Gesammelte Werke, Band 2 - George Byron - E-Book

Gesammelte Werke, Band 2 E-Book

George Byron

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Beschreibung

Dieser Band enthält die folgenden Dramen des großen englischen Dichters und Schriftstellers: Marino Faliero Himmel und Erde Cain Die beiden Foscari Dazu bietet dieser Band die Romanze "Ritter Harolds Pilgerfahrt."

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Gesammelte Werke, Band 2

George Byron

Inhalt:

George Noel Gordon Lord Byron - Biografie und Bibliografie

Marino Faliero – Doge von Venedig.

Vorwort.

Personen des Dramas.

Erster Akt

Erster Auftritt.

Zweiter Auftritt.

Zweiter Akt.

Erster Auftritt.

Zweiter Auftritt.

Dritter Act.

Erster Auftritt.

Zweiter Auftritt.

Vierter Act.

Erster Auftritt.

Zweiter Auftritt.

Fünfter Act.

Erster Auftritt.

Zweiter Auftritt.

Dritter Auftritt.

Vierter Auftritt.

Anhang.

Himmel und Erde.

Personen des Dramas.

Erster Act.

Erster Auftritt.

Zweiter Auftritt.

Dritter Auftritt.

Ritter Harold's Pilgerfahrt

Vorrede

Erster Gesang.

An Ines.

Zweiter Gesang.

Noten zum 2. Gesang.

Ueber die Türken.

Dritter Gesang

Vierter Gesang

Geschichtliche Bemerkungen zum 4. Gesang

Cain

Vorwort.

Personen.

Erster Act.

Erster Auftritt.

Zweiter Act

Erster Auftritt

Zweiter Auftritt.

Dritter Act.

Erster Auftritt.

Die beiden Foscari.

Personen des Dramas.

Erster Act.

Erster Auftritt

Zweiter Act.

Erster Auftritt.

Dritter Act.

Erster Auftritt.

Vierter Act.

Erster Auftritt.

Fünfter Act.

Erster Auftritt

Gesammelte Werke, Band 2, Lord George Byron

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

ISBN: 9783849605568

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

George Noel Gordon Lord Byron - Biografie und Bibliografie

Der größte engl. Dichter des 19. Jahrh., Enkel des vorigen, geb. 22. Jan. 1788 in London, gest. 19. April 1824 in Missolunghi, war durch seine Mutter, Miß Gordon, mit dem schottischen Königshaus verwandt. Sein Vater, Kapitän in der königlichen Garde, der »tolle Jack« genannt, verschwendete in kurzem fast das ganze Vermögen seiner Frau, verließ sie und starb 1791 in Valenciennes. Byrons Mutter, eine Frau von leidenschaftlicher Heftigkeit, zog sich 1790 nach Aberdeen zurück, um der Erziehung ihres Sohnes zu leben. Hier besuchte B. die Grammar-School, wurde auch einmal, acht Jahre alt, zur Stärkung seiner Gesundheit in die Hoch lande geschickt. Während der ungebundene Aufenthalt in der Herrlichkeit der schottischen Berge ihn an Leib und Seele kräftigte, übte der schnelle Wechsel von ängstlicher Obhut und voller Ungebundenheit einen nachteiligen Einfluss auf seinen Charakter aus, insofern Eigensinn und Übermut in ihm geweckt wurden. Zugleich aber erwachte auch jener Sinn für wilde Naturschönheit, der aus seinen Dichtungen widerklingt. Im Alter von zehn Jahren erbte B. durch den Tod seines Onkels William (1798) die Lordschaft, wurde unter die Vormundschaft seines Großoheims, des Grafen von Carlisle, gebracht und bezog nach einem kürzeren Aufenthalt in London, wo man vergeblich die Heilung seines Klumpfußes versucht hatte, die Schule zu Harrow. Hier schrieb er seine ersten elegischen Verse. Dann bezog er die Universität Cambridge (Trinity College), wo er bereits den Atheisten herauskehrte. In Anlehnung an Gray, Burns, Ossian und die alten Balladen schrieb er die Jugendgedichte: »Hours of idleness« (Newark 1807), die wegen einiger aristokratischer Sonderlichkeiten den Zorn der »Edinburgh Review« herausforderten. Scheinbar unbekümmert lebte er dann auf seinem Stammsitz, der Abtei Newstead, und in der Hauptstadt; eine der Damen, mit denen er sich damals umtrieb, führte er in Pagenverkleidung bei sich; in nächtlichen Mönchsfesten lebte er Walter Scotts Epen nach. Plötzlich gab er eine geharnischte, sein rhetorisches Talent zuerst glänzend bekundende Satire (»English bards and Scotch reviewers«, 1809, in vier Auflagen gedruckt) gegen die unter Jeffreys Leitung stehende »Edinburgh Review« heraus, geißelte alle Romantiker und stellte sich auf den Standpunkt der scheinbar überwundenen Klassizisten. Zur selben Zeit mündig geworden, übernahm er die Verwaltung seiner Stammgüter, nahm seinen Sitz im Oberhaus ein und verließ dann im Juni 1809 London, um mit seinem Freund Hobhouse (vgl. Hobhouse, Journey through Albania, Lond. 1814, zuletzt 1855) ins Ausland zu gehen. Die Reise führte ihn durch Portugal und Spanien nach Malta und Albanien, von wo aus er einen großen Teil von Griechenland und die Küste von Kleinasien bereiste. Er besuchte Konstantinopel, durchschwamm in 1 Stunde 10 Minuten den Hellespont und kehrte nach einem längeren Aufenthalt in Athen im Juli 1811 ins Vaterland zurück. Hier erschienen im folgenden Jahre die beiden ersten Gesänge seines »Childe Harold«, die seine Reise bis Griechenland schildern und Werthersche Sentimentalität mit dem romantischen Glanze von Walter Scotts Epen vereinen. Sie machten ihn zum Abgotte der fashionablen Welt Englands. Diesen Ruhm steigerte eine Reihe von Romanzen, die z. T. noch Früchte der Reise waren: »The Giaur«, »The bride of Abydos« (1813), »The Corsair«, »Lara« (1814), »The siege of Corinth« (1815), »Parisina« (1816). Seine Enttäuschung an Napoleon drückte sich nach dessen Abdankung in der berühmten »Ode to Napoleon Buonaparte« aus und seine Bewunderung für Th. Moores »Irish melodies« in den »Hebrew melodies« (1815). Seine Ehe mit Anna Isabella Milbanke, der einzigen Tochter des Sir Ralph Milbanke (2. Jan. 1815), war bei der großen Verschiedenheit ihrer Naturen nicht glücklich und wurde auch durch die Geburt einer Tochter, Ada, nicht befestigt, so dass es bald zu förmlicher Scheidung kam. B. mit seiner »umgekehrten Heuchelei« gab sich gern noch schlechter und abnormer, als er war, während seine Frau für Theologie und Mathematik veranlagt war. Die öffentliche Meinung nahm stürmisch gegen ihn Partei (über die sogen. Enthüllungen, die Mrs. Beecher-Stowe 1869 über diese Trennung angeblich aus dem Munde der Lady B. veröffentlichte, s. unten). B. verließ daher (25. April 1816) zum zweiten mal England mit der Absicht, es nie wiederzusehen. Er zog durch Belgien und den Rhein entlang in die Schweiz und ließ sich im Juni 1816 an den Ufern des Genfer Sees in der Villa Diodati nieder, wo der Verkehr mit dem Dichter Shelley und dessen Gattin begann. Mit ihm segelte er oft auf dem See; der Einfluss zeigt sich im dritten Gesang von »Childe Harold« (1816). Mit Hobhouse unternahm er einen Ausflug ins Berner Oberland, dessen Reflex im »Manfred« zu erkennen ist, seinem ersten dramenartigen Werke (1817). Trübe Erlebnisse, der »Prometheus« des Aischylos, Goethes »Faust« und der Anblick des Hochgebirges machten ihn jetzt reif und tief. Das zeigt sich auch in dem am Genfer See entstandenen »Prisoner of Chillon« (1816). Im Herbst d. I. zog er nach Italien und ließ sich nach einem Abstecher nach Rom in Venedig nieder, bis gegen Ende 1819. Von seinen hier entstandenen Schöpfungen sind die wichtigsten: der vierte Gesang des »Childe Harold«, der mit dem dritten das vollendete Werk zu dem gedankenreichsten des Dichters macht; »The lament of Tasso«; die köstliche Burleske »Beppo« im Stil des Pulci (1817); die »Odeon Venice« und »Mazeppa« (1818); auch der Entwurf und die ersten Gesänge des »Don Juan«, seines genialsten Werkes, fallen in jene Zeit. Hier ergriff ihn die Liebe zur schönen Teresa Guiccioli, geborene Gräfin Gamba, der er nach Ravenna folgte und Jahre des Glückes verdankte. Von 1819 ab zogen ihn aber die Gräfin Gamba in die revolutionäre Bewegung der Carbonari, die damals durch ganz Italien die Patrioten zusammenführte. Auch brachte der 60jährige Graf Guiccioli, der anfangs nichts dagegen hatte, dass seine 16jährige Frau sich der Freiheit ihres Landes bediente, die Sache vor den Papst, der die Trennung der Gräfin von ihrem Gemahl gestattete unter der Bedingung, dass sie unter ihres Vaters Dach leben soll le. Da ihr der Graf die Wahl stellte zwischen Rückkehr zu ihm und dem Kloster, und da zugleich das unglückliche Ende der Revolution über die Gamba die Proskription verhängte, begab sich B. im Herbst 1821 nach Pisa, wo die beiden Gamba und die Gräfin bereits ihre Wohnung aufgeschlagen hatten. Noch in Ravenna waren entstanden die »Prophecy of Dante«, die Dramen: »Marino Falieri«, »The two Foscari«, »Sardanapalus« und »Cain« und einige weitere Gesänge des »Den Juan«. In Pisa beschränkte sich Byrons täglicher Umgang auf die Familie Gamba, den Dichter Shelley und Leigh Hunt, mit dem er das Journal »The Liberal« herausgab. Aber auch hier sollte er sich häuslicher Ruhe nicht lange erfreuen. Reibungen mit der österreichischen Polizei hatten zur Folge, dass er noch im Sommer 1322 die Stadt verließ und mit den Gamba nach Genua übersiedelte. Zuvor vollzog er noch eine Freundespflicht, in dem er den Leichnam des im Juli d. I. auf einer Spazierfahrt zwischen Livorno und Lerici ertrunkenen Shelley auf einem Holzstoß verbrennen ließ. Sein Aufenthalt in Genua (vom Herbst 1822 bis zum Sommer 1823) zeitigte das Mysterium »Heaven and earth«, das Goethe gewidmete Räuberdrama »Werner«, die misslungene Faustnachahmung »The deformed transformed« und die Fortsetzung des »Don Juan« bis zum 16. Gesang, endlich das exotische Idyll »The island«. Müde seines unsteten, ziellosen Lebens, beschloss B., seine Kräfte dem Freiheitskampf der Hellenen zu widmen, deren Komitee ihn einstimmig zum Mitglied gewählt hatte, und bestieg Ende Juli 1823 zu Livorno das englische Schiff Herkules, das ihn und mehrere Freunde (darunter den jungen Grafen Gamba) nach Kephallinia führte. Außer vielen Waffen brachte B. einen bedeutenden Vorrat an Geld und Medikamenten mit. Seine Ankunft ward mit Jubel begrüßt, doch ließ er sich in keinerlei Verpflichtungen gegen irgend eine Partei ein, sondern knüpfte unmittelbar mit der Regierung Verhandlungen an. Um vor allem das schwer bedrohte Missolunghi zu retten, rüstete er zwei ionische Schiffe aus und stellte sich 5. Jan. 1824 selbst dort ein, wo er als Retter aus tiefster Not begrüßt wurde. Für den Abschluss der englischen Anleihe und die Konstituierung der Gesellschaft der englischen Philhellenen war er rastlos tätig; die Härte der türkischen wieder griechischen Kriegführung suchte er durch Beispiele von Mäßigung und Großmut zu mildern und, wenn auch mit geringem Erfolg, die Zwistigkeiten der Griechen zu beseitigen. Die eifrigste Sorge aber widmete er kriegerischen Unternehmungen. Er hatte vom 1. Jan. 1824 an eine Schar von 500 Soldaten in Sold genommen, anderen Spitze er das Schloss von Lepanto, die einzige Festung des westlichen Griechenland, die noch in der Gewalt der Türken war, zu erobern gedachte; 2500 Griechen und eine Batterie der englischen Philhellenen sollten ihn unterstützen. Inzwischen vergeudeten die griechischen Streiter die Zeit mit unnützen Streitigkeiten, und sogar in Missolunghi und unter Byrons Brigade brachen Uneinigkeit und Meuterei aus, die des Dichters reizbares Gemüt mehr angriffen, als sein Körper ertragen konnte. Er bekam zu wiederholten Malen Fieberanfälle und wurde durch die ärztlichen Mittel noch mehr geschwächt. Kaum hergestellt, zog er sich auf einem Spazierritt eine Erkältung zu, die nach zehn Tagen seinem Leben ein Ende machte. Die Kunde von seinem Tode drang wie ein Donnerschlag durch die Welt; ganz Griechenland trauerte um ihn 21 Tage. Sein Herz wurde in einer silbernen Kapsel in einem ihm geweihten Mausoleum zu Missolunghi aufbewahrt, ging aber bei dem letzten Versuch der Besatzung, sich durchzuschlagen (22. April 1826), verloren. Seine Leiche führte Graf Pietro Gamba nach England, wo sie, da ihr die Geistlichkeit ein Begräbnis in der Westminsterabtei verweigerte, in der Dorfkirche von Hucknall bei Newstead Abbey beigesetzt wurde. Seine von Thorwaldsen 1817 in Rom gefertigte (sitzende) Statue befindet sich zu Cambridge (in der Bibliothek des Trinity College); andere Standbilder wurden ihm in Missolunghi und 1881 in London errichtet.

Byrons außerordentliche Begabung fand weder in England noch überhaupt in seinem Zeitalter entsprechende Aufgaben und stellte sich daher falsche, anderen Lösung er die größte Leidenschaft und das zarteste Gefühl, die sinnigste Detailarbeit und riesenhafte Gewalt setzte. Treitschke hat daher (»Gesammelte Aufsätze«) mit Recht das Negative seiner Wirksamkeit betont. Er sehnte sich nach der Schönheit, fand sie aber daheim verkannt, in den klassischen Ländern geknechtet und durch die Heilige Allianz am gefährlichsten bedroht, so dass er mit Pathos und Spott gegen alle Machthaber zu Felde zog. Getäuschter Idealismus trieb ihn zum Weltschmerz, über den er sich im »Don Juan« nur zu einem humoristischen Appell an die Natur erhob. Seine Werke, Verse sowohl als Briefe, wurden herausgegeben von Th. Moore (Lond. 1832–33, 17 Bde., u. ö.); sehr vermehrte Neuausgabe von Coleridge und Prothero (London bei Murray, 1898ff.). Die Gedichte allein, mit biographischem Kommentar, sind in einer bequemen einbändigen Ausgabe von Murray vereint. Eine kritische Ausgabe begann Kölbing (»Siege of Corinth«, »Prisoner of Chillon«, Weim. 1893–96). Zahlreich sind die Schulausgaben einzelner Dichtungen. Aus den deutschen Übersetzungen seien hervorgehoben: die von Böttger (8. Aufl., Leipz. 1901), Gildemeister (4. Aufl., Berl. 1888, 6 Bde.), A. Schröter (Stuttg. 1901, 2 Bde.).

Vgl. Dallas, Recollections of the life of Lord B. (Lond. 1824); C. Gordon, Life and genius of Lord B., 1808–1814 (das. 1824); E. Brydges, Letters on the character of Lord B. (das. 1824); Th.Medwin, Conversations of Lord B. (das. 1824. neue, vermehrte Aufl. 1898; deutsch von A. v. d. Linden, 3.Aufl., Leipz. 1900); Marquis de Salvo, Lord B. en Italie et en Grèce, etc.(Lond. 1825); Gamba, Narrative of Lord Byron's last journey to Greece (das. 1825); Parry, The last days of Lord B. (das. 1828); Leigh Hunt, Lord B. and some of his contemporaries (das. 1828); Millingen, Memoir on the affairs of Greece (das. 1831); über Th.Moore s. oben; Kennedy, Conversations on religion with Lord B. (das. 1830); Lady Blessington, Conversations with Lord B. (das. 1834, neue Ausg. 1891; dazu Blümel, Byrons Unterhaltungen mit der Lady Blessington, kritisch untersucht, Leipz. 1900); Trelawney, Recollections of the last days of B. (Lond. 1858; dann erweitert als »Records of Shelley, B., etc.«, 1878, neue Ausg. 1887); Gräfin Guiecioli, My recollections of Lord B. (engl. von Jerningham, das. 1868, 2 Bde.; mehr begeistert als zuverlässig); Smiles, Memoir of J. Murray (das. 1891, 2 Bde.). Biographien des Dichters gaben Lake (Lond. 1827), John Galt (2. Aufl. 1830). Armstrong (1846), Nichol (1879), Jeaffreson (»Real Lord B.«, 1883); von Deutschen: Eberty (2. Aufl., Leipz. 1879, 2 Bde.), Elze (3. Aufl., Berl. 1886; in engl. Übersetzung, Lond. 1872), Engel (3. Ausg., Berl. 1884), R. Ackermann (Heidelb. 1901), Koeppel (Berl. 1902). Die Memoiren Byrons wurden vom Erben derselben, Thomas Moore, aus Familienrücksichten vernichtet. Gute Charakteristiken sind vorhanden von Goethe (vgl. »Goethe-Jahrbuch«, Bd. 20, S. 3ff., 1899), Tuckermann (»Charakterbilder englischer Dichter«, Marburg 1857), Macaulay (»Essays«, Bd. 1), Matthew Arnold (»Selections from B.«) und v. Treitschke (»Historische und politische Aufsätze«).Vgl. auch J. C. Ron, Some disputed points in Byron 's biography (Leipz.1893); Sinzheimer, Goethe und B. (Heidelb. 1894); Kraeger, Der Byronsche Heldentypus (Berl. 1898).

Marino Faliero – Doge von Venedig.

Historische Tragödie in fünf Acten.

Dux inquieti turbidus Adriae. – Horaz

Vorwort.

Die Verschwörung des Dogen Marino Faliero ist eines der merkwürdigsten Ereignisse in den Annalen der eigenthümlichsten Regierung, Stadt und Volksrasse der modernen Geschichte. Sie trug sich im Jahr 1355 zu. Alles, was mit Venedig zusammenhängt, ist oder war außergewöhnlich: seine äußere Erscheinung ist eine Art Traumbild, seine Geschichte ein Roman. Die Geschichte des genannten Dogen ist in allen Chroniken der Stadt erwähnt, besonders ausführlich in den Lebensbeschreibungen der Dogen von Marin Sanuto, wovon im Anhang ein Auszug gegeben ist. Sie ist dort einfach und klar erzählt und vielleicht an sich schon dramatischer als jede auf Grund derselben versuchte dramatische Behandlung.

Marino Faliero scheint ein Mann von Talent und Muth gewesen zu sein. Ich finde ihn als Oberbefehlshaber der Landarmee bei der Belagerung von Zara, wo er den König von Ungarn und dessen 80,000 Mann starkes Heer schlug und ihm 8000 Mann tödtete, während er zugleich die Belagerten im Schach hielt: eine That, die nur in Cäsars Operationen vor Alesia und in Prinz Eugen's vor Belgrad ihres Gleichen findet. In dem gleichen Kriege führte er später die Flotte und nahm Capo d'Istria. Er war Gesandter in Genua und Rom. Während des letzteren Ehrenamts erhielt er die Nachricht von seiner Erwählung zum Dogen. Seine Abwesenheit von Venedig mag als Beweis davon dienen, daß er diese Würde keiner Intrigue verdankte. Er erfuhr den Tod seines Vorgängers und seine eigene Ernennung in derselben Stunde.

Zugleich scheint er aber auch ein Mann von heftiger Gemüthsart gewesen zu sein. Sanuto erzählt, daß er mehrere Jahre früher als Podestà, und Stadthauptmann von Treviso den dortigen Bischof mit Ohrfeigen tractirt habe, weil dieser etwas säumig in Darreichung der Hostie war. Dafür verdammt ihn der ehrliche Sanuto, wie Thwackum den Square, meldet uns jedoch nicht, ob er während seiner Amtsführung für diese Gewalttätigkeit vom Senate gestraft oder getadelt wurde. Jedenfalls scheint er im Frieden mit der Kirche geblieben zu sein, denn wir finden ihn, wie gesagt, als Gesandten in Rom; auch wurde er von dem Graf-Bischof von Ceneda mit Val di Marino in der Mark Treviso belehnt und mit dem Grafentitel beehrt. Meine Quellen hiefür sind: Sanuto, Vettor Sandi, Andrea Navagero sowie der Bericht über die Belagerung von Zara, der zuerst von dem fleißigen Abbate Morelli in seinen im Jahr 1796 gedruckten Monumenti Veneziani di varia Letteratura veröffentlicht wurde, welche Quellen ich sämmtlich im Original studirt habe. Die neueren Schriftsteller Daru, Sismondi und Laugier stimmen nahezu mit den alten Chronisten überein. Sismondi schreibt die Verschwörung der Eifersucht Faliero's zu, was aber durch keinen venezianischen Schriftsteller bestätigt wird. Vettor Sandi sagt allerdings: Altri scrissero che ... dalla gelosa suspizion di esso Doge siasi fatto (Michel Steno) staccar con violenza) Andre schreiben, die Eifersucht des Dogen sei Schuld gewesen, daß er den Michel Steno mit Gewalt habe fortbringen lassen. etc. etc. Dies scheint jedoch keineswegs die allgemeine Ansicht gewesen zu sein, auch erwähnen Sanuto und Navagero nichts hievon, und Sandi selbst setzt gleich darauf hinzu: per altre Veneziane memorie traspiri, che non il solo desiderio di vendetta lo dispose alla congiura, ma anche la innata abituale ambizion sua, per cui anelava a farsi principe independente.Aus andern venezianischen Denkschriften ergibt sich, daß ihn keineswegs blos Rachsucht zu der Verschwörung veranlaßte, sondern auch sein angeborner Ehrgeiz, der ihm den Wunsch eingab, sich zum unabhängigen Herrscher zu machen.

Die erste Veranlassung scheint allerdings, die derbe wörtliche Beleidigung gegeben zu haben, welche Michel Steno auf den Stuhl des Dogen schrieb, sowie die leichte und unangemessene Strafe, welche die Vierzig, zu deren drei Häuptern der Schuldige zählte, über denselben verhängten. Die Huldigungen Steno's scheinen übrigens nicht der Dogaresse selbst, sondern einem ihrer Fräulein gegolten zu haben, denn gegen den Ruf der ersteren liegt nicht der leiseste Verdacht vor, so hoch sie auch wegen ihrer Schönheit und Jugend gepriesen wurde. Auch finde ich nirgends – wofern man nicht den Wink Sanuto's dafür nehmen will – die Behauptung aufgestellt, daß Eifersucht auf seine Gemahlin die Triebfeder des Dogen gewesen sei, vielmehr scheint ihn einzig die Verehrung für sie und die Achtung für seine eigene Ehre, die auf seine vergangenen Dienste und seine gegenwärtige Würde fußte, geleitet zu haben.

Von Engländern hat nur Dr. Moore die geschichtliche Thatsache in seiner Schilderung Italiens behandelt. Seine Darstellung ist jedoch unrichtig und oberflächlich, voll schaler Witze über alte Männer und junge Frauen: er wundert sich, daß eine so geringfügige Ursache eine so große Wirkung gehabt habe. Wie ein so scharfer und strenger Beobachter von Menschen, wie der Verfasser des Zeluco war, sich hierüber wundern konnte, ist schwer zu begreifen. Er wußte doch, daß ein auf Mistreß Masham's Kleid verschüttetes Glas Wasser den Herzog von Marlborough seines Commandos beraubte und zu dem unrühmlichen Frieden von Utrecht führte; daß Ludwig XIV. in den furchtbarsten Krieg verwickelt wurde, nur weil es seinen Minister Louvois geärgert hatte, daß der König ein Fenster im Schlosse tadelte und er ihn mit etwas Anderem beschäftigen wollte; daß Troja durch Helena verloren ging; daß die Tarquinier durch Lucretia aus Rom vertrieben wurden; daß Cava die Mauren nach Spanien brachte; daß ein beschimpfter Ehemann die Gallier nach Clusium und von da nach Rom führte; daß ein Vers Friedrich's II. von Preußen an den Abbé de Bernis und ein Witz über Madame de Pompadour die Schlacht von Roßbach zur Folge hatte; daß die Entführung Dearbhorgils durch Mac Murchad die Engländer veranlaßte, Irland in Ketten zu schlagen; daß ein persönlicher Hader zwischen Marie Antoinette und dem Herzog von Orleans die erste Verbannung der Bourbons beschleunigte; daß Commodus, Domitian und Caligula nicht wegen ihrer offenkundigen Tyrannei, sondern als Opfer der Privatrache fielen; daß der Befehl, welcher Cromwell das Schiff wieder verlassen hieß, in welchem er schon nach Amerika segeln wollte, den König und die Monarchie vernichtete. Nach solchen Vorgängen brauchte sich Dr. Moore darüber nicht zu wundern, daß ein Mann, der zu befehlen gewohnt war, und der die wichtigsten Aemter inne gehabt, in der Hitze seines Alters es aufs Aeußerste empfand, daß die gröbste Beleidigung, die einem Manne, sei er nun Fürst oder Bauer, angethan werden kann, ungerochen bleiben sollte. Das Alter Faliero's macht nichts zur Sache, es wirkt im Gegentheil nur verstärkend:

Strohfeuer ist des jungen Mannes Wuth, Des Greisen Grimm ist Stahl in rother Glut, Der Jüngling schnell verletzt und schnell vergißt, Der Greis in Beidem sehr bedächtig ist.

Laugier's Betrachtungen sind philosophischer:Tale fu il fine ignominioso di un uomo, che la sua nascità, la sua età, il suo carattere dovevano tener lontano dalle passioni produttrici di grandi delitti. I suoi talenti per lungo tempo esercitati ne' maggiori impieghi, la sua capacità sperimentata ne' governi e nelle ambasciate, gli avevano acquistato la stima e la fiducia de' cittadini, ed avevano uniti i suffragj per collocarlo alla testa della republica. Innalzato ad un grado che terminava gloriosamente la sua vita, il risentimento di un' ingiuria leggiera insinuò in suo core tal veleno che bastò a corrompere le antiche sue qualità, e a condurlo al termine dei scellerati, serio esempio, che proba non esservi età, in cui la prudenza umana sia sicura, e che nell' uomo restanto sempre passiono capaci a disonorarlo, quando non invigili sopra se stesso.Dies war das schmachvolle Ende eines Mannes, den Geburt, Alter und Charakter von den Leidenschaften hätten ferne halten sollen, welche große Verbrechen zur Folge haben. Die Talente, welche er viele Jahre lang in Ausübung der höchsten Aemter an den Tag gelegt hatte, seine Befähigung, welche, sich in der Verwaltung von Provinzen und bei Gesandtschaften gezeigt hatte, hatten ihm die Achtung und das Vertrauen seiner Mitbürger erworben und alle Stimmen vereinigt, um ihn an die Spitze der Republik zu stellen. Auf eine Stelle erhoben, wo er sein Leben ruhmvoll abschließen konnte, erzeugte eine leichte Beleidigung einen solchen Ingrimm in seinem Herzen, daß er genügte, um seine trefflichen Eigenschaften zu vernichten und ihm das Ende der Verbrecher zu bereiten, ein mächtiger Beweis, daß es kein Alter gibt, in welchem die menschliche Klugheit auf ganz sichern Füßen steht, und daß sich in jedem Menschen Leidenschaften bergen, die ihn entehren können, wenn er nicht über sich wacht.

Wo hat Dr. Moore gefunden, daß Marino Faliero um sein Leben gebeten habe? Ich habe die Chroniken deshalb durchgestöbert, aber nichts der Art zu entdecken vermocht. Allerdings hat er Alles bekannt, auch die Tortur bestanden; aber nirgends steht, daß er um Gnade gefleht habe. Schon der Umstand, daß er auf die Folter gespannt wurde, spricht dafür, daß er keinen Mangel an Festigkeit gezeigt hat. Es wäre dies gewiß von den ins Detail eingehenden Geschichtschreibern, die ihn durchaus nicht schonen, erwähnt worden. Ein solches Benehmen wäre mit seinem Charakter als Soldat, mit der Zeit, in der er lebte, und dem Alter, in dem er starb, ebenso wenig zu vereinigen wie mit der historischen Wahrheit. Die Verleumdung eines geschichtlichen Charakters läßt sich aber durch nichts entschuldigen, mag derselbe uns in der Zeit noch so ferne liegen. Den Todten und den Unglücklichen ist man Wahrheit schuldig. Diejenigen, welche auf dem Schaffot gestorben sind, haben in der Regel wirkliche Fehler genug gehabt; man braucht ihnen nicht auch noch solche anzudichten, welche schon dadurch, daß sie sich den Gefahren ausgesetzt, die zu ihrem gewaltsamen Tode führten, ganz unwahrscheinlich werden. – Der schwarze Schleier, welcher in der Dogengalerie über die Stelle des Marino Faliero gemalt ist, und die Riesentreppe, auf welcher er gekrönt, abgesetzt und enthauptet wurde, erregten meine Einbildungskraft ebenso sehr, wie sein ungestümer Charakter und seine merkwürdige Geschichte. Im Jahre 1819 ging ich mehr als einmal nach der Kirche San Giovanni e Paolo und suchte nach seinem Grabe. Als ich einst vor dem Grabmal einer anderen Familie stand, kam ein Priester zu mir her und bemerkte: »Ich kann Ihnen noch schönere Denkmäler zeigen«. Ich sagte ihm: ich suche die Gräber des Hauses Faliero und besonders das des Dogen Marino. »O,« erwiderte er, »das will ich Ihnen zeigen!« und führte mich an die Außenseite der Kirche, wo ich einen Sarkophag mit einer nicht mehr leserlichen Inschrift in der Mauer erblickte. Er sagte, der Sarkophag habe sich in einem benachbarten Kloster befunden, sei aber während der Anwesenheit der Franzosen von dort entfernt und an seine gegenwärtige Stelle verbracht worden. Er habe bei diesem Anlaß die Gruft selbst gesehen, wo man noch einige Gebeine, aber keine sichere Spur der Enthauptung vorgefunden habe. Die Reiterstatue, die ich im dritten Acte als vor dieser Kirche stehend erwähnte, ist übrigens nicht die eines Faliero, sondern eines weniger bekannten Generals aus späterer Zeit. Bartol. Colleoni 1495.

Es gab vor Marino noch zwei Dogen aus seiner Familie: nämlich Ordelafo, der im Jahre 1117 bei Zara, wo sein Nachkömmling die Ungarn schlug, fiel, und Vital Faliero, der schon im Jahre 1082 regierte. Die Familie stammte aus Fano und gehörte nach Alter und Reichthum zu den ersten Geschlechtern einer Stadt, die sich der reichsten und ältesten Häuser Europa's rühmte. Die Ausführlichkeit, womit ich mich über diesen Gegenstand verbreite, beweist, welch großes Interesse ich daran nehme. Ob mir nun die Tragödie gelungen ist oder nicht, so habe ich doch jedenfalls eine der Erinnerung würdige geschichtliche Begebenheit in unsere Sprache übertragen.

Es ist jetzt vier Jahre her, daß ich das Werk begann. Ehe ich die Urkunden geprüft hatte, war ich geneigt, die Sache auf die Eifersucht Marino's zurückzuführen. Als ich aber sah, daß sich dies historisch nicht begründen ließ, und mir überdies die Eifersucht als ein ausgepeitschtes Thema erschien, gab ich dem Drama eine mehr historische Färbung. Der verstorbene Matthew Lewis, mit dem ich im Jahre 1817 in Venedig über mein Vorhaben sprach, gab mir hiebei einen guten Rath. »Wenn Sie ihn eifersüchtig machen,« sagte er, »so haben Sie mit Schriftstellern zu rivalisiren, deren Ruf fest begründet ist; Shakespeare's nicht zu gedenken, Ueberdies bleibt es ein verbrauchtes Thema. Halten Sie sich deshalb lieber an den wirklichen Charakter des heftigen alten Dogen, mit dem Sie wol hinauslangen, wenn er richtig gezeichnet wird; und machen Sie Ihren Plan so einfach als möglich.« Sir William Drummond gab mir nahezu den gleichen Rath. Inwieweit es mir gelungen ist, diesen Männern zu folgen, oder ob ihr Rath wirklich ein richtiger war, möge das Publikum entscheiden.

Ich dachte dabei nicht an eine Darstellung auf der Bühne. Bei dem gegenwärtigen Zustande derselben könnte eine solche Darstellung auch nicht wohl das Ziel dichterischen Ehrgeizes sein. Ich selbst bewegte mich zu viel hinter den Coulissen, um zu glauben, daß die Bühne jemals etwas so Großes sein könnte, um unsern Ehrgeiz zu erregen. Ich kann auch nicht begreifen, wie sich ein Mann von empfindlichem Nervensystem der Gnade eines Auditoriums preisgeben mag. Der spöttelnde Leser, die laute Kritik und der beißende Recensent sind vereinzelte und mehr fern liegende Unannehmlichkeiten; aber das Gestampfe einer verständigen oder auch einer unverständigen Zuhörerschaft bei einer Darstellung, die, ob nun gut oder schlecht, jedenfalls den Schriftsteller eine geistige Anstrengung gekostet hat, ist ein unmittelbarer und greifbarer Schmerz, der dadurch noch erhöht wird, daß man die Urtheilsfähigkeit des Publikums bezweifelt, und einsieht, wie unklug man handelte, als man es zum Richter erkor. Wäre ich im Stande ein Drama zu schreiben, welches als bühnengerecht erachtet werden könnte, so würde mir der Erfolg kein sonderliches Vergnügen, ein Mißerfolg dagegen großen Aerger bereiten. Aus diesem Grunde habe ich, selbst zu der Zeit, da ich dem Comité eines Theaters angehörte, nie einen Versuch gemacht, ein Stück von mir au die Bühne zu bringen und werde es auch künftig nicht thun. So lange ich im Untercomité des Drury Lane-Theaters saß, haben meine Collegen und wie ich mir schmeichle, auch ich Alles gethan, um das ächte Drama wieder zur Geltung zu bringen. Ich versuchte alles Mögliche, um de Montfort wieder auf die Beine zu bringen, jedoch umsonst; ebenso wirkte ich vergebens zu Gunsten von Sotheby's »Iwan«, der doch als bühnenfähiges Stück galt. Auch gab ich mir alle Mühe, Coleridge zum Dichten einer Tragödie zu veranlassen. Diejenigen, welche nicht hinter die Coulissen sehen, werden es kaum glauben, daß »die Lästerschule« dasjenige Stück war, welches am wenigsten Geld eintrug, wenn man die Durchschnittssumme seiner Vorstellungen in Rechnung zieht. So versicherte mir wenigstens der Unternehmer Dibdin. Was seit der Aufführung von Matuvins »Bertram« geschah, weiß ich nicht. Vielleicht thue ich aus Unwissenheit eingen trefflichen neueren Dramatikern Unrecht; sollte dies der Fall sein, so bitte ich ihnen ab. Ich war beinahe fünf Jahre von England abwesend, lese erst seit einem Jahre wieder englische Zeitungen und wurde bis dahin nur durch den Pariser Galignani und zwar nur für die letzten zwölf Monate mit Theaterangelegenheiten auf dem Laufenden erhalten. Ich bitte deshalb alle tragischen oder komischen Schriftsteller, denen ich zwar alles Gute wünsche, von denen ich aber nichts weiß, um Verzeihung. – Die Klage über den gegenwärtigen Zustand der Bühne hat übrigens ihren Grund nicht in den Schauspielern. Ich kenne keine besseren Darsteller als Kemble, Cooke und Kean in ihren sehr verschiedenen Partieen, oder als Elliston im feineren Lustspiel und einigen tragischen Rollen. Miß O'Neill sah ich nie, da ich den festen Vorsatz gefaßt und bis jetzt auch gehalten habe, mir die Erinnerung an die Siddons durch nichts zu stören oder theilen lassen. Die Siddons und Kemble waren meine Ideale tragischer Darstellung; ich sah nie Etwas, was ihnen gleichkam, nicht einmal in der äußeren Erscheinung. Deshalb werden wir Coriolan und Macbeth nicht wieder sehen wie damals. Wenn man an Kean getadelt hat, daß es ihm an Würde fehle, so müssen wir bedenken, daß dies etwas Angeborenes und nicht Sache der Kunst ist, noch durch Studium gewonnen werden kann. In allen nicht übernatürlichen Rollen ist Kean vollkommen, selbst seine Fehler gehören zu der Rolle, oder scheinen dazu zu gehören, und erscheinen wahrer als die Natur. Von Kimble aber können wir mit Beziehung auf seine Darstellungsgabe dasselbe sagen, was der Cardinal de Retz von dem Marquis von Montrose sagte: »er ist der einzige Mann, der uns an die Helden des Plutarch erinnert hat«. Aber gewiß ist da, wo eine Johanna Baillie, ein Millman und em John Wilson leben, eine dramatische Kraft vorhanden. »Die Stadt der Pest« und »Der Fall von Jerusalem« gehören zu dem besten Tragödienmaterial, das seit Horace Walpole da war, mit Ausnahme einiger Stellen aus Ethwald und de Montfort. Es ist jetzt Mode. Horace Walpole herabzusetzen, erstens weil er von Adel und zweitens weil er en Mann von Welt ist. Aber abgesehen von seinen unvergleichlichen Briefen und von dem Castell von Otranto, ist er der »ultimus Romanorum«, der Verfasser der geheimnißvollen Mutter, einer Tragödie ersten Ranges, die von einem winselnden Liebesstück weit entfernt ist. Er ist der Vater des ersten Romans und der letzten Tragödie in unserer Sprache, und gewiß eines höheren Platzes würdig als jeder lebende Schriftsteller, heiße er wie er wolle.

Bei Besprechung meines Marino Faliero vergaß ich vorhin zu erwähnen, daß der Wunsch, mich mehr der dramatischen Einheit zu nähern, als der Regellosigkeit zu fröhnen, die man dem englischen Drama häufig zum Vorwurf macht, mich veranlaßt hat, die Verschwörung als bereits vorhanden anzunehmen und den Dogen erst hinzutreten zu lassen, während dieselbe in Wahrheit durch ihn und Israel Bertuccio angezettelt wurde. Die übrigen Charaktere – den der Dogaresse ausgenommen – die näheren Umstände und nahezu auch die Zeit, die für ein solches Beginnen in der Wirklichkeit merkwürdig kurz war, sind streng historisch behandelt, mit der alleinigen Ausnahme, daß in der Wirklichkeit alle Berathungen der Verschworenen im Dogenpalaste selbst Statt fanden. Hätt' ich dies beibehalten, so wäre die Einheit noch besser gewahrt worden. Es war mir aber darum zu thun, den Dogen mitten unter die versammelten Verschworenen treten zu lassen, statt daß er in monotoner Weise stets im Dialog mit den gleichen Individuen erschien.

Der Anhang enthält den wirklichen Thatbestand.

Personen des Dramas.

Marino Faliero, Doge von Venedig. Bertuccio Faliero, dessen Neffe. Lioni, Patrizier und Senator. Benintende, Präsident des Raths der Zehen. Michel Steno, eines der drei Häupter der Vierzig. Israel Bertuccio, Arsenalaufseher, Philipp Calendaro, Dagolino, Verschworene. Bertram, Offiziere vom Nachtdienst. Erster Bürger. Zweiter Bürger. Dritter Bürger. Vincenzo, Pietro, zum Hause des Dogen gehörig. Battista, Secretär des Raths der Zehen. Wachen. Verschworene, Bürger. Der Rath der Zehen. Die Giunta. Angiolina, Gemahlin des Dogen. Marianna, ihre Freundin. Weibliche Dienerschaft.Ort der Handlung: Venedig im Jahre 1355.

Erster Akt

Erster Auftritt.

Vorsaal im Dogenpalast.

Pietrotritt im Gespräch mit Battista herein.

Pietro. Der Bote ist noch nicht zurück?

Battista. Noch nicht! Ich sandte öfter, wie Ihr mir befahlt; Doch immer noch beräth die Signoria. Sie streitet lange über Steno's Strafe.

Pietro. Zu lange, meint der Doge.

Battista. Wie erträgt Er dieses Aufschubs Pein?

Pietro. Mit Ungeduld!

An seinem Dogenschreibtisch sitzt er, den Ein großer Schriftenkram des Staates deckt: Bittschriften, Meldungen, Erlasse, Akten, Aufschubbefehle, Richtersprüche – kurz Er scheint ganz aufgegangen in dem Amt; Doch wenn er eine Thüre gehen hört, Etwas, das wie ein Schritt, der nahet, schallt, Das Murmeln einer Stimme – blitzt sein Aug' Uno er fährt auf von seinem Stuhl, hält inn' Und setzt sich wieder, heftet neu den Blick Auf ein Decret. Doch sah ich wol, daß er Kein Blatt gewendet seit der letzten Stunde.

Battista. Es heißt, er sei sehr aufgebracht. Es war Von Steno auch ein schlechter Spaß, so grob Ihn zu beleidigen.

Pietro. Jawol, wenn er Ein armer Teufel wär'! Doch Steno ist Ein Nobile und keck und flott und stolz.

Battista. So glaubt Ihr wol, er werd' nicht hart gestraft?

Pietro. Es wär' genug, würd' er gerecht gestraft. Doch unsre Sache ist es nicht, den Spruch Der Vierzig schon im Voraus zu bekritteln.

Battista. Da kommt er ja! – Wie ist's, Vincenzo?

Vincenzo tritt auf.

Vincenzo. Nun! Das Urtheil ist gefällt, jedoch bis jetzt Noch unbekannt. Ich sah es selbst, wie grad' Der Präsident sein Siegel drückte auf Das Pergament, das jener Vierzig Spruch Dem Dogen bringt, und eile, ihm's zu künden. (Alle ab.)

Zweiter Auftritt.

Gemach des Dogen.

Marino Faliero. Bertuccia Faltern.

Bertaccio Faliero. Sie müssen Euch Gerechtigkeit gewähren!

Doge. Wir die Avogadori thaten – ja! Als meine Klage an die Vierzig sie Gesandt, damit er dort durch seines Gleichen, Sein eigen Tribunal gerichtet würd'!

Bertuccio Faliero. Die werden schwerlich ihn beschützen können: Ein solch' Vergehn kränkt jede Obrigkeit.

Doge. Kennt Ihr Venedig nicht? Die Vierzig nicht? Doch gleich wird man's ja sehn.

Bertuocio Fallera(zu dem eintretenden Vincenzo.) Was gibt es Neu's?

Vincenzo. Ich bin beauftragt, Seiner Hoheit kund Zu thun, daß seinen Spruch erlassen hat Der Hof, und nach durchlauf'nem FormengangZu Füßen ihn dem Dogen legen wird. Zugleich begrüßen jene Vierzig Euch Als Haupt der Republik und bitten Euch, Den Ausdruck zu genehm'gen ihrer Pflicht.

Doge. Ja! sie sind äußerst pflichtgetreu und stets Demüthiglich! Ihr sagt, das Urtheil sei Gefällt?

Vincenzo. So ist es, Hoheit! Als man mich Hereinrief, siegelt' es der Präsident, Damit kein Augenblick verloren ging, Um nicht dem Haupte nur der Republik, Nein, auch dem Kläger, die ja beide Eins, Die schuld'ge Mittheilung davon zu machen.

Bertuccio Faliero. Habt Ihr aus irgend einem Umstand wol Den Inhalt ihres Urtheilsspruchs errathen?

Vincenzo. Nein, Herr! Ihr wißt ja, wie geheimnißvoll Die Richter in Venedig sind.

Bertuccio Faliero. Wol wahr, Doch gibt es immer was, das schließen läßt, Wenn feine Nase, scharfes Auge spürt: Ein Flüstern, Murmeln, eine Miene selbst, Die ernster oder wen'ger ernst sich zeigt. Die Vierzig sind doch immer Menschen nur, Sehr ehrenwerthe, weise und gerechte, Ich geb' es zu, und so geheimnißvoll Fast wie das Grab, zu dem sie Manchen schon Verdammt; jedoch trotz alle Dem kann man Aus ihren Mienen, wenigstens der Jungen, Mit einem scharfen Blick, mit einem Blick, Wie Eurer ist, Vincenzo! einen Spruch, Noch eh' er ausgesprochen, sattsam lesen.

Vincenzo. Man schickte gleich mich weg, Signor, so daß Ich keine Zeit bekam, zu merken, was Sich in den Mienen dieser Herrn begab; Auch ließ mich meine Stellung, nahe bei Dem Angeklagten, Michel Steno, nicht –

Doge(heftig.) Und wie sah Er aus? Das berichtet mir.

Vincenzo. Nun, ruhig, nicht betrübt. Er schien ergeben, Was immer auch sein Urtheil möchte sein. Doch seht, da bringt man Euch den Spruch!

DerSecretärder Vierzig tritt ein.

Secretär. Der Vierzig hohes Tribunal entbeut Ehrfurcht und Heil dem Dogen Faliero, Venedigs höchster Obrigkeit, und bittet, Daß Seine Hoheit les' und gut befinde Den Spruch, den über Michel Steno, den Patrizier, es gefällt, der wegen desVergehns ward angeklagt, das nebst der Strafe In dem Berichte hier enthalten ist.

Doge. Zieht euch zurück und wartet draußen.

(Der Secretär und Vincenzo treten ab.)

Nimm! Die Zeichen schwimmen mir wie Nebel vor Dem Aug', ich kann sie fest nicht halten.

Bertuccio Faliero. Ruh'! Faßt, theurer Oheim, Euch! Was zittert Ihr? Es fällt gewiß nach Eurem Wunsche aus.

Doge. Mach' fort!

Bertuccio Faliero(liest). »Einstimmig ward beschlossen heut' Im Rath, daß Michel Steno, der – wie selbst Er zugestanden – in der letzten Nacht Des Carnevals den Dogensessel mit Den Worten frech beschrieb« –

Doge. Willst etwa du Sie wiederkäun? Du, ein Faliero selbst, Dich wälzen in der Schande unsres Hauses, Das man in seinem Haupt beschimpft, dem Fürsten Des einzigen Venedig? – Fort! den Spruch!

Bertuccio Faliero. Verzeihung, lieber Oheim! Ich gehorche:(Liest.) »Daß Michel Steno einen Monat lang In strenger Haft gehalten werden soll« –

Doge. Nun weiter, weiter!

Bertuccio Faliero. Es ist aus.

Doge. Was sagst Du? Aus?! – Ja träum' ich denn? – Das ist nicht wahr! Gib das Papier! (Reißt ihm das Papier aus der Hand und liest:) »– Beschlossen heut' im Rath, Daß Michel Steno« – – Neffe, deinen Arm!

Bertuccio Faliero. Faßt Euch! nur Ruh'! Dies unvorhergeseh'ne – Ich will nach Beistand gehn.

Doge. Halt, Neffe! Bleib! 'S ist schon vorbei!

Bertuccio Faliero. Ich muß wol Recht Euch geben: Der Spruch ist für die Schmähung allzu leicht. Nicht ehrenwerth von jenen Vierzig ist's, So nied're Strafe für was anzusetzen, Das eine schwere Kränkung war für Euch, Und selbst für sie als Eure ersten Räthe. Doch ist die Sache drum noch nicht verloren, Noch einmal könnt' an sie ihr appelliren, Könnt' auch an die Avogadori gehn, Die, sehn sie jetzo, daß kein Recht Euch ward, Gewiß den vorher abgelehnten Fall Zu Händen nehmen und den kecken FrevlerJetzt richten werden nach Gerechtigkeit. Seid Ihr nicht auch der Ansicht, lieber Ohm? – Warum in Euch gekehrt? – Ihr hört mich nicht. – Ich bitt' Euch, hört!

Doge(wirft die Dogenmütze zu Boden und will sie mit Füßen treten, wird aber von seinem Neffen zurückgehalten). O nähm' der Sarazen San Marco's Stadt! So wollt' ich huld'gen ihm!

Bertuccio Faliero. Um's Himmels, aller Heil'gen willen, Ohm!

Doge. Hinweg! o wär' der Genuese hier! O stünd' der Ungar, den bei Zara ich Darniederwarf, jetzt vor dem Dogenschloß!

Bertuccio Faliero. Venedig's Doge sollte so nicht sprechen.

Doge. Venedig's Doge! Wer ist Doge hier? Ich möcht' ihn sehn, daß er mir Recht verschaffe.

Bertuccio Faliero. Wenn Amt und Pflicht und Würde Ihr vergeßt, Gedenkt der Mannespflicht, und laßt Euch nicht Hinreißen von der Leidenschaft. Ein Doge –

Doge(unterbricht ihn). 'S gibt keinen mehr! Es ist ein Wort! nein, nicht Einmal! Zum schnöden Sprichwort ward's! So heißt Von nun an ein verachteter Gesell, Ein vielgeschmähter, hilflos armer Wicht! Wer fruchtlos bei dem Einen fleht um Brod, Trifft bei dem Andern doch ein milder Herz. Wer aber da, wo Recht man finden soll, Kein Recht erhält, ist ärmer als der Bettler, Der abgewiesen ward: er ist ein Sklave! Und das bin ich von dieser Stunde an, Bist du, ist unser ganzes Haus! Der Lump Wird mit den Fingern höhnisch auf uns deuten, Der stolze Edelmann mag nach uns spein. Wo finden Hilfe wir?

Bertuccio Faliero. In dem Gesetz, Mein Fürst!

Doge(unterbricht ihn). Ihr seht, was es vermag. Nur beim Gesetz hab' Hilfe ich gesucht. Nicht Rache, Genugthuung nur sucht' ich beim Gesetz; Berief die Richter nur nach dem Gesetz, Bat meine Untergeb'nen – ich, der Fürst! – Die Männer, die zum Herrscher mich gemacht Und so ein doppelt Recht mir gaben, so Zu thun. Das Recht des Rangs, der Wahl, des Bluts Verdienst's, des Alters, diese Narben hier, Mein graues Haar, so manche Müh' und Noth, Gefahr und Pein von achtzig Jahren fast, Mein Blut und Schweiß, sie lagen in der Schale Und in der andern der gemeinste Schimpf,Die gröbste Kränkung, das verächtlichste Vergehn, ein frecher, geiler, hitziger Patrizier, – und in die Luft geschnellt! Ist das zu tragen, he?

Bertuccio Faliero. Das sag' ich nicht. Wenn ein erneuter Anruf scheitern sollte, So finden wir wol andre Mittel noch.

Doge. Ein neuer Anruf? Bist mein Neffe du? Ein Sprosse du von der Faliero Stamm? Des Dogen Neffe? von dem Fürstenblut, Das drei Mal schon Venedig Dogen gab? Doch du hast Recht! Jetzt gilt's demüthig sein.

Bertuccio Faliero. Ihr seid zu aufgeregt, mein Fürst und Ohm! Ich geb' es zu: der Schimpf war grob, und gröblich Ward keine Strafe ihm, wie sich geziemt; Doch Eure Wuth schießt übers Ziel hinaus. Wenn man uns Unrecht that, so fordern wir Gerechtigkeit; wird sie verweigert, nun, So nehmen wir sie selbst. Doch alles Das Kann ja in Ruh' geschehn. Die tiefe Rache Ist tiefsten Schweigens Kind. Ich zähle kaum Den dritten Theil erst Eurer hohen Jahre, Ich liebe unser Haus, ich ehre Euch, Des Hauses Haupt und meiner Jugend Hüter. Doch wenn ich Euern Schmerz verstehen kann Und halb auch theile Euern Zorn, erschreckt Mich's doch, Euch wie die Adria empört Zu schaun, wenn über alle Schranken weg Sie stürmt und in die Lüfte speit den Schaum.

Doge. Ich sage dir – muß ich dir sagen, was Dein Vater ohne Wort verstanden hätt'? Hast du denn keinen Sinn für eine Qual, Die innen auf die Folter spannt? Hast du Denn weder Seel', noch Stolz, noch Leidenschaft, Noch tiefes Ehrgefühl?

Bertuccio Faliero. Zum ersten Mal Wird meine Ehre angezweifelt und – Zum letzten Mal, wenn es ein Andrer that!

Doge. Du kennst die ganze Schmähung dieses Schufts, Des feigen, geilen, schmeichlerischen Wichts, Der seinen Stachel in der Giftschrift ließ, Und der – o Gott! der Ehre meines Weibs, Dem nächsten, liebsten Theil der Mannesehre Den schnöden Fleck anhing, der nun von Mund Zu Mund im wüsten Pöbel läuft, verbrämt Mit grobem Zusatz, ekelhaftem Witz, Unzücht'gem Spaß; indeß der NobileIn fein'rer Weise drüber spottet, scherzt, Geschichtchen flüstert und den Lug belächelt, Der mich zu seines Gleichen machen soll, Zum höf'schen Hahnrei, der geduldig – ja Vielleicht mit Stolz sogar die Schande trägt.

Bertuccio Faliero. Gleichwol war's Lüge, und Ihr wußtet das, Und Jedermann –

Doge. Der hohe Römer sprach: »Auch nicht verdächt'gen darf man Cäsars Weib!« Und er verstieß sie, Neffe!

Bertuccio Faliero. Wol! Doch damals –

Doge. Kann, was ein Römer nicht ertragen wollt', Ein Venetianer Fürst erdulden? Hör! Der alte Dandolo schlug einst die Krone Des großen Cäsars aus, und trug die Mütze Des Herzogs stolz, die ich mit Füßen trat, Weil sie entwürdigt ist.

Bertuccio Faliero. Ja, ja! so ist's.

Doge. Es ist, es ist! – Ich suchte es nicht heim An jener Reinen, die man angeschwärzt, Weil einen Greis zum Manne sie erwählt, Der lange ihres Vaters Freund gewesen Und ihres Hauses Schutz; als ob das Herz Des Weibs nur Jugendlust und glattes Kinn Nur lieben könnt'. Ich suchte drum an ihr Des Schurken Niederträchtigkeit nicht heim, Ich heischte für sein Haupt nur meines Lands Gerechtigkeit, die man dem Letzten schuldet, Der eine Frau hat, deren Treu ihm werth, Und eine Heimat, deren Herd ihm lieb, Und einen Namen, dessen Ehr' ihm Alles, Wenn der verfluchte Hauch der Spötterei Und der Verleumdung sie beschmutzt.

Bertuccio Faliero. Und was Habt als gerechte Strafe Ihr erhofft?

Doge. Den Tod! – Bin ich nicht Oberhaupt des Staats? Ward nicht der Thron beschimpft, und lächerlich Im Aug' des Volkes, das mich achten soll, Gemacht? Ward ich als Gatte nicht entehrt? Als Mann verletzt, als Fürst geschmäht, beschimpft? War eine Läst'rung dieser Art nicht halb Ein Hochverrat? Und dieser Bube lebt! Hätt' mit dem Makel statt des Dogen Thron Er eines Bauern niedern Stuhl beschmutzt, Die Schwelle hätt' sein Blut gesehn, der Kerl Hätt' ihn sofort erdolcht!

Bertuccio Faliero. Er hat gelebt,Eh' diese Sonne sinkt! Beruh'ge dich Und laß mich machen nur.

Doge. Halt, Neffe, halt! Das hätte gestern noch genügt; doch heut' Fühl' keinen Zorn ich mehr auf diesen Mann.

Bertuccio Faliero. Wie? Ist denn die Beleid'gung nicht verdoppelt, Seit er so schmählich losgesprochen ward? Nein, schlimmer noch! sie ward ja anerkannt Und dennoch bleibt er ungestraft.

Doge. Jawol Ward sie verdoppelt, aber nicht durch ihn. Die Vierzig haben einen Monat Haft Bestimmt. Den Vierzig müssen wir gehorchen.

Bertuccio Faliero. Gehorchen, ihnen? die doch selbst die Pflicht Versagt, die ihrem Herrn sie schuldig sind?

Doge. Gottlob! Du merkst es also endlich, Knabe! Ob ich nur Bürger, der sein Recht verfolgt, Ob ich der Herrscher, der es heischen kann, Sie haben Beider Rechte mich beraubt (Denn auch der Herrscher ist hier Bürger ja). Trotz all Dem sollst dem Steno du kein Haar Auf seinem Haupte krümmen – lang trägt er's Nicht mehr.

Bertuccio Faliero. Nicht einen halben Tag mehr, hättst Du mir die Art und Weise überlassen Und ruhig mich gehört. Es fiel mir ja Nicht ein, daß es so hingehn sollt' dem Schuft. Aufhalten wollt' ich nur der Leidenschaft Erguß, damit wir sichrer schafften Rath, Wie aus dem Weg man ihn –

Doge. Nein! er muß leben, Jetzt wenigstens! Ein so gemeines Leben Zu opfern, wär' jetzt nichts. Im Alterthum Bracht' man gewisser That ein Einzelopfer, Doch große Sühnen heischten Hekatomben.

Bertuccio Faliero. Dein Wunsch ist mir Befehl. Doch gern bewies Ich dir, wie nahe meinem Herzen stets Die Ehre unsres Hauses ging und geht.

Doge. Sei unbesorgt, es kommt die Zeit, der Ort, Wo du's beweisen kannst. Indessen sei Du nicht so hitzig wie ich war. Ich schäm' Jetzt meines eig'nen Zornes mich; ich bitte, Verzeihe mir.

Bertuccio Faliero. Das ist mein Oheim wieder! Der General, der Staatsmann und das Haupt Der Republik, der Herrscher seiner selbst! Ich mußt' mich wundern, als in Eurer WuthIhr trotz dem grauen Kopf die Klugheit so Vergessen konntet, war der Anlaß auch –

Doge. Ja diesen Anlaß überlegt Euch wohl, Vergeßt ihn nicht. Wenn Ihr Euch niederlegt, So mög' er schwarz vor Euern Träumen stehn, Und wenn der Morgen kehrt, Euch wie ein bös Gewölk an einem Sommer-Festestag Die Sonn' verdecken. So wird mir es sein! Doch sagt nichts, thut nichts! überlaßt mir Alles, Wir werden viel zu thun bekommen, und Auch Ihr sollt eine Rolle dabei haben. Nun aber geht; ich muß allein jetzt sein.

Bertuccio Faliero(nimmt die Dogenmütze vom Boden und legt sie auf den Tisch). Ich bitt' Euch, eh' ich geh, daß Ihr, was Ihr Mit Füßen tratet, wieder nehmt, bis Ihr In eine Krone es verwandeln könnt. Nun nehm' ich Abschied und ersuche Euch, In allen Stücken fest auf mich zu zählen: Als Euern nah'n und treuen Anverwandten Und ebenso ergebnen Unterthan. (Bertuccio Faliero ab.)

Doge. Leb' wohl, mein würd'ger Neffe! (ergreift die Dogenmütze) hohle Nuß! Mit allen Dornen einer Kron' besetzt, Doch ohne daß du der beschimpften Stirne Des Königs Macht und Majestät verleihst! Du eitler, güld'ner und entehrter Tand! Ich setz' dich heute auf wie ein Visir. (Setzt sie auf.) Wie schmerzt die Stirne unter dir! Die Schläfe Klopft fiebrisch unter deiner schnöden Last. Kann ich dich nicht zum Diademe wandeln? Kann den Briarens-Scepter ich nicht brechen, Womit der hunderthändige Senat Hier herrscht, das Volk zu Nichts, den Fürsten selbst Zur Puppe macht? Nicht minder Schwieriges Hab' ich ja schon gethan, für sie gethan, Die also mir gelohnt. Kann ich's der Brut Nicht geben heim? O hätt' ich nur ein Jahr, Nur einen Tag der vollen Jugendkraft, Als noch mein Körper meiner Seele diente, Wie seinem Herrn das edle Roß, ich würf' Mich unter sie und brauchte wenig Hilfe, Um die geschwoll'nen Herren hinzustürzen! So aber muß ich umschaun mich nach Armen, Die dienen diesem grauen Haupt. Doch soll's Ersinnen einen solchen Plan, daß das Geschäft nicht zu herkulisch wird, wenn auch Chaotisch erst noch die Gedanken brüten.Schon ist die Phantasie am Werk und hält Die schlafenden Gebilde an das Licht, Daß prüfend der Verstand darunter wähle. Von Truppen sind nur wenig in– – (Vincenzo tritt auf.)

Vincenzo. Ein Mann Steht draußen, gnäd'ger Herr, und bittet um Gehör– –

Doge. Ich bin nicht wohl, kann Niemand sehn, Selbst 'nen Patrizier nicht. Er möge an Den Rath sich wenden.

Vincenzo. Gut! Ich will's ihm sagen. Es kann nicht von Bedeutung sein; 's ist ein Plebejer nur, Galeerenmeister, glaub' ich.

Doge. Wie? ein Galeerenmeister sagt Ihr? nicht? Das ist, denk' ich, ein Diener ja des Staats? Laßt ihn herein: es kann den Dienst betreffen. (Vincenzo ab.) Dem Biedermann will auf den Zahn ich fühlen. Ich weiß, dies Volk ist mißvergnügt, und zwar Mit Recht, seit Sapienza's bösem Tag, Wo Genua siegte. Und ein weit'rer Grund Ist der, daß es im Staat nichts gilt und in Der Stadt noch weniger, daß Alle nur Maschinen sind, der Lust der Herrn zu dienen. Den Truppen ward der oft versproch'ne Sold Lang nicht bezahlt, sie murren drob und hoffen, Daß bald ein Wechsel ihnen Vortheil bringe. Sie würden sich durch Plünd'rung zahlen lassen. Jedoch die Pfaffen, fürcht' ich, mögen nicht Sich anreihn mir; sie hassen mich, seit ich, Durch sein Getrödel ohne Maß erregt, Den säum'gen Bischof von Treviso Eine geschichtliche Thatsache. Siehe Marin Sanuto's Leben der Dogen. schlug, Um zu beschleun'gen seinen heil'gen Gang. Doch mögen gleichwol sie gewonnen werden, Zum wenigsten ihr Haupt in Rom, wenn ich, Ein Zugeständniß mach', das zeitgemäß. Vor Allem aber muß ich mich beeilen! Der Abend meines Lebens dämmert schon Und läßt mir wenig Zeit. Könnt' ich Venedig Befrein, das mir gescheh'ne Unrecht rächen, So hätt' ich lang genug gelebt, und schliefe Am Tag darauf bei meinen Vätern gern. Doch wird mir Solches nicht, dann wäre besser, Es lägen sechzig von den achtzig Jahren Längst da, wo einst – wie bald, das scheert mich nicht! – Die ganze Zahl vermodern wird; ja besser, Sie blühten niemals mir, als daß sie michSo weit gebracht, wie diese Erztyrannen Mich gerne hätten. Ueberlegen wir: Verfügbar sind drei Tausend Mann, die zu –

VincenzoundIsraelBertuccio treten ein.

Vincenzo. Wenn Eurer Hoheit es gefällig wär'! Der Mann, von dem ich sprach, ist hier, Euch um Gehör zu flehn.

Doge. Laß uns allein, Vincenzo!(Vincenzo ab.) Kommt näher, Herr! – Ihr wollt?

Israel. Genugthuung!

Doge. Von wem?

Israel. Von Gott, vom Dogen.

Doge. Ach, mein Freund! Da sucht Ihr sie bei denen Zwei gerad', Die heut zu Tag' am wenigsten hier gelten. Ihr werdet besser an den Rath Euch wenden.

Israel. Das wär' umsonst: der mich beleidigt hat, Sitzt selbst darin.

Doge. Du hast hier Blut am Mund; Wie kam's dahin?

Israel. 'S ist meins! Das erste nicht, Das für Venedig ich vergoß, jedoch Das erste wol durch Venezianer Hand. Mich schlug ein Nobile!

Doge. Und lebt er noch?

Israel. Nicht lang – wenn ich nicht hoffen dürft' und hoffte, Daß Ihr, mein Fürst, der Ihr ja selbst Soldat, Dem helfen wollt, dem Disciplin und das Gesetz Venedigs nicht verstatten, selbst Zu helfen sich. Wo aber nicht – ich sag' Nichts mehr.

Doge. Doch würdet Ihr was thun, nicht wahr?

Israel. Ich bin ein Mann, mein Fürst.

Doge. Und der ist's auch, Der Euch so schlug?

Israel. Man nennt ihn so: noch mehr, Ein Edelmann, zum wenigsten dahier. Doch da er schnöd' vergaß, daß ich ein Mann, Und mich behandelt wie ein Vieh, könnt' leicht Das Vieh – was man vom Wurm sagt – werden.

Doge. Sagt: Wie heißt er und was ist er?

Israel. Barbaro.

Doge. Was gab den Anlaß oder Vorwand her?

Israel. Ich bin der Vorstand unsres Arsenals Und eben jetzt bemüht, gewisse Schiffe, Die von den Genuesen vorig's JahrSchwer mitgenommen, wieder herzustellen. Heut' nun erschien der edle Barbaro Und schmähte mich, weil unsre Handwerksleute Statt einem nicht'gen Auftrag seines Hauses Flugs nachzugehn, des Staates Arbeit thaten. Ich wagt's, die Leute zu entschuldigen. Da hob er seine Hand – und seht mein Blut! Das erste Mal, daß es in Schande floß.

Doge. Wie lang' habt Ihr gedient?

Israel. So lang', daß ich Mich der Belag'rung Zara's wohl entsinne. Ich kämpfte unter dem Gen'ral, der dort Die Ungarn schlug, jetzt Doge Faliero.

Doge. So sind Kam'raden wir! Mein Dogenkleid Ist neu, und Ihr wart schon zum Haupt ernannt Des Arsenals, eh' ich von Rom gekehrt, So daß Ihr mir nicht zu Gesichte kamt. Wer hat Euch angestellt?

Israel. Der letzte Doge. Mein alt Kommando als Galeerenmeister Behielt ich bei. Mein neues Amt ward mir Als Lohn für ein Paar Narben zugetheilt, Wie Euer Vorfahr gnädig mir bemerkte. Ich ahnte damals nicht, daß dieser Lohn Als Flehenden zu Dem, der Jenem folgt', Mich führen würd', zumal in solchem Fall.

Doge. Ist die Verletzung schwer?

Israel. Ja unheilbar In meinem Selbstgefühl.

Doge. Sprecht ganz Euch aus, Und fürchtet nichts. Was wollt beginnen Ihr. Da Ihr so schwer verletzt, um an dem Mann Zu rächen Euch?

Israel. Was ich nicht nennen kann Und doch vollbringen will.

Doge. Und warum dann Kamt Ihr zu mir?

Israel. Gerechtigkeit zu fordern, Weil mein Gen'ral der Doge ist, der es Nicht dulden wird, daß Veteranen man Also mit Füßen tritt. Denn saß ein And'rer Als Ihr, Faliero, auf dem Dogenthron, Dies Blut wär' längst durch andres Blut gewaschen.

Doge. Gerechtigkeit wollt Ihr von mir – von mir? Venedigs Dogen? Die kann ich nicht geben, Kann sie ja nicht erhalten für mich selbst. Vor einer Stunde erst ward feierlichSie mir versagt.

Israel. Was meinet Eure Hoheit?

Doge. Daß Steno nur vier Wochen Haft erhält.

Israel. Der Mensch, der es gewagt, den Dogenstuhl Mit jener schnöden Phrase zu beschmutzen, Die schandhaft schlug an jedes Bürgers Ohr?

Doge. Sie hat wol auch durch's Arsenal getönt Im gleichen Klang mit eurer Hämmer Schlag? Ein guter Spaß dem heitern Handwerksmann, Ein Rundgesang zum Ruderknarren gar, Im wüsten Munde der Galeerensklaven, Der sich, wenn er sein lustig Lied sang, freute, Daß kein beschimpfter Greis er wie der Doge?

Israel. Ist's möglich? Steno nur vier Wochen Haft? Nicht mehr?

Doge. Ihr habt gehört, wie mich der Mensch Geschmäht, jetzt kennt Ihr seine Strafe auch. Sucht Ihr noch immer Hilfe jetzt bei mir? Geht zu den Vierzig, die ob Michel Steno Den Spruch gethan; sie werden sicherlich Dasselbe thun bei Barbaro.

Israel. O dürft' Ich Ausdruck geben dem Gefühl!

Doge. Thut's nur! Nicht schwerer kann gekränkt das meine werden.

Israel. Mit Einem Wort denn: nur von Euch hängt's ab, Zu strafen und zu rächen – nicht etwa Mein kleines Unrecht, denn was ist ein Schlag, So schmählich er auch sei, für Unsereins? – Nein! Die an Eurem Rang geübte Schmach Und an Euch selbst.

Doge. Ihr überschätzt, was ich Vermag: ein Scheinbild nur ist meine Macht; Die Mütze hier ist keine Königskrone, Und dies Gewand könnt' gleiches Mitleid heischen Wie eines Bettlers Lumpenkleid, ja mehr! Denn eines Bettlers Kleid ist sein, doch dies Der armen Puppe nur, geliehn, die in Dem Hermelin trotz aller Herrlichkeit Nur eines Bettlers arme Rolle spielt.

Israel. Und möchtest du wol unser König sein?

Doge. Ja, wenn das Volk ein glückliches dann würd'.

Israel. Möchtst du der Souverän Venedigs sein?

Doge. Ja, wenn das Volk die Souveränetät Mit mir dann theilt, daß beide wir nicht mehr Die Sklaven wären dieser übermächt'gen Aristokrat'schen Hyder, die, voll Gift,Das Gift der Pest gehaucht hat in uns Alle.

Israel. Doch wurdest du als Nobile geboren Und hast als solcher auch gelebt?

Doge. Ich ward Zur bösen Stund als solcher einst geboren, Denn die Geburt trug mich zum Dogenstuhl Und auch zur Schmach. Doch lebt' und wirkte ich Mehr als Soldat: Venedig diente ich, Dem Volk, nicht dem Senat. Venedigs Glück War stets mein Lohn, und meine eigne Ehre. Ich focht und blutete, ich führte Heere Und hab' gesiegt, hab' als Gesandter Frieden Geschlossen oft, und oft ihn auch gestört, Wie es der Vortheil unsres Landes brachte; Hab' Land und See im Dienste viel durchkreuzt Bei sechzig Jahr' lang, für Venedig stets, Das meine Väter, das mich selbst geboren; Und Lohn genug erschien es mir, wenn ich Die theuern Thürme von der Ferne wieder Aus den Lagunen sich erheben sah. Doch hab' ich nie für eine Coterie, Partei und Sekte, Blut und Schweiß vergossen. Und fragt Ihr mich, warum ich all Das that? Befragt den Pelikan, warum die Brust Er selbst sich aufreißt? Hätt' er eine Stimme, Er sagt': er that's für alle seine Jungen.

Israel. Doch machten sie zum Dogen dich.

Doge. Jawol! Ich suchte nicht drum nach. Die goldne Fessel, Sie harrte mein, als von der röm'schen Sendung Ich heimgekehrt, und da ich weder Müh' Und Last noch Dienste jemals ausgeschlagen, Die für den Staat zu thun, lehnt' ich auch den Nicht ab, der für den höchsten galt und doch Der niedrigste im Thun und Dulden war. Dein Schimpf bezeugt's, da ich so wenig dir, Mein Sohn, kann Recht verschaffen wie mir selbst.

Israel. Ihr könntet Beides, wolltet Ihr es nur. Viel Tausend gibt es hier, gleich sehr gedrückt, Sie warten auf ein Zeichen nur. – Wollt Ihr's Uns geben, Herr?

Doge. In Räthseln sprecht Ihr mir.

Israel. Ich löse sie auf meines Kopfs Gefahr.