entlang in die Schweiz und ließ sich im Juni 1816 an den Ufern des Genfer Sees in der Villa Diodati nieder, wo der Verkehr mit dem Dichter Shelley und dessen Gattin begann. Mit ihm segelte er oft auf dem See; der Einfluss zeigt sich im dritten Gesang von »Childe Harold« (1816). Mit Hobhouse unternahm er einen Ausflug ins Berner Oberland, dessen Reflex im »Manfred« zu erkennen ist, seinem ersten dramenartigen Werke (1817). Trübe Erlebnisse, der »Prometheus« des Aischylos, Goethes »Faust« und der Anblick des Hochgebirges machten ihn jetzt reif und tief. Das zeigt sich auch in dem am Genfer See entstandenen »Prisoner of Chillon« (1816). Im Herbst d. I. zog er nach Italien und ließ sich nach einem Abstecher nach Rom in Venedig nieder, bis gegen Ende 1819. Von seinen hier entstandenen Schöpfungen sind die wichtigsten: der vierte Gesang des »Childe Harold«, der mit dem dritten das vollendete Werk zu dem gedankenreichsten des Dichters macht; »The lament of Tasso«; die köstliche Burleske »Beppo« im Stil des Pulci (1817); die »Odeon Venice« und »Mazeppa« (1818); auch der Entwurf und die ersten Gesänge des »Don Juan«, seines genialsten Werkes, fallen in jene Zeit. Hier ergriff ihn die Liebe zur schönen Teresa Guiccioli, geborene Gräfin Gamba, der er nach Ravenna folgte und Jahre des Glückes verdankte. Von 1819 ab zogen ihn aber die Gräfin Gamba in die revolutionäre Bewegung der Carbonari, die damals durch ganz Italien die Patrioten zusammenführte. Auch brachte der 60jährige Graf Guiccioli, der anfangs nichts dagegen hatte, dass seine 16jährige Frau sich der Freiheit ihres Landes bediente, die Sache vor den Papst, der die Trennung der Gräfin von ihrem Gemahl gestattete unter der Bedingung, dass sie unter ihres Vaters Dach leben soll le. Da ihr der Graf die Wahl stellte zwischen Rückkehr zu ihm und dem Kloster, und da zugleich das unglückliche Ende der Revolution über die Gamba die Proskription verhängte, begab sich B. im Herbst 1821 nach Pisa, wo die beiden Gamba und die Gräfin bereits ihre Wohnung aufgeschlagen hatten. Noch in Ravenna waren entstanden die »Prophecy of Dante«, die Dramen: »Marino Falieri«, »The two Foscari«, »Sardanapalus« und »Cain« und einige weitere Gesänge des »Den Juan«. In Pisa beschränkte sich Byrons täglicher Umgang auf die Familie Gamba, den Dichter Shelley und Leigh Hunt, mit dem er das Journal »The Liberal« herausgab. Aber auch hier sollte er sich häuslicher Ruhe nicht lange erfreuen. Reibungen mit der österreichischen Polizei hatten zur Folge, dass er noch im Sommer 1322 die Stadt verließ und mit den Gamba nach Genua übersiedelte. Zuvor vollzog er noch eine Freundespflicht, in dem er den Leichnam des im Juli d. I. auf einer Spazierfahrt zwischen Livorno und Lerici ertrunkenen Shelley auf einem Holzstoß verbrennen ließ. Sein Aufenthalt in Genua (vom Herbst 1822 bis zum Sommer 1823) zeitigte das Mysterium »Heaven and earth«, das Goethe gewidmete Räuberdrama »Werner«, die misslungene Faustnachahmung »The deformed transformed« und die Fortsetzung des »Don Juan« bis zum 16. Gesang, endlich das exotische Idyll »The island«. Müde seines unsteten, ziellosen Lebens, beschloss B., seine Kräfte dem Freiheitskampf der Hellenen zu widmen, deren Komitee ihn einstimmig zum Mitglied gewählt hatte, und bestieg Ende Juli 1823 zu Livorno das englische Schiff Herkules, das ihn und mehrere Freunde (darunter den jungen Grafen Gamba) nach Kephallinia führte. Außer vielen Waffen brachte B. einen bedeutenden Vorrat an Geld und Medikamenten mit. Seine Ankunft ward mit Jubel begrüßt, doch ließ er sich in keinerlei Verpflichtungen gegen irgend eine Partei ein, sondern knüpfte unmittelbar mit der Regierung Verhandlungen an. Um vor allem das schwer bedrohte Missolunghi zu retten, rüstete er zwei ionische Schiffe aus und stellte sich 5. Jan. 1824 selbst dort ein, wo er als Retter aus tiefster Not begrüßt wurde. Für den Abschluss der englischen Anleihe und die Konstituierung der Gesellschaft der englischen Philhellenen war er rastlos tätig; die Härte der türkischen wieder griechischen Kriegführung suchte er durch Beispiele von Mäßigung und Großmut zu mildern und, wenn auch mit geringem Erfolg, die Zwistigkeiten der Griechen zu beseitigen. Die eifrigste Sorge aber widmete er kriegerischen Unternehmungen. Er hatte vom 1. Jan. 1824 an eine Schar von 500 Soldaten in Sold genommen, anderen Spitze er das Schloss von Lepanto, die einzige Festung des westlichen Griechenland, die noch in der Gewalt der Türken war, zu erobern gedachte; 2500 Griechen und eine Batterie der englischen Philhellenen sollten ihn unterstützen. Inzwischen vergeudeten die griechischen Streiter die Zeit mit unnützen Streitigkeiten, und sogar in Missolunghi und unter Byrons Brigade brachen Uneinigkeit und Meuterei aus, die des Dichters reizbares Gemüt mehr angriffen, als sein Körper ertragen konnte. Er bekam zu wiederholten Malen Fieberanfälle und wurde durch die ärztlichen Mittel noch mehr geschwächt. Kaum hergestellt, zog er sich auf einem Spazierritt eine Erkältung zu, die nach zehn Tagen seinem Leben ein Ende machte. Die Kunde von seinem Tode drang wie ein Donnerschlag durch die Welt; ganz Griechenland trauerte um ihn 21 Tage. Sein Herz wurde in einer silbernen Kapsel in einem ihm geweihten Mausoleum zu Missolunghi aufbewahrt, ging aber bei dem letzten Versuch der Besatzung, sich durchzuschlagen (22. April 1826), verloren. Seine Leiche führte Graf Pietro Gamba nach England, wo sie, da ihr die Geistlichkeit ein Begräbnis in der Westminsterabtei verweigerte, in der Dorfkirche von Hucknall bei Newstead Abbey beigesetzt wurde. Seine von Thorwaldsen 1817 in Rom gefertigte (sitzende) Statue befindet sich zu Cambridge (in der Bibliothek des Trinity College); andere Standbilder wurden ihm in Missolunghi und 1881 in London errichtet.
Byrons außerordentliche Begabung fand weder in England noch überhaupt in seinem Zeitalter entsprechende Aufgaben und stellte sich daher falsche, anderen Lösung er die größte Leidenschaft und das zarteste Gefühl, die sinnigste Detailarbeit und riesenhafte Gewalt setzte. Treitschke hat daher (»Gesammelte Aufsätze«) mit Recht das Negative seiner Wirksamkeit betont. Er sehnte sich nach der Schönheit, fand sie aber daheim verkannt, in den klassischen Ländern geknechtet und durch die Heilige Allianz am gefährlichsten bedroht, so dass er mit Pathos und Spott gegen alle Machthaber zu Felde zog. Getäuschter Idealismus trieb ihn zum Weltschmerz, über den er sich im »Don Juan« nur zu einem humoristischen Appell an die Natur erhob. Seine Werke, Verse sowohl als Briefe, wurden herausgegeben von Th. Moore (Lond. 1832–33, 17 Bde., u. ö.); sehr vermehrte Neuausgabe von Coleridge und Prothero (London bei Murray, 1898ff.). Die Gedichte allein, mit biographischem Kommentar, sind in einer bequemen einbändigen Ausgabe von Murray vereint. Eine kritische Ausgabe begann Kölbing (»Siege of Corinth«, »Prisoner of Chillon«, Weim. 1893–96). Zahlreich sind die Schulausgaben einzelner Dichtungen. Aus den deutschen Übersetzungen seien hervorgehoben: die von Böttger (8. Aufl., Leipz. 1901), Gildemeister (4. Aufl., Berl. 1888, 6 Bde.), A. Schröter (Stuttg. 1901, 2 Bde.).
Vgl. Dallas, Recollections of the life of Lord B. (Lond. 1824); C. Gordon, Life and genius of Lord B., 1808–1814 (das. 1824); E. Brydges, Letters on the character of Lord B. (das. 1824); Th.Medwin, Conversations of Lord B. (das. 1824. neue, vermehrte Aufl. 1898; deutsch von A. v. d. Linden, 3.Aufl., Leipz. 1900); Marquis de Salvo, Lord B. en Italie et en Grèce, etc.(Lond. 1825); Gamba, Narrative of Lord Byron's last journey to Greece (das. 1825); Parry, The last days of Lord B. (das. 1828); Leigh Hunt, Lord B. and some of his contemporaries (das. 1828); Millingen, Memoir on the affairs of Greece (das. 1831); über Th.Moore s. oben; Kennedy, Conversations on religion with Lord B. (das. 1830); Lady Blessington, Conversations with Lord B. (das. 1834, neue Ausg. 1891; dazu Blümel, Byrons Unterhaltungen mit der Lady Blessington, kritisch untersucht, Leipz. 1900); Trelawney, Recollections of the last days of B. (Lond. 1858; dann erweitert als »Records of Shelley, B., etc.«, 1878, neue Ausg. 1887); Gräfin Guiecioli, My recollections of Lord B. (engl. von Jerningham, das. 1868, 2 Bde.; mehr begeistert als zuverlässig); Smiles, Memoir of J. Murray (das. 1891, 2 Bde.). Biographien des Dichters gaben Lake (Lond. 1827), John Galt (2. Aufl. 1830). Armstrong (1846), Nichol (1879), Jeaffreson (»Real Lord B.«, 1883); von Deutschen: Eberty (2. Aufl., Leipz. 1879, 2 Bde.), Elze (3. Aufl., Berl. 1886; in engl. Übersetzung, Lond. 1872), Engel (3. Ausg., Berl. 1884), R. Ackermann (Heidelb. 1901), Koeppel (Berl. 1902). Die Memoiren Byrons wurden vom Erben derselben, Thomas Moore, aus Familienrücksichten vernichtet. Gute Charakteristiken sind vorhanden von Goethe (vgl. »Goethe-Jahrbuch«, Bd. 20, S. 3ff., 1899), Tuckermann (»Charakterbilder englischer Dichter«, Marburg 1857), Macaulay (»Essays«, Bd. 1), Matthew Arnold (»Selections from B.«) und v. Treitschke (»Historische und politische Aufsätze«).Vgl. auch J. C. Ron, Some disputed points in Byron 's biography (Leipz.1893); Sinzheimer, Goethe und B. (Heidelb. 1894); Kraeger, Der Byronsche Heldentypus (Berl. 1898).
Bob Southey! du bist Dichter, – Hofpoet
Und Typus aller dieser großen Lichter,
Und ein bekehrter Tory, – das versteht
Sich freilich ganz von selbst für solch Gelichter.
Sag' mal, mein epischer Judas, wie's euch geht,
Ihr unversorgten und versorgten Dichter?
Ihr kommt mir vor, mit euren süßen Weisen,
Wie "die Pastete mit den zwanzig Meisen".
"Der Teig ging auf, sie fingen an zu singen,"
(Dies alte Lied und neue Bild trifft gut,)
"Die Schüssel kann man dreist dem König bringen,"
Dem Prinzen auch; er liebt derart'ge Brut.
Und Coleridge wird nun auch empor sich schwingen,
Doch tölpisch wie ein Falk mit seinem Hut;
Dem Volk erklärt er die Philosophie, –
Doch die Erklärung, wer erklärt uns die?
Du, Bob! bist etwas frech; – das macht die Galle;
Was du versuchtest, war verführerisch:
Wegdrängen wolltest du die Vögel alle
Und einz'ge Meise sein auf jenem Tisch;
Doch du verrenktest dich und kamst zu Falle,
Herniederpurzelnd wie ein Fliegefisch,
Und schnappst nach Luft; du willst zu hoch hinaus, Bob.
Und zappelst nun, das Wasser geht dir aus, Bob.
Und Wordswoth's lange "Excursion", – (sie währt
Fünfhundert Seiten Quart, das will was sagen,)
Ist auch ein Pröbchen von dem ries'gen Wert
Der neuen Kunst, Weisheit aufs Mal zu schlagen:
's ist Poesie, – er hat es selbst erklärt,
Es sieht so aus – an heißen Sommertagen,
Und wer's versteht, der ist auch wohl capabel
Und baut ein Stockwerk auf den Thurm zu Babel.
Ihr Herren habt so lang euch vom Verkehr
Mit besserer Gesellschaft abgeschlossen,
Und eure Geister haben sich so sehr
Der eine in den anderen ergossen,
Daß ihr nun glaubt, es gebe nirgend mehr
Lorbern als für euch selber und Genossen:
's ist etwas Kleinliches in der Idee;
Ich wollt', ihr säht das Meer statt euren See.
Fern sei's von mir, daß ich es ähnlich machte
Und mich aus Selbstsucht so gemein erwiese,
Für all den Ruhm, den euch die Umkehr brachte,
(Denn mehr als Geld verlangen Herrn wie diese.)
Ihr zieht das Geld, – ist's das, was euch entfachte? –
Und Wordsworth hat sein Amt bei der Accise.
Ihr seid nur schäbig, – ja, doch auch Poeten,
Und dürft mit Fug den heil'gen Berg betreten.
Den Kranz, der eure dreiste Stirn verdeckt,
Vielleicht auch etwas Scham, – behaltet gern;
Ich wünsche, daß die Frucht euch trefflich schmeckt.
Jedoch das Feld des Ruhmes, das ihr Herrn
Zum Monopol macht, ist nicht abgesteckt,
Und jedem Gottentflammten winkt der Stern;
Scott, Rogers, Campbell, Crabbe und Moore bestreiten
Euch euren Anspruch vor dem Thron der Zeiten.
Ich, dessen Muse nur zu Fuß spaziert,
Wetteifre nicht mit eurem Flügelpferd.
Geb' euch das Schicksal, wenn sich's um euch schiert,
Kunst, die ihr braucht, und Ruhm, den ihr begehrt;
Und merkt euch, daß ein Dichter nichts verliert,
Wenn er Verdienste seiner Brüder ehrt,
Und daß das Jammern über unsre Zeit
Kein Unrecht auf zukünft'ges Lob verleiht.
Wer seine Lorbern spart für spätre Welten,
(Wo man die Erbschaft meistens gar nicht mag,)
Der hat nicht viel, – das kann als Regel gelten, –
Und er beschädigt sich durch eignen Schlag.
Aus der Vergessenheit taucht äußerst selten
Ein Nachruf auf, wie aus dem Meer der Tag;
Gewöhnlich geht ein solcher Appellant –
Gott weiß wohin, – uns bleibt es unbekannt.
Wenn einst, von bösen Zungen heimgesucht,
Milton die Rächerin anrief, die Zeit;
Wenn Zeit, die Räch'rin, seinen Feinden flucht
Und jetzt sein Nam' ist wie "Erhabenheit",
So log er nicht in Liedern; nicht verrucht
Zu Freveln hat er sein Talent entweiht;
Er pries den Sohn nicht des verhaßten Todten,
Er lebt' und starb ein Gegner der Despoten.
Meinst du, daß er, der arme blinde Greis,
Wenn er wie Samuel aus dem Grab erstände,
Und abermals vor ihm, erstarrt zu Eis,
Das Blut aus königlichen Wangen schwände,
Wenn er, gebeugt, krank, bleich und silberweiß,
Not, Gram und Rabentöchter wiederfände, –
Er würde Sultan' anflehn, Dienste suchen
Bei Castlereagh, dem geistigen Eunuchen?
Dem kalten, glatten, lächelnden Verräter!
Er plätscherte mit junger weicher Hand
In Erins Blut und ward in England später
Zu immer größrem Mordgeschäft verwandt;
Gemeinstes Werkzeug hoher Missethäter,
Mit just genug Talenten und Verstand,
Um Ketten anzuthun, die Andre schmieden,
Um Gift zu reichen, welches Andre sieden.
Ein Redner solcher Phrasen, so verschroben,
So unaussprechlich, legitim gemein:
Die größten Schmeichler wagen nicht zu loben,
Die Feinde (alle Völker) schlafen ein.
Nicht einmal Funken lust'ger Schnitzer stoben
Von diesem wirbelnden Ixion-Stein,
Der uns verdeutlicht, wie er kreist und kreist,
Was ew'ge Folter und Bewegung heißt.
Ein Pfuscher selbst in seinem schmier'gen Fach!
Er flickt und leimt, und seine feigen Meister –
Für die bleibt doch zuletzt noch Arbeit nach,
Ein Joch für Völker, ein Cachot für Geister,
Congreß, Complott und sonst'ges Ungemach.
Handschellen für die ganze Menschheit schweißt er,
Ein Flickschmied alter Ketten, und erhält
Als Lohn den Abscheu Gottes und der Welt.
Marklos, entmannt, liebt Es nur zweierlei,
Die Fesseln, die es trägt und die es spinnt,
Und wähnt, daß Ketten stumpfer Sklaverei,
Wie es sie trägt, auch gut für Männer sind;
Der richtige Eutrop der Tyrannei,
Für Würd' und Freiheit, Witz und Weisheit blind,
Furchtlos, – denn Eis muß ohn' Empfindung sein,
Sein Mut selbst friert zu einem Laster ein.
Wo berg' ich mich, um nicht sein Joch zu sehen?
Denn fühlen werd' ich's nie; – Italia, die
Den Römergeist neu weckte, muß vergehen
Am Lügenqualm, den dieser Staatswurm spie;
Ihr Kettenrasseln, Erin's Todeswehen
Sind laute Stimmen, schrecklich zeugen sie.
Noch hat die Welt Armeen, Monarchen, Schranzen,
Und Southey feiert sie in schlechten Stanzen.
Vorerst, Herr Hofpoet, nimm dies Gedicht;
In offenherz'gen Versen weih' ich's dir;
Ein schmeichelhafter Hymnus sind sie nicht;
Ich trage noch das alte Whig-Panier
Und brauch' in Politik noch Unterricht.
Apostasie ist jetzt die Hofmanier,
Und Treue halten ist 'ne Dornenbahn,
Nicht wahr, mein Tory, Ultra-Julian?
1.
Mir fehlt ein Held: – ein sonderbarer Fehler;
Denn jährlich kündigt sich ein neuer an
Und überfüllt mit Humbug die Journäler, –
Doch schließlich ist er nicht der rechte Mann.
Für diese Sorte ward ich nicht Erzähler,
Und darum nehm' ich mir Freund Don Juan, –
Wir alle sahn ihn auf der Bühne oft,
Wie ihn der Teufel holte – unverhofft.
2.
Wolfe, Vernon, Hawke, der Metzger Cumberland,
Prinz Ferdinand, Granby, Burgoyne, Keppel, Howe,
Ein jeder war mal Held des Tags und stand
Im Bierschild (wie heut Wellington) zur Schau.
Wie Banquo's Kön'ge schritten sie durchs Land,
Knappen des Ruhms, "neun Ferkel" dieser Sau:
Frankreich hat Bonapart' und Dumourier,
(Vergleiche "Moniteur" und auch "Courier".)
3.
Barnave, Brissot, Condorcet, Mirabeau,
Clootz, Pétion, Danton, Marat, Lafayette,
Sind auch Franzosen und famos, und so
Noch viele, die man kaum vergessen hätte,
Joubert, Hoche, Marceau, Lannes, Desaix, Moreau,
Und manche andre Herrn vom Epaulette,
Zu Zeiten äußerst nennenswürdig jeder,
Doch gänzlich unbrauchbar für meine Feder.
4.
Nelson war Englands Kriegsgott einst, und wär'
Es billig noch, indeß der Wind sprang um;
Verklungen ist von Trafalgar die Mär'
Und liegt, wie unser Held, im Sarge stumm;
Denn heut ist die Armee nur populär,
(Natürlich nimmt das die Marine krumm,)
Der Prinz ist für das Landheer wie besessen,
Und Jervis, Nelson, Duncan sind vergessen.
5.
Vor Agamemnon lebten tapfre Männer,
Und später auch, höchst mut'ge und gescheute,
So gut wie er, wenn auch nicht besser denn er;
Doch da kein Dichter ihnen Weihrauch streute,
Vergaß man sie. Ich selbst bin kein Verkenner,
Jedoch ich finde keinen Helden heute,
Den ich für mein Gedicht gebrauchen kann,
Und nehme, wie gesagt, Freund Don Juan.
6.
Die meisten Dichter gehn "in medias res",
(Die Hauptchaussée des Epos nach Horaz;)
Und dann erzählt der Held Vorgängiges
Als Episode oder Zwischensatz;
Nach Tische seiner Dam' erzählt er es
An irgend einem angenehmen Platz,
Schloß, Garten, Laube oder auch in Schlüchten,
Wohin die Zwei sich statt ins Wirthshaus flüchten.
7.
Dies ist die Art der meisten, meine nicht!
Mein Grundsatz ist mit dem Beginn beginnen;
Die Strenge meines Plans macht mir zur Pflicht
Sorgsam den Abschweifungen zu entrinnen;
Drum führt die erste Zeil' in dem Bericht,
(Sollt ich auch zehn Minuten daran spinnen,)
Den Vater Don Juans in euren Kreis ein
Und seine Mutter auch, – darf ich so frei sein.
8.
Er war geboren in Sevilla's Mauern,
Berühmt durch Weiber und Orangen, – wer
Den Ort nicht kennt, den muß man sehr bedauern,
So sagt das Sprichwort, – und ich sage: sehr!
Ganz Spanien beut nichts Schönres den Beschauern,
Cadiz vielleicht, – jedoch das kömmt nachher:
Am Flusse wohnten seine Eltern hier;
Der Fluß ist schön und heißt Guadalquivir.
9.
Sein Vater – Jose, Don natürlich, Sproß
Der gothischesten Ahnen, die es gab;
Kein Tröpfchen Blut von Moor und Juden floß
Durch seine Puls' – Hidalgo bis ans Grab.
Kein bessrer Cavalier saß je zu Roß,
Und stieg, nachdem er aufsaß, wieder ab.
Don Jose zeugte Don Juan, und der
Erzeugte wieder – – doch davon nachher.
10.
Die Mutter war berühmt und hochstudirt
In allen Fächern der Gelehrsamkeit,
In jeder Sprache, die je existirt,
Und tugendhaft nicht minder als gescheit:
Die Klügsten fühlten sich von ihr blamirt,
Die Besten seufzten innerlich vor Neid,
Weil alles, was die Frommen je erbaut hat,
Verdunkelt ward von dem, was diese Frau that.
11.
Und welch Gedächtniß! – So viel Lope schrieb
Und Calderon, sie wußt' es aus dem Kopfe,
Und wenn im Schauspiel Einer stecken blieb,
Sie half, wie ein Souffleur, dem armen Tropfe.
Sie brauchte kein Feinagelsches Princip,
Was sollte sie mit dem gelehrten Zopfe?
Sein künstliches Gedächtniß – Stückwerk schien es,
Verglichen mit dem Hirn der Donna Ines.
12.
Ihr Hauptfach war das mathematische,
Und Großmut ihre schönste Leidenschaft;
Ihr Witz (sie hatt' auch Witz) der attische,
Ihr Ernst sublim, ja häufig rätselhaft;
Sie selbst war eine problematische
Natur, und ihre Robe war von Taft,
Und Sommers von Mousselin und andern Stoffen,
Wovon ich schweigen darf, – das will ich hoffen.
13.
Lateinisch sprach sie – "das Gebet des Herrn",
Und griechisch – wenigstens das Alphabet;
Französische Romane las sie gern,
Doch ihr Accent war etwas obsolet;
Ihr Spanisch war nur mäßig, insofern
Sie häufig sagte, was kein Mensch versteht,
Verborgnen Sinn in dunklem Wort, – sie dachte,
Das dies Mysterium Worte vornehm machte.
14.
Auch Englisch und Hebräisch liebte sie
Und fand die beiden Sprachen nah verwandt,
Wofür sie die Beweise irgendwie
Ich weiß nicht mehr in welchen Psalmen fand.
Doch eine deutliche Analogie
Hört' ich sie nennen: es ist sehr frappant,
Das Nomen, das hebräisch für "Ich bin" steht,
Regiert "verdamm'", wenn es im brit'schen Sinn steht.
15.
Sie blickte Predigten, sie producirte
Mit Aug' und Stirn Postill' und Homilie,
Ein Uhrwerk, das sich selber regulirte,
Wie der verstorbne Samuel Romilly,
Der Mann des Rechts, der Staaten reformirte.
(Sein Selbstmord war 'ne Art Anomalie,
Ein neues Beispiel menschlicher Verirrung;
Der Spruch der Jury war "Gemütsverwirrung".)
16.
Kurzum, sie war ein wandelndes Exempel,
Ein christlicher Roman, der ungebunden
Herumlief, ein lebend'ger Weisheitstempel,
Ein Auszug aus des "Weibes Weihestunden",
Ein Abdruck mit dem ächten Tugendstempel,
Den selbst der Neid untadlig hat gefunden:
Vor andren Frauen hatte sie allein
Den schlimmsten Fehler, fehlerfrei zu sein.
17.
O, sie war ganz vollkommen, unvergleichbar
Mit andren heil'gen Frau'n in West und Osten,
Für List und Macht des Teufels unerreichbar;
Schutzengel sein war hier ein Ruheposten.
Ihr kleinster Schritt geregelt, unabweichbar,
Wie Uhren, die zweihundert Thaler kosten;
Nein, ihrer Tugend reichte nichts das Wasser
Als nur dein "unvergleichlich Oel", Macassar!
18.
Vollkommen war sie; doch Vollkommenheit
Will unsrer schlechten Welt nur schlecht behagen,
Wo Adam erst das Küssen lernte, seit
Die Fluren Edens ihm verschlossen lagen,
Wo alles Unschuld war und Seligkeit,
(Wie hat er seinen Tag nur todtgeschlagen?)
Don Jose pflückt' als ächter Adamssohn
Verschiednes Obst ohn' ihre Sanction.
19.
Ein Mann, der sich nicht viele Sorgen machte,
Kein Schwärmer für Studirt' und für Studiren,
Der that, was ihm gefiel, und niemals dachte,
Es könne seine Frau interessiren.
Die böse Welt, die immer heimlich lachte,
Wann Staaten sich und Häuser ruiniren,
Raunte von einem Liebchen, selbst von zweien,
Doch eins genügt, um Gatten zu entzweien.
20.
Frau Ines war, bei allen guten Seiten,
Für ihren eignen Wert sehr eingenommen;
Gleichgültigkeit erbittert wohl zu Zeiten
Die Frömmsten, und ich zähl' sie zu den Frommen;
Dann nahm sie Phantasien für Wirklichkeiten,
Dann war mit ihr unmöglich auszukommen,
Und sie verstand die Kunst, auch mit geringen
Hülfsmitteln ihren Herrn ins Pech zu bringen.
21.
Dies war nicht schwer; er war ja ein Verbrecher
Und außerdem ein unvorsicht'ger Mann;
Die Klügsten haben wie die ärmsten Schächer
So schwache Stunden, daß den Schädel man
"Einschlagen kann mit ihrer Frauen Fächer",
Und Damen können hauen dann und wann;
Der Fächer wird in schöner Hand zum Degen,
Und keine Seele ahnt, wie so, weswegen.
22.
Gelehrte Jungfraun sollten eigentlich
Nie einen Menschen ohne Bildung frein,
Auch keinen feinen Weltmann, welcher sich
Langweilt im wissenschaftlichen Verein.
Ich will dies Thema nicht breit treten; ich
Bin nur ein schlichter Mann und steh' allein,
Wenn aber ein gelehrtes Weib 'nen Mann hat,
So wett' ich drauf, daß sie die Hosen anhat.
23.
Jose und Ines zankten, – doch nicht Einer
Von vielen Tausenden erriet weswegen;
Ein Jeder wollt' es wissen, wenn auch Keiner
Behaupten konnt', es sei ihm dran gelegen.
Ich hasse Neugier, – was ist wohl gemeiner?
Jedoch die Zwiste Andrer beizulegen,
Dafür besitz' ich eine eigne Gabe,
Indem ich nämlich selbst kein Hauskreuz habe.
24.
So schritt ich ein, wohlwollend und gemessen,
Doch mein Versuch fiel unerfreulich aus;
Vermutlich war dies tolle Paar besessen,
Denn niemals fand ich ihn und sie zu Haus,
Obwohl mir ihr Portier gestand ... indessen,
Das bleibt sich gleich; es ward mir bald zu kraus, –
Juan, der Kleine, goß der Köchin Topf
Mit Spülicht von der Trepp' auf meinen Kopf.
25.
Ein kleiner Krauskopf voller Schelmerein,
Der tollste Kobold, den Gott je erschaffen;
Die Eltern stimmten niemals überein
Als im Verhätscheln dieses wilden Affen.
Sie hätten ihn, anstatt so blind zu sein,
Zur Schule schicken oder ihren Laffen
Zu Hause peitschen sollen, um bei Zeiten
Zu guter Lebensart ihn anzuleiten.
26.
Jose und Ines hielten denn zur Not
Zusammen aus; gewöhnlich wünschten sie
Einander, nicht geschieden, sondern todt.
Sie lebten äußerlich in Harmonie,
Anständig, wie die Sitt' es ja gebot,
Und vor der Welt verriet ihr Zwist sich nie;
Bis die verhaltne Glut am Ende ausbrach,
Und sich die Sache unzweideutig aussprach.
27.
Ines berief Doctoren und Droguisten,
Um darzuthun, ihr lieber Mann sei toll;
Doch leider hatt' er lichte Zwischenfristen,
Dann hieß es, er sei aller Laster voll,
Und wenn die Leute den Beweis vermißten,
Dann gab sie immer nur zu Protokoll,
Sie sei es Gott und Menschen schuldig, ihn
So zu behandeln, – was sehr seltsam schien.
28.
Sie buchte förmlich ihres Manns Faux pas,
Und öffnete Billets und Schreibtischfächer,
Und ganz Sevilla war als Helfer da,
Um zu verdammen diesen Ehebrecher,
(Selbst ihre alte gute Großmama,)
Und aus den Hörern wurden Weitersprecher,
Dann Advocaten, Richter mit der Zeit,
Theils zum Vergnügen, theils aus Groll und Neid.
29.
Und diese edle fromme Frau ertrug
So still und heiter ihres Gatten Plagen, –
An Sparta's Frau'n erinnert dieser Zug,
Die ruhig, ohne nur ein Wort zu sagen,
Zusahn, wenn Jemand ihren Mann erschlug.
Sie hörte ruhig Schmähungen und Klagen
Und nahm so unerschüttert jeden Stoß hin,
Daß alle Leute riefen: "Welcher Großsinn!"
30.
Daß unsre Freunde, wenn man uns zerreißt,
Geduldig sind, das ist Philosophie;
Auch thut es wohl, wenn man euch edel preist,
Zumal, wenn euer Kram dabei gedieh;
Und was bei Rechtsgelehrten dolus heißt,
Steckt ja in diesem Gehenlassen nie:
Rachsucht ist zwar nicht hübsch, das muß man sagen,
Doch ich bin schuldlos, wenn dich Andre schlagen.
31.
Und wenn der Zank dann alte Stadtgeschichten
Aufscharrt, versetzt mit neuen Lügen freilich,
Sind wir darum zu tadeln? o, mit nichten!
So etwas wird Tradition und heilig.
Auch ist dies Wühlen in begrabnen Schichten
Durch den Contrast für unsern Ruhm gedeihlich,
Und selbst die Wissenschaft wird profitiren:
Todter Scandal dient trefflich zum Seciren.
32.
Erst rieten ihre Freunde zum Vertragen,
Dann die Verwandten, – was nur Schaden that;
(Schwer zu entscheiden ist's in solchen Lagen,
Wen man ersuchen soll um guten Rat, –
Für Freund' und Vettern ist nicht viel zu sagen.)
Zur Scheidung drängte Ines' Advocat,
Doch eh' er noch sein Honorar erwarb,
Geschah es leider, daß Don Jose starb.
33.
Er starb, – ich sage leider, weil (soviel
Ich schließen konnt' aus manchen Aeußerungen
Rechtskund'ger Freunde, deren Redestil
Zwar immer dunkel ist und sehr gezwungen,)
Dadurch der schönste "Fall" zu Boden fiel.
Welch ein Verlust für die Gefühl' und Zungen
Des Publicums, das sich bei dem Processe
Betheiligte mit wärmstem Interesse.
34.
Doch, ach, er starb! mit ihm begraben lagen
Die Sporteln und die warmen Interessen;
Gesind' entlassen, Wohnhaus losgeschlagen, –
Ein Jude nahm die eine der Maitressen,
Die zweit' ein Priester, – wie die Leute sagen;
Und um nicht seine Krankheit zu vergessen,
Er starb am Fieber, (Wechselfieber schien es,)
Und einsam blieb mit ihrem Groll Frau Ines.
35.
Doch Jose war ein ehrenwerter Mann,
Das muß ich sagen, der ich wohl ihn kannte;
Nach seinen Fehlern stöbern will und kann
Ich nicht; ich glaube, daß ich alle nannte.
Wenn seine Leidenschaft auch dann und wann
Durchging mit ihm und nicht so friedlich brannte
Wie des Pompilius Herz, (ich meine, Numa's,)
So kam's, weil die Natur viel Gall' ihm zumaß.
36.
Genug von seinem Unwert oder Wert, –
Der arme Kerl! er hatte manche Plagen;
Jetzt, wo es nichts mehr nützt, sei gern erklärt,
Es war ein harter Tag und schwer zu tragen,
Als er allein stand am verlass'nen Herd
Und seine Laren rings zerschmettert lagen.
Da Stolz und Herz nur eine Wahl ihm bot,
Tod oder Ehgericht, wählt' er den Tod.
37.
Juan war Intestaterb' aller Güter
Und etlicher Process' am Lehnsgericht,
Und Minderjährigkeit und gute Hüter
Verschlechtern meistens ein Vermögen nicht.
Sein Vormund war die beste aller Mütter,
Wie es den Rechten der Natur entspricht;
Denn einer Witwe einz'ger Sohn wird minder
Verkehrt erzogen als die andern Kinder.
38.
Die weiseste der Frau'n und Witwen wollte
Juan als Muster aufziehn, rein wie Lilien
Und würdig des Geblüts, das in ihm rollte,
(Sie war aus Aragon, er aus Castilien,)
Und rief' ihn einst sein König, – gut, er sollte
Die Ritterkünst' erlernen wie ein Spielchen,
Als Reiten, Fechten, Schießen, Festungswälle
Erklettern – oder eine Nonnenzelle.
39.
Eins aber war, was sie so hoch taxirte,
Daß sie es selbst besorgte, – einerlei
Wie viele Lehrer sie auch engagirte:
Daß seine Bildung streng moralisch sei.
Sie prüfte sorgsam, was ihr Sohn studirte,
Und, was ihr vorgelegt war, mochte frei,
Kunst oder Wissenschaft, beim Unterrichte
Vorkommen, aber nicht Naturgeschichte.
40.
Die Sprachen, namentlich die todten Zungen,
Die Wissenschaften, zumal die abstrusen,
Die Künste, das heißt solche, die dem Jungen
Nichts nützen konnten, – alle diese Musen
Kannt' er und war schon rüstig vorgedrungen;
Doch was vergiften kann den jungen Busen,
Was anspielt auf die Fortpflanzung der Rasse,
Blieb fern, damit er stets das Laster hasse.
41.
Das Schlimmste war das Studium der Heiden,
Von wegen der verliebten, sittenlosen
Götter und Göttinnen, die unbescheiden
Einhergehn ohne Mieder, ohne Hosen.
Die würd'gen Lehrer hatten viel zu leiden
Und griffen in der Angst zu curiosen
Ausreden für Homer und für Virgil, –
Denn Ines scheute den antiken Stil.
42.
Ovid ist ein Roué, das ist nicht strittig,
Anacreon hat arges Zeug gesungen,
Catull ist kaum einmal decent und sittig,
Und Sappho's Ode paßt nicht für die Jungen,
Obwohl Longinus sagt, mit stolzrem Fittig
Hab' eine Hymne nie sich aufgeschwungen;
Virgil ist ehrbar, – ich bedaur' ihn bloß um
Das eine Schandlied "Corydon formosum".
43.
Lucrezens Atheismus ist zu scharf
Für zarte Mägen, um sie recht zu stärken;
Auch Juvenal sagt viel, was man nicht darf;
Denn er gebraucht Ausdrück' in seinen Werken,
(Wenn er sie auch zum besten Zweck entwarf,)
Daß man zuweilen glaubt, es red' ein Ferken;
Und welcher Biedermann nimmt wohl den Schmutz
Der Epigramme Martials in Schutz?
44.
Juan las ihn in einer Edition,
Die weise Männer fein gesäubert haben;
Die Stellen von verfänglich schlechtem Ton
Entrückten sie dem Forscherblick der Knaben,
Jedoch, damit die Operation
Das edle Buch nicht gar verschände, gaben
Sie alle jene Stellen als Appendix,
Und sparen freilich so die Müh' des Index.
45.
Da hat man sie mit einem Griff gepackt
Und braucht sie nicht erst aus dem Text zu zerren;
Sie stehen aufmarschirt, glorreich und nackt,
Zur Augenweide für die jungen Herren,
Bis Kritiker von minder feinem Takt
Sie wieder in die alten Käf'ge sperren,
Statt daß sie jetzt dastehen und sich spreizen
Wie Gartengötter, – nur mit frechren Reizen.
46.
Das Meßbuch (das Familienmeßbuch war es,)
War, wie man's häufig findet, reich verziert;
Man sah die Küsse manches Liebespaares
Am Rand mit Farben bunt illuminirt,
Und daß der Leser, der so viel Bizarres
Vor Augen hat, die Sammlung nicht verliert,
Das fass' ich nicht; – indeß Juan bekam
Ein andres, weil Mama das bunte nahm.
47.
Sermone las und Predigten bestand er,
Chrysostomus und Hieronymus,
Und früh an solche Kost gewöhnt, empfand er
Bei diesen Studien keinen Ueberdruß;
Und wirklich schildert euch kein Buch pikanter,
Wie man zum rechten Glauben kommen muß,
Als Augustins Bekenntniss' es verkünden, –
Er macht uns neidisch fast auf seine Sünden.
48.
Auch dies war ein versiegelt Buch für ihn,
Und darin, dünkt mich, that sie ihre Pflicht,
Wenn dies die Art war, Knaben zu erziehn
Sie ließ den Kleinen kaum aus dem Gesicht;
Die Mägde waren ältlich, wie mir schien,
Und größre Vogelscheuchen gab es nicht:
Sie hielt darauf schon bei Don Jose's Leben, –
Die Regel möcht' ich allen Frauen geben.
49.
Juan wuchs auf, im sechsten Jahr bereits
Ein allerliebstes Kind; im elften Jahr
Versprach er alle Schönheit, allen Reiz,
Der reifer Mannheit jemals eigen war.
Er lernte brav, man glaubte allerseits,
Zum Himmel geh' er ganz unmittelbar;
Den halben Tag ging er zur Kirch', und später
Sah er nur Mutter, Lehrer, fromme Väter.
50.
Mit sechs war er ein allerliebstes Kind,
Mit zwölf ein hübscher, aber stiller Junge;
Sie hatten diesen kleinen Sausewind
Gezähmt in ihrer Mitt' und von dem Schwunge,
Der ihm natürlich war, entwöhnt. So sind
Die Mütter einmal. Unsrer Witwe Zunge
Ward gar nicht müde, ihren jungen weisen,
Ehrbaren Philosophen laut zu preisen.
51.
Ich hegte meine Zweifel damals schon,
Und hege sie wohl noch von Zeit zu Zeit;
Ich kannte Jose und die Nation,
Und auch die Welt; jedoch es geht zu weit,
Den Schluß zu ziehn vom Vater auf den Sohn;
Jose und Gattin lebten längst entzweit, –
Doch nein, ich hasse Klatscherein; mein Herz
Verabscheut böse Reden, selbst im Scherz.
52.
Ich sage nichts – gar nichts; – nur dies allein
Bemerk' ich, ohne Gründe darzulegen:
Wär' solch ein einz'ger Sohn zufällig mein,
(Ich habe keinen, und das ist ein Segen,)
Mit Donna Ines schlöss' ich ihn nicht ein,
Um seiner Studien mit ihr zu pflegen;
Zur Schule schickt' ich ihn so früh wie thulich,
Denn was ich selbst weiß, lernte auf der Schul' ich.
53.
Da lernt man, – Selbstlob wär' unangemessen,
Doch lernt' ich – na, ich übergehe das,
Wie auch mein Griechisch, das ich längst vergessen:
Ich sage bloß, daß sie auf dem Gymnas
(Ich that es selbst) Weisheit mit Löffeln fressen
Und wissen – niemand braucht zu wissen was.
Ich selbst bin unvermählt, doch ahn' ich fast,
Daß die Erziehung nicht für Söhne paßt.
54.
Juan ward sechzehn alt in sichrer Hut,
Groß, hübsch und schlank, doch fest gebaut. Er schien
Alert, doch frei von Pagenübermut,
Und jeder, nur Mama nicht, achtet' ihn
Beinah als Mann; sie aber biß vor Wut
Sich auf den Mund, (sonst hätte sie geschrien,)
Wenn jemand davon sprach. Vorzeit'ges Reifen
Schien ihr an das Entsetzliche zu streifen.
55.
Frau Ines lernte viele Damen kennen,
Von auserlesner Frömmigkeit und Ehre,
Auch Donna Julia, welche hübsch zu nennen,
Ein schwacher, mangelhafter Ausdruck wäre.
Ihr Reiz ließ sich von ihr so wenig trennen,
Wie Lieblichkeit von Blumen, Salz vom Meere,
Der Gurt von Venus, Pfeile von Cupiden,
(Doch der Vergleich gehört zu den stupiden.)
56.
Orientalisch war der Augen Pracht,
Als ob sie maurisches Geblüt verkünde,
(Ihr Blut war nicht ganz spanisch, – aber sacht!
In Spanien ist das eine Art von Sünde.)
Einst, als Granada fiel in seiner Macht,
Floh Julia's Haus, soviel ich es ergründe,
Nach Afrika, doch ein'ge blieben da,
Zum Beispiel Julia's Ururgroßmama.
57.
Die letztre nahm ein Edelmann zur Frau,
Und der vererbt' auf diese Art sein Blut
Etwas verdünnt und nicht mehr völlig "blau".
Das hießen seine Ahnen schwerlich gut:
Sie nahmen es in diesem Punkt genau
Und hielten streng sich innerhalb der Brut,
Heirateten Cousinen, Nichten, Basen,
Und das verdirbt zuletzt die besten Racen.
58.
Die Kreuzung mit dem Heidenstamm that Wunder,
Das Blut verderbend, doch das Fleisch belebend;
Altspaniens faulster Stamm ward ein gesunder
Fruchtbaum, die schönsten frischen Früchte gebend;
Die Söhne wurden hoch, die Töchter runder:
Doch geht die Sag', (ich meld es widerstrebend,)
Man danke dies verbesserte Geschlecht
Weit mehr der Lieb' als just dem Eherecht.
59.
Gleichviel, mit jeder Generation
Verbesserte die Race sich, bis sie
Sich concentrirt' in einem einz'gen Sohn,
Der eine einz'ge Tochter hatt', und die
War niemand anders, man errät es schon,)
Als Julia, die in dieser Poesie
Sogleich noch öfter vorkömmt. Julia war
Vermählt, keusch, reizend, dreiundzwanzig Jahr.
60.
Ihr Aug' (ich liebe schöne Augen sehr,)
War groß und dunkel und die meiste Zeit
Verschleiert, – bis sie sprach: dann flammte mehr
Der Stolz im Aug' als zorn'ge Heftigkeit
Und Liebe mehr als beides, – es ist schwer
Zu sagen, was es war: nicht Lüsternheit,
Und doch ein Keim davon; den aber kämpfte
Die Seele nieder, die das Ganze dämpfte.
61.
Schwarz lockte sich ihr Haar, die Stirn umgebend,
Die hell von Geist und glatt und glänzend war,
Die Augenbrau'n wie Regenbogen schwebend,
Und auf der Wang' ein Purpur jugendklar,
Manchmal zu transparenter Glut sich hebend,
Als blitz' es in den Adern; hier, fürwahr,
War Reiz und Anmut, die nicht oft zur Schau stehn;
Groß war sie, kleine Frau'n kann ich nicht ausstehn.
62.
Ihr Gatte war ein Funfz'ger, wie ich meine,
Wer ist, der nicht dergleichen Gatten kennte?
Und dennoch wär' es gut, wenn dieser eine
In zwei von fünfundzwanzig sich zertrennte,
Zumal bei solchem warmen Sonnenscheine.
Und dabei fällt mir ein, mi vien in mente,
Frau'n von der unbequemsten Tugend weiß ich,
Die einen Gatten vorziehn unter dreißig.
63.
Es ist ein Unheil, ja, ich räum' es ein,
Das von der indecenten Sonne stammt;
Sie läßt uns arme Würmer nicht allein,
Sie brennt und bäckt und brüht und kocht und flammt;
So viel wir beten oder uns castein,
Das Fleisch ist schwach, die Seele wird verdammt:
Was Götter Ehbruch nennen, Menschen Liebschaft,
Ist häuf'ger, wo das Klima heißern Trieb schafft.
64.
Beglückter Norden, wo Moral regiert,
Wo alles Tugend ist und unbestrumpft
Zur Winterszeit die Sünd' im Schnee erfriert,
(Schnee bracht' auch Sanct Antonius zur Vernunft,
Wo eine Jury Frauenwert taxirt
Und jedes Mitglied der galanten Zunft
Schwer zahlen läßt für lockre Lebensweise!
Dies Laster hat bekanntlich feste Preise.
65.
Alfonso wurde Julia's Mann genannt,
Ein netter Mann, den Julia nebenbei
Nicht göttlich, aber auch nicht greulich fand.
Sie ließen beid' einander ziemlich frei;
Es ging wie meistentheils im Ehestand,
Sie waren just nichts eins und auch nicht zwei,
Doch war er eifersüchtig – ganz für sich;
Denn Eifersucht ist ungern öffentlich.
66.
Ines gewann, ich selber weiß nicht wie,
Die schöne Julia ungeheuer lieb:
Denn ihr Geschmack begegnete sich nie,
Da Julia niemals eine Zeile schrieb.
Die Leute sagen, – (sicher lügen sie,
Sie wittern immer Selbstsucht als Prinzip),
Daß Ines, ehe sich Alfons vermählte,
Mit ihm den Pfad der Tugend einst verfehlte.
67.
Um diese alte Liaison zu pflegen,
Die übrigens zur Zeit durchaus decent war,
Komme sie jetzt der jungen Frau entgegen:
Ein Kunstgriff, der ein Zeichen von Talent war!
Er mußte Julia's Dankbarkeit erregen,
Während er für Alfons ein Compliment war
Und dem Scandal – zwar nicht das Maul verstopfte, –
Jedoch die Thür ihm schloß, sobald er klopfte.
68.
Ob Julia wie die Andren Unheil sah,
Ob sie mit eignen Augen Unrat spürte,
Ich weiß es nicht, denn kein Symptom war da,
Das mich zu einem sichren Aufschluß führte.
Ließ sie vielleicht geschehen, was geschah,
Weil sie die Sache überhaupt nicht rührte?
Ich weiß bei Gott nicht, was ich denken soll,
Denn sie war immer so geheimnißvoll.
69.
Sie sah Juan, das hübsche Kind, und herzte
Ihn oft genug, – was harmlos offenbar
Und Kurzweil war, die ihren Ruf nicht schwärzte,
Solang sie zwanzig war, er dreizehn Jahr;
Doch weiß ich nicht, ob ich darüber scherzte,
Als sechzehn er, sie dreiundzwanzig war:
Die wen'gen Jahre pflegen viel zu ändern,
Besonders in den sonnverbrannten Ländern.
70.
Sie wandelten auch diese beiden um:
Sie wurde kühl, der Jüngling ward befangen,
Ihr Blick gesenkt, ihr Gruß beinahe stumm,
Und die Verlegenheit färbt' ihre Wangen.
Die meisten werden denken: das Warum
Sei unsrer Julia sicher nicht entgangen;
Juan begriff soviel davon, wie der,
Der nie die See gesehen hat, vom Meer.
71.
Doch Julia's Kälte selbst war hold und lieb;
Sanft, zitternd zog sie ihre Hand aus seiner,
Jedoch ein leiser Druck, ein wonn'ger, blieb
Davon zurück, ein äußerst zarter, feiner,
Ein Zweifel fürs Gedächtniß, und es trieb
Armida nie noch ihrer Jünger einer
So mächt'ge Zauberei, wie dieser sachte
Contact im Herzen Don Juans vollbrachte.
72.
Sie lächelte nicht mehr; nicht süße Lust,
Doch süßre Trauer schmückte ihre Züge,
Als ob sie tiefe Sehnsucht schuldbewußt
Und doch voll Innigkeit im Herzen trüge,
Verschlossen in der stummen, glüh'nden Brust.
Die Unschuld selbst hat manche List und Lüge
Und giebt sich nicht der Wahrheit mutig hin,
Und Liebe wird schon früh zur Heuchlerin.
73.
Die Liebe heuchelt, doch verrät sich eben
Durch Dunkelheit; wie tiefste Wolkennacht
Den schwersten Sturm weissagt, zeigt sie ihr Leben
Im Auge, welches sie umsonst bewacht;
Sie mag sich, wie sie will, ein Ansehn geben,
Es bleibt doch immer angenommne Tracht:
Zorn, Hochmut und Verachtung, Haß sogar
Nimmt sie als Maske an, – und stets trop tard.
74.
Dann kamen Seufzer, tief, weil unterdrückt,
Verstohlne Blicke, süßer durch das Stehlen,
Und rote Glut, eh' noch ein Kuß geglückt,
Und hast'ger Gruß und banges Sich-Empfehlen:
Das Vorspiel der Verrücktheit, – denn verrückt
Ist jede Leidenschaft in jungen Seelen:
Man sieht daraus, daß Liebe schwer in Gang kömmt,
Wenn sie zuerst bei einem Neuling ankömmt.
75.
Das Herz der armen Julia dauert mich:
Sie fühlte, daß es durchging, und zur Wehre
War sie entschlossen für Alfons und sich,
Für Sitte, Stolz, Religion und Ehre;
Entschlossen war sie, und so fürchterlich,
Daß ein Tarquin vor ihr erschrocken wäre:
Sie bat, die Jungfrau möge sie bewachen,
Als beste Richterin in Weibersachen.
76.
Sie schwor Juan zu meiden für und für,
Und sprach am nächsten Tag bei Ines ein
Und blickte krampfhaft immer nach der Thür,
Doch trat ein Andrer – Dank der Jungfrau – ein,
Die dankte – aber etwas lau – dafür.
Die Thür geht wieder auf, er ist es? – Nein!
Am Abend dieses Tages, fürcht' ich sehr,
Fleht sie zur Mutter Gottes schwerlich mehr.
77.
Sie machte aus, daß just die Sittenreinsten
Dem Kampf ins Auge sehn und überwinden;
Flucht sei verächtlich; nicht den allerkleinsten
Geschmack an Männern schwor sie je zu finden,
Das heißt, nichts außer jener allgemeinsten
Vorliebe, die wir allerdings empfinden,
Wenn jemand netter als die andern ist, –
Der ist dann ganz ein Bruder, wie ihr wißt.
78.
Und sollte sie – (dergleichen kann geschehn,
Indem der Teufel voller Teufelei ist,) –
Bemerken, daß die Dinge mißlich stehn
Und daß ihr Herz bedroht, obwohl noch frei ist, –
Ein gutes Weib wird ähnliche Ideen
Ersticken, und ist besser, wann's vorbei ist,
Ein bloßes "Nein" genügt zum Triumphiren, –
Die jungen Damen sollten es probiren.
79.
Und dann – es giebt ein Ding, das ist die reine
Himmlische Liebe, frei von gröbrem Hauch,
Die Liebe lieber Engel und, ich meine,
Bei ältren Damen gleichfalls im Gebrauch,
Platonisch und vollkommen, "ganz wie meine,"
So sagte Julia – und sie dacht' es auch;
Sie dacht' es, und ich hätte nichts dagegen,
Vorausgesetzt, sie schwärmte meinetwegen.
80.
Dergleichen Lieb' ist harmlos, und ein Bund
Der reinsten Freundschaft kann dabei gedeihen:
Erst küßt man eine Hand, dann einen Mund, –
Ich zähl' in diesem Fache zu den Laien,
Doch wurde mir durch Hörensagen kund,
Daß Küss' auf Mund und Hand die Grenze seien,
Und alles Weitre ein Verbrechen wäre,
Doch meine Schuld nicht, – wie ich gleich erkläre.
81.
Lieb' also, aber Lieb' in allen Ehren,
War Julia's unschuldiger Entschluß:
Sie wollt' als Freundin mit Juan verkehren,
Was doch auf Knaben günstig wirken muß!
Sie und die Liebe wollten ihn belehren
Mit holder Mahnung, ohne Ueberdruß, –
Dann lernt' er wohl, wenn sie ihn unterwies, –
Ich weiß bei Gott nicht was, noch wußte sie's.
82.
Und so, gepanzert in dem blanken Stahl
Der Unschuld von dem Scheitel bis zur Sohle,
Ganz sicher, daß in Tugend und Moral
Sie stark sei wie ein Felsen oder Mole,
Entschlug sie weislich sich mit einem Mal
Jedweder Art von lästiger Controle.
Ob sie jedoch dem Werk gewachsen war,
Das wird im weiteren Verlaufe klar.
83.
Der Plan war harmlos und auch ausführbar:
Ein Kind von sechzehn! welchen magren Bissen
Bot es den Zähnen der Verleumdung dar!
Und wenn auch: Julia's Herz blieb unzerrissen,
Weil ihre Absicht ja die beste war:
Wie heiter stimmt ein ruhiges Gewissen!
Die Christen schlugen einst einander todt
Und glaubten fest, daß Gott es so gebot.
84.
Und stürbe mittlerweil ihr Ehemann, –
Wenn der Gedanke durch den Sinn ihr schoß,
So war's im Traum nur, und sie seufzte dann:
Nein, eher selber als ihr Ehegenoß! –
Indeß, gesetzt einmal, was kommen kann,
Ich sag', einmal gesetzt nur, – inter nos –
(Ich meine entre nous; denn Julia dachte
Französisch, was den Reim unmöglich machte.)
85.
Ich sage, die Voraussetzung gesetzt:
Juan, der dann zum Mann erwachsen ist,
Paßt just für ein Wittib, und zuletzt
Sind sieben Jahre nicht zu lange Frist,
Und in der Zwischenzeit, (wir träumen jetzt,)
Ist das Malheur nicht groß, wenn man's ermißt;
Er kann das Abc der Liebe lernen,
Die Seraphssorte mein' ich über Sternen.
86.
So viel von Julia. Nun zu Juan.
Der arme kleine Schelm! was ihm geschieht,
Ist etwas, was er nicht erklären kann;
Lebhaft wie die Medea des Ovid
Staunt er die Lieb' als etwas Neues an
Und ahnt nicht, daß die Sach' ein altes Lied
Und ganz natürlich sei, gar nicht entsetzlich,
Und mit der Zeit vielleicht noch höchst ergetzlich.
87.
Stumm, sinnend, müßig, rastlos, langsam schlich
Er aus dem Hause fort zum stillen Haine;
Gequält von unbekannter Wund', entwich
Zur Einsamkeit, wie jede Qual, auch seine;
Die Einsamkeit etc. lieb' auch ich,
Jedoch versteht mich nicht verkehrt, ich meine
Die Einsamkeit des Sultans, nicht die grause
Des Klausners, – mit dem Harem statt der Klause.
88.
"O Lieb'! in einem wilden Thal wie dies,
Wo sich umwinden Wonn' und Sicherheit,
Hier ist dein wahres Reich und Paradies,
Hier zeigst du dich in deiner Göttlichkeit!"
Der Mann hat Recht, der diese Vers' ausstieß,
Bis auf die zweite Zeil', – es thut mir Leid,
Mir scheint die Wonn'- und Sicherheitsumwindung
Doch eine sehr gewundne Wortverbindung.
89.
Der Dichter meint gewiß (und appellirt
Ans allgemeine menschliche Empfinden,)
Gerade das, was jeder, der's probirt,
Fand, findet oder wird in Zukunft finden,
Daß nämlich Störung stört, wenn man dinirt
Und wenn man liebt. – Ich sage von "Umwinden"
Und "Wonne" nichts, – das kenn' ich nach Gebühr,
Doch wünsch' ich, Sicherheit verschließt die Thür.
90.
Juan durchstreifte Wald und Wiesenstrecken
Und dachte viel, was unaussprechlich ist;
Er warf sich hin in laubigen Verstecken,
Da wo des Korkwalds grüne Wildniß sprießt,
Wo Dichter Stoff für ihre Vers' entdecken
Und Unsereins die letztren manchmal liest,
Wenn gut der Plan ist und der Stil zu loben
Und nicht, wie Wordsworth, dunkel und verschroben.
91.
Er pflog – Juan, nicht Wordsworth, – Selbstumgang
Mit seinem eigenen gewalt'gen Herzen,
Bis seine große Seel' in edlem Drang
Theilweise bändigt' ihre Fieberschmerzen.
Es ist ein Wunder, daß es ihm gelang;
Mit solchen Dingen ist sonst nicht zu scherzen;
Er kriegte, ohne selbst sich zu verstehen,
Wie Coleridge, philosophische Ideen.
92.
Er dacht' an sich und an die ganze Erde,
Und an das Wunder Mensch; ans Firmament,
Erdbeben, Kriege, heiße Kraterherde,
Und wo das alles herkömmt, Sacrament!
Und wie der Mondumfang gemessen werde,
Und ob die Luftballons als Instrument
Zu himmlischen Entdeckungsreisen taugen, –
Und schließlich dacht' er dann an Julia's Augen.
93.
In solchem Grübeln sieht ein weiser Richter
Vielleicht den Trieb zu idealen Fernen,
Den Mancher mitbringt, Andre durch den Trichter
Mühsam, man weiß nicht recht wozu, erlernen.
Curios! ein junger Mensch, den Kopf zerbricht er
Sich mit den Theorien von Mond und Sternen!
Glaubt ihr, daß Wissenschaft hiebei sein Ziel war?
Mir scheint, daß auch die Pubertät im Spiel war.
94.
Er schaut' in Laub und Gras mit offnem Munde,
Im Winde hört' er Stimmen wundersam,
Er dacht' am Nymphen tief im Waldesgrunde,
Und wie die Göttin einst zum Schäfer kam:
Verlor dabei den Weg, vergaß die Stunde,
Bis er die Uhr aus seiner Tasche nahm;
Dann fand er, Mutter Zeit war unterdessen
Vorwärts marschirt, mitsammt dem Mittagsessen.
95.
Bisweilen blickt' er auch in sein Brevier,
Sei's Garcilaso, sei's Boscan; und wie
Der Wind in deinem Buche spielt vor dir,
So rauschte seines Herzens Poesie
Hin über dieses mystische Papier,
Als wär's ein Blatt mit Sprüchen der Magie,
Das einst ein Zaubrer wehen ließ im Winde,
Wie ich in alten Ammenmärchen finde.
96.
So bracht' er seine Stunden einsam hin,
Ruhlos, doch wußt' er nicht, was er entbehrte;
Kein goldner Traum noch dichterischer Sinn
Gab ihm, wonach er sehnend sich verzehrte,
Den Busen, wo er ruhen mocht', und drin
Ein klopfend Herz, das Liebe ihm gewährte,
Und ein'ges andre noch, was mir entfiel,
Das heißt, was ich vorerst nicht sagen will.
97.
Die langen Träumerein und stillen Gänge
Entgingen Julia's schönen Augen schwerlich:
Sie sah, daß irgend was Juan bedränge.
Eins aber ist und bleibt mir unerklärlich,
Daß Ines ihren Sohn nicht in die Enge
Mit Fragen trieb. Hielt sie es ungefährlich?
Verschmähte sie zu sehen? war sie blind,
Wie alle sehr gescheuten Leute sind?
98.
Dies klingt curios, doch nichts ist allgemeiner;
Ein Herr zum Beispiel, dessen Frau die Pflicht
Der Gattin und die Vorschrift Moses seiner
Gebote – das wie vielte ist es? – bricht,
(Ich weiß die Zahl nicht gleich, citire Keiner
Zu rasch, damit er keinen Unsinn spricht!)
Ich sag', ein solcher Herr, den Argwohn quält,
Schießt Böcke, die Madame uns dann erzählt.
99.
Ein ächter Ehemann hegt stets Verdacht,
Doch geht er stets der falschen Fährte nach,
Indem er ganz Unschuld'ge überwacht;
Ja, kuppelt blindlings selbst für seine Schmach,
Indem er einen Schalk zum Hausfreund macht.
Im letztren Fall kömmt es gewiß zum Krach,
Und wenn die Frau ihn dann mit Hörnern schmückt,
So nennt er sie verrucht, statt sich verrückt.
100.
Auch manche Eltern sehn nie, was passirt,
Luchsäugig wie sie sind, indeß die Welt,
Die böse Welt sich köstlich amüsirt,
Wie Fanny liebt und Fritz Maitressen hält; –
Bis ein Eclat geschieht, und ruinirt
Der zwanzigjähr'ge Plan ins Wasser fällt;
Und dann – dann weint Mama, und Vater flucht:
Weshalb wird man mit Erben heimgesucht!
101.
Doch Ines sah so richtig und so scharf,
Daß sich von selbst der Argwohn muß erheben,
Daß sie geflissentlich den Plan entwarf,
Diesmal Juan der Lockung preiszugeben, –
Ich glaub' es, wenn ich's auch nicht sagen darf:
Vielleicht, um ihn zu bilden für das Leben,
Vielleicht auch nur für Don Alfons zur Lehre,
Wenn er vielleicht sein Weib zu blind verehre.
102.
Nun, eines Tags, an einem Sommertag. –
Der Sommer ist ein großer Uebelthäter,
Und auch der Frühling ist von gleichem Schlag;
Die meiste Schuld trägt wohl das Thermometer,
Indessen wer die Schuld auch tragen mag,
Ich sag', als Wahrheitsfreund, nicht als Verräter,
Daß mancher Monat lust'ger die Natur macht;
Der März macht Hasen, während Mai die Cour macht.
103.
Ein Sommertag – der sechste Juni war es: –
Ich lieb' es recht genau zu sein im Datum,
Und zwar des Monats auch, nicht bloß des Jahres;
Die Data sind Posthäuser, wo das Fatum
Die Pferde wechselt und dann peitscht, als fahr' es
Am liebsten Königreich und Kaiserstaat um;
Auch läßt es wenig stehn als Zeitregister
Und nach dem Tode fäll'ge Bons der Priester.
104.
Am sechsten Juni war's, um sieben Uhr,
Und von der schönsten grünen Laub' umhegt,
Saß Julia, wie in Paradiesesflur
Huris in Lauben man zu finden pflegt, –
Vergleich den Koran und Anakreon-Moore,
Ihn, der den Lorber und die Leier trägt,
Trophäen sieggekrönter Poesie, –
Glorreich gewann und lange trag' er sie!
105.
Sie saß, doch nicht allein; – ihr wollt erfahren,
Wie die Geschichte denn so weit gedieh?
Wüßt' ich's, so würd' ich's doch nicht offenbaren,
In solchen Fällen taugt das Schwatzen nie.
Gleich viel warum und wie, die Beiden waren
Antlitz an Antlitz dort, Juan und sie, –
Wenn's zwei Gesichter sind wie die, dann wär',
Die Augen zuzumachen, klug, doch schwer.
106.
Wie schön sie aussieht! gar nicht schuldbewußt,
Obwohl ihr schuldig Herz im Auge blitzt.
O Liebe! Zaubrin! die mit arger Lust
Du Schwache stärkst, und Starke niedertrittst!
Mit Selbstbetrug berauschest du die Brust
Des Menschen, sei er noch so sehr gewitzt!
Sie steht am Abgrund, der so bodenlos ist,
Wie ihr Vertrau'n zur eignen Unschuld groß ist.
107.
Sie denkt an seine Jugend, ihre Stärke,
Den Schimpf der Feigheit, die sich Kampf erspare,
An Ehre, Tugend, alle guten Werke,
Und auch an Don Alfonso's funfzig Jahre.
Dies letztre war fatal, denn man bemerke,
Die Ziffer funfzig ist 'ne wunderbare,
Sie klingt in kalten, wie in warmen Ländern
Beim Lieben schlecht, – beim Gelde mag sich's ändern.
108.
Wenn jemand sagt; "Ich hab' es, meine Lieben,
Schon funfzig Mal gesagt!" so will er schelten;
Spricht jemand; "Funfzig Vers' hab' ich geschrieben,"
So liest er sie, was soll die Wette gelten?
Ein Räuberhauptmann stiehlt mit funfzig Dieben;
Mit Funfzigen ist Lieb' um Liebe selten;
Dagegen kauft man freilich, das ist wahr,
Gar mancherlei für funfzig Louis bar.
109.
Julia hat Ehre, Tugend, Liebe, Treue
Für Don Alfons, und innerlich bewegt
Schwört sie bei sich den alten Schwur aufs neue,
Den Trauring nicht zu schänden, den sie trägt,
Und nichts zu wünschen, was sie einst bereue.
Und wie sie dieses und noch mehr erwägt,
Berührt sie seine Hand, – was ist dabei?
Sie glaubte, daß es ihre eigne sei.
110.
Die Hand liegt unbewußt auf seiner Hand,
Die in den Ranken ihres Haares spielt,
Und deutlich sieht man, wie sie mit dem Brand
Der Flamme kämpft, die ihr die Ruhe stiehlt.
Von Ines war's der höchste Unverstand,
Daß sie den Jungen nicht zu Hause hielt,
Sie, die den Sohn seit Jahren so bewacht hat!
Ich weiß, daß meine Mutter das nicht nachthat.
111.
Wie sie die Hand auf seiner ruhen läßt,
Fühlt' er den Druck, der leise sich erhöhte,
Als ob sie sagte: Bitte, halt mich fest!
Sie wollte nichts, was ihr die Pflicht verböte,
Sie hat platonisch ihm die Hand gepreßt,
Und würde schaudern wie vor einer Kröte,
Wenn klar ihr wäre, daß aus solchen Dingen
Für Frau'n gefährliche Gefühl' entspringen.
112.
Ich weiß nicht, was Juan sich dabei dachte,
Doch was er that, das würde jeder thun;
Denn seine junge Lippe dankt' und brachte
Den ersten Kuß, und schamhaft saß er nun
Und ganz bestürzt, als ob er Unfug machte, –
So feig ist Lieb' in ihren Kinderschuhn:
Sie glüht', und zürnte nicht; sie wollte sprechen,
Und hielt den Mund, – die Stimme wollte brechen.
113.
Die Sonne sank, der Mond mit gelbem Licht
Ging auf, – der Teufel steckt im Mondenschein!
Ich weiß, daß man von seiner Keuschheit spricht,
Das scheint mir aber sehr verkehrt zu sein;
Kein Tag, der längste Tag im Juni nicht,
Sieht halb so viel verliebte Schelmerein,
Wie zwei, drei Stunden sanften Mondenlichts,
Und dabei sieht er aus, als wüßt' er nichts.
114.
Gefährlich ist die Stille solcher Stunden;
Das Schweigen giebt der vollen Seele Raum
Sich ganz zu öffnen, während ihr entwunden
Zu Boden sinkt der Selbstbeherschung Zaum;
Schönheit und Wonne strömen sanft verbunden
Im Silberschimmer über Burg und Baum
Und auch ins Herz, bis du versunken bist
In müde Sehnsucht, die kein Ruhen ist.
115.
Und bei Juan saß Julia, halb umfangen
Von seinen glüh'nden Armen, halb entwunden,
Die bebten, wie die Brust, die sie umschlangen.
Sie hatte noch kein Arg dabei gefunden,
Sonst wäre sie wohl einfach fortgegangen;
Die Situation schien ihr zu munden,
Und dann – ja dann – ich kann bei Gott nicht weiter;
Gar nicht beginnen freilich wär' gescheiter.
116.
O Plato! Plato! du hast mehr Chausséen
Gepflastert für unsittliches Benehmen
Mit deinen tollen Lehren und Ideen,
Das unbezähmte Menschenherz zu zähmen,
Als alle Dichter, die die Welt gesehn.
In deiner Stelle würd' ich mich doch schämen,
Windbeutel, Charlatan und Grillenjäger;
Im besten Fall bist du ein Zwischenträger.
117.
Indessen Julia nichts als Seufzer hauchte,
Ward es zu spät für nützliche Gespräche;
Ihr schönes Auge sich in Thränen tauchte, –
Ich wollte, daß der Anlaß ihm gebräche,
Doch wo ist Liebe, die Vernunft gebrauchte?
Es schien, als ob die Reu' ihr Herz durchstäche;
Sie kämpft' ein Bischen noch und flüsternd, ach,
"Ich werde nie nachgeben!" – gab sie nach.
118.
Der König Xerxes bot einst hohen Lohn
Dem, der ein neu Vergnügen ihm ersänne;
Es kostet' ihm gewiß 'ne Million,
Die schwerste Aufgab' ist es, die ich kenne;
Ich selbst verlang', ein schlichter Musensohn,
Bloß etwas Liebe, (die ich "Muße" nenne,)
Und such' ein neu Vergnügen nicht; die alten
Sind ganz genug für mich, wenn sie nur halten.
119.
Vergnügen! du bist wirklich sehr vergnüglich,
Obwohl man drüben dafür brennen muß;
Im Frühjahr schwör' ich immer ganz vorzüglich
Und fromm zu werden noch vor Jahresschluß;
Doch so 'n Vestalenschwur, weiß Gott, ist trüglich,
Obwohl ich immer hoff', ich komm' in Schuß;
Es thut mir leid, ich schäme mich, und denke,
Daß ich im nächsten Winter rechtsum schwenke.
120.
Jetzt muß die keusche Mus' ein wenig frei sein ...
Stutz' nicht, noch keuschre Leserin am Theetisch,
Es wird nicht schlimm, du darfst getrost dabei sein:
Die Freiheit, die ich mein', ist nur poetisch;
Ich biege nämlich jetzt in Nebengleis' ein,
Was regelwidrig ist und unästhetisch,
Und da ich Aristoteles so huld'ge,
So ist es billig, daß ich mich entschuld'ge.
121.