Drei Weiber und der Papst - Cornelia Reichert - E-Book

Drei Weiber und der Papst E-Book

Cornelia Reichert

4,9

Beschreibung

Papst Benedict XVI tritt zurück. Die Freundinnen Hilde, Rosi und Edeltraud, alle Ende Vierzig, beschließen spontan, zur letzten Generalaudienz nach Rom zu fahren. Sie buchen eine Busreise und müssen entsetzt feststellen, dass auch der Gemeindepfarrer und dessen Haushälterin, die Moosleitner Elvira, mit von der Partie sind. Am ersten Tag der Reise werden die drei Freundinnen doch tatsächlich an einem Rastplatz vergessen und beschließen daraufhin, nach Rom zu trampen. Zwei äußerst attraktive Globetrotter nehmen sie mit und es folgt eine Nacht, die es in sich hat - die Mädels rauchen den ersten Joint ihres Lebens und sind am nächsten Tag überrascht, entsetzt und doch amüsiert, angesichts ihres frivolen, nächtlichen Treibens. Auch bei der Reisebusgesellschaft läuft nicht alles nach Plan und das Entsetzen beim Pfarrer ist groß, als er nicht nur das Fehlen der drei Damen feststellt, sondern im weiteren Verlauf der Reise auch noch die Moosleitnerin verschwindet. Und schließlich kommt der Tag der Generalaudienz in Rom und ein Treffen der vergessenen Damen mit der Reisegesellschaft scheint nicht unmöglich... Witzig, spannend und überraschend!

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Das Buch

Papst Benedict XVI tritt zurück. Die Freundinnen Hilde, Rosi und Edeltraud, alle Ende Vierzig, beschließen spontan zur letzten Generalaudienz nach Rom zu fahren. Sie buchen eine Busreise und müssen entsetzt feststellen, dass auch der Gemeindepfarrer und dessen Haushälterin, die Moosleitner Elvira, mit von der Partie sind.

Am ersten Tag der Reise werden die drei Freundinnen doch tatsächlich an einem Rastplatz vergessen und beschließen darauf hin nach Rom zu trampen.

Zwei äußerst attraktive Globetrotter nehmen sie mit und es folgt eine Nacht die es in sich hat - die Mädels rauchen den ersten Joint ihres Lebens und sind am nächsten Tag überrascht, entsetzt und doch amüsiert, angesichts ihres frivolen, nächtlichen Treibens.

Auch bei der Reisebusgesellschaft läuft nicht alles nach Plan und das Entsetzen beim Pfarrer ist groß, als er nicht nur das Fehlen der drei Damen feststellt, sondern im weiteren Verlauf der Reise auch noch die Moosleitnerin verschwindet.

Und schließlich kommt der Tag der Generalaudienz in Rom und ein Treffen der vergessenen Damen mit der Reisegesellschaft scheint nicht unmöglich…

Witzig, spannend und überraschend!

Alle Personen in diesem Buch sind frei erfunden, mitAusnahme von Papst Benedict XVI natürlich.Jede Ähnlichkeit mit tatsächlich lebenden Personen ist rein zufällig!

Für Sandra und Felix,die wichtigsten Menschen in meinem Leben.Ich liebe Euch.

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 1

Montag, 25.02.2013

"Ich glaub ich spinn, was will die denn da, fährt die auch mit?"

Mit einer kurzen Kopfbewegung deutete Hilde in Richtung des ankommenden Autos. Ihre beiden Freundinnen Rosi und Edeltraud drehten sich um, stöhnten auf und bekamen sofort den gleichen, genervten Gesichtsausdruck wie Hilde. Rosi schüttelte leicht ihren Kopf:

"Des gibt´s doch ned, die blöde Ratsch´n muss auch mit fahren oder? Mit wem fährt denn die?"

"Ja mit niemanden, wer soll denn mit der Moosleitnerin schon fahren? Des kann ich mir ja gar nicht vorstellen", zischte Edeltraud.

"Na hoffentlich kommt noch einer, nicht das die dann bei uns rumhängt. Des tät mir noch fehlen, da kannst wieder über nix reden, weil die ihre Löffeln überall hat", murmelte Hilde leicht stinkig mit Blick auf das Fahrzeug, dessen Beifahrertür sich öffnete und zwei kurze, stämmige Beine zum Vorschein brachte.

"Wenn ich scho die dicken, fetten Wasserfüß´ von der seh, da reicht´s mir scho wieder", angewidert schüttelte sich Hilde und drehte sich demonstrativ um.

Im stillen Einverständnis begannen die drei Freundinnen, alle zwischen 48 und 50 Jahre alt, wieder zu plaudern, um bewusst Desinteresse an der Mitreisenden zu demonstrieren.

Dick eingepackt in ihre Daunenjacken standen sie an diesem kalten Morgen in einer kleinen Traube von Menschen vor dem Landshuter Hauptbahnhof und warteten auf ihren Reisebus.

Vor gut zwei Wochen hatten sie beschlossen die letzte Generalaudienz von Papst Benedict XVI zu besuchen. Sie waren zwar alle drei nicht extrem katholisch oder kirchentreu - einzig Edeltraud besuchte jeden Sonntag die Messe und mehr auch nicht - aber wenn schon mal ein Papst zurück tritt und ein bayrischer noch dazu, dann war das für die drei Damen Ehrensache, bei so einem historischen Ereignis dabei zu sein.

Ein kleines Reisebüro in ihrer Gemeinde bot die passende Busreise dazu an:

3 Tage Rom, 2 Übernachtungen inkl. Frühstück, pro Pers. nur 199,- Euro!

25.02.13:

06.00 Uhr: Abfahrt von Landshut, Hbf.

20.00 Uhr: Ankunft Rom, Abend zur freien Verfügung

26.02.13:

10.00 Uhr: Besuch Generalaudienz, Petersplatz anschl. Stadtrundfahrt Rom Abend zur freien Verfügung

27.02.13.

09.00 Uhr: Abfahrt nach Landshut, Hbf.

Na wenn das kein Schnäppchen war!

Sie hatten sofort gebucht und freuten sich auf die drei Tage zusammen. Es war das erste Mal seit Jahren, dass sie wieder zusammen unterwegs waren. Allein. Ohne Männer. Ohne Familie.

Rosi, die größte von den dreien, deren langen blonden Haare meist zu einem Zopf gebunden waren, war in Sachen Liebe der Spätzünder von ihnen gewesen. Mit knapp vierzig hatte sie erst ihren Rolf geheiratet. Eigene Kinder waren nie ein Thema gewesen, da sie beide keine "alten" Eltern sein wollten.

Anders verhielt es sich bei Hilde. Die kleinste, etwas moppelige und quirligste von ihnen war schon seit 27 Jahren mit Hannes verheiratet. Sie hatten zwei erwachsene Söhne. Hildes Markenzeichen, wenn man so will, waren ihre kurzen blonden Naturlocken, die widerspenstig in alle Richtungen vom Kopf abstanden und immer zu wackeln begannen, sobald sie sich aufregte oder zu schimpfen begann - und das passierte schon gelegentlich.

Edeltraud, ruhig und unscheinbar, war der etwas biedere Typ. Sie machte sich nichts aus Mode oder Make up. Ihre schulterlange Wasserwelle begleitete sie schon seit ihrer Schulzeit. In letzter Zeit allerdings durchzogen immer mehr silbrige Strähnen die dunkle Pracht. Mit ihrem Mann Georg war sie über 32 Jahre verheiratet (der erste und einzige Mann in ihrem Leben). Sie hatten eine Tochter und auch schon ein Enkelkind.

Von Geburt an lebten die drei schon in dem kleinen niederbayerischen Ort Rimmshausen, welcher auch Mittelpunkt ihrer gemeinsamen Freizeitaktivitäten war. Da gab´s die typischen Vereinsgeschichten, wie den Kegelclub, den katholischen Frauenbund, den Schützenverein, die Feuerwehr und auch einen Hasenzüchterverein. Für die Gesundheit traf man sich wöchentlich im ansässigen Wirtshaus im Nebenraum und schwitzte bei Yoga, Quigong und der Rückenschule.

Müßig zu erwähnen, dass stets dieselben Teilnehmer und Mitglieder in den Vereinen und Kursen zu finden waren. Wie das halt so ist auf dem Lande.

Da kann man schon verstehen, welch Vorfreude die Reise nach Rom bei den drei Freundinnen ausgelöst haben musste.

Bis eben halt, als die unerwartete Ankunft der Moosleitnerin ihre Stimmung ziemlich trübte.

Da standen sie also, um sechs Uhr morgens am Bahnhof und übten sich in gezwungener Konversation. Sie hörten eine Autotür zuschlagen und zeitgleich begann das Geschrei, als der Wagen los fuhr:

"Ja halt, stehen bleiben!"

Alle Busreisenden drehten sich zum Geschehen auf dem Parkstreifen um. Sie sahen eine kleine, feste und ziemlich robust wirkende Frau, die mit ihrer Handtasche zweimal auf das Dach des mittlerweile wieder stehen gebliebenen Fahrzeuges eindrosch.

Sie brüllte über den ganzen Bahnhof:

"Ja sag a mal spinnst du? Mei Tasche is doch no drin."

Sie stapfte zum Kofferraum und trat dabei noch einmal kräftig nach dem hinteren Autoreifen, "kruzifix noch a mal, so ein Depp."

Schimpfend und zeternd holte sie ihr Gepäck und blieb damit auf dem Gehweg stehen. Der Fahrer fuhr, ohne eine weitere Regung, davon.

"Der hat Recht, eigentlich hätte er gleich weiter fahren sollen, dann hätte sie schau´n können, wie sie an ihr Zeug kommt."

Hilde schüttelte den Kopf und konnte wieder einmal nicht verstehen, wie ein Mann so etwas schon über 30 Jahre erdulden konnte.

Rosi nickte zustimmend:

"Der werd froh sein, dass er ein paar Tage seine Ruhe hat."

"Mhm, wahrscheinlich sitzt er jetzt jeden Tag beim Wirt und trinkt gemütlich seine Apfelschorlen. Mein Gott, so ein braver Mann und so eine Furie dazu, des is echt a Wahnsinn, oder?", meinte Edeltraud und blickte wieder in Richtung Gehweg.

Somit war sie auch die erste, die das nächste ankommende Fahrzeug, ein Taxi, erblickte.

"Ah geh, des kann jetzt aber ned sei."

Ruckartig drehten sich die beiden anderen Köpfe um und Hilde konnte es kaum glauben: "du spinnst oder…." Rosi stand mit offenem Mund da und konnte gar nichts sagen. Sie hatte sich so auf diese Kurzreise gefreut. Auf das Ratschen und auch mal Lästern mit ihren Freundinnen. Auf den Dosenprosecco, das Herumalbern und Gackern, wie es eben nur mit Frauen geht. All das sah sie nun in Anbetracht des weiteren Gastes schwinden. Na das würde ein Trip werden!

Hilde, die ähnlichen Gedanken nachhing, meinte flüsternd: "na super, da können wir uns ja ned a mal a bisserl betrinken, ohne schlechtes Gewissen."

Fassungslos beobachteten sie das weitere Geschehen, als die Moosleitnerin mit schriller Stimme los legte:

"Mei, guten Morgen Herr Pfarrer, sans auch scho da? Sie ich freu mich schon so, ich kann´s gar nicht sagen."

Der Geistliche stieg aus dem Taxi und nahm seinen kleinen Koffer vom Fahrer in Empfang.

"Ihnen auch einen schönen guten Morgen Frau Moosleitner."

"Habens hoffentlich alles dabei, Herr Pfarrer?"

"Ja, ja ich denk schon, sie haben ja alles schon so wunderbar vorbereitet. Hab´s ja nur noch einpacken müssen. Vergelts Gott noch einmal, gell."

"Ach", winkte diese ab, "des hab ich doch gern gemacht."

Grinsend drehte sie sich um, um zu sehen ob auch alle ihren Dialog mit dem werten Herrn Pfarrer mitbekommen hatten. Auch der Gottesmann blickte in Richtung der Mitreisenden:

"Oh, was seh ich denn da? Da sind ja weitere Schäfchen aus unserer Gemeinde, wie schön", lächelnd ging der Pfarrer auf die drei Freundinnen zu.

Hilde, die das lange Gesicht der Moosleitnerin sah, weil der geschätzte Hochwürden ihr einfach so den Rücken kehrte, nutzte doch gleich die Gelegenheit um noch ein bisschen mehr Öl in´s Feuer zu gießen. Übertrieben freundlich meinte sie:

"Ja der Herr Pfarrer, mei des is ja eine Überraschung. Guten Morgen, ja wie wir uns freuen, sie zu sehen."

"Guten Morgen Hilde, die Überraschung ist ganz auf meiner Seite", lächelnd schaute er Rosi und Edeltraud an, "auch ihnen einen schönen guten Morgen die Damen, des freut mich aber, dass sie diese beschwerliche Reise für unseren Papst auf sich nehmen. Wir sitzen ja doch die meiste Zeit im Bus, gell."

Die beiden murmelten einen Gruß zurück und Rosi hoffte, dass er sich bald wieder zu der Moosleitnerin gesellen würde, damit sie ihre Ruhe hatten. Dieser Wunsch wurde aber jäh zerstört, als diese samt ihrem Gepäck auch schon neben ihnen stand.

"Guten Morgen ihr drei, mei ich hab euch gar nicht gesehen, weil ich mich schon so auf die Ankunft des Herrn Pfarrer gefreut hab. Des hat man ja nicht alle Tage, gell, dass der Herr Pfarrer mit einem eine Reise macht und einen Herzenswunsch erfüllt. Mei ich bin schon so aufgeregt."

Dabei fächelte sich übertrieben mit der Hand Luft zu.

"Ja die Moosleitnerin", tat Hilde ganz überrascht und grinste frech, "wo kommst du denn jetzt her, ja des is aber schön dass du auch mitfährst. Du, wir haben dich auch gar nicht bemerkt. Wir sind da jetzt so rum gestanden und haben geratscht und vor allem die Ruhe an diesem schönen Morgen genossen. Ist ja noch nix los weißt, kein Verkehr, kein Geschrei von irgendwelchen Leuten und so, verstehst was ich mein."

Das Grinsen der Moosleitnerin wandelte sich in ein leicht angestrengtes Lächeln mit verkniffenen Augen und schmalen Lippen. Angestachelt von dieser Veränderung kam Hilde jetzt so richtig in Fahrt:

"Mensch Herr Pfarrer, da könnens doch neben einer von uns sitzen. Wir haben ja noch einen Platz frei, weil wir nur zu dritt sind. Des wär doch schön Mädels oder? Da können wir uns in Ruhe ein bisserl unterhalten Herr Pfarrer, man kommt ja sonst nie dazu. Na was meinens?"

Hochwürden, immer noch etwas irritiert von dem vorherigen Schlagabtausch zwischen der Hilde und der Moosleitnerin, stotterte, "ja ich weiß nicht, eigentlich habe ich ja mit der Frau…".

"Ach bitte Herr Pfarrer, wir täten uns so freuen", schmeichelte Hilde mit zuckersüßer Stimme.

"Na wenn sie mich so nett bitten, liebe Hilde, dann soll es so sein."

Er drehte sich zur Moosleitnerin um, "ja meine Liebe was meinen sie? Sie können sich ja auch bei uns dazu setzen, dann sind alle Schäfchen zusammen. Schön nicht."

"Ja genau", stimmte Hilde freudestrahlend zu, "und wenn sie Glück hat, hat sie zwei Sitzplätze für sich alleine, dann kann sie auch mal ihre Beine hoch legen, die schwellen doch immer gleich so an gell, mit dem ganzen Wasser und so."

Rosi schnappte nach Luft und blickte entsetzt zu Edeltraud, die auch ganz entgeistert an Hildes Lippen hing.

Der Herr Pfarrer schaute kurz in die Runde und meinte dann räuspernd: "äh, ja, schön dann hätten wir das geklärt. Dann sehen wir uns später, ich möchte noch gerne die anderen Teilnehmer etwas kennen lernen."

Die Moosleitnerin schaute verkniffen eine nach der anderen an und murmelte kaum verständlich beim weggehen, "blöde Weiber".

"Was meinst?", rief Hilde ihr noch schnippisch hinter her und drehte sich kichernd wieder um.

Edeltraud konnte noch gar nicht fassen was eben passiert war und motzte Hilde an:

"Sag mal spinnst du? Wie kannst denn des machen?"

"Ja was denn? Wenn die uns so blöd kommt, von wegen sie hat uns nicht gesehen und dann noch so falsch grinsend und wie die den Pfarrer immer anschleimt, da könnt ich kotzen, echt."

"Und ich könnt kotzen, weil wir jetzt zum Pfarrer auch noch die Moosleiterin bei uns haben", zischte Rosi wütend, "ganz toll, am liebsten würd ich scho gar nimmer mit fahren."

"Ich auch nicht", jammerte Edeltraud, "ich hab mich so auf einen Weiberratsch mit euch gefreut, aber jetzt…"

"Jetzt stellts euch halt ned so an, vielleicht wird´s ja trotzdem ganz lustig."

"Des glaubst aber auch nur du", murmelte Rosi, griff nach ihrer Reisetasche und ging mürrisch zum mittlerweile eingetroffenen Bus um ihr Gepäck einzuladen.

Edeltraud folgte ihr mit einer ebenso schlechten Laune und Hilde musste sich mit einem tiefen Seufzer eingestehen, dass sie selbst auch nicht gerade begeistert war von ihrer Idee. Wenn diese blöde Moosleitnerin sie aber auch immer gleich so auf die Palme bringen musste!

Der Busfahrer stellte sich als Erwin vor und half allen recht nett beim einladen und stapeln der Koffer und Taschen.

Edeltraud stieg als erste von den fünf Schäfchen aus Rimmshausen in den Bus. Sie war immer noch so wütend, dass sie einfach bis ganz hinten durch stapfte ohne die anderen Reiseteilnehmer zu grüßen. Als sie vor der Rückbank stand, wurde ihr bewusst, dass das auf keinen Fall ginge, da säßen sie ja alle neben einander. Also nahm sie den Platz in der vorletzten Reihe, setzte sich an´s Fenster und wartete auf die anderen. Rosi kam als nächste und ließ sich mürrisch neben Edeltraud in den Sitz fallen.

Als die Fahrt los ging, waren Hilde und der Herr Pfarrer auf der anderen Seite neben ihnen und die Moosleitnerin davor. Sie hatte doch tatsächlich den Sitz bzw. die beiden Sitze für sich alleine. Die Sitze neben ihr, also vor Rosi und Edeltraud, blieben unbesetzt, wie auch die letzte Reihe, sodass Rosi kurz überlegte, sich nach ganz hinten zu setzen, um möglichst weit weg von diesem Wahnsinn zu sein. Aber nach einem kurzen Blick nach links, wo der Herr Pfarrer wichtig mit Hilde, die am Fenster saß, über das bevorstehende Ereignis diskutierte, beschloss sie, dass sie sich wenigstens mit Edeltraud zu zweit amüsieren konnte. Geschah der Hilde nur recht, hoffentlich kaute Hochwürden noch die ganze Bibel mit ihr durch!

Erwin machte die erste Durchsage, begrüßte die Gäste und erklärte ihnen, dass sie zunächst nach München zum Hauptbahnhof fuhren, da dort noch die Reiseleitung und weitere Gäste abzuholen waren und dann ginge es weiter nach Rom. Er wies darauf hin, dass die Toilette im Bus leider defekt war, aber ausreichend Pausen eingeplant wären, um diesem Problem Herr zu werden. Die genauen Zeitangaben würden sie dann von der Reiseleitung erfahren.

"Na darauf trinken wir doch gleich mal einen."

Rosi kramte aus ihrer Handtasche zwei Dosenprosecco hervor und hielt eine davon Edeltraud hin.

"Genau des brauch ich jetzt, danke. Vielleicht werden wir dann ein bisschen ruhiger."

Rosi spürte den Blick von Hilde auf sich gerichtet, schaute aber demonstrativ nicht zurück und trank gleich mal die halbe Dose auf Ex. Auf nach Rom!

Kapitel 2

Elvira Moosleitner machte es sich auf ihren beiden Sitzen bequem. Wenn Hilde wüsste, was für einen Riesengefallen sie ihr getan hatte, indem sie ihr den Pfarrer "abgenommen" hat. Sie wusste ganz genau, dass die drei Weiber die Busfahrt lieber ohne die Gesellschaft des Hochwürden verbringen wollten. Da war der Hilde wieder einmal ihre große Klappe selbst im Weg gewesen. Nun konnte die sich mit dem Pfarrer herumschlagen. Ja, manchmal und nur manchmal meinte es das Schicksal auch gut mit Elvira. Zufrieden lächelnd kuschelte sie sich in ihren Sitz und legte tatsächlich die Beine hoch auf den freien Platz neben sich, nur um die Hilde zu ärgern und hing ihren Gedanken nach.

Sie konnte noch gar nicht richtig glauben, dass diese Reise wirklich statt fand. Nie hätte sie sich träumen lassen, einmal aus Rimmshausen weg zu kommen. Weg vom Hof, von der damit verbundenen Arbeit, weg vom Franz, den sie abgrundtief hasste und vor allem weg von der Kirche und all den scheinheiligen sogenannten Schäflein ihres Pfarrers. Weg vom Pfarrer? Nein. Gegen den Geistlichen war nichts zu sagen. Er war der einzige Mensch im Ort, der sich immer nach ihrem Befinden erkundigte. Seit vielen Jahren schon war sie seine Hauswirtschafterin und liebte diese Arbeit. Es war ihre Zuflucht von zu Hause. Jeden Tag blieb sie länger als nötig, einfach um zu vergessen. Ihr war auch bewusst, dass ihr Chef das längst durchschaut hatte und einfach so tolerierte. Wenn sie das dritte Mal in der Woche Staub wischte oder die Küchenschränke öfter als nötig aus- und umräumte oder die Fenster nach jedem Regen neu putzte, dann bedachte er sie immer mit einem warmen Lächeln und beteuerte, wie fleißig sie doch war und dass der liebe Herrgott es ihr danken würde. Ja, der liebe Herrgott….wenn der wüsste, bzw. er wusste ja bereits - schließlich sah er doch alles oder?

Ihr Herr Pfarrer sah in jedem Menschen nur das Gute und war überzeugt davon, dass seine Gemeinde aus vielen treu schaffenden und herzensguten Menschen bestand. Elvira konnte es ihm nicht verdenken, wie sollte er auch ein echtes Bild von den Rimmshausenern bekommen, wenn diese, sobald der Pfarrer in der Nähe war, ihr falsches Lächeln aufsetzten und von einer Sekunde auf die andere ganz fromm und heilig wurden. Es gab zwar kurze Momente, in denen Elvira überlegte, ob Hochwürden das Ganze nicht doch durchschaute. Diese Überlegungen machte er jedoch immer ganz schnell zu Nichte, indem er sich von den Schlimmsten und Scheinheiligsten von allen zum Kaffee einladen ließ. Aber sie wollte nicht schlecht von ihrem Chef denken. Ohne ihn wäre diese Reise für sie schließlich nie Wirklichkeit geworden.

Die Radionachricht vom Rücktritt des hl. Vaters hatte sie beide in der Küche des Pfarrhauses überrascht, als Elvira gerade abspülte und der Herr Pfarrer noch einen Kaffee bei ihr trank. Für kurze Zeit war die Zeit stehen geblieben. Der Pfarrer hielt die Tasse, von der er gerade trinken wollte, noch in der Luft und Elvira erstarrte mit einem Teller in der einen und dem Geschirrtuch in der anderen Hand. Fassungslos und erstaunt zugleich sahen sich die beiden an. Während der Pfarrer seine Tasse absetzte, fand Elvira als Erste ihre Sprache wieder und wollte wissen, ob das denn überhaupt möglich sei. So etwas habe sie ja noch nie gehört. Ja scheinbar schon, meinte Hochwürden, sonst würde das der Heilige Vater doch nicht machen. Darauf hin setzte sich Elvira mit an den Küchentisch und fing an, alles was ihr durch den Kopf wirbelte auszusprechen. Unglaublich sei das, was da wohl vorgefallen war? Eine Intrige? Verschwörung? Ob die im Vatikan auch Mobbing machten? Vielleicht wusste er zu viel? War er krank? Ob gar die Mafia dahinter steckte? An diesem Punkt erwachte der Pfarrer wieder aus seiner Erstarrung. Elvira solle doch bitte ihre Phantasie etwas zügeln, von wegen Mafia und so. Es gäbe bestimmt einen triftigen Grund, den man sicher auch noch erfahren würde. Und dann erzählte er, dass es immer sein größter Wunsch gewesen war, einmal live bei einer Messe von Papst Benedikt XVI dabei zu sein. Wie so viele glaubte auch er, dass der Papst noch viele Jahre im Amt sein würde und so hatte er den Wunsch, wie das meist so ist, immer weiter vor sich her geschoben. Und nun war es zu spät. Richtig niedergeschlagen saß er am Tisch und stierte in seine Kaffeetasse. Elvira bekam echtes Mitleid mit ihrem Chef. Um ihn etwas aufzumuntern plapperte sie darauf los, dass es ja noch nicht zu spät sei. Man könne doch bestimmt in Erfahrung bringen, ob und wann er noch Messen gab. Dann solle sich der Herr Pfarrer doch einfach ein paar Tage frei nehmen und die Gelegenheit beim Schopfe packen. Und außerdem gab´s doch bestimmt für die Gläubigen auf der ganzen Welt noch so etwas wie einen Abschied vom Papst.

Darauf hin sah der Herr Pfarrer Elvira ganz erstaunt an und meinte, dass sie recht habe. Bestimmt kommt noch eine Messe auf dem Petersplatz oder so ähnlich. Freudig bedankte er sich bei seiner Haushälterin und machte sich auf den Weg in sein Büro um die nötigen Informationen dazu einzuholen.

Ein paar Tage später verkündete er ganz stolz, dass er im Reisebüro eine Busfahrt nach Rom zur letzten Messe vom Papst gebucht hatte.

Elvira, die in der Zwischenzeit auch ihre Recherchen betrieben hatte, wusste das natürlich schon längst und hatte auch schon einen Plan, denn so eine Gelegenheit würde sie nie wieder bekommen.

Ganz bedröppelt stand sie vor dem Pfarrer und versuchte ein mitleidiges und trauriges Gesicht zu machen. Sie seufzte schwer und erklärte, dass sie sich wahnsinnig für ihren Chef freute, dass er so ein Glück habe, dass noch erleben zu dürfen. Wie gern würde sie den Papst auch einmal sehen, den Petersplatz, aber ihr Franz wollte ja nicht verreisen, weil das alles so viel Geld kostet und so würde sie eben zu Hause bleiben müssen und hoffentlich eine Fernsehübertragung zu sehen bekommen. Ganz theatralisch ließ sie ihre Schultern und den Kopf hängen und schlurfte davon. Der Pfarrer, etwas erstaunt über den Gefühlsausbruch seiner Angestellten, aber auch von der übertriebenen Sparsamkeit des Franz Moosleitner im Bilde, überlegte nur kurz um ihr dann einen Vorschlag zu machen. Das Elvira genau damit, nämlich mit der Gutmütigkeit des Pfarrers gerechnet hatte, konnte dieser nicht wissen. Ihr schlechtes Gewissen meldete sich leise, aber nur ganz leise. Sie ignorierte es einfach. Kurz dachte sie noch daran, bei Gott um Verzeihung zu bitten wegen der kleinen Flunkerei, entschied sich aber dagegen. Schließlich hat der sogenannte Gott ihr auch nicht geholfen, als sie ihn am dringendsten gebraucht hätte…

So kam es, dass Hochwürden die Fahrt als Dienstreise deklarierte, seiner Angestellten Urlaub gab und diese als engste Vertraute auf die Reise mitnahm.

Dass die anderen drei Schnepfen vom Dorf jetzt auch dabei waren, konnte sie natürlich nicht wissen. Nach dem ersten Schreck in der Früh, als sie die drei am Busbahnhof stehen sah, fing sie sich jedoch schnell wieder und ihr war klar, dass es nur galt die Busfahrt einigermaßen zu überstehen und ihre Rolle als Moosleitnerin weiter zu spielen, dann hatte sie es geschafft: Ihr Glück in der ewigen Stadt Rom, wer hätte das gedacht?

Mit hunderttausend Schmetterlingen im Bauch und einer unbändigen Vorfreude auf die nächsten Tage schlief sie selig im Bus ein.

Kapitel 3

Hilde hatte sich zähneknirschend ihrem Schicksal ergeben. Sie lauschte den Ausführungen und Vermutungen des Herrn Pfarrer, warum der Heilige Vater wohl diesen Schritt vollzogen hatte und gab an Stellen, von denen sie meinte der Pfarrer warte auf eine Antwort von ihr, geistreiche "Ahas", "Jajas" und "Nein echt?" von sich. Nach einer guten halben Stunde Fahrt wurde der Gottesmann etwas ruhiger und lehnte sich entspannt in seinen Sitz zurück um etwas die Augen zu schließen. Hilde, deren Kopf noch ziemlich schwirrte, stieß ein kleines Stoßgebet zum Himmel, dass Hochwürden vielleicht ein kleines Nickerchen machen würde und versuchte durch intensiven Blickkontakt Rosi auf sich aufmerksam zu machen. Sie wollte sich um Gottes Willen nicht mehr als nötig bewegen, damit der Pfarrer schön eindösen konnte.

Rosi spürte tatsächlich den Blick, sah aus Reflex zur Seite und konnte die Handbewegung von Hilde sehen, die ihr andeutete, dass sie etwas zu trinken wollte.

Erleichtert sah Hilde, dass ihre Freundin lächelnd in ihrer Tasche zu kramen begann. Dann war sie ihr also schon gar nicht mehr so böse. Hilde entspannte sich merklich und dachte, dass es trotz alledem bestimmt noch eine schöne Reise werden würde. Vorsichtig griff sie am Pfarrer vorbei zu der ausgestreckten Hand von Rosi um den Prosecco entgegen zu nehmen. Mann, den hatte sie sich jetzt aber auch verdient. Erstaunt sah sie auf die kleine Wasserflasche, die nun in ihrer Hand lag. Sie schnappte kurz nach Luft und funkelte Rosi böse an. Mit den Lippen formulierte sie lautlos, dass sie einen Prosecco möchte, doch Rosi zuckte nur die Schultern, machte ein entschuldigendes Gesicht und drehte sich wieder zu Edeltraud um. Hilde hätte sie am liebsten beschimpft, doch um des Hochwürden seligen Schlafes Willen ließ sie die Worte stecken und schob das Wasser vor lauter Wut auch gleich in ihre Tasche. Die Blöße würde sie sich nicht geben und Wasser trinken, ja wo gibt´s denn so was? Beleidigt lehnte nun auch sie sich zurück und schloss die Augen um etwas Schlaf vorzutäuschen.

"Des war jetzt aber schon a bisserl gemein, oder?", murmelte Edeltraud und deutete in Richtung Hilde.

"Ja, aber nur a bisserl", flüsterte Rosi, "die soll ruhig noch ein bisschen leiden, vielleicht lernts dann mal, dass sie erst einmal nachdenkt, bevor sie ihre große Klappe aufreißt."

"Des wirst aber nicht mit Alkoholentzug schaffen", kicherte Edeltraut.

"Wahrscheinlich nicht", grinste Rosi, "prost".

Sie stießen mit ihren Proseccos an und hatten schon fast wieder ihre gute Laune zurück.

Der Reisebus erreichte um acht Uhr den Münchener Hauptbahnhof. Es stiegen noch vier Mitreisende und die Reiseleitung zu, somit war die Gesellschaft komplett. Der Bus war gut besetzt, einzig die letzte Reihe und die Sitze vor Rosi und Edeltraud blieben vollständig leer. Es ging weiter in Richtung Autobahn.

Kein leichtes Unterfangen. Wer schon einmal in den Genuss des morgendlichen Berufsverkehrs in München gekommen ist, der kennt das. Stopp-and-Go am Mittleren Ring und jede Menge Ampeln, welche grundsätzlich immer rot anzeigten. Das Ganze gepaart mit den tollen "Helden" die täglich unterwegs waren und ständige Spurwechsel vollzogen, schließlich könnte es ja auf der anderen Spur ein Sekündchen schneller gehen. Ganz beliebt auch die "Superhelden", die an Autoschlangen einfach vorbei fuhren, um sich dann vorne irgendwo noch rein zu quetschen. Immer schön zu beobachten, wenn manche dann auf stur schalten und keine Lücke preis geben. Da kann man die verschiedensten Huptöne hören und so manch einer hat Blutdruckwerte, die jeden Arzt in Alarmbereitschaft versetzen würden.

Erwin jedoch ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und steuerte die Gesellschaft routiniert und gelassen durch den Verkehr. Nach einer guten Stunde erreichten sie die Autobahn und der Bus fuhr nun stoisch und gleichmäßig dahin. Die Dame vom Reisebüro machte ihre erste Ansage und stellte sich über das Mikrophon als Frau Küberlinger vor.

Man dürfe aber gerne Küberl zu ihr sagen, hi hi, unter diesem Spitznahmen sei sie in der hiesigen Branche schließlich bestens bekannt. Sie erklärte weiter, dass die erste Pippipause, hi hi, kurz nach der österreichischen Grenze geplant sei und hoffe, dass die Gäste es bis dahin mit dem, hi hi, wässern, aushalten würden. Dann wäre das erste Etappenziel schon erreicht, hi hi. Bis dahin wünsche sie nun allen eine schöne und angenehme Fahrt und sie werde sich dann kurz vorm Ziel wieder melden, hi hi. Und vielleicht döst der ein oder andere ja ein wenig und träumt ein bisschen vom Heiligen Vater, gell, hi hi.

Rosi schaute mit aufgerissenen Augen und offenem Mund zu Edeltraud und flüsterte:

"Was is denn des? Wo habens denn die raus lassen?"

"Ja", meinte ihre Freundin ganz locker, "ich glaub, des Küberl hats nimmer alle in ihrem Stüberl".

Nun zeigte der Prosecco seine erste Wirkung und die beiden fingen an zu kichern wie zwei kleine Kinder. Sie konnten nicht mehr aufhören und wurden immer lauter bis sie einen regelrechten Lachanfall bekamen und Mühe hatten Luft zu holen. Sie versuchten krampfhaft sich zu beruhigen, da sich die ersten Gäste schon nach ihnen umdrehten und missbilligend den Kopf schüttelten.

Als sie sich wieder halbwegs im Griff hatten, schaute Rosi zufällig nach links zur Hilde und sofort kam der nächste Lachflash. Edeltraud wusste zunächst nicht was los war, bis ihr Rosi den Blick zu den Sitznachbarn und somit zu einem unglaublichen Bild frei gab. Edeltraud hielt sich die Hand vor den Mund, sog die Luft ein und machte gleichzeitig ein angewidertes Gesicht.

"Iihh, des gibt´s doch ned, oh mein Gott…"

Rosi schüttelte sich vor lachen, kramte zeitgleich in ihrer Tasche um ihr Handy hervor zu holen um das Bild für immer fest zu halten. Hoch konzentriert schoss sie das Foto und kontrollierte auch gleich, ob es richtig scharf war, denn das war das Bild des Jahres!

Hilde kam langsam wieder zu sich. Sie war wohl tatsächlich ein wenig eingeschlafen aber irgendetwas hatte sie geweckt. Sie erinnerte sich an dumpfes lachen, ein kurzes, grelles Licht und wieder lachen. Sie blinzelte ein paar Mal und war nun richtig wach und konnte das Lachen als das ihrer beiden Freundinnen ausmachen.