Dr. Stefan Frank 2766 - Stefan Frank - E-Book

Dr. Stefan Frank 2766 E-Book

Stefan Frank

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Beschreibung

Laura Schmidt beginnt als Lehrerin an dem Internat St. Helena, das sie selbst als Schülerin besucht hat. Dort trifft sie Simon Winter wieder. Der damalige Referendar ist nun Geschichtslehrer. Die Gefühle für den heute Zweiundvierzigjährigen erwachen erneut. Doch der Schulalltag der jungen Lehrerin ist nicht nur geprägt von Schmetterlingen im Bauch, sondern auch von Schmerzen in den Beinen.
Laura beobachtet schon länger eine deutliche Gewichtszunahme an den Oberschenkeln, ihre Cellulite hat sich verschlechtert, sie bekommt schnell blaue Flecken, Wassereinlagerungen und leidet vor allem an Schmerzen, besonders am Abend, wenn sie lange gestanden hat. Laura versucht es mit Joggen, doch auch das ist kaum möglich. Simons Annährungsversuche lässt sie zu, dann stößt sie ihn wieder von sich. Zu groß ist die Angst und die Scham. Sie versucht mit aller Kraft, ihre Schmerzen zu verbergen. Doch nur allzu schnell stellt sich heraus, dass Simon auch ein Geheimnis verbirgt ...

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Inhalt

Cover

Der Kampf gegen den Schmerz

Vorschau

Impressum

Der Kampf gegen den Schmerz

Laura leidet unter Lipödem

Laura Schmidt beginnt als Lehrerin an dem Internat St. Helena, das sie selbst als Schülerin besucht hat. Dort trifft sie Simon Winter wieder. Der damalige Referendar ist nun Geschichtslehrer. Die Gefühle für den heute Zweiundvierzigjährigen erwachen erneut. Doch der Schulalltag der jungen Lehrerin ist nicht nur geprägt von Schmetterlingen im Bauch, sondern auch von Schmerzen in den Beinen.

Laura beobachtet schon länger eine deutliche Gewichtszunahme an den Oberschenkeln, ihre Haut ist voller Dellen, sie bekommt schnell blaue Flecken, Wassereinlagerungen und leidet vor allem unter Schmerzen. Laura versucht es mit Joggen, doch auch das ist kaum möglich. Simons Annährungsversuche lässt sie zu, dann stößt sie ihn wieder von sich. Zu groß ist die Angst und die Scham. Sie versucht mit aller Kraft, ihre Schmerzen zu verbergen. Doch nur allzu schnell stellt sich heraus, dass Simon auch ein Geheimnis verbirgt ...

Ein Baum. Ein einziger Baum war noch übrig geblieben. Seine Krone war nur spärlich mit Grün besprenkelt. Sein Stamm, der wie eine dicke Linie am Horizont in die Höhe ragte, wirkte vor dem Weiß des Nebels schwarz. Ein Ast war abgeknickt. Vermutlich würde er den nächsten Sturm nicht überstehen.

Während Laura noch einige Meter entfernt von dem Eingang des Internats St. Helena stand und in die Ferne blickte, benetzte feiner Nieselregen ihr Gesicht. In ihrer Erinnerung hatte dort am Horizont nicht nur ein Baum gestanden. Es war ein Wald gewesen. Angelegt wie eine Plantage. Die Grenzen zwischen den Nadel- und Laubwäldern waren wie mit dem Lineal gezogen gewesen. Doch dort, wo früher alles dicht und dunkel gewesen war, klaffte nun eine Lücke, aus der dieser einsame Baum herausragte.

Ohne den Blick abzuwenden, setzte sich Laura wieder in Bewegung. Mittlerweile hatte der Regen ihre Jacke durchnässt, sodass sie schnell ins Innere gelangen wollte. Ihre Schritte auf dem Kopfsteinpflaster verhallten ins Leere. Nirgends waren Menschen zu sehen. Lediglich ein Licht in einem der Fenster vor ihr zeigte an, dass sich hier Leben aufhielt. Als der Regen stärker wurde, beschleunigte die Zweiunddreißigjährige ihren Schritt, bis sie die schwere doppelflügelige Tür erreicht hatte. Der Eingang sah noch genauso aus wie damals. Nicht einmal das Messingschild mit der kursiven Aufschrift war ausgewechselt worden.

Mit klammen Fingern drückte Laura die Klingel, die wie eine Glocke im Inneren tönte, gedämpft durch das dicke Holz der Tür. Es dauerte nur Sekunden, bis sie geöffnet wurde. Eine Frau in einem marineblauen Hosenanzug hob ihre Augenbrauen, als wäre sie überrascht.

»Frau Schmidt«, sagte sie höflich und legte dabei den Kopf schief.

Ihre Augen stachen wie zwei schwarze Punkte aus ihrem sonst hellen Gesicht hervor, sodass sie den Eindruck machte, als fixierte sie den Neuankömmling. Doch das Auffälligste an ihr waren die weißblonden Augenbrauen und Wimpern. Frau Henriette Barsch wirkte, als käme sie unmittelbar aus einem Schneesturm.

»Nur diesmal ein wenig durchnässter«, versuchte es Laura in einem lockeren Ton, obwohl sie sich gleich eingeschüchtert fühlte. »Hallo.«

Die Frau lächelte. Dabei blieb ihr Gesicht faltenlos.

»Kommen Sie doch herein«, bat sie ihre neue Angestellte und öffnete die Tür ein Stück weiter.

Während sie zur Seite trat, entging Laura nicht, wie sie von der Frau gemustert wurde. Den Trolley-Koffer fest im Griff ging sie zügig an ihr vorbei und blieb schließlich auf dem blankpolierten Dielenboden stehen, der nichts von seinem alten Glanz eingebüßt hatte.

»Es sieht noch genauso aus wie früher«, entfuhr es der Jüngeren, während sie sich in der Eingangshalle umschaute.

Das Internat St. Helena wurde bereits 1954 errichtet. Ursprünglich als Mädchen-Schule gegründet, befand sich die Einrichtung in der festen Hand des Ordens der Heiligen Helena. Mittlerweile war es Eigentum eines privaten Trägers, weshalb die Eltern der Schülerinnen und Schüler viel Geld dafür zahlen mussten, dass ihren Kindern die ausgezeichnete Bildung zukam, die die Schule zu bieten hatte.

Obwohl sich das Gebäude optisch kaum verändert hatte, war die Institution einigen Wandlungen unterlegen gewesen. So wurde die Schule bereits in den Siebzigern auch Jungen zugänglich gemacht, sodass seitdem gemischtgeschlechtlich unterrichtet wurde. Die Zahl der Schülerschaft war zudem auf über zweihundert angestiegen. Soweit Laura sich an den Text der Homepage erinnern konnte, besuchten zurzeit zweihundertvierundachtzig Schüler das Internat. Neben den zahlreichen AGs, die sich an die gesellschaftlichen Entwicklungen angepasst hatten, hatten sich zudem die Regeln des Zusammenlebens verändert. Mädchen und Jungen war es nun gestattet, auch ihre Freizeit gemeinsam zu verbringen. Allerdings hatten bis zweiundzwanzig Uhr alle Besucher des Internats auf ihren Zimmern zu sein, die jüngeren selbstverständlich früher.

»In unserem Kennenlerngespräch erwähnten Sie bereits, dass Sie selbst einmal Schülerin in unserem Haus waren. Umso mehr freu ich mich, dass Sie sich für uns entschieden haben«, erklärte Frau Barsch. Sie schloss die Tür, sodass die Eingangshalle lediglich von einem Leuchter unter der Decke erhellt wurde.

»Ich war immer gerne hier«, stimmte Laura zu.

Dabei konnte sie die Vorfreude auf ihre neue Stelle kaum verhehlen, da sich ein Strahlen auf ihr Gesicht legte.

Sie hatte es geschafft! Nach fünf Jahren des Grübelns hatte sie es endlich gewagt, ihre Stelle an einem Münchner Gymnasium zu kündigen, um sich neu zu orientieren. Dabei hatte sie stets ihre frühere Schule im Blick gehabt. Doch gerade der Gehaltsunterschied hatte ihr die Entscheidung nicht leicht gemacht. Hatte sie sich vor Kurzem noch Beamtin nennen können, war sie nun in einem Angestelltenverhältnis beschäftigt. Immerhin hatte sie einen unbefristeten Vertrag, sodass sie dadurch ein bisschen Sicherheit erlangt hatte. Andernfalls wäre sie diesen Schritt vermutlich nicht gegangen.

»Bitte kommen Sie doch mit«, forderte Frau Barsch auf und berührte sie kurz am Rücken.

Die Gestik und Mimik der neuen Schulleitung stand in einem völligen Widerspruch zu ihrem Erscheinungsbild. Würde man Frau Henriette Barsch auf einem Foto sehen, schätzte man sie als autoritär und abweisend ein. Doch sobald man ihr gegenübertrat, ließ sich eine warmherzige Frau entdecken, die es jedem Menschen einfach machte, sich wohlzufühlen. So war es auch Laura ergangen. Als sie vor einem halben Jahr ihre Bewerbung geschrieben und gleichzeitig die Homepage mit dem Konterfei der Schulleitung im Blick gehabt hatte, hatte sie sich gefragt, ob sie den Ansprüchen der scheinbar strengen Frau genügen würde. Im darauffolgenden Vorstellungsgespräch hatte sie erkannt, wie sehr sie sich von dem Bild hatte täuschen lassen.

»Hatten Sie eine gute Fahrt?«, erkundigte sich Frau Barsch höflich, während die beiden Frauen eine breite Treppe hinaufgingen, die zu den Klassenräumen führte.

»Ich hätte mir schöneres Wetter gewünscht, aber ansonsten war alles gut«, antwortete Laura.

Ihr Arm schmerzte, da der Koffer in ihrer Hand nicht nur Kleidung, sondern auch etliche Bücher enthielt. Nachher würde sie noch einmal zu ihrem Auto gehen müssen, um das restliche Gepäck zu holen. Bei dem Gedanken graute es ihr. Allein von der Autofahrt taten ihr die Beine weh. Die Treppen taten ihr Übriges. Denn kaum hatten sie das eine Ende der Treppe erreicht, gingen sie weiter auf die nächste zu. Diese würde sie auf die Etage der Schlafräume der Schüler bringen.

»Zum Glück waren meine Frau und ich während der Ferien in der Toskana. So haben wir wenigsten ein bisschen Sonne abbekommen«, ging Frau Barsch auf das lockere Plaudern ihrer neuen Angestellten ein.

»Eine gute Entscheidung. Ich bin leider zu Hause geblieben«, erzählte Laura und dachte an die Vorbereitungen, die sie wegen des Jobwechsels hatte treffen müssen.

Denn anders als bei gewöhnlichen Schulen hatte diese hier zur Folge, dass sie nicht nur ihre Arbeit wechselte, sondern auch ihren Wohnort. Daher hatte sie ihre winzige Wohnung in Münchner Stadtteil Schwabing kündigen und ihre Möbel verkaufen müssen. Von nun an würde sie im Internat leben. Die Ferien und längeren Wochenenden könnte sie dann bei ihren Eltern in Rosenheim verbringen. Denn eine Wohnung zu halten, die sie einerseits ein Vermögen kostete und andererseits kaum genutzt wurde, erschien ihr sinnlos.

»So, und da sind wir auch schon.« Die Schulleiterin blieb stehen und wandte sich zu ihrer neuen Lehrerin um.

Sie standen vor einer schmalen Holztür. Dahinter verbarg sich Lauras Zimmer. Unter der Decke würden dicke Holzbalken verlaufen. Die Wände wären weiß getüncht und von Fachwerkmustern geziert. Und direkt gegenüber wären zwei Fenster, die direkt auf die Einfahrt des Internats hinausschauen würden. Laura kannte dieses Zimmer. Es hatte früher ihrer Klassenlehrerin Frau Emmental gehört. Als Siebtklässlerin hatte sie Frau Emmental einmal nach den Ferien mit dem Gepäck geholfen, weshalb sie einen Blick ins Innere des Zimmers hatte werfen können.

»Nun kommen Sie erst einmal an. Packen Sie in Ruhe aus. Heute sind immerhin noch Ferien, da müssen wir nichts überstürzen. Heute Abend trifft sich das Kollegium dann zum traditionellen Schuleingangsessen im Speisesaal. Die Uhrzeiten dürften Ihnen sicher noch bekannt sein«, schmunzelte Frau Barsch und reichte Laura den Zimmerschlüssel.

»Pünktlich um sieben Uhr, und am besten schon zehn Minuten früher da sein«, verkündete Laura lächelnd.

»So genau nehmen wir das mit den zehn Minuten bei den Kollegen nicht mehr«, erwiderte die Ältere. Dann wandte sie sich zum Gehen. Doch nach wenigen Schritten hielt sie noch mal inne und drehte sich zu Laura um. »Ach, und Frau Schmidt?«

Lauras Herz machte einen Hüpfer, da sie in diesen Gemäuern früher immer nur mit ihrem Vornamen angesprochen worden war.

»Ja?«, fragte sie.

»Ich heiße Sie bei uns herzlich willkommen! Schön, dass Sie unser Kollegium verstärken.« Mit diesen Worten ließ Frau Barsch die junge Lehrerin zurück.

Laura schloss ihre Augen und lächelte in sich hinein. Es erschien ihr wie ein Traum. Nicht nur, dass sie an diesem altehrwürdigen Internat ab sofort unterrichten durfte. Auch die herzliche Art ihrer Vorgesetzten versetzten sie in einen stillen Freudentaumel. Feierlich steckte sie den Schlüssel in das Schloss ihres Zimmers. Dann schob sie die Tür auf.

Alles war so, wie sie es erwartet hatte. Nur eine winzige Veränderung gab es. Auf dem kleinen Schreibtisch vor dem Fenster stand eine Vase, die mit einem Strauß Wiesenblumen gefüllt war. Darunter lehnte eine Karte, worauf Herzlich willkommen im Team stand.

Vorsichtig schloss Laura die Tür. Sie ging auf die Blumen und die Karte zu, beides so einladend, dass ihr fast Tränen der Freude kamen. Glücklich drückte sie den Willkommensgruß an ihre Brust.

Ein Blick nach draußen versicherte ihr, dass noch nicht viele der Lehrerinnen und Lehrer an diesem Tag angekommen waren. Der Parkplatz war nur spärlich besetzt. Wie ein Blitz durchdrang eine Frage ihre Gedanken. Ob er noch hier arbeitete?

***

Viele Korrekturen. Das stand so fest wie das in dem Boden verschraubte Lehrerpult in Raum dreihundertfünf, nachdem ein Schüler einmal randaliert hatte. Damals hatten sie überlegt, ob sie sämtliche Möbel festschrauben sollten. Letztlich hatten sie sich dagegen entschieden. Somit war der Raum dreihundertfünf und seine Geschichte eine kleine Legende geworden, die von Schuljahr zu Schuljahr von den Jugendlichen weiterausgeschmückt wurde.

Neben den Korrekturen würden ihn etliche Konferenzen und Teamarbeiten erwarten. Die Schule hatte sich zur Aufgabe gemacht, das Konzept des fächerübergreifenden Unterrichts stärker in die Praxis zu integrieren. Simon Winter freute sich einerseits auf die neue Herausforderung. Wochenlang hatte er sich mit den Lehrplänen der Jahrgangsstufen auseinandergesetzt, um Möglichkeiten zu finden, ein Thema gleichzeitig in mehreren Fächern zu behandeln. Andererseits wusste er, wie viel Arbeit es neben dem Schulalltag bedeutete.

Während Simon Winter die Straße Richtung Internat folgte, schenkte er der vorbeiziehenden Landschaft nur wenig Beachtung. Seitdem ein Großteil des Waldes abgeholzt worden war, hatte sich die Gegend verändert. Aus einer bayrischen Idylle waren graue Steppen geworden, deren Baumstümpfe wie Mahnmale aus dem Boden ragten. Nur hier und da versprach ein grünes Stück Wald dem Auge Abwechslung. Doch in dem dichten Nebelschleier, der sich heute nicht verziehen wollte, wirkten selbst diese abweisend.

In Gedanken mit den Neuerungen des bevorstehenden Schuljahres beschäftigt, lenkte Simon den Wagen in eine Abbiegung. Kein Auto kam ihm entgegen. Hier fuhren nur diejenigen, die zum Internat wollten oder zu dem Bauernhof gehörten, der sich fünf Kilometer weiter nördlich befand.

Kaum hatte Simon die nächste Abbiegung erreicht, konnte er auch schon seine Arbeitsstätte sehen. Wie ein Überbleibsel alter Zeiten stand sie auf dem Hügel. Im Hintergrund waren einst Wälder gewesen. Jetzt sind dort immer noch Wälder, jedoch mit großen Löchern in ihrer Wand aus Holz. Trotzdem freute sich der Zweiundvierzigjährige schon jetzt auf seine erste Joggingrunde über die verzweigten Wege hinter dem Internat.

Simon lenkte den Wagen auf den Parkplatz der Schule. Seine Kollegen Franz und Hubert waren bereits vor ihm angekommen. Ansonsten stand dort nur ein roter Kleinwagen, den er noch nicht kannte. Aber er konnte sich vorstellen, wem das Auto gehörte. In ihrer letzten Konferenz vor den Ferien war das Kollegium von Henriette Barsch darüber informiert worden, dass sie endlich Zuwachs bekommen würden. Eine junge engagierte Lehrerin hätte sich auf die Stelle für die Fächer Geschichte und Mathe beworben. Als Henriette den Namen der neuen Kollegin genannt hatte, hatte Simon überrascht aufgeschaut. Er war ihm nicht unbekannt gewesen. Und obwohl er sich ermahnt hatte, dem Ganzen nicht zu viel Bedeutung beizumessen, hatte er sich während der Ferien immer wieder dabei erwischt, wie er sich die Neue vorstellte. Wie sie nun heute aussah?

Simon schüttelte den Kopf und zog den Schlüssel aus dem Zündschloss seines Wagens. Es gab Wichtigeres, um das er sich nun kümmern müsste. Schon in zwei Tagen würden die Schüler eintreffen. Zeit also, die letzten Vorbereitungen zu treffen.

***

»Das war das letzte Mal, dass du mich mitgeschleppt hast!« Alexandra Schubert hob protestierend die Hände.

Mit weit geöffneten Augen sah sie ihren Begleiter an. Der Anblick ihrer zierlichen Person auf dem stark bevölkerten Bordstein amüsierte Dr. Stefan Frank so sehr, dass er sich ein Lachen verkneifen musste.

»Versprochen«, lenkte er ein und ging auf sie zu. »Ab sofort suchst du die Filme aus, die wir uns im Kino anschauen.«

Sein Versprechen zeigte Wirkung, denn sogleich ließ die Frau mit den hellbraunen Locken ihre Arme sinken und entspannte ihr Gesicht.

»Das war der reinste Albtraum«, sprach sie und schüttelte sich, als ginge ein Schauer durch ihren Körper.

»Was? Der Film oder die Geschichte?«, horchte Stefan nach, der einen Arm um seine Lebensgefährtin legte.

Gemeinsam schlenderten sie in Richtung Innenstadt. Es schien, als hätten sie beide keine Lust, gleich nach Hause zu fahren, um von ihrem dunklen Heim willkommen geheißen zu werden.

»Beides«, antwortete Alexa patzig. »Wie können die den Film als Thriller bezeichnen, wo er doch ganz klar ein Horrorstreifen ist?«

Stefan schmunzelte. Obwohl auch er kein großer Fan düsterer Filme war, hatte ihn Das Internat doch gleich angesprochen. Der Titel hatte sachlich und vielversprechend geklungen. Und im Radio war die Story als klug und klassisch spannend bezeichnet worden. Zugegeben: Die Story war klug gewesen. Aber das Klassische und Spannende hatte er doch vermisst. Stattdessen war ein Schockmoment auf den nächsten gefolgt. Trotzdem würde er den Film kaum als Horror bezeichnen.

»Vielleicht hatten wir nur falsche Erwartungen, mein Schatz«, beruhigte der Mittvierziger seine Freundin und küsste ihren Scheitel.

»Na, wer hat mir denn einen Film im Stil von Edgar Wallace versprochen?«, fragte sie aufmüpfig und verschränkte die Arme vor der Brust. Eine Mischung aus Schrecken und Protest lag in dieser Geste.

»Darf ich es wiedergutmachen, indem ich dich auf ein Stück Kuchen einlade?«, bot der Mann an, der den Film schon längst verdaut hatte.

»Und wie die diese düsteren Rituale vollführt haben. Musste man sich dafür wirklich ausziehen?«, überging Alexa das Angebot. »Oder die Szene mit dem Messer, das plötzlich auf dem Bett von der Schülerin lag. Ich hätte mir fast vor Schreck in die Hose gemacht.«