Gesammelte Werke, Band 1 - George Byron - E-Book

Gesammelte Werke, Band 1 E-Book

George Byron

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Beschreibung

Dieser Band enthält die folgenden Dramen des großen englischen Dichters und Schriftstellers: Manfred Werner oder Das Erbe. Der umgestaltete Mißgestaltete Sardanapal

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Gesammelte Werke, Band 1

George Byron

Inhalt:

Manfred

Personen:

Erster Act.

Erste Scene.

Zweite Scene.

Zweiter Act.

Erste Scene.

Zweite Scene.

Dritte Scene.

Vierte Scene.

Dritter Act.

Erste Scene.

Zweite Scene.

Dritte Scene.

Vierte Scene.

Werner oder Das Erbe.

Vorwort.

Personen des Dramas.

Erster Act

Erster Auftritt.

Zweiter Act.

Erster Auftritt.

Zweiter Auftritt.

Dritter Act.

Erster Auftritt.

Zweiter Auftritt.

Dritter Auftritt.

Vierter Austritt.

Vierter Act.

Erster Auftritt.

Fünfter Act.

Erster Auftritt.

Zweiter Auftritt.

Der umgestaltete Mißgestaltete

Personen des Dramas.

Erster Act.

Erster Auftritt.

Zweiter Auftritt.

Zweiter Act.

Erster Auftritt.

Zweiter Auftritt.

Dritter Auftritt.

Dritter Act.

Erster Auftritt.

Sardanapal

Vorwort.

Personen des Dramas.

Erster Act.

Erster Auftritt.

Zweiter Auftritt.

Zweiter Act.

Erster Auftritt.

Dritter Act

Erster Auftritt.

Vierter Act.

Erster Auftritt.

Fünfter Act.

Erster Auftritt.

Gesammelte Werke, Band 1, Lord George Byron

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

ISBN: 9783849605551

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

George Noel Gordon Lord Byron - Biografie und Bibliografie

Der größte engl. Dichter des 19. Jahrh., Enkel des vorigen, geb. 22. Jan. 1788 in London, gest. 19. April 1824 in Missolunghi, war durch seine Mutter, Miß Gordon, mit dem schottischen Königshaus verwandt. Sein Vater, Kapitän in der königlichen Garde, der »tolle Jack« genannt, verschwendete in kurzem fast das ganze Vermögen seiner Frau, verließ sie und starb 1791 in Valenciennes. Byrons Mutter, eine Frau von leidenschaftlicher Heftigkeit, zog sich 1790 nach Aberdeen zurück, um der Erziehung ihres Sohnes zu leben. Hier besuchte B. die Grammar-School, wurde auch einmal, acht Jahre alt, zur Stärkung seiner Gesundheit in die Hoch lande geschickt. Während der ungebundene Aufenthalt in der Herrlichkeit der schottischen Berge ihn an Leib und Seele kräftigte, übte der schnelle Wechsel von ängstlicher Obhut und voller Ungebundenheit einen nachteiligen Einfluss auf seinen Charakter aus, insofern Eigensinn und Übermut in ihm geweckt wurden. Zugleich aber erwachte auch jener Sinn für wilde Naturschönheit, der aus seinen Dichtungen widerklingt. Im Alter von zehn Jahren erbte B. durch den Tod seines Onkels William (1798) die Lordschaft, wurde unter die Vormundschaft seines Großoheims, des Grafen von Carlisle, gebracht und bezog nach einem kürzeren Aufenthalt in London, wo man vergeblich die Heilung seines Klumpfußes versucht hatte, die Schule zu Harrow. Hier schrieb er seine ersten elegischen Verse. Dann bezog er die Universität Cambridge (Trinity College), wo er bereits den Atheisten herauskehrte. In Anlehnung an Gray, Burns, Ossian und die alten Balladen schrieb er die Jugendgedichte: »Hours of idleness« (Newark 1807), die wegen einiger aristokratischer Sonderlichkeiten den Zorn der »Edinburgh Review« herausforderten. Scheinbar unbekümmert lebte er dann auf seinem Stammsitz, der Abtei Newstead, und in der Hauptstadt; eine der Damen, mit denen er sich damals umtrieb, führte er in Pagenverkleidung bei sich; in nächtlichen Mönchsfesten lebte er Walter Scotts Epen nach. Plötzlich gab er eine geharnischte, sein rhetorisches Talent zuerst glänzend bekundende Satire (»English bards and Scotch reviewers«, 1809, in vier Auflagen gedruckt) gegen die unter Jeffreys Leitung stehende »Edinburgh Review« heraus, geißelte alle Romantiker und stellte sich auf den Standpunkt der scheinbar überwundenen Klassizisten. Zur selben Zeit mündig geworden, übernahm er die Verwaltung seiner Stammgüter, nahm seinen Sitz im Oberhaus ein und verließ dann im Juni 1809 London, um mit seinem Freund Hobhouse (vgl. Hobhouse, Journey through Albania, Lond. 1814, zuletzt 1855) ins Ausland zu gehen. Die Reise führte ihn durch Portugal und Spanien nach Malta und Albanien, von wo aus er einen großen Teil von Griechenland und die Küste von Kleinasien bereiste. Er besuchte Konstantinopel, durchschwamm in 1 Stunde 10 Minuten den Hellespont und kehrte nach einem längeren Aufenthalt in Athen im Juli 1811 ins Vaterland zurück. Hier erschienen im folgenden Jahre die beiden ersten Gesänge seines »Childe Harold«, die seine Reise bis Griechenland schildern und Werthersche Sentimentalität mit dem romantischen Glanze von Walter Scotts Epen vereinen. Sie machten ihn zum Abgotte der fashionablen Welt Englands. Diesen Ruhm steigerte eine Reihe von Romanzen, die z. T. noch Früchte der Reise waren: »The Giaur«, »The bride of Abydos« (1813), »The Corsair«, »Lara« (1814), »The siege of Corinth« (1815), »Parisina« (1816). Seine Enttäuschung an Napoleon drückte sich nach dessen Abdankung in der berühmten »Ode to Napoleon Buonaparte« aus und seine Bewunderung für Th. Moores »Irish melodies« in den »Hebrew melodies« (1815). Seine Ehe mit Anna Isabella Milbanke, der einzigen Tochter des Sir Ralph Milbanke (2. Jan. 1815), war bei der großen Verschiedenheit ihrer Naturen nicht glücklich und wurde auch durch die Geburt einer Tochter, Ada, nicht befestigt, so dass es bald zu förmlicher Scheidung kam. B. mit seiner »umgekehrten Heuchelei« gab sich gern noch schlechter und abnormer, als er war, während seine Frau für Theologie und Mathematik veranlagt war. Die öffentliche Meinung nahm stürmisch gegen ihn Partei (über die sogen. Enthüllungen, die Mrs. Beecher-Stowe 1869 über diese Trennung angeblich aus dem Munde der Lady B. veröffentlichte, s. unten). B. verließ daher (25. April 1816) zum zweiten mal England mit der Absicht, es nie wiederzusehen. Er zog durch Belgien und den Rhein entlang in die Schweiz und ließ sich im Juni 1816 an den Ufern des Genfer Sees in der Villa Diodati nieder, wo der Verkehr mit dem Dichter Shelley und dessen Gattin begann. Mit ihm segelte er oft auf dem See; der Einfluss zeigt sich im dritten Gesang von »Childe Harold« (1816). Mit Hobhouse unternahm er einen Ausflug ins Berner Oberland, dessen Reflex im »Manfred« zu erkennen ist, seinem ersten dramenartigen Werke (1817). Trübe Erlebnisse, der »Prometheus« des Aischylos, Goethes »Faust« und der Anblick des Hochgebirges machten ihn jetzt reif und tief. Das zeigt sich auch in dem am Genfer See entstandenen »Prisoner of Chillon« (1816). Im Herbst d. I. zog er nach Italien und ließ sich nach einem Abstecher nach Rom in Venedig nieder, bis gegen Ende 1819. Von seinen hier entstandenen Schöpfungen sind die wichtigsten: der vierte Gesang des »Childe Harold«, der mit dem dritten das vollendete Werk zu dem gedankenreichsten des Dichters macht; »The lament of Tasso«; die köstliche Burleske »Beppo« im Stil des Pulci (1817); die »Odeon Venice« und »Mazeppa« (1818); auch der Entwurf und die ersten Gesänge des »Don Juan«, seines genialsten Werkes, fallen in jene Zeit. Hier ergriff ihn die Liebe zur schönen Teresa Guiccioli, geborene Gräfin Gamba, der er nach Ravenna folgte und Jahre des Glückes verdankte. Von 1819 ab zogen ihn aber die Gräfin Gamba in die revolutionäre Bewegung der Carbonari, die damals durch ganz Italien die Patrioten zusammenführte. Auch brachte der 60jährige Graf Guiccioli, der anfangs nichts dagegen hatte, dass seine 16jährige Frau sich der Freiheit ihres Landes bediente, die Sache vor den Papst, der die Trennung der Gräfin von ihrem Gemahl gestattete unter der Bedingung, dass sie unter ihres Vaters Dach leben soll le. Da ihr der Graf die Wahl stellte zwischen Rückkehr zu ihm und dem Kloster, und da zugleich das unglückliche Ende der Revolution über die Gamba die Proskription verhängte, begab sich B. im Herbst 1821 nach Pisa, wo die beiden Gamba und die Gräfin bereits ihre Wohnung aufgeschlagen hatten. Noch in Ravenna waren entstanden die »Prophecy of Dante«, die Dramen: »Marino Falieri«, »The two Foscari«, »Sardanapalus« und »Cain« und einige weitere Gesänge des »Den Juan«. In Pisa beschränkte sich Byrons täglicher Umgang auf die Familie Gamba, den Dichter Shelley und Leigh Hunt, mit dem er das Journal »The Liberal« herausgab. Aber auch hier sollte er sich häuslicher Ruhe nicht lange erfreuen. Reibungen mit der österreichischen Polizei hatten zur Folge, dass er noch im Sommer 1322 die Stadt verließ und mit den Gamba nach Genua übersiedelte. Zuvor vollzog er noch eine Freundespflicht, in dem er den Leichnam des im Juli d. I. auf einer Spazierfahrt zwischen Livorno und Lerici ertrunkenen Shelley auf einem Holzstoß verbrennen ließ. Sein Aufenthalt in Genua (vom Herbst 1822 bis zum Sommer 1823) zeitigte das Mysterium »Heaven and earth«, das Goethe gewidmete Räuberdrama »Werner«, die misslungene Faustnachahmung »The deformed transformed« und die Fortsetzung des »Don Juan« bis zum 16. Gesang, endlich das exotische Idyll »The island«. Müde seines unsteten, ziellosen Lebens, beschloss B., seine Kräfte dem Freiheitskampf der Hellenen zu widmen, deren Komitee ihn einstimmig zum Mitglied gewählt hatte, und bestieg Ende Juli 1823 zu Livorno das englische Schiff Herkules, das ihn und mehrere Freunde (darunter den jungen Grafen Gamba) nach Kephallinia führte. Außer vielen Waffen brachte B. einen bedeutenden Vorrat an Geld und Medikamenten mit. Seine Ankunft ward mit Jubel begrüßt, doch ließ er sich in keinerlei Verpflichtungen gegen irgend eine Partei ein, sondern knüpfte unmittelbar mit der Regierung Verhandlungen an. Um vor allem das schwer bedrohte Missolunghi zu retten, rüstete er zwei ionische Schiffe aus und stellte sich 5. Jan. 1824 selbst dort ein, wo er als Retter aus tiefster Not begrüßt wurde. Für den Abschluss der englischen Anleihe und die Konstituierung der Gesellschaft der englischen Philhellenen war er rastlos tätig; die Härte der türkischen wieder griechischen Kriegführung suchte er durch Beispiele von Mäßigung und Großmut zu mildern und, wenn auch mit geringem Erfolg, die Zwistigkeiten der Griechen zu beseitigen. Die eifrigste Sorge aber widmete er kriegerischen Unternehmungen. Er hatte vom 1. Jan. 1824 an eine Schar von 500 Soldaten in Sold genommen, anderen Spitze er das Schloss von Lepanto, die einzige Festung des westlichen Griechenland, die noch in der Gewalt der Türken war, zu erobern gedachte; 2500 Griechen und eine Batterie der englischen Philhellenen sollten ihn unterstützen. Inzwischen vergeudeten die griechischen Streiter die Zeit mit unnützen Streitigkeiten, und sogar in Missolunghi und unter Byrons Brigade brachen Uneinigkeit und Meuterei aus, die des Dichters reizbares Gemüt mehr angriffen, als sein Körper ertragen konnte. Er bekam zu wiederholten Malen Fieberanfälle und wurde durch die ärztlichen Mittel noch mehr geschwächt. Kaum hergestellt, zog er sich auf einem Spazierritt eine Erkältung zu, die nach zehn Tagen seinem Leben ein Ende machte. Die Kunde von seinem Tode drang wie ein Donnerschlag durch die Welt; ganz Griechenland trauerte um ihn 21 Tage. Sein Herz wurde in einer silbernen Kapsel in einem ihm geweihten Mausoleum zu Missolunghi aufbewahrt, ging aber bei dem letzten Versuch der Besatzung, sich durchzuschlagen (22. April 1826), verloren. Seine Leiche führte Graf Pietro Gamba nach England, wo sie, da ihr die Geistlichkeit ein Begräbnis in der Westminsterabtei verweigerte, in der Dorfkirche von Hucknall bei Newstead Abbey beigesetzt wurde. Seine von Thorwaldsen 1817 in Rom gefertigte (sitzende) Statue befindet sich zu Cambridge (in der Bibliothek des Trinity College); andere Standbilder wurden ihm in Missolunghi und 1881 in London errichtet.

Byrons außerordentliche Begabung fand weder in England noch überhaupt in seinem Zeitalter entsprechende Aufgaben und stellte sich daher falsche, anderen Lösung er die größte Leidenschaft und das zarteste Gefühl, die sinnigste Detailarbeit und riesenhafte Gewalt setzte. Treitschke hat daher (»Gesammelte Aufsätze«) mit Recht das Negative seiner Wirksamkeit betont. Er sehnte sich nach der Schönheit, fand sie aber daheim verkannt, in den klassischen Ländern geknechtet und durch die Heilige Allianz am gefährlichsten bedroht, so dass er mit Pathos und Spott gegen alle Machthaber zu Felde zog. Getäuschter Idealismus trieb ihn zum Weltschmerz, über den er sich im »Don Juan« nur zu einem humoristischen Appell an die Natur erhob. Seine Werke, Verse sowohl als Briefe, wurden herausgegeben von Th. Moore (Lond. 1832–33, 17 Bde., u. ö.); sehr vermehrte Neuausgabe von Coleridge und Prothero (London bei Murray, 1898ff.). Die Gedichte allein, mit biographischem Kommentar, sind in einer bequemen einbändigen Ausgabe von Murray vereint. Eine kritische Ausgabe begann Kölbing (»Siege of Corinth«, »Prisoner of Chillon«, Weim. 1893–96). Zahlreich sind die Schulausgaben einzelner Dichtungen. Aus den deutschen Übersetzungen seien hervorgehoben: die von Böttger (8. Aufl., Leipz. 1901), Gildemeister (4. Aufl., Berl. 1888, 6 Bde.), A. Schröter (Stuttg. 1901, 2 Bde.).

Vgl. Dallas, Recollections of the life of Lord B. (Lond. 1824); C. Gordon, Life and genius of Lord B., 1808–1814 (das. 1824); E. Brydges, Letters on the character of Lord B. (das. 1824); Th.Medwin, Conversations of Lord B. (das. 1824. neue, vermehrte Aufl. 1898; deutsch von A. v. d. Linden, 3.Aufl., Leipz. 1900); Marquis de Salvo, Lord B. en Italie et en Grèce, etc.(Lond. 1825); Gamba, Narrative of Lord Byron's last journey to Greece (das. 1825); Parry, The last days of Lord B. (das. 1828); Leigh Hunt, Lord B. and some of his contemporaries (das. 1828); Millingen, Memoir on the affairs of Greece (das. 1831); über Th.Moore s. oben; Kennedy, Conversations on religion with Lord B. (das. 1830); Lady Blessington, Conversations with Lord B. (das. 1834, neue Ausg. 1891; dazu Blümel, Byrons Unterhaltungen mit der Lady Blessington, kritisch untersucht, Leipz. 1900); Trelawney, Recollections of the last days of B. (Lond. 1858; dann erweitert als »Records of Shelley, B., etc.«, 1878, neue Ausg. 1887); Gräfin Guiecioli, My recollections of Lord B. (engl. von Jerningham, das. 1868, 2 Bde.; mehr begeistert als zuverlässig); Smiles, Memoir of J. Murray (das. 1891, 2 Bde.). Biographien des Dichters gaben Lake (Lond. 1827), John Galt (2. Aufl. 1830). Armstrong (1846), Nichol (1879), Jeaffreson (»Real Lord B.«, 1883); von Deutschen: Eberty (2. Aufl., Leipz. 1879, 2 Bde.), Elze (3. Aufl., Berl. 1886; in engl. Übersetzung, Lond. 1872), Engel (3. Ausg., Berl. 1884), R. Ackermann (Heidelb. 1901), Koeppel (Berl. 1902). Die Memoiren Byrons wurden vom Erben derselben, Thomas Moore, aus Familienrücksichten vernichtet. Gute Charakteristiken sind vorhanden von Goethe (vgl. »Goethe-Jahrbuch«, Bd. 20, S. 3ff., 1899), Tuckermann (»Charakterbilder englischer Dichter«, Marburg 1857), Macaulay (»Essays«, Bd. 1), Matthew Arnold (»Selections from B.«) und v. Treitschke (»Historische und politische Aufsätze«).Vgl. auch J. C. Ron, Some disputed points in Byron 's biography (Leipz.1893); Sinzheimer, Goethe und B. (Heidelb. 1894); Kraeger, Der Byronsche Heldentypus (Berl. 1898).

Manfred

Es giebt mehr Ding' im Himmel und auf Erden,

Als eure Schulweisheit sich träumt, Horatio.

Personen:

Manfred.

Der Gemsjäger.

Der Abt zu St. Moritz.

Manuel.

Hermann.

Die Alpenfrau.

Ariman.

Nemesis.

Die Schicksale.

Geister.

Die Scene ist in den Oberalpen, theils in Manfreds Schlosse, theils im Gebirge.

Erster Act.

Erste Scene.

Eine gothische Gallerie. Mitternacht. Manfred allein.

MANFRED.

Die Lamp' ist aufzufüllen, doch selbst dann

Brennt sie so lang nicht, wie ich wachen muß:

Mein Schlummer – wenn ich schlummre – ist kein Schlaf,

Fortsetzung nur rastlosen Denkens, dem

Ich dann nicht widerstehen kann; mein Herz

Bleibt wachsam, und mein Auge schließt sich nur,

Inwärts zu schaun; und dennoch leb' und trag' ich

Noch Antlitz und Gestalt lebend'ger Menschen.

Doch Gram soll ja des Weisen Lehrer sein:

Leiden ist Wissen: wer am meisten weiß,

Beklagt am tiefsten die unsel'ge Wahrheit:

Der Baum des Wissens ist kein Baum des Lebens.

Philosophie und Forschung und die Quellen

Der Wunder und die Weisheit dieser Welt

Hab' ich versucht und fühl' in meinem Geist

Die Macht ihm diese unterthan zu machen, –

Sie helfen nichts. Ich that den Menschen Gutes,

Und Gutes widerfuhr mir selbst von Menschen, –

Es half mir nichts. Ich hatte meine Feinde,

Doch keiner siegte, mancher fiel vor mir, –

Es half nichts. Gutes oder Schlimmes, Leben,

Kraft, Triebe, alles, was ich seh' in Andern,

Es war für mich wie Regen für den Sand –

Seit jener ewig namenlosen Stunde!

Ich habe keine Furcht und fühl' als Fluch,

Daß ich das Grauen der Natur nicht kenne,

Noch wilden Puls der Wünsch' und Hoffnungen,

Noch glimmende Liebe für ein irdisch Gut. –

Jetzt an mein Werk! – Geheimnißvolle Mächte!

Geister des unbegrenzten Weltenalls,

Die ich gesucht in Finsterniß und Licht, –

Ihr, die ihr lebt in feinrem Element,

Die Erd' umfangend, – ihr, für die der Kamm

Unnahbarer Gebirge Wohnung ist

Und Schlünd' in Erd' und Meer vertraute Stätten, –

Euch ruf' ich an bei dem geschriebnen Zauber,

Der mir Gewalt giebt über euch: Erscheint!

Pause.

Sie kommen nicht. – Wohl, bei der Stimme deß,

Der euer Größter ist, bei diesem Zeichen,

Vor dem ihr zittert, bei dem Anrecht deß,

Der ohne Tod ist, – auf, erscheint! erscheint!

Pause.

Ha, steht es so? – Geister der Erd' und Luft!

Nicht so entschlüpft ihr mir. Bei einer Macht,

Tiefer als alle, die ich noch beschwor,

Bei einem unentrinnbar'n Talisman,

Deß Heimat ein vermaledeiter Stern ist,

Das Flammenwrack vom Schiffbruch einer Welt,

Ein irrend Höllenreich im ew'gen Raum, –

Bei jenem starken Fluch, der auf mir liegt,

Bei dem Gedanken in mir, um mich her,

Zwing' ich euch meinem Willen. – Auf, erscheint!

Ein Stern erscheint an dem dunkleren Ende der Gallerie; er bleibt unbewegt, und eine singende Stimme ertönt.

ERSTER GEIST.

Sterblicher! auf deinen Ruf

Kam ich aus dem Wolkensaale,

Den der Abendhauch erschuf,

Goldenrot vom Sonnenstrahle,

Aus Azur und aus Karmin

Mir gewölbt zum Baldachin.

Nicht vor deinem Drohn erbebt' ich,

Doch dem Bann gehorsam schwebt' ich

Auf dem Sternenstrahl hieher;

Sterblicher! – sag' dein Begehr!

STIMME DES ZWEITEN GEISTES.

Montblanc ist der König der Berge;

Er trug um die Stirne von je,

Auf dem Thron von Granit und im Wolkentalar,

Diademe von leuchtendem Schnee.

Um die Hüften geschnallt trägt er den Wald;

Er hält die Lawin' in der Hand, –

Doch mitten im Fall, den donnernden Ball,

Hält ihn mein Wille gebannt.

Der kalte Gletscher rastlos reist

Vorwärts von Tag zu Tag;

Ich bin es, der ihn wandern heißt

Und der ihn hemmen mag.

Ich bin der Geist, der ihn umschwebt;

Die Alpe beugt sich mir;

Der Schooß des Bergs vor mir erbebt, –

Und was soll ich bei dir?

STIMME DES DRITTEN GEISTES.

In der blauen Wassertiefe,

Wo die Woge nie sich hebt,

Wo die Winde ewig fremd sind,

Wo die Meeresschlange lebt,

Wo die Seejungfrau ihr Schilfhaar

Schmückt mit bunter Muschelpracht,

Scholl das Echo deiner Zauber,

Wie hier oben Donner kracht.

Durch mein still Korallenschloß hin

Klang der Hall des Talismans;

Wohl, – enthülle deine Wünsche

Vor dem Geist des Oceans!

VIERTER GEIST.

Wo das Erdbeben schlummert

Auf feurigem Pfühl,

Wo die Pechseen brodeln

Qualmig und schwül;

Wo die Wurzel der Anden

Tief abwärts sich streckt,

Wie droben ihr Gipfel

Gen Himmel sich reckt; –

Da verließ ich die Heimat,

Als du mich bedroht;

Dein Zauber bezwang mich;

Dein Wunsch ist Gebot.

FÜNFTER GEIST.

Mein Roß ist der Wind, und mit flüchtiger Faust

Jag' ich die Wolken im Kreis;

Der Orkan, an dem ich vorübergesaust,

Ist noch von Blitzen heiß.

Zu dir, hieher, über Land und Meer

Bin ich im Sturm gejagt;

Stolz segelte noch das Geschwader, und doch

Versinkt es, bevor es noch tagt.

SECHSTER GEIST.

Da wo ich haus', ist Nacht und Dunkel dicht,

Weswegen quält dein Zauber mich mit Licht?

SIEBENTER GEIST.

Den Stern, der dein Verhängniß bannt,

Regiert' ich, eh' die Erd' entstand;

Und eine Welt war's, frisch und hold,

Wie sie um Sonnen je gerollt;

Frei war sein Lauf und sicher, kaum

Ein schönrer Stern im ganzen Raum.

Die Stunde kam, – und sieh, er ward

Ein Flammenknäul formloser Art,

Ein irrender Komet, ein Ball

Des Fluchs und Schreckens für das All,

Hinrollend durch ureignen Stoß,

Ohn' eine Bahn und sphärenlos,

Ein glänzend Scheusal jener Welt,

Ein Ungethüm am Himmelszelt.

Und du, regiert von diesem Stern,

Wurm! dem ich dienen muß als Herrn,

Gezwungen durch erborgte Macht,

Die dich dereinst mein eigen macht,

Für kurze Frist herabzusteigen,

Wo schwächre Geister dir sich neigen,

Rede zu stehen, Schwächling, dir, –

Was willst du, Kind des Staubs, von mir?

DIE SIEBEN GEISTER.

Luft, Erd' und Meer, Nacht, Wind, Gebirg, dein Stern

Beugen vor dir, o Kind des Staubes, sich.

Dich nennen ihre Geister ihren Herrn:

Was willst du, Sohn von Erdgebornen? – sprich!

MANFRED.

Vergessenheit! 

ERSTER GEIST.

Wofür? – worin? – warum?

MANFRED.

Dessen, was in mir ist! – da drinnen lest es!

Ihr kennt's, und ich vermag es nicht zu sagen.

GEIST.

Wir können dir nur unser Eignes geben.

Heisch' Unterthanen, Throne, Macht auf Erden,

Im Ganzen oder Theile, heisch' ein Pfand,

Das jene Elemente zwingt, davon

Wir die Gebieter sind, und all und jedes,

Es werde dein. 

MANFRED.

Vergessen! Selbstvergessen!

Könnt ihr abtrotzen nicht den dunklen Reichen,

Die ihr verschwenderisch preisgebt, was ich heische?

GEIST.

Nicht liegt's in unsrem Wesen, unsrer Macht;

Doch – du kannst sterben. 

MANFRED.

Wird der Tod mir's geben?

GEIST.

Wir sind unsterblich und vergessen nicht,

Sind ewig, und Vergangenheit wie Zukunft

Ist Gegenwart für uns. Genügt die Antwort?

MANFRED.

Ihr höhnt mich. – Doch die Macht, die euch beschwor,

Giebt euch mir eigen. Sklaven, trotzet nicht!

Der Geist, die Seele, der Prometheusfunke,

Der Blitzstrahl meines Wesens ist so hell,

Durchdringend, fernhintreffend, wie der eure,

Und weicht euch nicht, obschon geklemmt in Staub.

Antwortet oder fühlet, was ich bin!

GEIST.

Die Antwort ist, was unsre Antwort war:

Sie liegt in deinem eignen Wort. 

MANFRED.

Wie das?

GEIST.

Wenn, wie du sagst, dein Wesen ist wie unsres,

So hast du dies zur Antwort: was der Mensch

Tod nennt, hat nichts mit unsrem Sein zu schaffen.

MANFRED.

So rief ich euch umsonst aus euren Reichen?

Ihr könnt nicht helfen, oder wollt nicht. 

GEIST.

Rede!

Wir bieten, was wir haben; es ist dein.

Bedenk' dich, ehe du uns fortschickst, – fordre –

Herrschaft und Macht und Stärk' und lange Tage.

MANFRED.

Fluch über euch! – was helfen lange Tage?

Sie währen schon zu lang. – Hinweg! verschwindet!

GEIST.

Noch halt! – wir möchten dir zu Willen sein.

Bedenk'! Ist keine Gab' in unsrer Macht,

Die nicht ganz wertlos ist vor deinen Augen?

MANFRED.

Nein, nichts! – Doch halt! – Für einen Augenblick

Säh' ich von Angesicht euch gern. Ich höre

Wohl eure Stimme, schwermutsüße Klänge,

Wie Wohllaut auf den Wassern, und ich sehe

Still vor mir einen lichten, großen Stern,

Sonst aber nichts. Erscheint mir, wie ihr seid,

All' oder Einer, in gewohnter Form.

GEIST.

Das Element ist unsre einz'ge Form,

Von welchem wir die Seel' und Wesen sind.

Doch wähle selbst, wie wir erscheinen sollen.

MANFRED.

Ich habe keine Wahl. Für mich ist nichts

Auf Erden häßlich oder schön. Laßt ihn,

Der euer Erster ist, ein Antlitz wählen,

Wie ihm am besten dünkt. – Er komme! 

Der siebente Geist erscheint in der Gestalt eines schönen Weibes.

GEIST.

Siehe!

MANFRED.

O Gott! – und wenn es so ist, – wenn du nicht

Ein Wahnsinn und ein spöttisch Blendwerk bist,

Ich könnte glücklich sein, – laß dich umfassen, –

Wir wollen neu... 

Der Geist verschwindet.

Nun ist mein Herz zermalmt!

Manfred fällt bewußtlos nieder.

Eine Stimme singt folgenden Beschwörungsgesang.

Wann der Mond im Strome schwimmt,

Wann um's Grab das Meteor

Und im Gras der Glühwurm glimmt,

Und das Irrlicht auf dem Moor;

Wann die Schnuppensterne fallen,

Wann der Eule Klagen hallen,

Wann das Laub auf stillem Baum

Schläft am dunklen Hügelsaum,

Dann soll meine Seele sich

Leise senken über dich.

Ob du tief im Schlafe seist,

Nimmer schlafen soll dein Geist;

Schatten giebt's, die nie erbleichen,

Und Gedanken, die nicht weichen.

Macht, die dir ein Rätsel ist,

Will, daß du nie einsam bist.

Wie gehüllt in Grabgewand,

Wie von einer Wolk' umspannt,

Weilest ewig du fortan

Unter dieses Zaubers Bann.

Ob es mich auch nimmer sähe,

Fühlt dein Auge meine Nähe,

Etwas, was dir unsichtbar

Ewig nahe bleibt und war.

Und wenn in geheimem Grauen

Dann du wagst dich umzuschauen,

Findest du erbebend nur

Deinen Schatten auf der Flur,

Und du fühlst in deiner Brust

Qual, die du verbergen mußt.

Zaubersang und Zauberbuch

Tauften dich mit einem Fluch,

Und es wand ein Geist der Lüfte

Eine Schling' um deine Hüfte;

Eine Stimm' ist in den Winden,

Die dich hindert Trost zu finden,

Und vergebens hoffest du

Von der Nacht die stille Ruh',

Und am Tage wirst du flehn

Um der Sonne Untergehn.

Ich ließ aus deinen falschen Zähren

Saft, welcher Menschen tödtet, gähren;

Aus deinem Herzen preßt' ich Blut,

Das schwarz im schwarzen Quell geruht;

Aus deinem Lächeln fing ich Schlangen,

Die dort sich wie im Pfuhl verschlangen;

Von deinen Lippen zapft' ich Gift,

Das all die andren übertrifft;

Von allen, die ich je gekannt,

War dies das stärkste, das ich fand.

Bei deines Schlangenlächelns Trug,

Bei deinem abgrundtiefen Lug,

Bei deines Auges frommem Meucheln,

Bei deiner starren Seele Heucheln,

Bei der Vollendung deiner Kunst,

Die dir selbst gab der Menschen Gunst,

Bei deiner Lust an Andrer Pein,

Bei deiner Brüderschaft mit Kain,

Zwing' ich dich nun, ruf' ich dir zu:

Sei deine eigne Hölle du!

Und auf dein Haupt gieß' ich die Schalen,

Die dich verdammt zu diesen Qualen:

Nicht zu schlafen, nicht zu sterben,

Dies Verhängniß sollst du erben:

Sehnend nach dem Tode schaun,

Immer vor dem Tode graun.

Sieh, des Zaubers Kraft beginnt schon,

Und die leise Kett' umspinnt schon,

Schon ergangen ist das Wort

An Gehirn und Herz: "Verdorrt!"

Zweite Scene.

Gegend der Jungfrau. Morgen. Manfred allein auf den Felsen.

MANFRED.

Die Geister, die ich rief, verlassen mich, –

Die Zauber, die ich lernte, täuschen mich, –

Das Mittel, das ich hoch hielt, quälte mich.

Ich bau' nicht mehr auf überird'sche Hülfe:

Kann sie Vergangnes ändern? – Und die Zukunft?...

Solang nicht das Vergangne Nacht bedeckt,

Sucht sie mein Forschen nicht. – O Mutter Erde!

Und du, frischglüh'nder Tag, und ihr, o Berge,

Weshalb so schön? – Ich kann euch doch nicht lieben!

Und du, o helles Auge dieses Alls,

Das über Alle sich aufthut und Allen

Ein Labsal ist, – du scheinst nicht in mein Herz!

Und du Gefels, auf dessen letztem Rand

Ich steh' und schau' am Saum des Gießbachs unten

Die hohen Tannen eingeschrumpft zu Sträuchern

In schwindelhafter Ferne, – wenn ein Sprung,

Ein Schritt, ein Ruck, ein Hauch schon meine Brust

Hintragen würd' an seinen fels'gen Busen

Zu ew'ger Ruhe – warum zaudr' ich noch?

Den Trieb empfind' ich, – dennoch stürz' ich nicht;

Ich sehe die Gefahr, – doch weich' ich nicht,

Und mein Gehirn schwirrt, – doch mein Fuß bleibt fest.

Auf mir liegt eine Macht, die mich zurückhält

Und mir's zum Schicksalszwange macht zu leben, –

Wenn Leben heißen kann, die Geistesöde

In mir zu tragen und das Grab zu sein

Der eignen Seele! – denn ich gab es auf

Mein Handeln zu entschuld'gen vor mir selbst, –

Es ist des Bösen letzte Schwachheit. – Ja,

Du wolkenspaltender, beschwingter Bote,

Ein Adler fliegt vorüber.

Deß froher Flug am höchsten steigt gen Himmel,

Wohl magst du mir so nahe niederstoßen:

Ich sollte deine Beute sein, ein Mahl

Für deine junge Brut; – du bist entflohn,

Wohin das Auge dir nicht folgt, – doch deins

Durchdringt die Tiefe noch, die Weit' und Höhe

Mit alldurchbohrndem Blicke. – Schön! wie schön

Ist diese ganze sichtbarliche Welt!

Wie hehr in ihrem Thun und in sich selbst!

Wir aber, die wir ihre Herrn uns wähnen,

Halb Staub halb Gottheit, wir, zu Fall und Flug

Gleich machtlos, sind mit unsrem Mischlingswesen

Ein Widerstreit der Element' und atmen

Den Atem der Erniedrung und des Stolzes;

Erhabner Wille kämpft mit niedrigem

Bedürfniß, bis das Fleisch am Ende siegt,

Bis Menschen sind, was sie sich selbst nicht sagen

Und Andern nicht vertrauen. – – Horch, das Lied!

In der Ferne ertönt die Hirtenflöte.

Natürliche Musik des Alpenrohrs!

Denn hier ist Patriarchenleben nicht

Ein Schäfertraum, – in freier Luft die Flöte,

Vermischt mit süßem Glockenklang der Herden, –

Die Seele tränk' ihr Echo gern! O wär' ich

Die flücht'ge Seele eines holden Tons,

Atmende Harmonie, lebend'ger Wohllaut,

Stofflose Wollust! – daß ich lebt' und stürbe

Im sel'gen Ton, der mich geboren hätte!

Der Gemsjäger kömmt herauf.

GEMSJÄGER.

Hier sprang die Gems. Ihr flücht'ger Fuß entkam mir.

Mein heutiger Gewinn bezahlt mir mein

Halsbrechend Tagwerk schwerlich. – Wer ist da?

Er scheint nicht meines Handwerks, und er hat

Doch eine Höh' erreicht, die von den Jägern

Die besten nur erklimmen. Seine Tracht

Ist fein, sein Antlitz männlich, seine Haltung

So stolz wie eines freigebornen Bauern.

Ich will ihm näher steigen. 

MANFRED ohne den Andern zu bemerken.

So zu sein,

Ergraut von Qual, wie diese todten Fichten,

Schlachtopfer eines Winters, astlos, saftlos,

Verdorrter Stamm auf fluchgetroffner Wurzel,

Die nur Bewußtsein der Verwesung nährt, –

Und so zu sein, in Ewigkeit nur so,

Nachdem es anders war! Durchfurcht von Runzeln,

Die die Secunden pflügten, nicht die Jahre,

Und Stunden, zu Jahrhunderten zermartert,

Und doch nicht todt! – Du wüstes Eisgezack,

Ihr Schneelawinen, die ein Hauch herabstürzt

In bergesmächt'gen Wettern, – kommt! zermalmt mich!

Ich hör' euch unaufhörlich oben, unten,

In häuf'gen Donnern, doch ihr fahrt vorbei

Und fallt auf Opfer, die noch leben möchten,

Auf junge blüh'nde Wälder, auf die Hütten

Und auf das Dorf harmlosen Hirtenvolks.

GEMSJÄGER.

Die Nebel fangen an thalauf zu ziehn;

Ich will ihn warnen dort herabzukommen,

Sonst kann er Weg und Leben noch verlieren.

MANFRED.

Aufbraut der Nebel um den Gletschern, – Wolken

Ziehn kraus und schnell zur Höhe, weiß und schweflig,

Wie Schaum vom aufgepeitschten Meer der Hölle,

Deß Flut an ein lebendig Ufer brandet, –

Statt Kies verdammte Köpf', – ich werde schwindlig.

GEMSJÄGER.

Ich muß behutsam gehn; – ein plötzlich Nah'n

Würd' ihn erschrecken, und es scheint beinah,

Als wank' er jetzt schon. 

MANFRED.

Berge sind gefallen,

Daß Wolken barsten und vor ihrem Stoß

Die Bruder-Alpen bebten: sie erfüllten

Das reife grüne Thal mit Schutt des Todes,

Dämmten die Flüsse auf mit jähem Ruck,

Die Flut zu Dunst zermalmend und die Quellen

In andre Bahnen zwängend, – so – so macht' es

In seinen alten Tagen der Mont Rosa –

Warum stand ich nicht unter ihm? 

GEMSJÄGER.

Hab' Acht!

Dein nächster Schritt kann Tod sein! – Ihm zu Liebe,

Der dich erschuf, steh' nicht an diesem Rande!

MANFRED ohne ihn zu hören.

Das wär' für mich ein passend Grab gewesen!

Dann läge mein Gebein still in der Tiefe;

Es würde nicht verstreut sein auf den Felsen,

Ein Spiel der Winde, – so wie nun – wie nun

Durch diesen Sprung – – Lebt wohl, ihr offnen Himmel!

Schaut nicht so vorwurfsvoll auf mich herab,

Ihr wart mir nicht bestimmt. – Empfang, o, Erde,

Diese Atome... 

In dem Augenblicke, wo Manfred in den Abgrund springen will, hält ihn der Gemsjäger mit raschem Griffe zurück.

GEMSJÄGER.

Halt! verrückter Mann!

Wenn auch des Lebens satt, besudle nicht

Dies reine Thal mit deinem sünd'gen Blut.

Hinweg mit mir! – ich lasse dich nicht los.

MANFRED.

Mein Herz ist todeskrank, – pack' mich nicht an, –

Ich bin ganz Ohnmacht, – die Gebirge wirbeln

Um mich, – ich werde blind, – wer bist du Mann?

GEMSJÄGER.

Das wirst du später hören! – fort mit mir!

Die Wolken werden dicker, – komm, und stütz' dich; –

Hier setz' den Fuß, – da, nimm den Stock, und klammre

Dich an den Strauch; – nun gieb mir deine Hand

Und halt dich fest an meinem Gürtel, – sachte!

In einer Stund' erreichen wir die Senne.

Komm, – bald gelangen wir auf festres Erdreich

Und eine Art von Straße, die der Gießbach

Seit vor'gem Winter wusch. – Komm, – das war wacker!

Du solltest Jäger sein. – Komm, folge mir.

Während sie mühsam die Felsen herabsteigen, schließt die Scene.

Zweiter Act.

Erste Scene.

Hütte in den Berner Alpen.

Manfred. Der Gemsjäger.

GEMSJÄGER.

Nein, bleib noch hier; du darfst noch nicht von hinnen,

Noch können Leib' und Seel' einander nicht

Vertrauen, – noch auf ein'ge Stunden nicht.

Sobald du besser bist, führ' ich dich selbst,

Jedoch wohin? 

MANFRED.

Das thut nicht Not; ich kenne

Den Weg und brauche ferner kein Geleit.

GEMSJÄGER.

Nach Tracht und Aussehn bist du hohen Stamms,

Der Edlen einer, deren Felsenburgen

Ins Thal herabschaun, – welche nennt dich Herr?

Ich kenne nichts von ihnen als die Thore;

Nur selten zwingt mein Weg mich, Rast zu machen

Am mächt'gen Herde solcher alter Schlösser,

Zu zechen mit dem Dienstvolk; doch die Pfade,

Die aus dem Berg zu ihrem Thor sich stufen,

Kenn' ich von Kindheit: – welches ist das deine?

MANFRED.

Es macht nichts aus. 

GEMSJÄGER.

Wohl, Herr, verzeih die Frage.

Faß dir ein Herz! Komm, koste meinen Wein;

Es ist ein alt Gewächs und hat mir oft

Die Adern auf den Gletschern aufgethaut;

Nun thu' er dir desgleichen. – Thu' Bescheid!

MANFRED.

Hinweg! hinweg! – an seinem Rand ist Blut....

Will es denn niemals in die Erde sinken?

GEMSJÄGER.

Was meinst du? – Deine Sinne gehen irr.

MANFRED.

Blut ist's, – mein Blut! – der reine, warme Strom,

Der in den Adern unsrer Väter rann

Und auch in unsren, als wir beide noch

In unsrer Jugend waren, eines Herzens,

Und liebten, wie wir uns nicht lieben sollten.

Das ward vergossen, – doch es wallt empor

Und färbt die Wolken, die den Himmel sperren,

Wo du nicht bist, – wo ich nie weilen werde.

GEMSJÄGER.

Seltsame Worte! – Irgend eine Schuld

Bringt dich zu halbem Wahnsinn, daß du so

Den leeren Raum bevölkerst. Was auch immer

Dein Schreck und Leiden sei, es giebt noch Trost:

Der Kirche Macht und himmlische Geduld.

MANFRED.

Geduld! Geduld! – Hinweg! – es ist ein Wort

Für stumpfes Lastvieh, nicht für Raubgevögel

Predig' es Menschen eines Staubs wie du, –

Ich bin nicht deines Gleichen. 

GEMSJÄGER.

Dank dem Himmel;

Ich möchte nicht wie du sein um den Ruhm

Des Tell! – Gleichviel, was auch dein Unglück sei,

Du mußt es tragen; Fluch und Trotz ist nutzlos.

MANFRED.

Ertrag' ich's nicht? Sieh mich doch an? Ich lebe!

GEMSJÄGER.

Dies ist ein Krampf, und nicht gesundes Leben.

MANFRED.

Ich sag' dir, Mensch, ich lebte viele Jahre,

Viel lange Jahre, – aber sie sind nichts

Gegen die künft'gen, – tausend, aber tausend,

Aeonen, Ewigkeiten, – und Bewußtsein,

In heißem Durst nach Tod, niemals gelöschtem!

GEMSJÄGER.

Ei, kaum ist noch das Siegel mittler Jahre

Auf deine Stirn geprägt. Ich bin weit älter.

MANFRED.

Glaubst du, das Dasein hange von der Zeit ab?

Das thut es freilich; – aber Handlungen

Sind unsere Epochen: meine machten

All meine Tag' und Nächte unvergänglich,

Endlos und alle gleich, wie Sand am Meer,

Unzählige Atom' und eine Wüste,

Nackt, kalt, daran die wilden Wellen branden,

Wo aber nichts verweilt als Wrack' und Leichen,

Fels und das salz'ge Kraut der Bitterkeit.

GEMSJÄGER.

Ach, er ist irre! – doch ich bleibe bei ihm.

MANFRED.

Ich wollt', ich wär's! – dann wär' ja alles, was

Ich sehe, nur ein kranker Traum. 

GEMSJÄGER.

Was ist es,

Was du zu sehn glaubst oder wirklich siehst?

MANFRED.

Mich und dich selber, einen Alpenbauer,

Dein gastlich Haus und schlichte Tugenden,

Ein Herz, geduldig, fromm, und stolz und frei,

Selbstachtung auf unschuld'gen Sinn gepfropft,

Gesunde Tage, stille Nächte, – Arbeit,

Geadelt durch Gefahr, doch schuldlos, – Hoffnung

Auf heitres Alter und ein friedlich Grab,

Mit Kreuz und Blumen auf dem grünen Rasen

Und deiner Enkel Lieb' als Epitaph.

Dies seh' ich, – und dann schau' ich in mein Innres...

Was red' ich? meine Seele war schon Asche.

GEMSJÄGER.

So möchtest du dein Loos für meins vertauschen?

MANFRED.

Nein, Freund, ich möchte dir nicht schaden, noch

Mit irgend jemand tauschen; – ich kann tragen.

(So jammervoll es ist, es ist zu tragen,)

Was Andre nicht im Traum aushielten, sondern

In ihrem Schlafe stürben. 

GEMSJÄGER.

Und mit diesem

Vorsichtigen Gefühl für fremden Schmerz

Kannst du von Sünde schwarz sein? – Sag' es nicht!

Kann, wer so milde denkt, gefrevelt haben

An seinen Feinden selbst? 

MANFRED.

O nein! nein! nein!

Mein Unheil fiel auf solche, die mich liebten,

Die ich am meisten liebte. – Niemals schlug

Ich einen Feind als in gerechter Notwehr;

Jedoch mein Kuß war Tod. 

GEMSJÄGER.

Gott tröste dich!

Und Buße gebe dich dir selbst zurück!

Ich weih' dir mein Gebet. 

MANFRED.

Ich brauch' es nicht,

Doch kann dein Mitleid dulden. Lebewohl!

Ich gehe, – hier ist Gold und Dank für dich.

Kein Wort! es kömmt dir zu. Und folge nicht;

Ich kenne meinen Weg; die Alp ist sicher:

Und einmal noch gebiet' ich, folge nicht.

Manfred geht.

Zweite Scene.

Ein tieferes Alpenthal mit Wasserfall.

Manfred tritt auf.

MANFRED.

Es ist noch früh. Der Sonnenbogen wölbt

Sich auf dem Gießbach noch mit Himmelsfarben,

Und dieser Silbermasse wallende Säule,

Die jäh und senkrecht von der Klippe stürzt,

Wirft ihre Linien schäumenden Lichts dahin,

Wogend wie jenes fahlen Renners Schweif,

Des Riesenpferdes, das der Tod einst reitet,

Wie die Apokalypse sagt. Kein Auge

Als meines trinkt dies Schauspiel holder Schönheit;

Allein in dieser süßen Einsamkeit

Genieß' ich mit dem Genius des Ortes

Die Huldigung des Stroms. – Ich will sie rufen.

Manfred nimmt etwas von dem Wasser in die hohle Hand und schleudert es, die Beschwörung murmelnd, in die Luft. Nach einer Pause steigt unter dem Sonnenbogen des Wasserfalls die Alpenfrau empor.

MANFRED.

Holdsel'ger Geist! mit deinem Haar von Licht

Und sonn'gen Augen voller Herrlichkeit,

In deren Form der Reiz der Erdentöchter,

Der mindest sterblichen, anwächst zu einer

Unirdischen Hoheit, Frucht aus reineren

Urstoffen, während Farbenglanz der Jugend,

Ein Incarnat wie eines Kindes Wange,

Das eines Mutterherzens Pochen einwiegt,

Oder wie ros'ger Hauch, den Sommers Zwielicht

Auf jungfräulichem Gletscherschnee zurückläßt,

Der Erd' Erröten unterm Kuß des Himmels,

Dein göttlich Antlitz färbt, den Glanz verdunkelnd

Des Sonnenbogens, der dein Haupt umwölbt, –

Holdsel'ge! deine ruhig klare Stirn,

Darin sich Heiterkeit der Seele spiegelt,

Die in sich selbst Unsterblichkeit beweist,

Sagt mir, daß du dem Erdensohn vergiebst,

Dem die verborgnen Mächte hin und wieder

Ihnen zu nahn vergönnen, wenn er dich

Durch seine Zauber rief, um eine Weile

Dich anzuschauen. 

DIE ALPENFRAU.

Erdensohn! ich kenne

Dich und die Mächte, die dir Macht verleihn,

Dich, einen Mann von vielerlei Gedanken,

Von gut- und bösem Thun, maßlos in beidem,

Sich selbst und Anderen verhängnißvoll.

Ich habe dies erwartet. Sprich, was willst du?

MANFRED.

Nur deine Schönheit anschaun, – weiter nichts.

Weil mich der Erd' Antlitz wahnsinnig machte,

Flieh' ich zu ihren Heimlichkeiten, dringe

Zur Wohnung derer, welche sie regieren, –

Sie aber können mir nichts helfen. Sie

Besaßen nicht, was ich von ihnen suchte, –

Nun such' ich weiter nichts. 

DIE ALPENFRAU.

Was kann das sein,

Was nicht die Macht der Mächtigsten gewährt,

Der Herrn des Unsichtbaren? 

MANFRED.

Eine Gabe....

Doch warum wiederhol' ich, was unmöglich?

DIE ALPENFRAU.

Ich weiß es nicht, laß deine Lipp' es nennen.

MANFRED.

Wohl, ob es mich schon foltert, – meine Qual

Soll eine Stimme finden. – Seit der Jugend

Wandelte nie mein Geist mit Menschenseelen,

Sah nie die Welt mit Menschenaugen an;

Der Durst nach ihren Ehren war nicht mein;

Mein Glück, mein Leid, mein Können, meine Triebe

Machten zum Fremdling mich: ich trug die Form,

Doch nicht die Sympathien beseelten Fleisches.

Von allen staubgebornen Wesen war

Nur eines, welches... doch von ihr nachher!

Mit Menschen, sag' ich, und dem Geist der Menschen

Pflog ich nur selten Umgang; meine Lust

Statt dessen war die Wildniß, – einzuatmen

Die schwier'ge Luft auf eis'gem Bergeshaupt,

Wo Vögel nimmer baun, wo kein Insect

Den kahlen Fels umschwirrt, – und in den Gießbach

Zu tauchen und dahin zu schießen mit

Dem schnellen Wirbel jeder flücht'gen Welle

Des Flusses oder Meers im ihrem Strom.

Dies war die Lust der jungen Stärke; – oder

Des Mondes Wandel durch die Nacht verfolgen,

Die Stern' und ihre Bahnen, oder achten

Auf Blitzes Leuchten, bis mein Auge blind war,

Oder gefallne Blätter anschaun, lauschend,

Wann Herbsteswind' ihr Abendlied begannen.

Dies war mein Zeitvertreib, – und einsam sein.

Denn wann die Wesen, deren eins ich war,

(Verwünschend, daß ich's war,) den Pfad mir kreuzten,

Fühlt' ich zu ihnen mich zurückerniedrigt

Und war ganz wieder Staub. Dann einsam wandernd,

Versenkt' ich in des Todes Grotten mich,

In seiner Wirkung sein Entstehen suchend,

Und zog aus morschen Knochen, Schädeln, Moder

Verbotne Schlüsse. Jahre lang verlebt' ich

Die Nacht mit Wissenschaft, die nie gelehrt ward,

Außer in alter Zeit. Mit Schweiß und Harren

Und schrecklichem Castein und solcher Buße,

Die schon an sich die Luft und alle Geister,

So Luft und Erd' umfangen, Raum und selbst

Das unbegrenzte All bewältigt, macht' ich

Mein Auge mit der Ewigkeit vertraut,

Den alten Magiern gleich und ihm, der einst

In Gadara Eros und Anteros

Aus ihren Quellenwohnungen beschwor,

Wie ich hier dich. Und mit dem Wissen wuchs

Der Durst nach Wissen, und die Macht und Freude

So glänzender Erkenntnißkräfte, bis....

DIE ALPENFRAU.

Sprich weiter! 

MANFRED.

Ach, ich dehnte bloß die Worte,

Dies eitle Können rühmend, weil, je mehr

Dem Kerne meiner Herzensqual ich nahe...

Doch an mein Werk! Ich nannte dir nicht Eltern,

Geliebte, Freunde, niemanden, mit dem

Ich je das Joch menschlicher Bande trug;

Wenn ich es trug', mir schien es doch nicht so.

Doch Eine gab es... 

DIE ALPENFRAU.

Schon' dich selbst nicht. Rede!

MANFRED.

Sie war mir gleich an Zügen. Ihre Augen,

Ihr Haar, ihr Antlitz, alles, bis zum Klang

Der Stimme, sagten sie, war meinem gleich,

Gesänftigt nur und mild verklärt zur Schönheit.

Ihr eigen war, wie mir, einsames Träumen,

Die Sucht verbotnen Wissens und ein Geist,

Das Weltall zu begreifen, – doch auch mehr:

Mit diesem sanftre Gaben als die meinen,

Mitleid und Thrän' und Lächeln, – was mir fehlte, –

Und Zärtlichkeit, – doch die hatt' ich für sie, –

Und Demut, – und die hab' ich nie gehabt.

All' ihre Fehler waren meine Fehler,

Doch ihre Tugenden gehörten ihr.

Ich liebte sie und ich zerstörte sie.

DIE ALPENFRAU.

Mit deiner Hand? 

MANFRED.

Nicht meine Hand, – mein Herz,

Das ihr Herz brach: es staunte meines an

Und siechte hin. Ich habe Blut vergossen,

Doch ihres nicht. Doch ward ihr Blut vergossen;

Ich sah's und konnt' es nicht mehr stillen. 

DIE ALPENFRAU.

Deshalb,

Um ein Geschöpf der Art, die du verachtest,

Der Gattung, über die du dich erhebst,

Dich uns gesellend, giebst du preis die Gaben

Unserer großen Wissenschaft und sinkst

Zu feiger Menschlichkeit zurück? Hinweg!

MANFRED.

Tochter der Luft! – ich schwör' es, seit der Stunde....

Doch Wort ist Dunst, – sieh mich in meinem Schlaf,

Bewach' mein Wachen, – komm und sitz' bei mir, –

Mir ist die Einsamkeit nicht einsam mehr,

Wimmelnd von Furien; ich hab' im Dunkeln

Meine Zähne gefletscht, bis wieder Tag war,

Dann mir geflucht bis Abend, – hab' um Wahnsinn

Gebetet wie um Segen, – ohn' Erhörung!

Ich bot die Stirn dem Tod, – allein im Krieg

Der Elemente flohn vor mir die Wasser,

Und harmlos wich der Mord. Mit kalter Hand

Hielt mich ein mitleidloser Dämon fest,

An einem Haar fest, das nicht reißen wollte.

In Phantasie, in Dichtung, kurz in alle

Reichthümer meiner Seele, welche sonst

Ein Krösus war im Schaffen, taucht' ich tief,

Doch wie die Ebbe riß es mich zurück

In meinen Abgrund bodenlosen Weh's.

Ich taucht' ins Menschenmeer. Vergessenheit

Sucht' ich in allem, außer wo sie ist.

Die langverfolgte überird'sche Kunst

Ist sterblich hier. Ich wohn' in meinem Jammer

Und leb' – und lebe ewig. 

DIE ALPENFRAU.

Möglich, daß ich

Dir helfen kann. 

MANFRED.

Dann mußt du die Gestorbnen

Aufwecken oder mich zu ihnen betten.

Thu' das – in jeder Form – in jeder Stunde –

Mit jeder Qual, – wenn's nur die letzte ist.

DIE ALPENFRAU.

Das ist nicht meines Amts. Doch wenn du mir

Gehorsam schwörst und thust, was ich gebiete,

So mag ich dir zu deinem Wunsch verhelfen.

MANFRED.

Ich schwören? Ich gehorchen? Wem? Den Geistern,

Die ich entbiete? Sklave derer sein,

Die mir gedient? Niemals! 

DIE ALPENFRAU.

Ist dieses alles?

Hast du nicht sanftre Antwort? Halt noch inne!

Bedenk', eh' du verwirfst! 

MANFRED.

Ich hab's gesagt.

DIE ALPENFRAU.

Genug! So kann ich gehen? rede. 

MANFRED.

Geh!

Die Alpenfrau verschwindet.

MANFRED allein.

Wir sind die Narr'n der Zeit und Angst: die Tage

Beschleichen uns, entschleichen uns, – wir leben,

Das Leben hassend, doch voll Furcht zu sterben.

In allen Tagen dieses eklen Jochs,

(Das unser ringend Herz einschnürt, – das Herz,

Das bald in Gram versinkt, bald pocht vor Weh

Und Wonne, die in Qual und Schwachheit endet,) –

In allen Tagen, künft'gen und vergangnen,

(Denn Gegenwart giebt's nicht für uns,) wie wen'ge,

Wie weniger als wen'ge zählen wir,

Wo nicht die Seele nach dem Tode lechzt

Und doch zurückfährt, wie vor einem Strom

Im Winter, ob das Frösteln schon im Nu

Vorbei ist. – Eine Hülfe beut mir noch

Die Wissenschaft: ich kann die Todten rufen,

Sie fragen, was es ist, was wir so fürchten.

Die schlimmste Antwort kann nur sein: das Grab!

Und das ist nichts. Wenn sie nicht Antwort gäben?...

Der todte Seher gab der Hex' in Endor

Doch Antwort; Sparta's Fürst entlockte von

Der Byzantinerin schlaflosem Geist

Antwort und sein Verhängniß. – Er erschlug

Das, was er liebt', unwissend, was er that,

Und starb dann unverziehn, obwohl er Zeus

Zur Hülfe rief und in Phigalia

Arkadiens Beschwörer aufbot, um

Von dem erzürnten Schatten eins zu flehn,

Gnad' oder Ziel der Rache; – ihre Antwort

War dunklen Inhalts, doch erfüllte sich.

Hätt' ich niemals gelebt, so lebte noch

Das, was ich liebe; hätt' ich nie geliebt,

So wäre, was ich liebe, jetzt noch schön,

Glücklich und Glück verbreitend. Was ist sie?

Was ist sie jetzt? Ein Opfer meiner Sünden,

Was ich zu denken scheue, – oder Nichts!

Nach wenig Stunden ruf' ich nicht vergebens,

Doch noch zur Stunde schreckt mich, was ich wage.

Nie bis zur Stund' erschrak ich vor den Geistern,

Ob gut, ob böse, – nun erzittre ich,

Und sonderbare Kälte thaut im Herzen.

Doch ich vermag zu thun, wovor mir graust,

Und Menschenangst zu bändigen. Es nachtet.

Er geht.

Dritte Scene.

Gipfel der Jungfrau.

ERSTES SCHICKSAL.

Der Mond erhebt sich groß und rund und hell,

Und hier, auf Schnee, den nie ein Menschenfuß

Betreten, wandeln nächtlich wir einher

Und spurlos über diese wüste See,

Den blanken Ocean des Alpeneises,

Die zackige Brandung streifend, welche aussieht

Wie eines sturmgepeitschten Meeres Schaum,

Im Nu erfroren, wie ein todter Strudel.

Und diese jähe, wildgezackte Zinne,

Erdbebens Schnitzwerk, wo die Wolke Halt macht,

Um auszuruhen im Vorüberflug,

Ist unsren Festen, unsren Nächten heilig.

Hier wart' ich meiner Schwestern auf dem Weg

Zur Halle Arimans; – denn heute Nacht

Ist unser Hauptfest. Seltsam, wo sie bleiben.

STIMME von außen, singend.

Der gefangne Verwüster,

Vom Throne gerafft,

Einsam verbüßt' er

Schimpfliche Haft.

Die Ketten zerstört' ich

Und sprengte den Bann;

Heerschaaren empört' ich;

Er ist wieder Tyrann!

Mit Strömen von Blut wird die Sorg' er mir lohnen,

Und die Schmach, die er litt, mit zertrümmerten Thronen.

ZWEITE STIMME, draußen.

Das Schiff schwamm stolz und rasch einher;

Es hat nicht Segel noch Masten mehr;

Von Rumpf und Deck ist kein Balken mehr da,

Und kein Lebender ist, der den Schiffbruch sah;

Nur Einer, den hielt ich im Schwimmen am Haar,

Der meines Erbarmens am würdigsten war,

Ein Verräter am Land, ein Pirat auf der See –

Den spart' ich mir auf zu fernerem Weh.

ERSTES SCHICKSAL, antwortend.

Die Stadt liegt im Schlummer:

Der Morgen verläßt sie

In Thränen und Kummer:

Leise beschleichen

Flügel der Pest sie!

Tausend erbleichen

Und zehnmal Tausend;

Es fliehn die Lebend'gen

Vor Sterbenden grausend;

Doch nichts kann die Schauer

Der Seuche mehr bänd'gen.

Schrecken und Trauer

Hüllt die bedrohten

Völker in Grauen.

Selig die Todten,

Welche die Macht

Des Verwüsters nicht schauen!

Dies Werk einer Nacht,

Dies Völkererwürgen, dies Werk meiner Hände

Ist alt wie die Welt, und es währt bis ans Ende.

Die beiden anderen Schicksale erscheinen.

DIE DREI.

Der Menschen Herzen sind in unsren Händen,

Und ihre Gräber unsres Schrittes Spur:

Die Geister, die wir unsren Sklaven senden,

Wir geben sie, um sie zu nehmen, nur.

ERSTES SCHICKSAL.

Willkommen! wo ist Nemesis! 

ZWEITES SCHICKSAL.

Sie ist

Bei einem großen Werk, das ich nicht kenne,

Denn meine Hände hatten voll zu thun.

DRITTES SCHICKSAL.

Seht da, sie kommt. 

Nemesis erscheint.

ERSTES SCHICKSAL.

Von wannen kommst du? sprich!

Du und die Schwestern waren heute langsam.

NEMESIS.

Ich mußte morsch gewordne Throne flicken,

Narren vermählen, Dynastien erneuern,

Menschen an ihren Widersachern rächen

Und ihre Rache sie bereuen lassen,

Weise zum Wahnsinn stacheln, aus der Dummheit

Orakel formend, um die Welt von neuem

Zu gängeln, – denn sie waren fast veraltet,

Die Menschen wagten für sich selbst zu denken,

Die Könige zu wägen, und zu reden

Von Freiheit, der verbotnen Frucht. – Hinweg!

Die Stunde flieht: besteigt die Wolkenrosse!

Sie verschwinden.

Vierte Scene.

Halle Arimans.

Ariman, von seinen Geistern umgeben, auf einer Feuerkugel thronend.

HYMNUS DER GEISTER.

König der Erd' und Luft! gewalt'ger Meister!

Der auf den Wolken und den Wassern schwebt, –

Zum Chaos selbst zerfleischen sich die Geister

Der Elemente, wann die Hand er hebt.

Er atmet, und der Sturm zerreißt die Flut;

Er spricht, und Antwort giebt des Donners Hallen;

Er blickt, und Sonnen fliehn vor seiner Glut,

Er regt sich, und des Erdballs Säulen fallen!

Sein Fuß erschließt der Krater Glutgewimmel;

Sein Schatten ist die Pest, und vor ihm her

Ziehn die Kometen durch verkohlte Himmel,

Wandelt in Asche sich das Sternenheer.

Ihm muß der Krieg sein täglich Opfer zahlen;

Ihm frohnt der Tod; sein ist des Lebens Frist

Mit ihrer Unermeßlichkeit von Qualen;

Sein ist der Geist von allem, was da ist!

Die Schicksale und Nemesis treten auf.

ERSTES SCHICKSAL.

Heil Ariman! – Auf Erden wächst sein Reich:

Wie meine Schwestern sein Gebot vollführt,

So hab' auch ich nicht meine Pflicht verabsäumt.

ZWEITES SCHICKSAL.

Heil Ariman! – Wir, die das Haupt der Menschen

Zur Erde beugen, beugen uns vor ihm.

DRITTES SCHICKSAL.

Heil Ariman! – Wir harren seines Winks.

NEMESIS.

Beherscher aller Herscher! wir sind dein,

Und unser ist, was lebt, mehr oder minder,

Das Meiste ganz. Doch unsre Macht zu mehren

Durch Mehrung deiner Macht, heischt unsre Sorge,

Und wir sind wachsam. Was du aufgetragen,

Ist bis zum Aeußersten erfüllt. 

Manfred kömmt.

EIN GEIST.

Wer naht?

Ein Sterblicher! – Du Dreister, Unglücksel'ger,

Knie' und verehr'! 

ZWEITER GEIST.

Ich kenne diesen Mann,

Ein Zaubrer, furchtbar durch Geschick und Macht.

DRITTER GEIST.

Knie', Sklav, und bete an! Wie? kennst du nicht

Deinen und unsren Herrn? Gehorch' und zittre!

ALLE GEISTER.

Wirf dich und dein verdammtes Fleisch zu Boden,

Du Erdensohn! – die Rach' ist nah. 

MANFRED.

Ich weiß es,

Und dennoch knie' ich nicht. 

VIERTER GEIST.

Du wirst es lernen.

MANFRED.

Ich lernt' es längst. Wie manche Nacht auf Erden

Hab' ich auf nackten Grund mein Haupt gebeugt

Und Asche drauf gestreut! Ich kenne ganz

Die Fülle der Erniedrung; denn ich sank

Vor meiner nichtigen Verzweiflung, kniete

Vor meiner eignen Herzensöde. 

FÜNFTER GEIST.

Wagst du

Dem Ariman auf seinem Thron zu weigern,

Was ihm die Erde zollt, die doch nicht schaut

Die Schrecken seines Glanzes? – In den Staub!

MANFRED.

Er selber beuge vor dem Höh'ren sich,

Dem Unermeßlichen, dem Schöpfer, der

Ihn nicht erschuf zur Anbetung: – Er kniee,

Und ich will mit ihm knien. 

DIE GEISTER.

Zermalmt den Wurm,

Zerreißt ihn! 

ERSTES SCHICKSAL.

Hebt euch weg! Fort! Er ist mein.

Fürst unsichtbarer Mächte! dieser Mann

Ist nicht gemeiner Art, wie seine Rede

Und Gegenwart bezeugt. Sein Leiden war

Unsterblicher Natur, wie unsres ist.

Sein Wissen und sein Können und sein Wollen,

(Soweit nicht Staub den Aetherfunken hemmt,)

Ist so gewesen, wie es Staub nur selten

Geboren hat. Sein Streben und sein Forschen

Lag jenseit dessen, was auf Erden wohnt,

Und hat ihm nur gelehrt, was wir schon wissen,

Daß Wissen nicht Glück ist und Wissenschaft

Nur Austausch unserer Unwissenheit

Gegen Unwissenheit von neuer Art.

Noch mehr: die Attribut' und Leidenschaften

Von Erd' und Himmel, welche jedes Wesen,

Jedes Geschöpf vom Wurm aufwärts berühren,

Haben sein Herz durchbohrt, und ihre Wirkung

In ihm war so, daß ich, die nie bedaure,

Verzeih' ihn zu bedauern. Er ist mein,

Und dein vielleicht; – doch sei er's oder nicht,

Kein andrer Geist besitzt hier eine Seele

Wie seine, noch Gewalt auf seine Seele.

NEMESIS.

Weshalb denn ist er hier? 

ERSTES SCHICKSAL.

Er sag' es selbst.

MANFRED.

Ihr wißt, was ich gewußt hab'. Ohne Macht

Könnt' ich nicht hier sein. Aber tiefre Mächte,

Noch jenseits, giebt es, – die zu suchen komm' ich,

Daß sie auf meine Frag' antworten mögen.

NEMESIS.

Was möchtest du? 

MANFRED.

Du kannst nicht Rede stehn;

Die Todten ruf, an sie geht meine Frage.

NEMESIS.

Erhabner Ariman! gewährt dein Wille

Den Wunsch des Sterblichen? 

ARIMAN.

Es sei! 

NEMESIS.

Wen willst du

Entsargen? 

MANFRED.

Eine ohne Grab. Beschwör

Astarte!

NEMESIS.

Höre, Schatten oder Geist,

Der du alles, was du warest,

Ob du auch gestorben seist,

Wie ein Erbtheil noch bewahrest;

Das Gehäuse deines Fleisches,

Das Gefüge deines Staubes,