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Friedrich Schillers "dramatisches Gedicht" "Don Karlos, Infant von Spanien" hat eine ungewöhnliche lange Entstehungszeit und eine komplizierte Entstehungsgeschichte. Die ersten Entwürfe stammen aus dem Jahr 1783, die letzten Änderungen reichen bis ins Jahr 1805. Erstmals publiziert und uraufgeführt wurde das Drama in Blankversen im Jahr 1787 - in Schillers Werk markiert es den Übergang vom Sturm-und-Drang-Drama zur Klassik. Vertrauen und Verrat sind die Leitmotive dieses höfischen Intrigenstücks, das Schiller zu einem politischen Kriminalfall gestaltet hat. Die Freundschaft zwischen dem Kronprinzen Don Karlos und dem Malteserritter Marquis Posa und ihre Sehnsucht nach politischer und persönlicher Freiheit im Weltreich Spanien Mitte des 16. Jahrhunderts scheitern an den Machtgelüsten ihrer Gegner, die selbst nur Marionetten einer allmächtigen Inquisition sind. Text aus Reclams Universal-Bibliothek mit Verszählung der gedruckten Ausgabe.
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Seitenzahl: 252
Friedrich Schiller
Don Karlos
Infant von Spanien
Ein dramatisches Gedicht
Reclam
Zu Schillers Don Karlos gibt es in Reclams Universal-Bibliothek
• einen Lektüreschlüssel für Schülerinnen und Schüler (Nr. 15352, PDF 978-3-15-950137-6, Epub 978-3-15-960058-1)
• Erläuterungen und Dokumente (Nr. 16055)
• eine Interpretation in: Schillers Dramen in der Reihe »Interpretationen« (Nr. 8807)
2009, 2012 Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, StuttgartGesamtherstellung: Reclam, Ditzingen. Made in Germany 2017RECLAM, UNIVERSAL-BIBLIOTHEK und RECLAMS UNIVERSAL-BIBLIOTHEK sind eingetragene Markender Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, StuttgartISBN 978-3-15-960038-3ISBN der Buchausgabe 978-3-15-000038-0
www.reclam.de
PHILIPP der Zweite, König von Spanien
ELISABETH von Valois, seine Gemahlin
Don KARLOS, der Kronprinz
Alexander FARNESE, Prinz von Parma, Neffe des Königs
Infantin KLARA EUGENIA, ein Kind von drei Jahren
Herzogin von OLIVAREZ, Oberhofmeisterin
Damen der Königin:
Marquisin von MONDEKAR
Prinzessin von EBOLI
Gräfin FUENTES
Granden von Spanien:
Marquis von POSA, ein Maltheserritter
Herzog von ALBA
Graf von LERMA, Oberster der Leibwache
Herzog von FERIA, Ritter des Vlieses
Herzog von MEDINASIDONIA, Admiral
Don Raymond von TAXIS, Oberpostmeister
DOMINGO, Beichtvater des Königs
Der GROSSINQUISITOR des Königreichs
Der PRIOR eines Karthäuserklosters
Ein PAGE der Königin
Don Ludwig MERKADO, Leibarzt der Königin
MEHRERE DAMEN und Granden, Pagen, Offiziere, die Leibwache, und verschiedene stumme Personen
Der königliche Garten in Aranjuez.
KARLOS. DOMINGO.
DOMINGO. Die schönen Tage in Aranjuez
Sind nun zu Ende. Eure königliche Hoheit
Verlassen es nicht heiterer. Wir sind
Vergebens hier gewesen. Brechen Sie
5
Dies rätselhafte Schweigen. Öffnen Sie
Ihr Herz dem Vaterherzen, Prinz. Zu teuer
Kann der Monarch die Ruhe seines Sohns –
Des einz’gen Sohns – zu teuer nie erkaufen.
(Karlos sieht zur Erde und schweigt.)
Wär noch ein Wunsch zurücke, den der Himmel
10
Dem liebsten seiner Söhne weigerte?
Ich stand dabei, als in Toledos Mauern
Der stolze Karl die Huldigung empfing,
Als Fürsten sich zu seinem Handkuss drängten.
Und jetzt in Einem – Einem Niederfall
15
Sechs Königreiche ihm zu Füßen lagen –
Ich stand und sah das junge stolze Blut
In seine Wangen steigen, seinen Busen
Von fürstlichen Entschlüssen wallen, sah
Sein trunknes Aug durch die Versammlung fliegen,
20
In Wonne brechen – Prinz, und dieses Auge
Gestand: Ich bin gesättigt.
(Karlos wendet sich weg.) Dieser stille
Und feierliche Kummer, Prinz, den wir
Acht Monde schon in Ihren Blicken lesen,
Das Rätsel dieses ganzen Hofs, die Angst
25
Des Königreichs, hat Seiner Majestät
Schon manche sorgenvolle Nacht gekostet,
Schon manche Träne Ihrer Mutter.
KARLOS(dreht sich rasch um). Mutter!
– O Himmel, gieb, dass ich es dem vergesse,
Der sie zu meiner Mutter machte!
DOMINGO. Prinz!
KARLOS(besinnt sich und fährt mit der Hand über die Stirne).
30
Hochwürd’ger Herr – ich habe sehr viel Unglück
Mit meinen Müttern. Meine erste Handlung,
Als ich das Licht der Welt erblickte, war
Ein Muttermord.
DOMINGO. Ist’s möglich, gnäd’ger Prinz?
Kann dieser Vorwurf Ihr Gewissen drücken?
35
KARLOS. Und meine neue Mutter – hat sie mir
Nicht meines Vaters Liebe schon gekostet?
Mein Vater hat mich kaum geliebt. Mein ganzes
Verdienst war noch, sein Einziger zu sein.
Sie gab ihm eine Tochter – O wer weiß
40
Was in der Zeiten Hintergrunde schlummert?
DOMINGO. Sie spotten meiner, Prinz. Ganz Spanien
Vergöttert seine Königin. Sie sollten
Nur mit des Hasses Augen sie betrachten?
Bei ihrem Anblick nur die Klugheit hören?
45
Wie, Prinz? Die schönste Frau auf dieser Welt,
Und Königin – und ehmals Ihre Braut?
Unmöglich Prinz! Unglaublich! Nimmermehr!
Wo alles liebt, kann Karl allein nicht hassen;
So seltsam widerspricht sich Karlos nicht.
50
Verwahren Sie sich, Prinz, dass sie es nie,
Wie sehr sie ihrem Sohn missfällt, erfahre;
Die Nachricht würde schmerzen.
KARLOS. Glauben Sie?
DOMINGO. Wenn Eure Hoheit sich des letzteren
Turniers zu Saragossa noch entsinnen,
55
Wo unsern Herrn ein Lanzensplitter streifte –
Die Königin mit ihren Damen saß
Auf des Pallastes mittlerer Tribune,
Und sah dem Kampfe zu. Auf einmal rief’s:
»Der König blutet!« – Man rennt durch einander,
60
Ein dumpfes Murmeln dringt bis zu dem Ohr
Der Königin. »Der Prinz?« ruft sie und will,
Und will sich von dem obersten Geländer
Herunter werfen. – »Nein! Der König selbst!«
Giebt man zur Antwort – »So lasst Ärzte holen!«
65
Erwiedert sie, indem sie Atem schöpfte.
(Nach einigem Stillschweigen.)
Sie stehen in Gedanken?
KARLOS. Ich bewundre
Des Königs lust’gen Beichtiger, der so
Bewandert ist in witzigen Geschichten.
(Ernsthaft und finster.)
Doch hab ich immer sagen hören, dass
70
Geberdenspäher und Geschichtenträger
Des Übels mehr auf dieser Welt getan,
Als Gift und Dolch in Mörders Hand nicht konnten.
Die Mühe, Herr, war zu ersparen. Wenn
Sie Dank erwarten, gehen Sie zum König.
DOMINGO.
75
Sie tun sehr wohl, mein Prinz, sich vorzusehn
Mit Menschen – nur mit Unterscheidung. Stoßen
Sie mit dem Heuchler nicht den Freund zurück,
Ich mein es gut mit Ihnen.
KARLOS. Lassen Sie
Das meinen Vater ja nicht merken. Sonst
Sind Sie um Ihren Purpur.
DOMINGO(stutzt). Wie?
80
KARLOS. Nun ja.
Versprach er Ihnen nicht den ersten Purpur,
Den Spanien vergeben würde?
DOMINGO. Prinz,
Sie spotten meiner.
KARLOS. Das verhüte Gott,
Dass ich des fürchterlichen Mannes spotte,
85
Der meinen Vater selig sprechen und
Verdammen kann!
DOMINGO. Ich will mich nicht
Vermessen, Prinz, in das ehrwürdige
Geheimnis Ihres Kummers einzudringen.
Nur bitt ich Eure Hoheit, eingedenk
90
Zu sein, dass dem beängstigten Gewissen
Die Kirche eine Zuflucht aufgetan,
Wozu Monarchen keinen Schlüssel haben,
Wo selber Missetaten unterm Siegel
Des Sakramentes aufgehoben liegen –
95
Sie wissen was ich meine, Prinz, ich habe
Genug gesagt.
KARLOS. Nein! Das soll ferne von mir sein,
Dass ich den Siegelführer so versuchte!
DOMINGO. Prinz, dieses Misstraun – Sie verkennen Ihren
Getreusten Diener.
KARLOS(fasst ihn bei der Hand). Also geben Sie
100
Mich lieber auf. Sie sind ein heil’ger Mann,
Das weiß die Welt – doch, frei heraus – für mich
Sind Sie bereits zu überhäuft. Ihr Weg,
Hochwürd’ger Vater, ist der weiteste,
Bis Sie auf Peters Stuhle niedersitzen.
105
Viel Wissen möchte Sie beschweren. Melden
Sie das dem König, der Sie hergesandt.
DOMINGO. Mich hergesandt –
KARLOS. So sagt ich. O zu gut,
Zu gut weiß ich, dass ich an diesem Hof
Verraten bin – ich weiß, dass hundert Augen
110
Gedungen sind, mich zu bewachen, weiß,
Dass König Philipp seinen einz’gen Sohn
An seiner Knechte schlechtesten verkaufte,
Und jede von mir aufgefangne Sylbe
Dem Hinterbringer fürstlicher bezahlt,
115
Als er noch keine gute Tat bezahlte.
Ich weiß – O still! Nichts mehr davon. Mein Herz
Will überströmen, und ich habe schon
Zu viel gesagt.
DOMINGO. Der König ist gesonnen
Vor Abend in Madrid noch einzutreffen.
120
Bereits versammelt sich der Hof. Hab ich
Die Gnade, Prinz –
KARLOS. Schon gut. Ich werde folgen.
(Domingo geht ab. Nach einem Stillschweigen.)
Beweinenswerter Philipp, wie dein Sohn
Beweinenswert! – Schon seh ich deine Seele
Vom gift’gen Schlangenbiss des Argwohns bluten,
125
Dein unglücksel’ger Vorwitz übereilt
Die fürchterlichste der Entdeckungen,
Und rasen wirst du, wenn du sie gemacht.
KARLOS. MARQUIS VON POSA.
KARLOS. Wer kommt? – Was seh ich! O ihr guten Geister!
Mein Roderich!
MARQUIS. Mein Karlos!
KARLOS. Ist es möglich?
130
Ist’s wahr? Ist’s wirklich? Bist du’s? – O du bist’s!
Ich drück an meine Seele dich, ich fühle
Die deinige allmächtig an mir schlagen.
O jetzt ist alles wieder gut. In dieser
Umarmung heilt mein krankes Herz. Ich liege
Am Halse meines Roderich.
135
MARQUIS. Ihr krankes,
Ihr krankes Herz? Und was ist wieder gut?
Was ist’s, das wieder gut zu werden brauchte?
Sie hören, was mich stutzen macht.
KARLOS. Und was
Bringt dich so unverhofft aus Brüssel wieder?
140
Wem dank ich diese Überraschung? Wem?
Ich frage noch? Verzeih dem Freudetrunknen,
Erhabne Vorsicht, diese Lästerung!
Wem sonst als dir, Allgütigste? Du wusstest,
Dass Karlos ohne Engel war, du sandtest
Mir diesen, und ich frage noch?
145
MARQUIS. Vergebung,
Mein teurer Prinz, wenn ich dies stürmische
Entzücken mit Bestürzung nur erwiedre.
So war es nicht, wie ich Don Philipps Sohn
Erwartete. Ein unnatürlich Rot
150
Entzündet sich auf Ihren blassen Wangen,
Und Ihre Lippen zittern fieberhaft.
Was muss ich glauben, teurer Prinz? – Das ist
Der löwenkühne Jüngling nicht, zu dem
Ein unterdrücktes Heldenvolk mich sendet –
155
Denn jetzt steh ich als Roderich nicht hier,
Nicht als des Knaben Karlos Spielgeselle –
Ein Abgeordneter der ganzen Menschheit
Umarm ich Sie – es sind die Flandrischen
Provinzen, die an Ihrem Halse weinen,
160
Und feierlich um Rettung Sie bestürmen.
Getan ist’s um Ihr teures Land, wenn Alba,
Des Fanatismus rauher Henkersknecht,
Vor Brüssel rückt mit Spanischen Gesetzen.
Auf Kaiser Karls glorwürd’gem Enkel ruht
165
Die letzte Hoffnung dieser edeln Lande.
Sie stürzt dahin, wenn sein erhabnes Herz
Vergessen hat für Menschlichkeit zu schlagen.
KARLOS. Sie stürzt dahin.
MARQUIS. Weh mir! Was muss ich hören!
KARLOS. Du sprichst von Zeiten, die vergangen sind.
170
Auch mir hat einst von einem Karl geträumt,
Dem’s feurig durch die Wangen lief, wenn man
Von Freiheit sprach – doch der ist lang begraben.
Den du hier siehst, das ist der Karl nicht mehr,
Der in Alkala von dir Abschied nahm,
175
Der sich vermaß in süßer Trunkenheit,
Der Schöpfer eines neuen goldnen Alters
In Spanien zu werden – O der Einfall
War kindisch, aber göttlich schön. Vorbei
Sind diese Träume. –
MARQUIS. Träume, Prinz! – So wären
Es Träume nur gewesen?
180
KARLOS. Lass mich weinen,
An deinem Herzen, heiße Tränen weinen,
Du einz’ger Freund. Ich habe niemand – niemand –
Auf dieser großen weiten Erde niemand.
So weit das Zepter meines Vaters reicht,
185
So weit die Schifffahrt unsre Flaggen sendet,
Ist keine Stelle – keine – keine, wo
Ich meiner Tränen mich entlasten darf,
Als diese. O bei allem, Roderich,
Was du und ich dereinst im Himmel hoffen,
190
Verjage mich von dieser Stelle nicht.
MARQUIS(neigt sich über ihn in sprachloser Rührung).
KARLOS. Berede dich, ich wär ein Waisenkind,
Das du am Thron mitleidig aufgelesen.
Ich weiß ja nicht was Vater heißt – ich bin
Ein Königssohn – O wenn es eintrifft, was
195
Mein Herz mir sagt, wenn du aus Millionen
Heraus gefunden bist, mich zu verstehn,
Wenn’s wahr ist, dass die schaffende Natur
Den Roderich im Karlos wiederholte,
Und unsrer Seelen zartes Saitenspiel
200
Am Morgen unsres Lebens gleich bezog,
Wenn eine Träne, die mir Lindrung giebt,
Dir teurer ist, als meines Vaters Gnade –
MARQUIS. O teurer als die ganze Welt.
KARLOS. So tief
Bin ich gefallen – bin so arm geworden,
205
Dass ich an unsre frühen Kinderjahre
Dich mahnen muss – dass ich dich bitten muss,
Die lang vergessnen Schulden abzutragen,
Die du noch im Matrosenkleide machtest –
Als du und ich, zween Knaben wilder Art,
210
So brüderlich zusammen aufgewachsen,
Kein Schmerz mich drückte, als von deinem Geiste
So sehr verdunkelt mich zu sehn – ich endlich
Mich kühn entschloss, dich gränzenlos zu lieben,
Weil mich der Mut verließ, dir gleich zu sein.
215
Da fing ich an mit tausend Zärtlichkeiten
Und treuer Bruderliebe dich zu quälen;
Du, stolzes Herz, gabst sie mir kalt zurück.
Oft stand ich da, und – doch das sahst du nie!
Und heiße, schwere Tränentropfen hingen
220
In meinem Aug, wenn du, mich überhüpfend,
Geringre Kinder in die Arme drücktest.
Warum nur diese? rief ich trauernd aus:
Bin Ich dir nicht auch herzlich gut? – Du aber,
Du knietest kalt und ernsthaft vor mir nieder:
225
Das, sagtest du, gebührt dem Königssohn.
MARQUIS. O stille, Prinz, von diesen kindischen
Geschichten, die mich jetzt noch schamrot machen.
KARLOS. Ich hatt es nicht um dich verdient. Verschmähen,
Zerreißen konntest du mein Herz, doch nie
230
Von dir entfernen. Dreimal wiesest du
Den Fürsten von dir, dreimal kam er wieder
Als Bittender, um Liebe dich zu flehn
Und dir gewaltsam Liebe aufzudringen.
Ein Zufall tat, was Karlos nie gekonnt.
235
Einmal geschah’s bei unsern Spielen, dass
Der Königin von Böhmen, meiner Tante,
Dein Federball ins Auge flog. Sie glaubte,
Dass es mit Vorbedacht geschehn, und klagt’ es
Dem Könige mit tränendem Gesicht.
240
Die ganze Jugend des Pallastes muss
Erscheinen, ihm den Schuldigen zu nennen.
Der König schwört, die hinterlist’ge Tat,
Und wär es auch an seinem eignen Kinde,
Aufs schrecklichste zu ahnden. – Damals sah ich
245
Dich zitternd in der Ferne stehn, und jetzt,
Jetzt trat ich vor und warf mich zu den Füßen
Des Königs. Ich, ich tat es, rief ich aus:
An deinem Sohn erfülle deine Rache.
MARQUIS. Ach! woran mahnen Sie mich, Prinz!
KARLOS. Sie ward’s:
250
Im Angesicht des ganzen Hofgesindes,
Das mitleidsvoll im Kreise stand, ward sie
Auf Sklavenart an deinem Karl vollzogen.
Ich sah auf dich und weinte nicht. Der Schmerz
Schlug meine Zähne knirschend an einander;
255
Ich weinte nicht. Mein königliches Blut
Floss schändlich unter unbarmherz’gen Streichen;
Ich sah auf dich und weinte nicht – Du kamst;
Laut weinend sankst du mir zu Füßen. Ja!
Ja, riefst du aus; mein Stolz ist überwunden.
260
Ich will bezahlen, wenn du König bist.
MARQUIS(reicht ihm die Hand).
Ich will es, Karl. Das kindische Gelübde
Erneur’ ich jetzt als Mann. Ich will bezahlen.
Auch meine Stunde schlägt vielleicht.
KARLOS. Jetzt, jetzt.
O zögre nicht. Jetzt hat sie ja geschlagen.
265
Die Zeit ist da, wo du es lösen kannst.
Ich brauche Liebe. – Ein entsetzliches
Geheimnis brennt auf meiner Brust. Es soll,
Es soll heraus. In deinen blassen Mienen
Will ich das Urteil meines Todes lesen.
270
Hör an – erstarre – doch erwiedre nichts –
Ich liebe meine Mutter.
MARQUIS. O mein Gott!
KARLOS. Nein! Diese Schonung will ich nicht. Sprich’s aus,
Sprich, dass auf diesem großen Rund der Erde
Kein Elend an das meine gränze – sprich –
275
Was du mir sagen kannst, errat ich schon.
Der Sohn liebt seine Mutter. Weltgebräuche,
Die Ordnung der Natur und Roms Gesetze
Verdammen diese Leidenschaft. Mein Anspruch
Stößt fürchterlich auf meines Vaters Rechte.
280
Ich fühl’s, und dennoch lieb ich. Dieser Weg
Führt nur zum Wahnsinn oder Blutgerüste.
Ich liebe ohne Hoffnung – lasterhaft –
Mit Todesangst und mit Gefahr des Lebens –
Das seh ich ja, und dennoch lieb ich.
MARQUIS. Weiß
Die Königin um diese Neigung?
285
KARLOS. Konnt ich
Mich ihr entdecken? Sie ist Philipps Frau,
Und Königin, und das ist Span’scher Boden.
Von meines Vaters Eifersucht bewacht,
Von Etikette ringsum eingeschlossen,
290
Wie konnt ich ohne Zeugen mich ihr nahn?
Acht höllenbange Monde sind es schon,
Dass von der hohen Schule mich der König
Zurückberief, dass ich sie täglich anzuschauen
Verurteilt bin, und wie das Grab zu schweigen.
295
Acht höllenbange Monde, Roderich,
Dass dieses Feu’r in meinem Busen wütet,
Dass tausendmal sich das entsetzliche
Geständnis schon auf meinen Lippen meldet,
Doch scheu und feig zurück zum Herzen kriecht.
300
O Roderich – nur wen’ge Augenblicke
Allein mit ihr –
MARQUIS. Ach! Und Ihr Vater, Prinz –
KARLOS. Unglücklicher! Warum an den mich mahnen?
Sprich mir von allen Schrecken des Gewissens;
Von meinem Vater sprich mir nicht.
MARQUIS. Sie hassen Ihren Vater?
305
KARLOS. Nein! Ach nein!
Ich hasse meinen Vater nicht – doch Schauer
Und Missetäters-Bangigkeit ergreifen
Bei diesem fürchterlichen Namen mich.
Kann ich dafür, wenn eine knechtische
310
Erziehung schon in meinem jungen Herzen
Der Liebe zarten Keim zertrat? Sechs Jahre
Hatt ich gelebt, als mir zum ersten Mal
Der Fürchterliche, der, wie sie mir sagten,
Mein Vater war, vor Augen kam. Es war
315
An einem Morgen, wo er stehnden Fußes
Vier Bluturteile unterschrieb. Nach diesem
Sah ich ihn nur, wenn mir für ein Vergehn
Bestrafung angekündigt ward. – O Gott!
Hier fühl ich, dass ich bitter werde – Weg –
Weg, weg von dieser Stelle.
320
MARQUIS. Nein, Sie sollen,
Jetzt sollen Sie sich öffnen, Prinz. In Worten
Erleichtert sich der schwer beladne Busen.
KARLOS. Oft hab ich mit mir selbst gerungen, oft
Um Mitternacht, wenn meine Wachen schliefen,
325
Mit heißen Tränengüssen vor das Bild
Der Hochgebenedeiten mich geworfen,
Sie um ein kindlich Herz gefleht – doch ohne
Erhörung stand ich auf. Ach Roderich!
Enthülle du dies wunderbare Rätsel
330
Der Vorsicht mir – Warum von tausend Vätern
Just eben diesen Vater Mir? Und Ihm
Just diesen Sohn von tausend bessern Söhnen?
Zwei unverträglichere Gegenteile
Fand die Natur in ihrem Umkreis nicht.
335
Wie mochte sie die beiden letzten Enden
Des menschlichen Geschlechtes – Mich und Ihn –
Durch ein so heilig Band zusammen zwingen?
Furchtbares Los! Warum musst es geschehn?
Warum zwei Menschen, die sich ewig meiden,
340
In Einem Wunsche schrecklich sich begegnen?
Hier, Roderich, siehst du zwei feindliche
Gestirne, die im ganzen Lauf der Zeiten
Ein einzig Mal in scheitelrechter Bahn
Zerschmetternd sich berühren, dann auf immer
Und ewig aus einander fliehn.
345
MARQUIS. Mir ahnet
Ein unglücksvoller Augenblick.
KARLOS. Mir selbst.
Wie Furien des Abgrunds folgen mir
Die schauerlichsten Träume. Zweifelnd ringt
Mein guter Geist mit grässlichen Entwürfen;
350
Durch labyrinthische Sophismen kriecht
Mein unglücksel’ger Scharfsinn, bis er endlich
Vor eines Abgrunds gähem Rande stutzt –
O Roderich, wenn ich den Vater je
In ihm verlernte – Roderich – ich sehe,
355
Dein totenblasser Blick hat mich verstanden.
Wenn ich den Vater je in ihm verlernte,
Was würde mir der König sein?
MARQUIS(nach einigem Stillschweigen). Darf ich
An meinen Karlos eine Bitte wagen?
Was Sie auch Willens sind zu tun, versprechen Sie
360
Nichts ohne Ihren Freund zu unternehmen.
Versprechen Sie mir dieses?
KARLOS. Alles, alles,
Was deine Liebe mir gebeut. Ich werfe
Mich ganz in deine Arme.
MARQUIS. Wie man sagt,
Will der Monarch zur Stadt zurücke kehren.
365
Die Zeit ist kurz. Wenn Sie die Königin
Geheim zu sprechen wünschen, kann es nirgends
Als in Aranjuez geschehn. Die Stille
Des Orts – des Landes ungezwungne Sitte
Begünstigen –
KARLOS. Das war auch meine Hoffnung.
Doch ach, sie war vergebens!
370
MARQUIS. Nicht so ganz.
Ich gehe, mich sogleich ihr vorzustellen.
Ist sie in Spanien dieselbe noch,
Die sie vordem an Heinrichs Hof gewesen,
So find ich Offenherzigkeit. Kann ich
375
In ihren Blicken Karlos’ Hoffnung lesen,
Find ich zu dieser Unterredung sie
Gestimmt – sind ihre Damen zu entfernen –
KARLOS. Die meisten sind mir zugetan. – Besonders
Die Mondekar hab ich durch ihren Sohn,
Der mir als Page dient, gewonnen. –
380
MARQUIS. Desto besser.
So sind Sie in der Nähe, Prinz, sogleich
Auf mein gegebnes Zeichen zu erscheinen.
KARLOS. Das will ich – will ich – also eile nur.
MARQUIS. Ich will nun keinen Augenblick verlieren.
385
Dort also, Prinz, auf Wiedersehn.
(Beide gehen ab auf verschiedenen Seiten.)
Die Hofhaltung der Königin in Aranjuez.
Eine einfache ländliche Gegend, von einer Allee durchschnitten, vom Landhause der Königin begränzt.
DieKÖNIGIN. DieHERZOGIN VON OLIVAREZ. DiePRINZESSIN VON EBOLI, und dieMARQUISIN VON MONDEKAR, welche die Allee herauf kommen.
KÖNIGIN(zur Marquisin).
Sie will ich um mich haben, Mondekar.
Die muntern Augen der Prinzessin quälen
Mich schon den ganzen Morgen. Sehen Sie,
Kaum weiß sie ihre Freude zu verbergen,
Weil sie vom Lande Abschied nimmt.
390
EBOLI. Ich will es
Nicht läugnen, meine Königin, dass ich
Madrid mit großen Freuden wieder sehe.
MONDEKAR. Und Ihre Majestät nicht auch? Sie sollten
So ungern von Aranjuez sich trennen?
395
KÖNIGIN. Von – dieser schönen Gegend wenigstens.
Hier bin ich wie in meiner Welt. Dies Plätzchen
Hab ich mir längst zum Liebling auserlesen.
Hier grüßt mich meine ländliche Natur,
Die Busenfreundin meiner jungen Jahre.
400
Hier find ich meine Kinderspiele wieder,
Und meines Frankreichs Lüfte wehen hier.
Verargen Sie mir’s nicht. Uns alle zieht
Das Herz zum Vaterland.
EBOLI. Wie einsam aber,
Wie tot und traurig ist es hier! Man glaubt
Sich in la Trappe.
405
KÖNIGIN. Das Gegenteil vielmehr.
Tot find ich es nur in Madrid. – Doch was
Spricht unsre Herzogin dazu?
OLIVAREZ. Ich bin
Der Meinung, Ihro Majestät, dass es
So Sitte war, den einen Monat hier,
410
Den andern in dem Pardo auszuhalten,
Den Winter in der Residenz, so lange
Es Könige in Spanien gegeben.
KÖNIGIN. Ja, Herzogin, das wissen Sie, mit Ihnen
Hab ich auf immer mich des Streits begeben.
415
MONDEKAR. Und wie lebendig es mit nächstem in
Madrid sein wird! Zu einem Stiergefechte
Wird schon die Plaza Mayor zugerichtet,
Und ein Auto da Fe hat man uns auch
Versprochen –
KÖNIGIN. Uns versprochen! Hör ich das
Von meiner sanften Mondekar?
420
MONDEKAR. Warum nicht?
Es sind ja Ketzer, die man brennen sieht.
KÖNIGIN. Ich hoffe, meine Eboli denkt anders.
EBOLI. Ich? – Ihre Majestät, ich bitte sehr,
Für keine schlechtre Christin mich zu halten,
Als die Marquisin Mondekar.
425
KÖNIGIN. Ach! Ich
Vergesse wo ich bin. – Zu etwas anderm. –
Vom Lande, glaub ich, sprachen wir. Der Monat
Ist, däucht mir, auch erstaunlich schnell vorüber.
Ich habe mir der Freude viel, sehr viel,
430
Von diesem Aufenthalt versprochen, und
Ich habe nicht gefunden, was ich hoffte.
Geht es mit jeder Hoffnung so? Ich kann
Den Wunsch nicht finden, der mir fehlgeschlagen.
OLIVAREZ. Prinzessin Eboli, Sie haben uns
435
Noch nicht gesagt, ob Gomez hoffen darf?
Ob wir Sie bald als seine Braut begrüßen?
KÖNIGIN. Ja! Gut, dass Sie mich mahnen, Herzogin.
(Zur Prinzessin.)
Man bittet mich bei Ihnen fürzusprechen.
Wie aber kann ich das? Der Mann, den ich
440
Mit meiner Eboli belohne, muss
Ein würd’ger Mann sein.
OLIVAREZ. Ihre Majestät,
Das ist er, ein sehr würd’ger Mann, ein Mann,
Den unser gnädigster Monarch bekanntlich
Mit ihrer königlichen Gunst beehren.
KÖNIGIN.
445
Das wird den Mann sehr glücklich machen – Doch
Wir wollen wissen, ob er lieben kann,
Und Liebe kann verdienen. – Eboli,
Das frag ich Sie.
EBOLI(steht stumm und verwirrt, die Augen zur Erde geschlagen, endlich fällt sie der Königin zu Füßen).
Großmüt’ge Königin,
Erbarmen Sie sich meiner. Lassen Sie –
450
Um Gottes willen, lassen Sie mich nicht –
Nicht aufgeopfert werden.
KÖNIGIN. Aufgeopfert?
Ich brauche nichts mehr. Stehn Sie auf. Es ist
Ein hartes Schicksal, aufgeopfert werden.
Ich glaube Ihnen. Stehn Sie auf. – Ist es
455
Schon lang, dass Sie den Grafen ausgeschlagen?
EBOLI(aufstehend).
O viele Monate. Prinz Karlos war
Noch auf der hohen Schule.
KÖNIGIN(stutzt und sieht sie mit forschenden Augen an).
Haben Sie
Sich auch geprüft, aus welchen Gründen?
EBOLI(mit einiger Heftigkeit). Niemals
Kann es geschehen, meine Königin,
Aus tausend Gründen niemals.
460
KÖNIGIN(sehr ernsthaft). Mehr als Einer ist
Zu viel. Sie können ihn nicht schätzen – das
Ist mir genug. Nichts mehr davon.
(Zu den andern Damen.) Ich habe
Ja die Infantin heut noch nicht gesehen.
Marquisin, bringen Sie sie mir. –
OLIVAREZ(sieht auf die Uhr). Es ist
465
Noch nicht die Stunde, Ihre Majestät. –
KÖNIGIN. Noch nicht die Stunde, wo ich Mutter sein darf?
Das ist doch schlimm. Vergessen Sie es ja nicht,
Mich zu erinnern wenn sie kommt.
EinPAGEtritt auf und spricht leise mit der Oberhofmeisterin, welche sich darauf zur Königin wendet.
OLIVAREZ. Der Marquis
Von Posa, Ihre Majestät –
KÖNIGIN. Von Posa?
OLIVAREZ.
470
Er kommt aus Frankreich und den Niederlanden,
Und wünscht die Gnade zu erhalten, Briefe
Von der Regentin Mutter übergeben
Zu dürfen.
KÖNIGIN. Und das ist erlaubt?
OLIVAREZ(bedenklich). In meiner Vorschrift
Ist des besondern Falles nicht gedacht,
475
Wenn ein Kastilian’scher Grande Briefe
Von einem fremden Hof der Königin
Von Spanien in ihrem Gartenwäldchen
Zu überreichen kommt.
KÖNIGIN. So will ich denn
Auf meine eigene Gefahr es wagen!
480
OLIVAREZ. Doch mir vergönne Ihro Majestät
Mich so lang zu entfernen. –
KÖNIGIN. Halten Sie
Das, wie Sie wollen, Herzogin.
(Die Oberhofmeisterin geht ab, und die Königin giebt dem Pagen einen Wink, welcher sogleich hinaus geht.)
KÖNIGIN. PRINZESSIN VON EBOLI. MARQUISIN VON MONDEKAR, undMARQUIS VON POSA.
KÖNIGIN. Ich heiße Sie
Willkommen, Chevalier, auf Span’schem Boden.
MARQUIS. Den ich noch nie mit so gerechtem Stolze
Mein Vaterland genannt als jetzt. –
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KÖNIGIN(zu den beiden Damen). Der Marquis
Von Posa, der im Ritterspiel zu Rheims
Mit meinem Vater eine Lanze brach,
Und meine Farbe dreimal siegen machte –
Der erste seiner Nation, der mich
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Den Ruhm empfinden lehrte, Königin
Der Spanier zu sein.
(Zum Marquis sich wendend.)
Als wir im Louvre
Zum letzten Mal uns sahen, Chevalier,
Da träumt’ es Ihnen wohl noch nicht, dass Sie
Mein Gast sein würden in Kastilien.
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MARQUIS. Nein, große Königin – denn damals träumte
Mir nicht, dass Frankreich noch das Einzige
An uns verlieren würde, was wir ihm
Beneidet hatten.
KÖNIGIN. Stolzer Spanier!
Das Einzige? – Und das zu einer Tochter
Vom Hause Valois?
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MARQUIS. Jetzt darf ich es
Ja sagen, Ihro Majestät – denn jetzt
Sind Sie ja unser.
KÖNIGIN. Ihre Reise, hör ich,
Hat auch durch Frankreich Sie geführt. – Was bringen
Sie mir von meiner hochverehrten Mutter
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Und meinen viel geliebten Brüdern?
MARQUIS(überreicht ihr die Briefe).
Die Königin Mutter fand ich krank, geschieden
Von jeder andern Freude dieser Welt,
Als ihre königliche Tochter glücklich
Zu wissen auf dem Span’schen Thron.
KÖNIGIN. Muss sie
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Es nicht sein bei dem teuern Angedenken
So zärtlicher Verwandten? bei der süßen
Erinnrung an – Sie haben viele Höfe
Besucht auf Ihren Reisen, Chevalier;
Und viele Länder, vieler Menschen Sitte
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Gesehn – Und jetzt, sagt man, sind Sie gesonnen
In Ihrem Vaterland sich selbst zu leben?
Ein größrer Fürst in Ihren stillen Mauern,
Als König Philipp auf dem Thron – ein Freier!
Ein Philosoph! – Ich zweifle sehr, ob Sie
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Sich werden können in Madrid gefallen.
Man ist sehr – ruhig in Madrid.
MARQUIS. Und das
Ist mehr, als sich das ganze übrige
Europa zu erfreuen hat.
KÖNIGIN. So hör ich.
Ich habe alle Händel dieser Erde
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Bis fast auf die Erinnerung verlernt.
(Zur Prinzessin von Eboli.)
Mir däucht, Prinzessin Eboli, ich sehe
Dort eine Hyazinthe blühen – Wollen
Sie mir sie bringen?
(Die Prinzessin geht nach dem Platze. Die Königin etwas leiser zum Marquis.) Chevalier, ich müsste
Mich sehr betrügen, oder Ihre Ankunft
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Hat einen frohen Menschen mehr gemacht
An diesem Hofe.
MARQUIS. Einen Traurigen
Hab ich gefunden – den auf dieser Welt
Nur etwas fröhlich –
(Die Prinzessin kommt mit der Blume zurück.)
EBOLI. Da der Chevalier
So viele Länder hat gesehen, wird
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Er ohne Zweifel viel merkwürdiges
Uns zu erzählen wissen.
MARQUIS. Allerdings.
Und Abenteuer suchen ist bekanntlich
Der Ritter Pflicht – die heiligste von allen,
Die Damen zu beschützen.
MONDEKAR. Gegen Riesen!
Jetzt giebt es keine Riesen mehr.
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MARQUIS. Gewalt
Ist für den Schwachen jederzeit ein Riese.
KÖNIGIN. Der Chevalier hat Recht. Es giebt noch Riesen,
Doch keine Ritter giebt es mehr.
MARQUIS. Noch jüngst,
Auf meinem Rückweg von Neapel, war
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Ich Zeuge einer rührenden Geschichte,
Die mir der Freundschaft heiliges Legat
Zu meiner eigenen gemacht. – Wenn ich
Nicht fürchten müsste, Ihre Majestät
Durch die Erzählung zu ermüden –
KÖNIGIN. Bleibt
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Mir eine Wahl? Die Neugier der Prinzessin
Lässt sich nichts unterschlagen. Nur zur Sache.
Auch ich bin eine Freundin von Geschichten.
MARQUIS. Zwei edle Häuser in Mirandola,
Der Eifersucht, der langen Feindschaft müde,
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Die von den Gibellinen und den Guelfen
Jahrhunderte schon fortgeerbt, beschlossen,
Durch der Verwandtschaft zarte Bande sich
In einem ew’gen Frieden zu vereinen.
Des mächtigen Pietro Schwestersohn,
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Fernando, und die göttliche Mathilde,
Colonnas Tochter, waren ausersehn,
Dies schöne Band der Einigkeit zu knüpfen.
Nie hat zwei schönre Herzen die Natur
Gebildet für einander – nie die Welt,
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Nie eine Wahl so glücklich noch gepriesen.
Noch hatte seine liebenswürd’ge Braut
Fernando nur im Bildnis angebetet –
Wie zitterte Fernando, wahr zu finden,
Was seine feurigsten Erwartungen
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Dem Bilde nicht zu glauben sich getrauten!
In Padua, wo seine Studien
Ihn fesselten, erwartete Fernando
Des frohen Augenblickes nur, der ihm
Vergönnen sollte, zu Mathildens Füßen
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Der Liebe erste Huldigung zu stammeln.
(Die Königin wird aufmerksamer. Der Marquis fährt nach einem kurzen Stillschweigen fort, die Erzählung, so weit es die Gegenwart der Königin erlaubt, mehr an die Prinzessin von Eboli gerichtet.)
Indessen macht der Gattin Tod die Hand
Pietros frei. – Mit jugendlicher Glut
Verschlingt der Greis die Stimmen des Gerüchtes,
Das in dem Ruhm Mathildens sich ergoss.
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Er kommt! – Er sieht! – Er liebt! Die neue Regung
Erstickt die leisre Stimme der Natur,
Der Oheim wirbt um seines Neffen Braut,
Und heiligt seinen Raub vor dem Altare.
KÖNIGIN. Und was beschließt Fernando?
MARQUIS. Auf der Liebe Flügeln,
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Des fürchterlichen Wechsels unbewusst,
Eilt nach Mirandola der Trunkene.
Mit Sternenschein erreicht sein schnelles Ross
Die Tore – ein bachantisches Getön
Von Reigen und von Pauken donnert ihm
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Aus dem erleuchteten Pallast entgegen.
Er bebt die Stufen scheu hinauf, und sieht
Sich unerkannt im lauten Hochzeitsaale,
Wo in der Gäste taumelndem Gelag
Pietro saß – ein Engel ihm zur Seite,
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Ein Engel, den Fernando kennt, der ihm
In Träumen selbst so glänzend nie erschienen.
Ein einz’ger Blick zeigt ihm, was er besessen,
Zeigt ihm, was er auf immerdar verloren.
EBOLI. Unglücklicher Fernando!
KÖNIGIN. Die Geschichte
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Ist doch zu Ende, Chevalier? – Sie muss
Zu Ende sein.
MARQUIS. Noch nicht ganz.
KÖNIGIN. Sagten Sie
Uns nicht, Fernando sei Ihr Freund gewesen?
MARQUIS. Ich habe keinen teurern.
EBOLI. Fahren Sie
Doch fort in der Geschichte, Chevalier.
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MARQUIS. Sie wird sehr traurig – und das Angedenken
Erneuert meinen Schmerz. Erlassen Sie
Mir den Beschluss –
(Ein allgemeines Stillschweigen.)
KÖNIGIN(wendet sich zur Prinzessin von Eboli).
Nun wird mir endlich doch
Vergönnt sein, meine Tochter zu umarmen. –
Prinzessin, bringen Sie sie mir.
(Diese entfernt sich. Der Marquis winkt einem Pagen, der sich im Hintergrunde zeigt und sogleich verschwindet. Die Königin erbricht die Briefe, die der Marquis ihr gegeben, und scheint überrascht zu werden. In dieser Zeit spricht der Marquis geheim und sehr angelegentlich mit der Marquisin von Mondekar. — Die Königin hat die Briefe gelesen, und wendet sich mit einem ausforschenden Blicke zum Marquis.)
Sie haben
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Uns von Mathilden nichts gesagt? Vielleicht
Weiß sie es nicht, wie viel Fernando leidet?
MARQUIS. Mathildens Herz hat niemand noch ergründet –
Doch große Seelen dulden still.
KÖNIGIN