1,99 €
Die vier Freunde Leo, Jan, Franka und Paulina wollen die verschneiten Gipfel Bayerns erklimmen. Kurzfristig schließen sich noch Isabel, Jans jüngere Schwester, und ihr neuer Freund Merlin an. Die Gruppe ist voller Vorfreude, doch die geplante Hüttentour wird zur Belastungsprobe. Leo trägt ein schweres Geheimnis, das ihn auf den Gipfel der Zugspitze treibt: Ein Versprechen, das er seinem verstorbenen Vater gegeben hat. Während er sich der Vergangenheit stellt, spürt er alte Gefühle für Isabel auflodern. Ihr perfekter, aber distanzierter Freund Merlin scheint alles zu sein, was Leo nicht ist. Als ein heftiger Schneesturm die Gruppe in einer abgelegenen Berghütte festhält, schaukeln sich die Spannungen hoch. Misstrauen und unausgesprochene Wahrheiten drohen die fragile Harmonie zu zerstören. Als dann Leo von seiner waghalsigen Tour auf die Zugspitze nicht mehr zurückkehrt, beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit ...
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 127
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Die Hüttentour
Vorschau
Impressum
Die Hüttentour
Eine dramatische Nacht, eine gnadenlose Suche und ein Liebesdreieck
Die vier Freunde Leo, Jan, Franka und Paulina wollen die verschneiten Gipfel Bayerns erklimmen. Kurzfristig schließen sich noch Isabel, Jans jüngere Schwester, und ihr neuer Freund Merlin an. Die Gruppe ist voller Vorfreude, doch die geplante Hüttentour wird zur Belastungsprobe.
Leo trägt ein schweres Geheimnis, das ihn auf den Gipfel der Zugspitze treibt: Ein Versprechen, das er seinem verstorbenen Vater gegeben hat. Während er sich der Vergangenheit stellt, spürt er alte Gefühle für Isabel auflodern. Ihr perfekter, aber distanzierter Freund Merlin scheint alles zu sein, was Leo nicht ist.
Als ein heftiger Schneesturm die Gruppe in einer abgelegenen Berghütte festhält, schaukeln sich die Spannungen hoch. Misstrauen und unausgesprochene Wahrheiten drohen die fragile Harmonie zu zerstören. Als dann Leo von seiner waghalsigen Tour auf die Zugspitze nicht mehr zurückkehrt, beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit ...
Der Duft von Kräutern und überbackenem Käse hing in der Luft. Leise Weihnachtsmusik, die aus den in jeder Ecke des italienischen Restaurants versteckten Boxen erklang, umhüllte die Gäste. Lachen und aufgeregte Unterhaltungen erfüllten den gemütlichen Raum, der in dunklen Tönen gehalten war. Die Möbel waren aus Nussbaumholz gezimmert und bildeten zusammen mit den weinroten Wänden ein Bild der Behaglichkeit. Überall standen, hingen oder lagen Schätze aus vergangenen Tagen herum. Eine alte Kaminuhr thronte auf einem Wandregal und schien mit ihrem Ticken der Standuhr an der Wand gegenüber Konkurrenz machen zu wollen. Eine ramponierte Laier hing über der Theke. Fotografien in Sepia rundeten das Ambiente ab, zeigten die Familie des Restaurantbetreibers zu Hause in Sizilien.
Leo hätte nichts dagegen gehabt, gerade in Sizilien zu sein. Er glaubte, dass es dort um einige Grad wärmer wäre als zur Weihnachtszeit in München. Andererseits hätte er dann seine Freunde nicht wiedergesehen.
»Und du arbeitest wirklich darauf hin, Partnerin zu werden?«, wunderte sich Paulina. Ihre braunen Locken rutschten ihr über die Schulter nach vorne, und sie musste ihren Kopf schütteln, damit die Haare nicht in ihren Cannelloni landeten. »Würdest du dir damit nicht jede Flexibilität nehmen?«
Franka schlürfte eine Spaghetti zwischen ihre Lippen. Ein kleiner Rest Spinat blieb an ihrem Mundwinkel hängen, und sie errötete. Schnell tupfte sie sich den Mund mit einer Serviette ab.
»Hm, natürlich«, antwortete sie.
Ihre Haltung ließ nun nichts mehr davon erraten, dass sie sich nur wenige Sekunden zuvor ein einziges Mal hatte gehen lassen. Die Frau mit den straff geschnittenem blondem Bob hatte nicht nur ihre Manieren im Griff, sondern auch ihr Leben. Akribisch arbeitete sie die Stationen ab, die sie sich schon damals zu Studienzeiten festgesetzt hatte.
»Aber sieh dir mal die Umstände an. Heutzutage ist es wichtig, einen sicheren Stand im Beruf zu haben. Als Partnerin hätte ich diese Sicherheit.«
»Du bist verrückt.« Jan schüttelte lächelnd den Kopf.
Optisch war er das genaue Gegenteil von Franka. Seine dunklen Haare waren stets einen Tick zu lang, das Kinn unrasiert. Als wenn diese Darbietung der Lässigkeit nicht genügte, trug er seine Hemden meistens einen Knopf zu viel offen. Jan wäre besser auf Mallorca geboren, dort, wo das Leben leichter und unbeschwerter schien als im derzeit eisigen Deutschland.
»Eigentlich ist es ganz vernünftig«, stand Paulina ihrer Freundin nun bei.
»Eigentlich?«, hakte Jan mit einem unverschämten Grinsen nach.
Gleichzeitig winkte er dem Kellner, der gerade an ihrem Tisch vorbeiging, damit dieser eine weitere Flasche Wein servierte.
»Ach, du«, seufzte die Brünette augenrollend, konnte sich aber ebenso ein Grinsen nicht verkneifen. »Was sagst du denn dazu, Leo?«
Leo kaute auf dem Bissen Pizza herum, den er sich zuvor in den Mund geschoben hatte. Auf seiner Zunge explodierte das Aroma von frischem Basilikum, vermischt mit dem weichen Geschmack von Mozzarella. »Wenn ihr mich fragt«, begann er und spülte den letzten Rest mit einem Schluck Rotwein hinunter, »sollte jeder nach seinen Prinzipien handeln. Ich bin einfach froh, euch endlich noch mal zu sehen, ihr Nervensägen.«
»Oh, Leo, der unverwüstliche Diplomat«, scherzte Franka und erhob ihr Glas in seine Richtung. Zwinkernd trank sie einen Schluck.
»Alter, wie machst du das nur, jedes Mal die goldene Mitte zu finden?«, stöhnte hingegen sein bester und ältester Freund Jan.
Jan Fechner und Leo Sonneborn waren schon miteinander befreundet gewesen, als sie noch nicht aus ihren Windeln herausgewachsen waren. Immer wieder erzählte seine Mutter ihm, dass er schon in der Krabbelgruppe vernarrt in den Wildfang Jan gewesen war.
»Ich bin eben ein Frauenversteher und weiß, was es braucht, um sie glücklich zu machen«, neckte Leo seinen Kumpel.
Der Kellner kam und hielt eine Flasche Rotwein mit dem Etikett nach vorne.
»Alle glücklich, oder haben die Signore e Signori noch einen Wunsch?«
»Nur, dass dieser Abend noch lange dauert, Luigi«, antwortete Jan.
»Abende mit Freunden sollten niemals enden, sì?«, sicherte der Kellner ihm zu.
Es war bereits das elfte Jahr, in dem sich die vier Freunde zu ihrem weihnachtlichen Zusammenkommen in diesem Restaurant trafen. Damals waren sie an der Uni unzertrennlich gewesen. Und obwohl sie nicht mal weit voneinander entfernt lebten, lediglich Franka hatte es nach Frankfurt verschlagen, fanden sie in den anderen Monaten keine Zeit, um zu viert zusammenzukommen. Also hatten sie ihren Abend bei Luigi und seiner Familie zur Tradition werden lassen. Immer einen Tag vor Heiligabend.
Als der herzliche Kellner weitergezogen war, lehnte sich Paulina zufrieden in ihrem Stuhl zurück.
»Mir fehlt das alles hier«, gestand sie und machte mit ihrer Hand eine kreisende Bewegung.
»Was? Das Essen? Lass dir doch was für morgen einpacken«, meinte Jan und begann damit, die Gläser seiner Freunde aufzufüllen.
»Nicht das Essen, du Doofmann.« Sie machte einen Ruck, und kurz darauf entfuhr Jan ein Au, woraufhin er sich das Schienbein rieb. »Ich meine das hier. Uns. Wir haben uns so viel zu erzählen und nur einen Abend Zeit. Wir sollten uns häufiger treffen.«
»Das fände ich auch schön«, schwärmte nun auch Franka.
Ihr sonst abgeklärtes, sogar schon ein wenig hart gewordenes Gesicht nahm etwas Verträumtes an. Leo erkannte die junge Studentin wieder, die er damals auf der Toilette einer Party aufgelesen hatte, nachdem sie zu viel Alkohol getrunken und wieder ausgespien hatte. Da sie ihm ihre Adresse nicht hatte sagen können, hatte er sie mit zu sich nach Hause genommen und selbst auf der Couch geschlafen. Seitdem waren sie Freunde.
»Was haltet ihr denn von einem Trip in die Berge?« Jans Gesicht sah aus, als hätte er eine plötzliche Eingebung. Seine Augen leuchteten.
»In die Berge?« Franka verzog das Gesicht, immerhin kamen sie allesamt aus München. Da waren die Berge nichts Besonderes mehr. »Ein Trip in die Sonne wäre mir lieber.«
»Bin bei dir.« Diesmal war es Leo, der ihr zuprostete.
»Jetzt seid doch mal kurz still«, fuhr Jan dazwischen. »Ich meine das ernst. Wir fahren nicht nur in die Berge, sondern machen eine Hüttentour. Nur wir vier. Kurz bevor die Saison startet. Na, was sagt ihr?«
»Wo soll die Hüttentour denn stattfinden?« Paulinas Neugier schien geweckt. Sie legte ihren Kopf schief und hatte die Lider ein wenig zusammengezogen.
»In Garmisch-Partenkirchen«, antwortete Jan und hob sofort den Zeigefinger wie ein ermahnender Lehrer. »Lasst mich ausreden! Freunde von mir betreiben dort eine Hütte am Fuß der Zugspitze. Wir könnten jeden Tag ein Stück wandern. Und zum guten Schluss wagen wir den Aufstieg ...«
»... auf die Zugspitze«, brachte Leo den Satz zum Schluss.
Jan richtete seinen Blick auf seinen Freund und hob die Augenbrauen.
»Du bist dabei, oder?«
Leo musste nicht antworten. Bei der Erwähnung von Garmisch-Partenkirchen hatte er gleich gewusst, worauf es hinauslief. Obwohl er die Zugspitze schon x-mal gesehen hatte, hatte er dort noch etwas zu erledigen. Ein Versprechen, das er einzulösen hatte. Also stellte er sein Glas ab, lächelte schief und sagte: »Wann geht's los?«
»Moment mal.« Franka schien noch etwas zu beschäftigen. »An welchen Zeitraum habt ihr denn gedacht?«
»Wie wäre es mit den Osterferien?«, schlug Paulina vor.
»Das ist mitten in der Saison«, warf die Blonde ein.
»Was haltet ihr von Anfang April? Damit müssten wir dem größten Touristentrubel entgehen können. Soweit ich weiß, öffnen Irma und Lars erst mit den Osterferien. Das würde bedeuten, dass wir alles nur für uns hätten. Eine Woche Jan Fechner pur, Mädels. Was haltet ihr davon?« Lustig ließ der Möchtegern-Charmeur seine Augenbrauen hüpfen.
Leo wandte sich kopfschüttelnd, aber lachend ab. Die Frauen taten es ihm gleich.
»Du solltest so was nicht sagen, du Macho«, läuterte Franka ihn. »So was schreckt eher ab. Aber ansonsten ...«
»Ja?« Jan zog das Wort gespannt in die Länge.
»... bin ich dabei«, schloss sie und wandte sich an Paulina.
»Guck mich nicht so an«, wehrte sie ab. »Ich war schon dabei, als er die Tour vorgeschlagen hat. Allerdings frage ich mich, ob deine Freunde nur wegen uns schon früher öffnen.«
»Würden sie nicht«, antwortete Jan lässig. »Aber sie haben mir angeboten, mir die Hütte zu überlassen, wenn es mich in die Berge verschlägt. Und weiter oben steht eine Hütte, die man mieten kann. Normalerweise wird sie auch erst ab den Sommerferien vermietet, aber Irma und Lars legen bestimmt ein gutes Wort für uns ein.«
»Dann sollten wir uns schon mal aufs Datum festlegen, damit ich mir die Woche freihalte«, erklärte Franka pragmatisch.
Sofort bückte sie sich zu ihrer Handtasche hinunter. Als sie wieder auftauchte, lag ihr Smartphone in ihrer Hand. Geschäftig tippte und wischte sie darauf herum.
Auch Jan, Leo und Franka holten ihre Smartphones hervor, um den Zeitraum abzugleichen.
»Was haltet ihr von der ersten Aprilwoche? Das Wetter müsste dann auch freundlicher sein«, rief Franka in die Runde. Alle nickten, bis Jan plötzlich auffuhr.
»Verdammt«, zischte er.
»Was ist?«, erkundigte sich sein bester Freund.
»Genau am letzten Märztag kommt meine Schwester aus den USA zurück. Da kann ich nicht einfach abhauen.« Mit einem zerknirschten Gesicht rieb er sich die Stirn. »Aber eine Woche später könnte zu knapp werden.«
Nachdenklich schauten sich die übrigen Freunde an. Hinter Leos Augen arbeitete es. Er hatte Isabel Fechner schon seit Jahren nicht mehr gesehen. Sie war sechs Jahre jünger als er. Daher kannte er sie nicht nur als Jans kleine Schwester, sondern hatte sie sogar aufwachsen gesehen.
»Dann bring sie doch einfach mit«, schlug Paulina vor.
Der Vorschlag schien auch bei den anderen zu fruchten, denn auch Franka nickte kräftig, sodass Jan nun Leo ansah. Dieser hob die Schultern.
»Du weißt, dass ich Isa mag. Bring sie ruhig mit. Wenn sie nicht zu erledigt von dem Flug ist.«
Jan verzog das Gesicht. »Es ist nur so, dass sie selbst schon jemanden mitbringt. Irgendein Merlin, der ihr in den Staaten wohl den Kopf verdreht hat. So ein Durchstartertyp.«
»Dann bring eben auch diesen Merlin mit«, seufzte Franka. »Einer mehr oder weniger macht doch nichts aus.«
Jan grinste. »Das wird der Hammer«, sagte er.
Auch Leo glaubte, dass die Tour ein Erlebnis werden könnte. Allerdings wusste er nicht, wie er damit umgehen sollte, Isa wiederzusehen.
***
Martha Giesecke hechtete vom Labor über den kleinen Flur zur Anmeldung. Schnaufend blieb sie hinter ihrer Kollegin Marie-Luise Flanitzer stehen und stemmte die Hände in die Hüften.
»Also wenn das so weitergeht, brauche ick demnächst Urlaub. Drei Wochen. Mindestens. Irgendwo, wo keine Menschenseele ist. Nur Palmen, Strand und Kokosnüsse.«
Marie-Luise drehte sich zu ihrer älteren Kollegin um.
»Das stell ich mir auf Dauer aber langweilig vor. Immer nur aus Kokosnüssen schlürfen wäre für mich kein Urlaub.« Dann wandte sie sich wieder dem Bildschirm zu, der ihr Gesicht blau beleuchtete.
»Na gut, muss ja kein Palmenstrand sein. Die Mecklenburgische Seenplatte würde mir auch schon genügen. Nur Hauptsache mal raus aus dem Trubel.«
Von weiter hinten fiel eine Tür ins Schloss. Eilige Schritte waren zu hören. Sie näherten sich, und Schwester Martha musste nicht schauen, um zu wissen, wer nun um die Ecke kommen würde. Den Schritt ihres Arbeitgebers erkannte sie aus Hunderten heraus.
»Ah, der Chef freut sich auch auf die Mittagspause.«
Das stets freundliche Gesicht von Dr. Stefan Frank erschien wie erwartet. Der Hausarzt machte an der Anmeldung Halt.
»Ich freue mich nicht nur auf die Mittagspause, sondern auch, wenn diese erbärmliche Grippewelle ein Ende hat«, korrigierte er. »Wer hätte gedacht, dass sich die Grippezeit diesmal bis in den Frühling ausdehnen würde.«
Den gesamten Morgen waren der Mediziner und seine Angestellte immer nur von einem Raum zum nächsten gehetzt. Die meisten Patienten waren mit Grippesymptomen erschienen. Einige wenige von ihnen hatten über andere Beschwerden geklagt. Eine ältere Frau war zur Besprechung ihrer Blutwerte zu einem Gespräch gekommen. Aufgrund einer ausgeprägten Anämie hatte er sie sofort in die Waldner-Klinik überwiesen.
»Bitte sagen Sie nicht, dass Sie dann auch auf eine einsame Insel fliegen möchten«, lachte Marie-Luise und bekam rote Wangen.
Normalerweise erlaubte sich die junge Arzthelferin keine Scherze dem Chef gegenüber. Aber die letzten Tage hatten sie alle gefordert. Und mit ein wenig Scherzen ließ sich der Stress für jeden besser ertragen.
Dr. Frank hob amüsiert die Augenbrauen. »Eine einsame Insel?«, hakte er nach.
»Na, die Marie-Luise ärgert mich nur, weil ick so gern einmal in den Urlaub möchte. Dahin, wo keine Menschenseele ist«, erklärte die Ältere.
»Meine liebe Schwester Martha«, begann Dr. Frank liebevoll. Er kam um den Anmeldetresen herum und stellte sich neben sie. Dann legte er einen Arm auf die Schulter der kleinen korpulenten Frau. »Glauben Sie ernsthaft, Sie würden es nur eine Minute in der Einsamkeit aushalten?«
»Na ja, ick kann es nicht herausfinden, wenn ick es nicht mal versuche, stimmt's?«, beteuerte sie.
»Das brauchen Sie nicht zu versuchen«, widersprach Marie-Luise belustigt und schaltete den Monitor vor sich aus. Das Licht erlosch. »Alle Leute, die Sie kennen, wissen, dass Sie keine Überlebenschancen ohne etliche Mitreisende, Kaffee, Kuchen und mindestens zehn Kreuzworträtsel hätten. Und wissen Sie was? Das ist auch gut so. Alles andere wäre mir suspekt.« Damit stand die Jüngere vom Drehstuhl auf und knöpfte ihren weißen Kittel auf.
Es war bereits dreizehn Uhr dreißig. In einer halben Stunde würden sie die Türen wieder für ihre Patienten öffnen.
»Na gut. Ick gebe mich geschlagen. Aber den Urlaub hätten wir uns trotzdem alle verdient.«
Dr. Stefan Frank löste sich von seiner Angestellten und umrundete den Tresen, bis er davor stehen blieb.
»In vierzehn Tagen schließen wir die Praxis für zwei Wochen, liebe Schwester Martha. Aber jetzt entschuldigen Sie mich bitte. So wie ich Frau Quandt kenne, wartet sie oben mit dem Mittagessen auf mich.«
Frau Quandt war die Haushälterin. Zwar bereitete sie ihm häufig Frühstück und Abendessen zu, aber seitdem die Praxis täglich so ausgelastet war, hatte sie ihm stets auch einen kleinen Snack für die Mittagszeit gezaubert.
»Lassen Sie es sich schmecken, Chef«, rief Schwester Martha ihm hinterher. »Und wir zwei Hübschen gehen jetzt zum Bäcker und gönnen uns die größte Torte, die er im Angebot hat.«
Marie-Luise schmunzelte und griff nach ihrer Jacke.
»Aber nur eine mit Kokos«, sagte sie.
***
Die Fahrt von München nach Garmisch-Partenkirchen dauerte gerade mal eine Stunde. Trotzdem genügte die geruhsame Autofahrt, um in Gedanken zu versinken.
Leo fuhr an Hütten vorbei, die aus der Ferne wie braune Würfel auf den Wiesen aussahen. Jedes Mal, wenn er daran vorbeifuhr, fragte er sich, welchen Nutzen diese Hütten hatten. Bis heute hatte er es nicht herausgefunden. Vermutlich lagerten die Landwirte darin ihre Arbeitsgeräte.