Dr. Stefan Frank 2768 - Stefan Frank - E-Book

Dr. Stefan Frank 2768 E-Book

Stefan Frank

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Beschreibung

Grundschullehrerin Tatjana Liebig träumt von einer großen Familie. Mit Jonathan hat sie den perfekten Ehemann und Vater an ihrer Seite. Denn Jonathan hat schon einen Sohn aus erster Ehe. Der einzige Wehmutstropfen ist die Tatsache, dass der kleine Paul es Tatjana nicht leicht macht. Der fünfjährige Junge lehnt sie regelrecht ab. Tatjana versucht Verständnis und Geduld aufzubringen, doch es fällt ihr immer schwerer. Sie bemerkt, dass sie immer dünnhäutiger wird, je länger sich die so sehr ersehnte Schwangerschaft nicht einstellt. Jeder Monat ist für sie eine Achterbahnfahrt zwischen Hoffen und Bangen. Dann wird bei ihr Endometriose diagnostiziert. Nach mehreren Untersuchungen ist klar, dass die Wahrscheinlichkeit auf natürlichem Weg schwanger zu werden, verschwindend gering ist. Tatjana stürzt sich sofort in eine Kinderwunschbehandlung, setzt sich über ärztliche Ratschläge hinweg und macht Druck. Jonathan kommt bei diesem Tempo nicht mehr mit. Die Kinderwunschbehandlung wird zu einer psychischen Zerreißprobe, und Tatjana steigert sich immer mehr hinein ...


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Inhalt

Cover

Gute Neuigkeiten?

Vorschau

Impressum

Gute Neuigkeiten?

Ein Ehepaar zwischen Hoffen und Bangen

Grundschullehrerin Tatjana Liebig träumt von einer großen Familie. Mit Jonathan hat sie den perfekten Ehemann und Vater an ihrer Seite. Denn Jonathan hat schon einen Sohn aus erster Ehe. Der einzige Wehmutstropfen ist die Tatsache, dass der kleine Paul es Tatjana nicht leicht macht. Der fünfjährige Junge lehnt sie regelrecht ab. Tatjana versucht, Verständnis und Geduld aufzubringen, doch es fällt ihr immer schwerer. Sie bemerkt, dass sie immer dünnhäutiger wird, je länger sich die so sehr ersehnte Schwangerschaft nicht einstellt. Jeder Monat ist für sie eine Achterbahnfahrt zwischen Hoffen und Bangen. Dann wird bei ihr Endometriose diagnostiziert. Nach mehreren Untersuchungen ist klar, dass die Wahrscheinlichkeit auf natürlichem Weg schwanger zu werden, verschwindend gering ist. Tatjana stürzt sich sofort in eine Kinderwunschbehandlung, setzt sich über ärztliche Ratschläge hinweg und macht Druck. Jonathan kommt bei diesem Tempo nicht mehr mit. Die Kinderwunschbehandlung wird zu einer psychischen Zerreißprobe, und Tatjana steigert sich immer mehr hinein ...

»Hab' einen erfolgreichen Tag, mein Liebster.« Tatjana Liebig begleitete ihren Mann zur Haustür und legte zärtlich die Arme um ihn. »Ich vermisse dich jetzt schon.«

»Ich dich auch, mein Schatz.« Jonathan Liebig senkte den Kopf und küsste Tatjana zart auf die Lippen. »Und umso mehr freue ich mich auf heute Abend. Vergiss nicht, ich bin spätestens um sechs zu Hause, ziehe mich schnell um und dann müssen wir auch schon wieder los. Hendrik und Jessica erwarten uns um halb sieben, du musst also pünktlich fertig sein.«

Mit einer Spur liebevollem Spott in den dunklen Augen lächelte er Tatjana an. Schließlich war ihm nur zu gut bekannt, dass seine junge Frau die Pünktlichkeit nicht erfunden hatte. In ihrem Beruf als Grundschullehrerin war Tatjana die Zuverlässigkeit in Person und wäre nie im Leben zu spät gekommen. Jetzt aber, wo sie noch Ferien hatte, liebte sie es, sich allerlei Beschäftigungen vorzunehmen, um ihr gerade erst bezogenes Haus zu verschönern und darüber die Zeit zu vergessen.

»Ich werde gestiefelt und gespornt an der Tür stehen«, versprach sie ihrem Liebsten. »Schließlich will ich Jessicas Geburtstag nicht versäumen.«

Jessica war Tatjanas beste Freundin und Lieblingskollegin. Auch mit dem lebenslustigen Hendrik, ihrem langjährigen Freund, hatte sie sich immer gut verstanden, doch erst auf der Hochzeit der beiden hatte sie Jonathan, Hendriks drei Jahre älteren Bruder, kennengelernt. Jonathan war anders als der quirlige Hendrik: Ruhiger, reifer und auf eine Weise melancholisch, die Tatjana tief berührte.

Sie und Jonathan waren auf der Hochzeit Trauzeuge und Trauzeugin gewesen, hatten an einem Tisch gesessen, und wenn Tatjana ehrlich war, hatte sie sich auf den ersten Blick in den attraktiven, dunkelhaarigen Mann verliebt. Jonathan schien ebenfalls von ihr eingenommen. Als die Anziehungskraft zwischen ihnen beim Tanz jedoch nicht mehr zu leugnen war, hatte er ihr gestanden, dass er verheiratet war und einen kleinen Sohn hatte.

Tatjana war am Boden zerstört gewesen. Eine eigene Familie – das war es, was sie sich praktisch ihr Leben lang gewünscht hatte. Sie war ohne Vater aufgewachsen, und ihre Mutter hatte zwar darum gekämpft, ihr in materieller Hinsicht alles zu ermöglichen, doch für Liebe und Zuneigung war nicht viel Raum geblieben. Und umso mehr hatte Tatjana davon geträumt, einem Kind die perfekte Kindheit zu bieten, die sie selbst nie gehabt hatte.

Weil sie Kinder so gern mochte, war sie Grundschullehrerin geworden, hatte dabei aber auch schon insgeheim daran gedacht, dass der Beruf familienfreundlich war. Zur Erfüllung ihrer wundervollen Zukunftsträume fehlte im Grunde nur noch der perfekte Mann. Der aber hatte sich partout nicht finden lassen wollen. Jessica hatte bereits gespottet, der Mann, der ihrer Freundin Tatjana gefiele, müsse erst noch gebacken werden – und als er in Gestalt von Jonathan Liebig dann endlich vor ihr stand, gehörte er einer anderen Frau!

Tatjana war keine, die versucht hätte, eine Familie zu zerstören. Sie gab ihr Bestes, um Jonathan zu vergessen, und daran änderte sich auch nichts, als ihr Jessica im Vertrauen erzählte, dass die Ehe von Hendriks Bruder nicht glücklich war.

»Ich bin sicher, dass alle Ehen schwierige Phasen durchlaufen«, erklärte sie ihrer Schwester. »Aber ich schätze Hendriks Bruder nicht als einen Mann ein, der seine Frau deswegen im Stich lassen würde. Schon gar nicht, wo ein Kind im Spiel ist. Ich hatte den Eindruck, dass er seinen Sohn sehr liebt.«

Tatjanas eigener Vater hatte sich um sie nie gekümmert, und der Schmerz darüber lebte noch immer in ihr fort. Niemals hätte sie etwas unternommen, um einem Kind den Vater zu rauben! Dann aber hatte ihre Schwester ihr berichtet, dass Jonathan und Melanie Liebig sich getrennt hatten:

»Betrogen hat sie ihn ja schon seit Langem, und jetzt hat sie sich eben endgültig für den anderen Mann entschieden«, erzählte Jessica. »Die beiden haben von Anfang an nicht zusammengepasst, Jonathan als Software-Entwickler war für Melanie schlicht nicht glamourös genug. Ihr neuer hat ihr als Filmschauspieler da eine ganz andere Welt zu bieten.«

»Um Gottes willen, der arme Jonathan!«, war es Tatjana spontan entfahren. »Wie geht es ihm bei alledem?«

»Er gibt sich ziemlich gefasst«, hatte Jessica erwidert. »Ihm war ja selbst klar, dass er und Melanie sich auseinandergelebt hatten, und den Schein hatte er nur um Pauls willen aufrechterhalten. Ich denke, mit dem Ende seiner Ehe kommt er zurecht – aber dass er sein Paulchen verliert, das er über alles liebt, trifft ihn unendlich hart.«

Genau das hatte Tatjana befürchtet. Auf der Hochzeit hatte Jonathan so unendlich liebevoll von seinem kleinen Sohn gesprochen, und sie hatte begriffen, dass er genauso ein Kindernarr war wie sie selbst. Wäre ich seine zweite Frau, würde ich alles tun, damit er sein Kind nicht verlieren muss, war es ihr durch den Kopf gegangen. Ich würde ein eigenes Kinderzimmer für Paul in unserer Wohnung einrichten und sicherstellen, dass der Kleine sich bei uns glücklich und zu Hause fühlt.

Damals hatte sie solche Gedanken für verstiegene Träume gehalten. Keine vier Wochen später war sie Jonathan auf einer Feier bei Jessica und Hendrik jedoch wieder begegnet, und von da an hatten sich die Dinge zwischen ihnen in rasantem Tempo entwickelt.

Ein Jahr später, kaum dass Jonathans Scheidung rechtskräftig war, hatten sie sich das Jawort gegeben, und kurz zuvor hatten sie das kleine Haus mit Garten im Münchner Bezirk Grünwald gekauft. Es war ein wenig heruntergekommen und renovierungsbedürftig, denn mit dem großzügigen Unterhalt, den Jonathan seinem Sohn zahlte, konnten sie finanziell keine großen Sprünge machen. Tatjana und Jonathan liebten ihr kleines Nest jedoch auf den ersten Blick, und es machte ihnen beiden Freude, es in ihrer Freizeit behaglich herzurichten.

Diese Arbeiten waren nun so gut wie abgeschlossen, und im oberen Stockwerk mit den Gemütlichkeit verbreitenden Dachschrägen gab es rechts und links von ihrem eigenen Schlafzimmer zwei kuschelige Kinderzimmer: Eines für den kleinen Paul, der inzwischen fünf Jahre alt war und jedes zweite Wochenende bei ihnen verbrachte, und eines für den gemeinsamen Nachwuchs, den Tatjana und Jonathan sich heiß und innig ersehnten.

Leider hatte dieser Nachwuchs sich bisher noch nicht eingestellt, aber allzu lange probierten sie es ja noch nicht, und Tatjana war zuversichtlich, dass es in einem ihrer nächsten Zyklen klappen würde. Sie und Jonathan liebten einander so sehr und würden alles tun, was sie konnten, um ihrem Kind die bestmöglichen Eltern zu sein.

Der einzige Wehmutstropfen in ihrem großen Glück war die Tatsache, dass der kleine Paul es Tatjana nicht leicht machte. Der entzückende Junge, der Jonathans große, dunkle Augen geerbt hatte, lehnte sie regelrecht ab und verlangte jedes Mal, dass sein Vater etwas mit ihm allein unternahm.

»Du darfst es ihm nicht übelnehmen«, hatte Jonathan sie beschworen. »Seine Mutter beeinflusst ihn, sie hetzt ihn regelrecht gegen dich auf. Obwohl es ja sie war, die unsere Ehe beendet hat, ist Melanie furchtbar eifersüchtig. So war sie schon immer: Was sie nicht haben kann, das soll auch kein anderer bekommen, selbst wenn sie es gar nicht mehr wollte.«

Natürlich hatte Tatjana Verständnis für Paul. Aus ihrem Berufsalltag an der Schule kannte sie ähnliche Fälle und wusste, wie schwer es einem Kind fallen konnte, die Frau zu akzeptieren, die in seinen Augen an der Trennung der Eltern schuld war. Und genau das redete Melanie Liebig ihrem Kleinen ja ein. Tatjana sorgte dafür, dass Vater und Sohn genug Zeit hatten, um sie nur zu zweit zu verbringen, aber es tat ihr auch weh, dass sie so gar nicht an Paul herankam und sich an den Besuchswochenenden regelrecht ausgeschlossen fühlte.

Gewiss würde sich das aber ändern, wenn Paul sich an die Situation erst einmal gewöhnt hatte. Sie musste ihm einfach Zeit lassen, musste Geduld aufbringen, und sobald dann das Geschwisterchen auf dem Weg war, würden sie schon noch zu einer richtigen Familie zusammenwachsen.

All das ging Tatjana durch den Kopf, während sie in der Tür ihres Hauses stand und ihrem geliebten Mann nachwinkte. Jonathan winkte ihr ebenfalls, bis er vor dem Gartentor in ihr kleines gemeinsames Auto stieg und seines Weges fuhr.

Was bin ich nur für ein Glückskind, dachte Tatjana, schloss die Tür und wandte sich in Richtung Küche, um den Frühstückstisch abzuräumen. Ich habe den besten Mann der Welt, einen wundervollen Stiefsohn, das schönste Zuhause, einen Beruf, den ich liebe, und bald zu allem noch unser so sehr gewünschtes, geliebtes Kind.

Genau in diesem Moment durchfuhr sie ein scharfer Schmerz, als schnitte ein Messer durch ihren Unterleib und bis in ihren Rücken. Tatjana entfuhr ein Laut.

Um Gottes willen, nicht ausgerechnet heute, dachte sie und musste sich auf den Boden niedersetzen, um die Schmerzen unter Kontrolle zu bekommen.

Seit geraumer Zeit litt sie unter extremen Menstruationsbeschwerden, wie sie sie als Jugendliche nie gehabt hatte. Die Schmerzen raubten ihr fast den Verstand. Tatjana war keine Frau, die sich wegen einer Kleinigkeit krankschreiben ließ, aber in den letzten Monaten waren ihre Beschwerden mehrmals so stark gewesen, dass sie ihren Unterricht nicht hatte durchführen können.

Natürlich gab es viel Schlimmeres. Starke Schmerzen während der Menstruation hatten schließlich unzählige Frauen, und niemand starb daran. Sie würde eine Tablette nehmen und hoffentlich heute Abend fit genug sein, um an Jessicas Geburtstagsfeier teilnehmen zu können. Ihre Freundin hatte extra noch einmal darauf gedrängt, wie wichtig ihr der heutige Abend war, und auch Jonathan freute sich darauf.

Mühsam und schwerfällig schleppte Tatjana sich ins Badezimmer, um den zu erwartenden Blutsturz zu versorgen. Merkwürdig, eigentlich hatte sie mit ihrer Periode erst nächste Woche gerechnet, aber es gab schließlich keine Garantie dafür, dass diese immer ganz pünktlich einsetzte. Für die meisten Frauen waren unregelmäßige Regelblutungen eine Normalität.

Zu den Schmerzen gesellte sich Enttäuschung, so sehr Tatjana sich auch bemühte, diese zu unterdrücken: Also würde es auch diesen Monat nichts werden mit dem ersehnten Babyglück. In ihrer Wäscheschublade hatte sie bereits ein Paar winzige Babyschuhe versteckt, die sie ihrem Jonathan zusammen mit dem positiven Schwangerschaftstest überreichen wollte, wenn es so weit war. Wie es aussah, würde sie sich damit aber noch eine Weile gedulden müssen, und das setzte ihr in diesem Moment mehr zu, als angemessen war.

Endlich hatte sie das Badezimmer mit den hübschen blau-weiß gemusterten Kacheln und den Bildern von Leuchttürmen an den Wänden erreicht. Zu ihrer Verwunderung musste sie jedoch feststellen, dass von Blut in ihrer Unterwäsche nicht die geringste Spur zu finden war. Hatte sie sich also getäuscht? Der Schmerz war noch immer heftig, aber ein wenig hatte er nachgelassen und schien jetzt mehr in ihrem Rücken als in ihrem Unterleib zu sitzen.

Stammte er gar nicht von ihrer Periode, hatte sie sich vielleicht gestern beim Streichen im oberen Korridor verrenkt?

Gemerkt hatte sie davon allerdings nichts, und der Schmerz hatte sich auch nicht anders angefühlt als sonst, wenn er von der Regelblutung ausgelöst worden war.

Ein dunkles Gefühl der Angst schlich sich in ihre eben noch so glückliche Stimmung. War es möglich, dass etwas mit ihr nicht in Ordnung war, dass ihr etwas Ernsthaftes fehlte?

Hastig schüttelte sie den Gedanken ab und schalt sich eine hysterische Pute. Sie war jung und ihr ganzes Leben lang kerngesund gewesen. Dass sie an Menstruationsbeschwerden litt und dass diese womöglich auch zwischen den Perioden auftraten, war ja wohl kein Grund, zum Hypochonder zu werden.

Lieber wollte sie sich freuen, dass für ihren Kinderwunsch in diesem Monat also doch noch Hoffnung bestand. Im Grunde war jeder Monat für sie eine Achterbahnfahrt zwischen Hoffen und Bangen, und warum sollte nicht diesmal das Hoffen den Sieg davontragen? Wer weiß, vielleicht stammte der plötzliche Schmerz sogar daher, dass sich ein kleines Wesen in ihrer Gebärmutter eingenistet hatte.

Bei diesem Gedanken klopfte ihr Herz schneller, und der Schmerz erschien ihr schon nicht mehr so schlimm. Sie würde ihr Bestes tun, um ihn zu ignorieren, denn wenn es ihr Kind war, das ihn verursachte, hielt sie ihn nur zu gerne neun Monate lang aus.

***

»Immer hereinspaziert in die gute Stube!«

Jessica Liebig riss die Tür ihrer geräumigen Altbauwohnung auf und freute sich, ihre beste Freundin Tatjana und deren Mann, ihren Schwager Jonathan zu sehen. Anders als ursprünglich geplant würde sie ihren achtundzwanzigsten Geburtstag nicht in einer Party, sondern nur mit ihrem Mann und diesen beiden Lieblingsmenschen feiern, und dafür hatte sie den schönsten Grund der Welt.

Tatjana und Jonathan sollten es als erste erfahren!

Vor Aufregung hatte Jessica den ganzen Tag kaum an sich halten können, doch als sie jetzt ins Gesicht ihrer Freundin, die ihr einen herrlichen Rosenstrauß entgegenhielt, blickte, erstickte ihr die Freude im Nu.

»Um Himmels willen, Tati, was ist denn mit dir los? Du siehst ja aus wie Braunbier mit Spucke!« Das hatte Jessicas Oma immer gesagt, wenn Jessica während einer Krankheit blass war. Damals hatte sie es lustig gefunden, aber Tatjanas Anblick war alles andere als lustig.

»Nein, nein«, beeilte sich die Freundin, ihr zu versichern, doch ihre Stimme klang schwach. »Mir geht es gut, ich habe nur ein paar kleine Frauenprobleme – kein Grund, dir deinen Geburtstag zu verderben.«

»Was denn für Frauenprobleme?«, fragte Jessica skeptisch.

»Menstruationsbeschwerden«, raunte Tatjana ihr verschwörerisch zu, während sie ihren Mann in die Wohnung drängte. »Wirklich nichts weiter Schlimmes, nur ein bisschen Schmerzen, die aber morgen bestimmt schon wieder weg sind.«

»Aber so etwas hast du doch früher nie gehabt«, hielt Jessica dagegen. »Du warst immer die Sportlichste von uns allen, und dass du deine Regel hattest, hat dich nie abgehalten, auf Berge zu kraxeln oder stundenlang durch die Gegend zu joggen.«

»Ich werde eben älter.« Tatjana versuchte zu grinsen, wirkte aber weder unbeschwert noch amüsiert. »Jetzt lasst uns nach drinnen gehen und dich feiern, statt von dieser Lappalie zu reden. Es riecht köstlich nach einem deiner berühmten Aufläufe, und ich will unbedingt sehen, was du zu deinem Geschenk sagst.«

Das Geschenk war ein seidener Schal in Jessicas Lieblingsfarbe Türkis. Tatjana besaß wirklich ein einzigartiges Geschick, wenn es darum ging, den Geschmack anderer Menschen zu treffen, und Jessica umarmte sie fest, um sich zu bedanken. Als sie die Freundin jedoch im Arm hielt, spürte sie, wie angespannt deren Körper war. Sie hatte behauptet, die Schmerzen würden schon besser, aber auf einmal fragte sich Jessica, ob sie ihr glauben konnte.

Tatjana war ein Mensch, der niemandem zur Last fallen, niemandem Unannehmlichkeiten bereiten wollte. Die Probleme mit Jonathans Ex-Frau und dem kleinen Paul nahm sie mit bemerkenswerter Geduld hin und tat alles, um es Jonathan und seinem Sohn leichter zu machen. Ihren eigenen Kummer unterdrückte dabei. Es hätte ihr ähnlich gesehen, auch eine Krankheit zu verstecken, um Jessica ihren Geburtstag nicht zu verbergen. Was, wenn nicht nur Menstruationsbeschwerden dahintersteckten, sondern eine ernsthafte Krankheit?