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"Na, das kann ja heiter werden! Ein Mädchen als Torwart, ich als einziger Stürmer und eine Schottenrock-Oma im defensiven Mittelfeld treten gegen die örtliche Knastelf an." Eigentlich wollte Bolle in seinen Ferien nur Fußballspielen. Doch jetzt halten ihn alle für einen Dieb! Na, fast alle. Gemeinsam mit der ebenso fußballbegeisterten Freddie und der bestohlenen Frau Klawitter kommt er dem wahren Täter auf die Spur. Doch sie brauchen eine gehörige Portion Mut und einen grandiosen Trick, um den Täter zu überführen ... Ein witziger Fußballkrimi für Jungen und Mädchen ab 8
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Seitenzahl: 81
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Für Tom
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»Boris?«, klingt Onkel Alfreds Stimme aus dem Erdgeschoss.
»Hier oben!«, rufe ich zurück und versuche krampfhaft, die drohende 0 : 2 Niederlage meines Fußballteams auf dem Tablet abzuwenden.
Schritte tapsen auf der Treppe und kurz darauf steckt er seinen Kopf durch die Tür. Eigentlich seltsam, dass er mit seiner schief sitzenden Brille und den struppigen grauen Haaren so lustig aussieht. In Wirklichkeit ist er nämlich eher der brummige Typ.
»Schon gut eingelebt?«, fragt er.
»Klar«, antworte ich und versuche ein Lächeln. Er kann ja schließlich nichts dafür, dass Paps nach Kanada geflogen ist, um dort seinen neuen Krimi vorzulesen. Und er kann eigentlich auch nichts dafür, dass ich deshalb sechs Wochen in diesem trostlosen Kaff festsitzen werde. Langenbach. Langweilbach sollte ich wohl sagen.
»Dein Vater muss einen ziemlich guten Kriminalroman geschrieben haben, wenn er sogar eine Lesereise in Kanada machen darf«, sagt er. Scheinbar ist er in Plauderlaune.
»Hm«, mache ich. Krimis sind doch total langweilig.
Schließlich ist von vornherein klar, dass der Täter am Ende gefasst wird. Bei einem Fußballspiel weiß man nie, wie es ausgeht. Und im Moment will ich nichts mehr, als weiter auf meinem Tablet spielen. Dass ich bald selbst in einen waschechten Kriminalfall geraten werde, ahne ich in diesem Moment natürlich noch nicht.
»Es ist Punkt sechs«, verkündet Onkel Alfred und ich weiß, was das bedeutet: Abendessen. Punkt acht bedeutet Frühstück und Punkt eins Mittagessen.
»Ich hoffe, es schmeckt dir, was ich koche«, sagt er auf dem Weg zur Tür. »Seit deine Großtante Rosi gestorben ist, muss ich selbst für mich sorgen.«
Seine Kartoffeldiät ist echte Folter für einen Nudelesser wie mich, aber ich soll ja höflich zu ihm sein. Außerdem bin ich Kummer gewöhnt. Seit meine Mutter vor fünf Jahren mit ihrem neuen Freund nach Schanghai gezogen ist, kocht Paps für mich. Und der kann nichts außer Nudeln mit Tomatensoße.
»Na klar«, sage ich höflich. Dann fällt mir noch etwas ein.
»Onkel Alfred?«
Er dreht sich um.
»Die anderen sagen alle Bolle zu mir.« Jetzt ist es raus.
Das ganze Boris hier - Boris da geht mir echt auf den Wecker. Schließlich nennen mich alle Bolle. Meine Kumpel, meine Fußballmannschaft, meine Lehrer - na ja, die meisten jedenfalls - und sogar Paps.
»Boris ist kein Name, für den du dich schämen müsstest«, sagt er nach einer kurzen Pause und macht sich auf den Weg ins Erdgeschoss.
Zum Eigentor! Der Typ ist echt ein harter Brocken! Und trotzdem soll ich nett zu ihm sein?
Unser Abendessen ist wie immer ziemlich still. Ich weiß einfach nicht, was ich mit ihm reden soll und er starrt meist in sein Essen.
»Wir gehen zusammen zur Post«, sagt er auf einmal und sieht mich durch seine viereckigen Brillengläser an.
»Gleich morgen früh.«
Was soll das denn jetzt? Glaubt Onkel Alfred, dass er mir damit eine Freude macht? Ein Besuch im Stadion, ja.
Oder auch nur ein paar Nachbarjungs zum Fußballspielen.
Aber zur Post gehen? Das ist fast so spannend wie ein Spiel unserer Mädchenmannschaft.
»Cool«, sage ich tapfer und versuche, ein begeistertes Gesicht zu machen.
Immerhin ist es der erste Ausflug mit Onkel Alfred.
Und dann gleich nach Langweilbach City. Ich verkneife mir ein Grinsen und stopfe mir schnell ein Stück Kartoffelpuffer in den Mund.
Am Montagmorgen hat sich die Lage jedoch schlagartig geändert, denn Onkel Alfred wird vom Verletzungspech heimgesucht.
»Rückenschmerzen«, murrt er. »Ich muss schief gelegen haben. So kann ich auf keinen Fall aus dem Haus gehen.«
Damit ist ja wohl die Chance geplatzt, ein bisschen mehr von Langweilbach kennen zu lernen.
Oder? Moment mal, wofür gibt es Auswechselspieler?
»Ich kann das Päckchen für dich zur Post bringen«, schlage ich vor.
»Nett gemeint, Junge«, sagt er und lächelt mir sogar zu.
»Aber dafür bist du sicher noch nicht alt genug.«
Fast hätte ich mich an meinem Toast verschluckt! Seit wann ist man mit zehn zu jung, um zur Post zu gehen?
Vielleicht frage ich ihn mal, ob er mich für völlig bescheuert hält? Ruhig, Bolle. So komme ich nicht weiter. Ich hole tief Luft und setze mein onkelfreundlichstes Gesicht auf.
»Zu Hause habe ich schon oft Päckchen zur Post gebracht«, sage ich dann sehr höflich. »Ich gehe auch allein zum Einkaufen und zweimal in der Woche zum Training.«
Dass der Sportplatz direkt hinter unserem Haus liegt, braucht er ja nicht zu wissen.
Er scheint nachzudenken, denn er reibt sich mit der Hand über die blanke Glatze zwischen den grauen Locken.
»Kannst du Wechselgeld richtig abzuzählen?«, fragt er schließlich und sieht mich zweifelnd an.
Hilfe, der Typ bringt mich noch zum Wahnsinn! Aber jetzt darf ich keinen Fehler machen.
»Wir haben schon vor drei Jahren das Rechnen mit Geld durchgenommen. Und meine letzte Mathearbeit war eine glatte Zwei«, erkläre ich, und strahle wie der Junge in dieser albernen Puddingwerbung.
Dass ich sie mit einer knappen Vier völlig in den Sand gesetzt habe, muss er auch nicht erfahren.
»Na gut«, seufzt er. »Ich habe Günther die Erstausgaben fest versprochen. Am besten, ich erkläre dir, was du machen musst.«
Eine halbe Stunde später marschiere ich endlich mit dem dicken Brief die Straße hinunter. Eine Erstausgabe, das habe ich mitbekommen, hat irgendetwas mit Briefmarken zu tun. Typisch für ihn, etwas Langweiligeres gibt es ja wohl kaum noch. Sicher hat er so einen Bauch, weil er sich mehr mit Briefmarken als mit Sport beschäftigt.
Natürlich ist der Weg zum Postamt nicht halb so schwierig, wie er behauptet hat. Man folgt einfach der Straße, biegt am Ende einmal rechts ab und an der nächsten Kreuzung wieder links. Eigentlich ist es gar kein Postamt, sondern ein Zeitschriftenladen mit einem Postschalter.
Ich hole das Geld aus der Tasche und zähle nach. Den Rest darf ich behalten, hat Onkel Alfred gesagt. Genau drei Euro - nicht gerade viel. Auf jeden Fall zu wenig für das Junior-Fußballmagazin. Das kostet zwei Euro fünfzig.
Und für den Brief muss ich sicher mehr als fünfzig Cents ausgeben.
Mist! Für mein neues Game habe ich von Paps einen Vorschuss bekommen, deshalb gibt es erst am nächsten Sonntag wieder Taschengeld. Und Onkel Alfred ist bestimmt nicht der Typ, der mit sich handeln lässt. Das heißt: noch sechs Tage Durststrecke. Genervt trete ich vor einen dicken Ast, der haarscharf an einem parkenden Auto vorbeifliegt. Upps! Das fehlt mir jetzt noch, dass mich die Polizei nach Hause bringt.
An der Kreuzung biege ich nach links ab und kann schon das Postschild über dem kleinen Laden erkennen. Ich habe doch tatsächlich den Weg zum Postamt gefunden.
Was für eine Heldentat, Bolle!
Doch dann wird mein Blick auf den Boden gelenkt. Denn dort liegt etwas, was da absolut nicht hingehört. Holla! Ist es wirklich das, wonach es aussieht? Cool!
Ganz am Rand liegt er, zerknittert, aber sauber, direkt neben einem monströsen Hundehaufen: ein Fünf. Euro.
Schein!
Jetzt entwickelt sich mein Ausflug zum Postamt doch noch vom Kreispokal zum Länderspiel! Fünf Euro - das ist genau so viel Taschengeld, wie ich in einer Woche bekomme. Ende der Durststrecke!
Pfeifend bringe ich die letzten Meter hinter mich und öffne die Ladentür mit so viel Schwung, dass ich beinahe ein Regal mit Postkarten abgeräumt hätte.
Im Laden stehen schon zwei Leute am Postschalter an: vor mir ein uralter Mann mit einem Gehstock und so einer halben Brille. Monopol oder Monokel heißt das, glaube ich. Ganz vorn wühlt gerade eine dicke Frau mit einem rot karierten Schottenrock und einer Lederjacke in ihren Taschen. Himmel, wo kauft die denn ihre Klamotten?
»Potztausend! Ich bin ganz sicher, dass ich die Adresse hier irgendwo habe«, schnauft sie und fährt sich mit der Hand durch die raspelkurzen grauen Haare.
»Das nächste Mal schreiben Sie die besser zu Hause drauf«, knurrt der junge Mann hinter dem Schalter.
Die Frau blickt auf und wirft dem Typ einen ziemlich scharfen Blick zu.
»Bei Herrn Jäger darf ich es immer hier am Schalter machen. Wo ist er überhaupt?«, fragt sie.
»Windpocken«, antwortet der Mann. »Ich bin die Vertretung«. Die Frau vertieft sich wieder in ihre Taschen.
In der Zeit sehe ich mich ein wenig in dem kleinen Laden um. Rechts neben mir gibt es einen schmalen Verkaufstisch, der aussieht, als hätte er zur WM von 1954 schon hier gestanden. Eine ebenso alte Frau sitzt dahinter und blättert in einer Zeitschrift mit lila Pullovern darauf. Um sie herum kleine Regale mit Zeitungen, Getränken und Süßigkeiten. Und ... Volltreffer! Da liegt es: das neue Junior-Fußballmagazin. Aber ich werde es erst später kaufen, nachdem ich das Päckchen bezahlt habe. Vielleicht reichen die Mäuse noch für einen Schokoriegel oder zwei.
Die Frau mit dem Schottenrock und der Lederjacke scheint alles erledigt zu haben. Sie packt ihre Einkaufstaschen und versucht, sich durch den schmalen Gang nach draußen zu quetschen.
»Entschuldigung, Herr Doktor Schubert«, sagt sie zu dem alten Mann. Ihre Einkaufstasche fegt ihm den Stock aus der Hand, der unerreichbar unter den Ständer mit den Postkarten rutscht. Beim Bücken fällt ihr eine Plastiktüte mit Apfelsinen aus der Hand. Kauft man die nicht im Winter?
»Potztausend!«, schimpft die Schottenrock-Oma noch einmal.
Eine aufgedonnerte Blondine, die nach mir gekommen sein muss, bückt sich schnell und sammelt die Apfelsinen auf, die Richtung Tür gerollt sind. Obwohl ich mich fast auf den Bauch legen muss, bekomme ich den Gehstock des alten Doktors zu fassen und ziehe ihn unter dem Ständer hervor. Dann packe ich die restlichen Früchte in die Plastiktüte und gebe sie der Schottenrock-Oma zurück.
»Oh, was für ein netter Junge du bist«, sagt sie mit hochrotem Kopf.