Drei Mal Horaz - Klaus Hager - E-Book

Drei Mal Horaz E-Book

Klaus Hager

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Beschreibung

Drei Mal Horaz: Zum Ersten: für Kenner im lateinischen Originaltext, zum Zweiten: ins Deutsche übertragen und dazu in Reime gesetzt, wie in der deutschen Dichtung üblich . Zum Dritten: travestiert. Beispiel aus der bekannten Ode I/11 1.Original: Carpe diem quam minima credula postero 2.Übertragung: Genieße jeden Tag wie eine Frucht, die frisch du pflückst vom Baum / Was dir der nächste bringt, das kümmere dich kaum 3. Genießen wir den Tag und stillen unseren Durst/ Und was der nächste bringt ist uns doch Wurst

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Drei Mal Horaz

Eine Auswahl von Horaz-Oden,

zum Ersten im Original,

zum Zweiten seriös übertragen,

zum Dritten mehr oder weniger salopp

travestiert und kommentiert von

Klaus Hager

Eine kleine Hommage an meine Schule,

das Gymnasium Casimirianum in Coburg

und (leider posthum)

an meine damaligen Lateinlehrer,

Dr. Knorr und Dr. Oppel

die nicht immer die reine Freude mit mir hatten.

Inhalt

Vorgeschichte

Selbstporträts

Huldigungen an Mäcenas

Weisheiten und Erfahrungen

Wein, Weib und Gesang

Abgesang

Vorgeschichte

Vielleicht will mich der ein oder andere jetzt das fragen, was mich schon etliche gefragt haben: „Sag mal, wie kommt denn so ein simpler Dorfdoktor wie du dazu, so was zu machen? Horaz übertragen?

Das müsste ich mich fast selber fragen! Meine Schulzeit liegt zwar jetzt schon sehr lange zurück – 2014 waren es fünfzig Jahre, dass ich mein Abitur gemacht habe - aber ich kann mich noch sehr gut erinnern, dass ich da zum Leidwesem meiner Lehrer nie besonderen Eifer an den Tag gelegt habe.

Herr Dr. Knorr, mein erster Klassenlehrer am Gymnasium, hat mir schon in meinem ersten Jahreszeugnis schriftlich gegeben: „Er müsste mehr Einsatz zeigen, dann könnten seine Leistungen noch wesentlich besser werden“, und Herr Dr. Oppel, mein Klassenlehrer der letzten drei Jahre, hat mich immer wieder gemahnt: „Hager! Sie sind so einer von denen, die mehr könnten, wenn sie nur wollten! Wollen Sie denn nicht?“

Ich gab darauf nur ein leicht verlegenes, etwas unartikuliertes Grunzen von mir. Herr Dr Oppel war resigniert: „Offensichtlich nicht! Dem unwilligen Brummen nach zu schließen!“

Wieso entfalte ich diesen Eifer, den meine Lehrer damals immer wieder so vergeblich angemahnt haben, jetzt auf einmal mit fünfzigjähriger Verspätung?

Den ersten Anstoß dazu bekam ich etwa zwanzig Jahre nach meinem Abitur. Da kramte ich mal in so einer antiquarischen Bücherkiste, wie sie die Buchhändler ja oft vor ihrer Türe stehen haben und fischte da eine zweisprachige Horaz-Ausgabe heraus.

Ich blätterte darin, ich las. Nun, wo ich ja über zwei Jahrzehnte lang mit Horaz und seinen Kollegen gar nichts mehr am Hut hatte, nun erwachte plötzlich ein Interesse, wie ich es in der Schule nie gespürt hatte.

Ich begann richtig neugierig in dem Buch zu lesen; und besonders interessiert wurde ich, als ich dann im Vorwort des Herausgebers las, er habe bei seinen Übertragungen, nicht versucht, den Horaz ins Deutsche zu übersetzen, sondern das Deutsche in den Horaz.

Da nahm ich mir das Buch mal mit. Ich wollte doch mal sehen, wie der das wohl gemacht hätte: Das Deutsche in den Horaz übersetzen?

Aber beim Lesen kam ich sehr bald zu der Überzeugung: Na, damit hat er dem Dichter aber keinen besonders guten Dienst erwiesen!

Mir war zwar bald klar, was er damit gemeint hatte: „Das Deutsche in den Horaz übersetzen“. Er hatte hier ganz offenbar die übertragenen Oden im Deutschen in dasselbe Versmaß gesetzt, das Horaz im lateinischen Original verwendet hat. Dadurch entstanden aber sehr oft Wendungen die furchtbar gedrechselt, ja manchmal sogar richtig komisch klangen, weil man im Deutschen halt einfach so nicht sagt. Man sagt doch nicht:

Du siehst, wie im tiefen Schnee weiß dasteht der Soracte,

und wie nicht mehr die Last aushalten die Wälder voll Mühsal,

und die Flüsse erstarrt sind vom Frost, dem scharfen.

Das klingt doch irgendwie komisch! Ein Nicht-Lateiner, der noch nie etwas von einem alkäischen Versmaß oder so gehört hat, wird da sicher nur befremdet den Kopf schütteln.

Etwas später fand ich dann in einer kleinen Anthologie eine andere Übertragung dieser Soracte-Ode. Da hatte es der Übersetzer genau umgekehrt gemacht. Der hatte den Horaz ins Deutsche übertragen und weil nun mal in deutschsprachigen Gedichten der Reim vorrangig gebräuchlich ist, hatte er ihn in Reime gesetzt. Bei dem klang das so ähnlich:

Du siehst, wie des Soracte schroffer Felsengipfel

Steht tief verhüllt in Winterweiß.

Vom Schnee beladen biegen ächzend sich der Bäume Wipfel.

Die Flüsse liegen starr vom scharfen Frost in Eis.

Das hörte sich für mich aber wesentlich besser an! Hier hatte ich sofort das Gefühl: Hätte Horaz diese Ode in Deutsch gedichtet, dann vielleicht so. So könnte sie sicher auch einem Nicht-Lateiner gefallen.

In dem kleinen Buch waren aber nur die ersten drei Strophen drinnen. Schade! Ich hätte sehr gerne mal die ganze Ode, so ins Deutsche übertragen, gelesen. Aber der Herausgeber hatte leider nicht angegeben, wo er das her hatte.

Ich machte mich daher auf die Suche nach seiner Quelle, fragte in Buchhandlungen immer wieder mal nach Horaz-Oden, in Reimen ins Deutsche übertragen; man war dort auch meistens sehr bemüht, mir weiter zu helfen, ich wurde dabei aber trotzdem niemals fündig und nach dem vierten oder fünften Fehlversuch kam ich schließlich auf die vielleicht etwas verrückte Idee: „Dann mach ich das halt einfach selber!“

Ich habe das dann auch tatsächlich getan, habe es erst einmal mit dieser Soracte Ode probiert und habe die vervollständigt. Die klang dann in meiner Fassung so:

Du siehst, wie des Soracte schroffer Felsengipfel

Steht tief verhüllt in Winterweiß

Vom Schnee beladen biegen ächzend sich der Bäume Wipfel

Die Flüsse liegen starr vom scharfen Frost in Eis.

Vertreib die Kälte, leg im Ofen ein

Die dicken Hölzer, nimm davon genug,

Und schenk mir reichlich ein den köstlichen Sabinerwein

O Thaliarch, aus der Diota, dem Zweihenkelkrug!

Lass ruhig den Rest den Göttern, die indessen

Den Sturm beruhigten, der da tobte auf dem wilden Meer,

Sieh hin, ruhig stehen wieder die Zypressen

Und auch die alten Eschen biegen sich nicht mehr.

Was morgen sein wird, solltest du nicht fragen,

Ein jeder Tag, den dir das Schicksal schenkt, sei dir Gewinn,

Des Lebens Freuden solltest du dich nie versagen,

Genieß das Jungsein, gib dem Tanz dich hin.

Solang die fahle Gräue dir noch fern, die Jugend dir noch lacht

Find dich zur rechten Zeit am rechten Platze ein,

Beim leisen Flüstern in der dunklen Nacht,

Zum heimeligen Stelldichein.

Horch auf des Mädchens Lachen im Versteck,

Willkommener Verräter ist es dir, fang sie dir ein.

Streif ihr als Pfand den Reif vom Arm ganz keck,

Der nur noch schwach sich sträubt – und sie ist dein!

Das hatte mir sehr großen Spaß gemacht. Ich bekam da richtig Lust auf mehr, sodass ich mich noch an weiteren Oden vergriff!

Damals stand ich aber noch voll im Beruf und da fehlte mir einfach die Zeit, das intensiver zu betreiben. Es lief nur „kleckerlesweise“, wie der Volksmund sagt und schlief dann irgenwann mal ganz ein.

2011 aber ging ich in Rente. Jetzt hatte ich Zeit! Und weil man ja immer sagt, man solle sich als Rentner mit etwas beschäftigen, das Spaß macht, sonst werde man depressiv oder ginge seiner Frau gewaltig auf die Nerven, im schlimmsten Fall beides, machte ich mich wieder an den Horaz.

Jetzt, wo ich genügend Zeit hatte, ging es auch zügig voran. Bald hatte ich die ersten zehn Oden beisammen und erinnerte ich mich dann wieder an meine Lehrer von einst. Was würden die wohl jetzt sagen, der Herr Dr. Oppel und der Herr Dr. Knorr, wenn sie den Hager sehen könnten, den zwar guten, aber doch recht trägen, nur mäßig interessierten Schüler, wie der fast fünf Jahrzehnte nach seinem Abitur auf einmal mit Eifer Horaz-Oden überträgt? Das würde sie doch sicher freuen?

Aber dabei kamen mir doch auch Zweifel, ob denen mein später Eifer wohl so restlos gefiele?

Der Reim war ja bei den antiken Dichtern völlig ungebräuchlich, den kannten die praktisch gar nicht! Die dichteten in Versmaßen und gerade Horaz ist dafür bekannt, dass er besonders kunstvolle gebraucht hat!

Er selber erwähnt das sehr stolz: In der Ode III.30. Da rechnet er es sich selber als großen Verdienst an, als erster in die lateinische Dichtung die bis dahin dort unbekannten äolischen Versmaße übernommen zu haben. Er ist darauf so stolz, dass er das Wort „superbia“ dafür verwendet, ein Wort, das in seiner Bedeutung ja auch „Hochmut“ und „Prahlerei“ mit einschließt. Und dieses Wort setzt er hier ganz bewusst! Das sieht man daran, dass er gleich im nächsten Vers Melpomene, die Dichtermuse, bittet, sie möge ihm seine Superbia nachsehen - „Sume superbiam quaesitam meritis”, sagt er da. “Entschuldige bitte, wenn ich mir darauf was einbilde!” so etwa könnte man das frei übersetzen. Darf man dann gerade ihn in Reime setzen?

Diese Frage würden meine Lehrer von einst wohl eher mit „Nein!“ beantworten. Das wäre in ihren Augen wohl ein Verstoß gegen eine Regel, die sie uns damals immer und immer wieder eingeprägt, ja richtig „eingebläut“ haben: „Übersetze so wörtlich wie möglich und nur so frei wie nötig!“

Aber diese Regel wollte ich ohnehin nie akzeptieren! Als Schüler schon mal gleich gar nicht! Da sah ich mich nur einer schönen Möglichkeit beraubt, so ein bisschen zu mogeln. Mit solch einer „freien Übersetzung“ könnte man ja manchmal Unsicherheiten, vielleicht sogar Unwissen, ganz elegant vertuschen. So denkt man nun mal als Schüler und ist dann entsprechend sauer, wenn man mit Bestimmungen konforontiert wird, die einem das verbieten.

Als ich das Abitur hinter mir hatte und erwachsen wurde, dachte ich da aber auch nicht um. Sonst sah ich da sehr oft einmal ein, dass das, was uns die Lehrer seinerzeit in der Schule beibringen wollten, schon richtig war, auch wenn wir so manches nicht so ganz akzeptieren wollten; aber bei dieser Regel hier bin ich stur geblieben: Nein! Umgekehrt sollte man es machen! So frei wie möglich und nur so wörtlich wie nötig! Und jetzt, als ich diese „Übertragung des Deutschen in den Horaz“ las, da sah ich mich in meiner Ansicht noch einmal voll bestätigt.

Du siehst, wie im tiefen Schnee weiß dasteht der Soracte,

und wie nicht mehr die Last aushalten die Wälder voll Mühsal,

und vom Frost die Flüsse erstarrt sind, vom scharfen.

Übersetze so wörtlich wie möglich, schön und gut, aber das darf doch nicht so weit gehen, dass man dabei seine eigene Muttersprache vergewaltigt! Und das tut der hier!

Du siehst, wie des Soracte schroffer Felsengipfel

Steht tief verhüllt in Winterweiß.

Vom Schnee beladen biegen ächzend sich der Bäume Wipfel.

Die Flüsse liegen starr vom scharfen Frost in Eis.

das klingt doch wirklich wesentlich besser! So übertragen, könnte die Ode wohl auch einem Nicht-Lateiner gefallen.

Ich denke auch nicht, dass man dem Horaz Gewalt antut, wenn man ihn in Reimen ins Deutsche überträgt. In deutschsprachigen Gedichten – besonders bei Oden wie hier – ist nun mal der Reim üblich und kein alkäisches oder sonstiges Versmaß und wenn Horaz sich in der Ode III.30 sogar selber rühmt, in die lateinische Dichtung bis dahin unbekannte Versmaße übernommen zu haben, dann zeigt er sich damit doch für etwas Neuses sehr aufgeschlossen! Wer weiß? Vielleicht hätte ihn ja auch der Reim, wenn er ihn mal kennengelernt hätte, so angesprochen, dass er es damit auch einmal versucht hätte!

Ich übertrug also eifrig so weiter und jetzt, als ich genügend Zeit hatte, fing das Ganze an, so richtig auszuarten. „Das ist der Fluch der bösen Tat, dass sie fortzeugend neue muss gebären“, lässt Schiller ja seinen Wallenstein sagen. Mit meiner Idee, Horaz-Oden zu übertragen, lief das jetzt ganz ähnlich – die gebar auch „fortzeugend neue“.

Zum Stoffsammeln surfte ich im Internet, und dabei stieß ich ganz zufällig auf die herrlichen Travestien, die Christian Morgenstern von einigen Horaz-Oden gemacht hat. Die gefielen mir so gut, dass ich dachte: „Das könntest du eigentlich auch noch machen!“

Daher bringe ich jetzt jede Ode im Dreierpack: Zum Ersten den lateinischen Originaltext für die Kenner, dann versuche ich zum Zweiten, den wenigstens einigermaßen seriös zu übertragen – „so wörtlich wie möglich“, wobei ich natürlich ab und zu mal durch den Reim gezwungen bin, doch etwas vom Originaltext abzuweichen; z. B. in der Ode I.19. Da schwärmt Horaz von einer gewissen Glycera, deren Schönheit er „schöner als Parthischer Marmor“ erscheinen lässt. Die lasse ich „heller als tausend Sonnen“ strahlen. „Sonnen“ reimt sich nun mal sehr gut auf die „Wonnen“, die diese schöne Glycera bei Horaz erregt. Aber finde mal einer einen guten Reim auf „Marmor“!

Zuletzt bringe ich dann die Travestie - „So frei, wie eigentlich nicht nötig“ - Der Meinung wäre sicher mein guter Dr. Oppel. Dem wären meine „freien Übersetzungen“ wohl oft mal gar zu salopp.

Ich erinnere mich noch, dass er mich nach einem Referat mal etwas getadelt hat: „Ihr Vortrag war inhaltlich recht gut. Aber Sie verwenden mir noch zu viele Ausdrücke von der Straße. Das sollten Sie sich mal abgewöhnen.“ Und wenn ich dann zum Beispiel den Schluss der Ode I.11, das berühmte „carpe diem, quam minima credula postero!“ so bringe: