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Gangnam, Seoul, Südkorea. Lee Minsoo ist Hauptkommissar der Mordkommission, als mehrere mysteriöse Morde in seinem Gebiet begangen werden. Die Leichen zeigen keinerlei Fremdeinwirkung auf, doch fehlt ihnen jegliches Blut. In seinen Ermittlungen stößt Minsoo auf eine Gruppe junger Männer, die sich besonders für die Morde interessieren. Doch wie die Gruppe am Ende tatsächlich mit den Taten in Verbindung steht, hätte Minsoo nicht in seinen kühnsten Träumen erwartet.
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Seitenzahl: 256
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Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kaptiel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Kapitel 47
Kapitel 48
Kapitel 49
Kapitel 50
Kapitel 51
Kapitel 52
Epilog
Hauptcharaktere
Es hätte eine Nacht wie jede andere werden sollen. Der junge Mann war an einem Freitagabend mit seinen Freunden in einer Kneipe, die im Bezirk von Gangnam, Seoul, war, verabredet. Ohne es zu ahnen, würde die Nacht jedoch ganz anders enden als geplant.
Der junge Mann machte sich allein zu Fuß auf den Heimweg.
Die Nacht war lau und der Himmel wolkenlos. Hell leuchtete der Vollmond auf die Straßen von Seoul. In so manchen dunklen Gassen war er die einzige Lichtquelle in der Dunkelheit.
Der junge Mann fürchtete sich nicht. Schon Hunderte Male war er diesen Weg allein zu Fuß gegangen. Von seiner Stammkneipe führten mehrere Wege zu seiner Wohnung, doch er nahm immer denselben: die Hauptstraße entlang, durch den kleinen Park und anschließend durch kleinere Gassen, die ihn direkt in seine Straße führten. Er konnte den Weg nach Hause sogar sturzbetrunken gehen und beherrschte ihn selbst im Schlaf. Der Mann kannte jede Ecke auf diesem Weg genau. Morgen musste er zur Arbeit, weshalb er sich mit Soju zurückgehalten hatte und beim Bier geblieben ist.
In einer lauen Nacht wie dieser, inmitten von Seoul, im Bezirk Gangnam, kam es selten vor, dass ihm um diese Uhrzeit niemand begegnete. Heute war es eine solche Nacht, in der kein Mensch auf den Straßen war. Alles war ruhig. Der Mann konnte lediglich seine eigenen Schritte und das entfernte Rauschen der Autos auf der Hauptstraße hören. Obwohl es stockfinster war, war er sich sicher, dass ihm jemand folgte. Zwar konnte der junge Mann keine Schritte hören, aber er spürte, dass er beobachtet wurde.
Er drehte sich herum, konnte jedoch niemanden sehen.
„Hallo?“, fragte der Mann in die Dunkelheit. Keine Antwort. Er runzelte die Stirn, denn er war sich sicher, dass sich jemand am Ende der Gasse befand.
„Ist da jemand?“, versuchte er es noch einmal, doch wieder bekam er keine Antwort. Stockdunkel und still lag die Gasse vor ihm. Niemand war zu sehen. Scheinbar hatte er es sich doch nur eingebildet.
Der Mann wusste, dass die Straßenlaternen in diesem Teil des Viertels nicht funktionierten. Ein Kurzschluss ein paar Tage zuvor war dafür verantwortlich. Dennoch hatte er beschlossen, seine gewohnte Route nach Hause zu nehmen.
Der Mann drehte sich wieder um und setzte entschlossen seinen Weg fort. Ein bisschen amüsierte er sich über sich selbst, denn er war es von sich selbst nicht gewohnt, in so einer Situation nervös zu werden.
Am anderen Ende der Gasse angelangt, ging der junge Mann um die Ecke und trat ins Licht der Laternen. Erleichterung überkam ihn und er lächelte in sich hinein.
Wenn er dies seinen Freunden am nächsten Tag erzählen würde, würden sie ihn vermutlich auslachen.
Mit leichteren Schritten setzte der Mann seinen Weg fort. Doch dann hörte er es, Schritte, die ihm folgten.
Der Mann drehte sich erneut um und siehe da! Jemand stand auf einmal an der Straßenecke zu der Gasse, die er soeben verlassen hatte.
Sie starrten sich ein paar Momente lang schweigend an. Die andere Person stand dicht am Gebäude neben der Gasse und war fast vollständig in Dunkelheit gehüllt. Das Licht der Straßenlaterne ging lediglich bis zu dessen Hüfte.
„Kann ich Ihnen helfen?“, fragte der junge Mann, doch die Gestalt rührte sich nicht. Komisch, dachte er sich und begann, auf sie zuzulaufen. „Geht es Ihnen nicht gut?“ Keine Antwort. „Mein Freund ist Polizist, er kann Ihnen helfen, wenn Sie jemanden brauchen“, versuchte er es erneut und nahm sein Handy aus der Hosentasche, um es der Person zu zeigen.
Der junge Mann war nun etwa zwei Meter von der Figur entfernt, konnte deren Gesicht aufgrund des Schattens der Laterne aber noch immer nicht sehen. Nur die Augen konnte er erkennen. Selbst in der Nacht spiegelte sich das dunkle Licht in ihnen. Das Weiß der Augen strahlte so dermaßen hell, dass er hätte glauben können, es wäre gar nicht Nacht. Und die Iris hatte eine Farbe, die schwer zu beschreiben war: dunkel, aber doch strahlend. Es war ein Braun mit einem roten Schimmer. Der junge Mann war sich nicht sicher, ob er dies richtig sah. Die Gestalt war fast so groß wie er und hatte eine schlanke Figur. Die Kleidung, deren Farbe er im orangenen Licht der Laterne nicht ausmachen konnte, betonte die schlanke Taille, was ihn glauben ließ, dass er eine Frau vor sich hatte. Der junge Mann ließ nun all seine Vorsicht fallen, da es nicht so aussah, als würde eine Gefahr von der Gestalt ausgehen.
„Ich tue Ihnen nichts, ich kann Ihnen helfen.“
Plötzlich ertönte ein lautes Geräusch hinter dem Mann. Erschrocken drehte er sich um. Es hörte sich an wie ein Schlag auf einen Müllcontainer. Allerdings konnte er nicht ausmachen, woher das Geräusch kam.
„Wenn Sie Hilfe brauchen, kann ich Ihnen helfen“, meinte der Mann erneut und drehte sich wieder zur Gestalt um. „Ich wohne nicht weit …“ Er unterbrach sich selbst, da die Person plötzlich verschwunden war.
Der junge Mann blickte zurück in die dunkle Gasse, doch er konnte niemanden entdecken. Verwirrt sah er sich ein paar Minuten um, aber er konnte die Frau nicht mehr finden.
„Hoffentlich findet sie nach Hause“, flüsterte der Mann mit einem Stirnrunzeln und setzte seinen Weg fort.
Was er jedoch nicht wusste, war, dass er von den Dächern der umstehenden Häuser aus von jemandem beobachtet wurde und er sein Zuhause in dieser Nacht nicht mehr erreichen würde.
Nur wenige Minuten später, als der junge Mann endlich die Straße seiner Wohnung erreichte, beschloss die Gestalt auf den Dächern zuzuschlagen.
Das Letzte, woran sich der Mann erinnern konnte, war ein Schatten, der von oben herab auf ihn fiel, und ein Schrei, der sehr nach seiner eigenen Stimme klang. Danach war alles schwarz.
Lee Minsoo hasste es, am Wochenende durch einen Anruf geweckt zu werden. Es war Samstagfrüh, gerade einmal 5 Uhr morgens – seiner Meinung nach noch mitten in der Nacht –, als ihn sein Handy aus dem Schlaf klingelte.
„Ja?“, nahm Minsoo den Anruf mit rauer Stimme entgegen. Er machte sich nicht einmal die Mühe, die Augen zu öffnen, um zu sehen, wer der Anrufer war.
„Minsoo, komm sofort aufs Revier!“, hörte er die Stimme seines Kollegen Moon Yujun.
„Ich habe heute frei“, grummelte Minsoo ins Telefon und war gerade dabei, das Gespräch zu beenden, als er ein lautes „HALT!“ aus dem Handy vernahm. „Was?!“, fragte Minsoo gereizt und öffnete endlich seine Augen. Nun war er doch wach und verfluchte Yujun innerlich, an seinem freien Tag von ihm gestört zu werden. Es war schließlich nicht das erste Mal, dass er von ihm geweckt wurde. Erst vor wenigen Monaten hatte es einen Mord in Gangnam gegeben, der in seinen Zuständigkeitsbereich gefallen war. In dieser Zeit hatte Yujun ihn mehrfach aus dem Schlaf geklingelt, weil er scheinbar eine Spur verfolgte. Vor etwa zwei Wochen haben sie den Fall endlich abschließen und der Staatsanwaltschaft übergeben können. In der Zwischenzeit hatte Minsoo nicht einen freien Tag, um den Mistkerl zu schnappen, der den Mord begangen hatte.
Er hoffte daher, zu Yujuns eigenem Wohl, dass er einen guten Grund vorweisen konnte, warum er ihn heute aus dem Schlaf klingelte.
„Es gab letzte Nacht einen Angriff. Ein Schwerverletzter wurde ins Krankenhaus gebracht“, erklärte Yujun nun.
„Wenn niemand tot ist, ist es doch nicht mein Problem“, sagte Minsoo ärgerlich und drehte sich auf die andere Seite. Schließlich handelte die Mordkommission nur, wenn es einen Mord gab – oder zumindest einen Mordversuch. Doch in der Regel dauerte es mehr als nur ein paar Stunden, um festzustellen, ob es sich um einen Mordversuch gehandelt hatte.
„Es ist nun doch dein Problem, weil Hoon dieser Schwerverletzte ist!“, sagte Yujun nun gereizt. „Also schlepp deinen jämmerlichen Arsch hierher und komm mir nicht mit ‚Ich habe heute freiʻ!“
Diese Information ging durch Minsoos Körper, als wäre er in Eiswasser getaucht. Abrupt setzte er sich auf und strich seine Haare zurück.
„Hoon wurde angegriffen? Wann?“, fragte er bestürzt.
„Gestern auf seinem Weg nach Hause. Er wurde in der Straße vor seiner Wohnung blutüberströmt von Passanten gefunden. Beeil dich und komm her, damit wir ins Krankenhaus fahren können!“
„Bin sofort da!“ Minsoo beendete sogleich das Telefonat und zog sich in Windeseile an. Als er sein Gesicht wusch, verriet ihm ein kurzer Blick in den Spiegel, dass seine Haare wie ein Vogelnest aussahen. Doch das kümmerte ihn in diesem Moment überhaupt nicht. Auf seinem Weg zur Tür sah er auf einer Kommode ein Pfefferminzbonbon liegen. Minsoo griff danach, auch nach seiner Jacke und den Schlüsseln. Er rannte die Treppe hinab, stieg in sein Auto und fuhr so schnell er konnte zum Revier. Yujun wartete bereits vor dem Eingang auf ihn und stieg hastig ins Auto ein, während Minsoo den Pfefferminzbonbon auspackte und ihn sich in den Mund steckte.
„Welches Krankenhaus?“, fragte er.
„SNUH Gangnam“, antwortete Yujun und Minsoo stieg aufs Gas.
„Was ist genau passiert?“, wollte Minsoo wissen, als er sich in den Verkehr eingefädelt hatte. „Ihm ging es doch gut, als wir uns gestern verabschiedet haben.“
„Ich weiß auch nichts Genaueres“, antwortete Yujun besorgt. „Er wurde um kurz nach 4 Uhr von einem Bewohner seines Wohnhauses gefunden, der schließlich den Rettungswagen gerufen hat. Im Revier erzählt man sich, dass er blutüberströmt war und der Nachbar daher dachte, er wäre tot. Zum Glück wurde er rechtzeitig gefunden und ist noch am Leben. Mehr weiß ich auch nicht. Ich habe erst vor Kurzem den Namen des Opfers erfahren und dich sofort angerufen.“
„Woher kam das Blut?“, bohrte Minsoo nach. „Hat er eine Stichwunde? Wurde er verprügelt? Oder wurde er vielleicht angeschossen?“
„Ich weiß es nicht. Fahr – fahr bitte langsamer!“ Yujun musste sich am Seitengriff der Tür festhalten, da Minsoo so schnell, im Grunde genommen zu schnell in die Kurven fuhr. „Wir sind Hoon keine Hilfe, wenn wir bei einem Autounfall umkommen!“
„Du hast doch gesagt, ich soll mich beeilen“, entgegnete Minsoo, drosselte aber sein Tempo, da er seinem Freund recht gab.
Minsoo, Yujun und Hoon waren seit der Schulzeit miteinander befreundet. Auch wenn sie unterschiedlichen Alters waren, hat sie dies nie gestört. Alle drei waren relative Außenseiter in der Schule gewesen und haben dadurch Freundschaft geschlossen. Eine Freundschaft, die bis ins Erwachsenenalter gehalten hat.
Aufgrund ihres Berufs fehlte Minsoo und Yujun jedoch oft die Zeit, sich mit Hoon zu treffen, weshalb sie sich nur noch gelegentlich sahen. Gestern Abend war eine der seltenen Gelegenheiten, etwas gemeinsam zu unternehmen und auf einen wichtigen Fall, den sie endlich abgeschlossen hatten, anzustoßen.
Minsoo hatte allerdings nicht damit gerechnet, nur wenige Stunden später, nachdem er sich von Hoon verabschiedet hatte, auf dem Weg zu ihm ins Krankenhaus zu sein.
Minsoo und Yujun waren dem Krankenhauspersonal bekannt, weshalb man sie direkt zu Hoons Station führte. Dort trafen sie auf Kommissar Ju, der als Erster am Tatort war.
„Junwoo“, begann Minsoo, sobald sie ihn sahen. „Was ist passiert?“
„Hauptkommissar Lee, Hauptkommissar Moon!“, entgegnete Junwoo überrascht, als er die beiden sah. „Was machen Sie denn hier?“
„Das Opfer ist ein Freund von uns“, antwortete Yujun.
„Ich verstehe. Er wurde in der Straße vor seiner Wohnung gefunden“, berichtete Junwoo. „Überall war Blut – auf dem Boden, auf dem Körper … So viel Blut habe ich schon lange nicht mehr gesehen“, meinte der Kommissar nachdenklich. „Das Opfer war zwar bewusstlos, lebte aber noch. Ehrlich gesagt wundert es mich, wie er solch einen Blutverlust überhaupt überleben konnte.“
„Woher kam denn das Blut?“, wollte Minsoo wissen. „Durch eine Stich- oder Schusswunde?“
„Das weiß ich nicht. Ich habe bei all dem Blut keine Wunde erkennen können. Die Ärzte untersuchen ihn noch, wir müssen daher das Ergebnis abwarten.“
Minsoo und Yujun tauschten Blicke aus. „Hast du schon mit Hoon sprechen können?“
„Nein“, antwortete Junwoo. „Er ist noch immer bewusstlos.“
Yujun bemerkte, dass der Kommissar zögerte. Er wollte ihnen Fragen stellen, war sich jedoch nicht sicher, ob er das tun solle.
„Frag, was du wissen willst! Wir werden kooperieren“, sagte Yujun schließlich zu ihm.
„Wissen Sie, wieso das Opfer um diese Zeit draußen war?“, fragte Junwoo. Die Hauptkommissare beantworteten seine Frage, indem sie ihm erzählten, gemeinsam unterwegs gewesen zu sein und sich um etwa 2 Uhr morgens voneinander verabschiedet zu haben.
„Dann ist das Opfer allein nach Hause gelaufen?“, fragte Junwoo genauer nach und machte sich Notizen auf seinem Block.
„Ja, er wohnt nicht weit von der Kneipe entfernt“, antwortete Minsoo und bereute es nun, dass ihn niemand nach Hause begleitet hatte.
Doch bevor er tiefer in Selbstkritik versinken konnte, kam jemand aus dem Zimmer, in dem Hoon untersucht wurde.
„Sind Sie Kommissar Ju?“, fragte der Mann. Junwoo bestätigte dies, indem er seinen Polizeiausweis vorzeigte.
„Das sind die Hauptkommissare Lee und Moon von der Mordkommission“, erklärte Junwoo. Schließlich stellte sich der Mann, der aus dem Zimmer gekommen war, vor.
„Mein Name ist Park Minho, ich bin der behandelnde Arzt des Opfers.“
„Wie geht es ihm?“, fragte Minsoo sogleich.
„Es geht ihm den Umständen entsprechend gut. Wir wissen noch nicht genau, was ihm fehlt, weshalb ich mit Ihnen reden wollte“, erklärte Dr. Park.
„Wieso? Was ist mit ihm passiert?“, fragte Yujun nach.
„Das wissen wir nicht“, antwortete Dr. Park. „Herr Kim wurde als Schwerverletzter eingeliefert … Wir können aber keine Verletzungen finden.“
„Was meinen Sie damit?“, fragte Junwoo nach. „Woher kam dann all das Blut am Tatort?“
„Das kann ich Ihnen nicht erklären …, noch nicht“. Dr. Park runzelte die Stirn. „Das Opfer hat keine äußerlichen Verletzungen. Nichts deutet darauf hin, dass er so viel geblutet hätte. Auch das Röntgenbild gibt keine Hinweise auf innere Verletzungen. Seine Lunge klingt normal und sein ganzer Körper zeigt keine Anzeichen von Hämatomen. Wir haben auch eine Blutprobe entnommen und ins Labor geschickt, um festzustellen, ob es überhaupt das Blut von Herrn Kim ist.“
„Wann wird Hoon wieder aufwachen?“, fragte Minsoo nach.
„Er ist soeben wach geworden“, sagte Dr. Park und trat einen Schritt zur Seite. „Wenn Sie wünschen, können Sie gern mit ihm sprechen.“
Hoon war in einem Einzelzimmer untergebracht, wie es für Opfer von Gewaltverbrechen üblich war. Er war an einigen medizinischen Gerätschaften angeschlossen, die seinen Herzschlag überwachten und in die Stille hinein piepten. Zudem war er an einem Tropf angeschlossen, der bereits fast vollständig durchgelaufen war.
Minsoo hatte sich auf den Anblick vorbereitet, doch es ging ihm trotzdem durch Mark und Bein, als er das getrocknete Blut an Hoons Gesicht und Hals sah. Es war offensichtlich, dass sie während der Behandlung versucht hatten, das Blut wegzuwaschen. Da es bereits getrocknet war, musste das Opfer später selbst die Entfernung vornehmen.
Hoon war in einem Krankenhaushemd gekleidet und seine Arme lagen auf der Bettdecke. Somit konnte Minsoo auch die Überbleibsel des Blutes an seinen Armen erkennen.
Würde Hoon seine Freunde nicht anlächeln, als sie den Raum betraten, hätte Minsoo ihn für tot gehalten.
„Guten Morgen“, begrüßte Hoon seine Freunde. „Ich hatte nicht damit gerechnet, euch so schnell wiederzusehen.“
„Das ist nicht zum Spaßen“, meinte Yujun ernst, trat neben das Krankenbett und sah sich alle Gerätschaften genauer an. Minsoo hingegen hatte nur Augen für Hoon.
„Wie geht es dir?“, fragte Minsoo besorgt.
„Gut“, antwortete Hoon. „Ich habe keine Verletzungen und sonst scheint auch alles in Ordnung zu sein.“
„Bist du sicher, dass dir nichts fehlt?“, fragte Minsoo nach und deutete auf die Blutflecken, die überall auf Hoons Haut zu sehen waren.
„Ja, sie haben mich von Kopf bis Fuß untersucht, aber nichts gefunden. Ich habe auch keinen übermäßigen Blutverlust, sagen sie. Das ist nur eine Kochsalzlösung“, sagte er und deutete auf den Tropf. „Es war wohl nicht mein Blut.“ Hoon kratzte an den Blutflecken an seinem Arm herum. „Ich wünschte, sie würden mich aufstehen lassen, damit ich mich endlich duschen und das Blut abwaschen kann …“
„Was ist passiert?“, fragte nun Junwoo und Hoon bemerkte zum ersten Mal, dass jemand Drittes den Raum betreten hatte. „Oh, Entschuldigung. Ich bin Kommissar Ju, ich war der Polizist am Tatort.“
„Oh, natürlich. Ich … ich weiß es nicht“, antwortete Hoon. Sein Lächeln verschwand plötzlich aus seinem Gesicht. „Ich bin von der Kneipe aus meinen gewohnten Weg nach Hause gelaufen. Irgendwann bemerkte ich, dass mir jemand folgte. Ich habe mich umgedreht und sah eine Frau, die mir jedoch nicht antwortete, als ich sie ansprach. Sie ist dann weitergegangen und … das bin ich auch … Ich weiß noch genau, dass ich in meine Straße einbog … Das wars.“
„Haben Sie gesehen, ob Sie von jemandem angegriffen wurden?“, hakte Junwoo nach.
„Nein … das kann ja auch nicht sein, ich habe ja keine Verletzungen.“
„Haben Sie irgendeine Ahnung, woher das Blut kommen könnte?“, fragte Junwoo weiter.
„Nein, es scheint nicht mein Blut zu sein.“
„Haben Sie sonst noch jemanden in der Nacht auf dem Nachhauseweg gesehen?“
„Nur die Frau.“
„Können Sie diese Frau bitte beschreiben? Kennen Sie sie etwa?“
„Nein, ich glaube nicht, dass ich sie kenne. Ich konnte ihr Gesicht in der Dunkelheit nicht sehen. Sie war fast so groß wie ich, schlank …“ Hoon zögerte, da er sich fragte, ob seine Erinnerung ihn betrog. „Sie hatte braune Augen“, antwortete er schließlich.
„So groß wie Sie?“, fragte der Kommissar nach.
„183 cm“, antwortete Hoon und der Polizist starrte ihn entsetzt an.
„Eine Frau? So groß?“
„Wenn ich es Ihnen doch sage!“, beteuerte Hoon und der Kommissar ergänzte seine Notizen.
„Lange oder kurze Haare?“, fragte Junwoo weiter und notierte sich alles auf seinem Notizblock.
„Das kann ich nicht sagen.“
„Wie alt schätzen Sie die Frau ein?“
„Ich habe ihr Gesicht nicht gesehen. Ich weiß es nicht.“
„Wissen Sie sonst noch etwas von dem Vorfall?“, fragte Junwoo schließlich.
„Nein, tut mir leid. Ich kann mich an nichts erinnern“, antwortete Hoon.
„Nun denn …“, Junwoo steckte seinen Notizblock ein und bedankte sich bei Hoon. „Ich werde zurück aufs Revier gehen und weiter in dem Fall ermitteln. Hauptkommissar Lee, Hauptkommissar Moon, ich werde Sie auf dem Laufenden halten.“ Danach verbeugte sich Junwoo vor allen und verließ das Krankenzimmer.
Sobald die Tür hinter ihm geschlossen war, wandte sich Minsoo wieder an Hoon. „Ist das wirklich alles, was du noch von letzter Nacht weißt?“
„Natürlich“, antwortete Hoon. „Ich möchte doch auch wissen, was passiert ist.“ Minsoo bemerkte jedoch, dass Hoon ihm nicht in die Augen blickte. Irgendetwas hielt er zurück. Allerdings konnte Minsoo nicht sagen, was es war und weshalb. Hoon war niemand, der ihm wichtige Informationen vorenthalten würde. Aus Respekt vor dem möglichen Trauma, das sein Freund erlitten haben könnte, bohrte Minsoo nicht weiter nach. Soweit die Information wichtig für die Ermittlungen sein würde, würde Hoon ihm dies mitteilen, sobald er bereit dazu war. Davon war er überzeugt.
Hoon wurde nach nur einer Nacht Aufenthalt im Krankenhaus entlassen, da er absolut keine Verletzungen erlitten hatte. Die Ärzte warteten jedoch noch das toxikologische Gutachten ab, bevor sie ihn nach Hause entließen. Als dieses negativ ausfiel, hatten sie keinen Grund mehr, ihn im Krankenhaus zu behalten. So wurde Hoon am nächsten Morgen als völlig gesund entlassen.
Zu Minsoos Frustration kamen die Ermittlungen in Hoons Fall nicht wirklich voran. Gemäß seiner Aussage hat Kommissar Junwoo versucht, die Frau zu finden, die er in der Nacht gesehen hatte. Aufgrund Hoons spärlicher Beschreibung gestaltete sich dies jedoch schwierig. Und obwohl sie im Fernsehen davon berichteten und darum baten, es möge sich jeder melden, der in der Nacht etwas gesehen hatte, insbesondere diese Frau, kamen keine brauchbaren Rückmeldungen von möglichen Zeugen.
Ein paar Tage später war es dann so weit: Das Ergebnis des Bluttests wurde an das Revier übermittelt. Und das Resultat verwirrte nicht nur Dr. Park selbst, sondern auch Junwoo, Minsoo und Yujun. Sämtliches Blut, das am Tatort und auf Hoons Körper gefunden wurde, war sein eigenes. Aufgrund der Menge des Blutes, die er offensichtlich verloren hatte, sollte er mausetot sein. Als Minsoo ihm dies mitteilte, blickte Hoon an sich herunter und kniff sich in den Arm. „Ich lebe aber noch“, stellte er fest und sah seinen Freund verwirrt an.
„Das sehe ich auch, du Idiot“, sagte Minsoo und schlug Hoon mit dem Blatt Papier auf den Kopf. „Ich lese nur vor, was da drinsteht. Es bedeutet am Ende nur, dass du verdammt viel Glück hattest, dass du nicht verblutet bist!“
Hoon nickte und schwieg einige Momente in sich hinein.
„Aber wo ist denn das ganze Blut hergekommen?“, wollte er dann doch wissen und stellte damit die Frage, mit der sich die Ärzte seit Tagen beschäftigten. Auch Minsoo konnte sie nicht beantworten und seinem Freund auch nicht länger verbergen, dass er sich große Sorgen um ihn machte.
Wenn er darüber nachdachte, dass Hoon in einer solchen Blutlache gefunden wurde und hätte tot sein müssen, lief es ihm eiskalt den Rücken hinunter. Glücklicherweise ist nichts Schlimmeres passiert, aber unheimlich war es trotzdem, nicht zu wissen, woher das Blut überhaupt gekommen war.
„Warst du jemals Blutspenden?“, fragte Minsoo schließlich, doch Hoon schüttelte den Kopf. Damit war auch diese Theorie ausgeschlossen und so hatte er keinen Anhaltspunkt mehr, in dem Fall weiter ermitteln zu können.
Wäre es wenigstens das Blut von jemand anderen gewesen, hätte er nach einem Täter oder einem weiteren Opfer in der DNA-Datenbank suchen können. Doch mit diesem Ergebnis landeten sie in einer Sackgasse. Es schien, als wäre Hoon eines Abends einfach umgefallen, hätte ohne eine Wunde zu haben mehrere Liter Blut verloren, das sich wieder selbst gebildet hat, bis der Rettungswagen gekommen war. Es war mehr als nur merkwürdig.
So verging eine ganze Woche, in der Junwoo zu keinem Ergebnis gekommen war. Schließlich haben seine Vorgesetzten entschieden, den Fall zu schließen, da tatsächlich niemand verletzt wurde und Hoon wohlauf war. Auch Minsoo musste einsehen, dass er seinem Freund ohne weitere Informationen nicht helfen konnte. Trotz allem machte er sich noch immer Sorgen um ihn.
Bald jedoch wurde Minsoo von etwas anderem abgelenkt, da er am Samstagmorgen erneut von Yujun aus dem Schlaf geklingelt wurde.
„Wenn es nicht mindestens so wichtig ist wie letzte Woche, bring ich dich um“, grummelte Minsoo müde in sein Mobiltelefon.
Yujun ging nicht auf seine Drohung ein und informierte ihn nur über den Grund seines Anrufs. „Es wurde eine Leiche hinter Lloyd’s Bar gefunden. Ich bin schon am Tatort.“ Danach legte Yujun auf. Minsoo drehte sich auf den Rücken und strich sich den Schlaf aus den Augen.
Hoffentlich würde der Fall nicht so anstrengend werden wie der letzte, dachte er sich, als er aufstand und ins Bad ging, um sich eilig zu duschen.
Eine halbe Stunde später erreichte Minsoo den Tatort, der bereits von Polizisten abgesperrt war. Minsoo zeigte seine Marke und wurde durch die Absperrung hindurchgelassen. Die Kollegen von der Spurensicherung waren schon vor Ort und nahmen Bilder vom Opfer und der Umgebung auf. Yujun stand ein paar Schritte entfernt und sprach mit einem anderen Polizisten, der recht bleich im Gesicht war.
„Guten Morgen!“, sagte Minsoo und bot Yujun einen Becher Kaffee an, den er unterwegs für ihn besorgt hatte. „Was haben wir?“
„Das Opfer ist weiblich, 23 Jahre alt, und stammt aus Busan. Ihr Name ist Kim Seyoon. Sie war hier vermutlich zu Besuch oder im Urlaub“, las Yujun von einem Ausweis vor, der in einer Plastiktüte steckte.
„War der Gerichtsmediziner schon hier?“, fragte Minsoo weiter und nahm einen Schluck von seinem Kaffee, während er sich umsah.
„Nein, er müsste aber gleich kommen“, meinte Yujun und schaute auf seine Uhr.
Minsoo sah sich den Tatort nun genauer an. Er befand sich in einer Gasse hinter der Bar namens „Lloyd’s Bar“. Die Gasse war gerade einmal breit genug, damit zwei Menschen bequem aneinander vorbeilaufen konnten. Die Häuser an beiden Seiten waren sehr hoch. Obwohl es bereits taghell hätte sein sollen, war es noch immer recht dunkel in der Straße.
Das Opfer saß an die Rückwand der Bar gelehnt auf dem Boden. Sein Kopf war zur Seite geneigt und sein Hals somit gestreckt. Die dunklen Haare fielen der Frau über das Gesicht. Sie trug ein weißes Top mit einer schwarzen kurzen Lederjacke darüber. Skinny Jeans bedeckten ihre Beine und sie trug schwarze High Heels. Eine weiße Handtasche lag neben ihr am Boden, der Inhalt war bereits als Beweismittel eingetütet und neben der Leiche auf dem Boden ausgebreitet.
Auf dem ersten Blick konnte Minsoo kein Blut erkennen, die Beurteilung dessen überließ er aber den Profis.
Der Gerichtsmediziner, Lee Inyoung, kam nur wenige Momente später und stellte sicher, bevor er mit seiner Tätigkeit begann, dass die Spurensicherung mit dem weiblichen Opfer fertig war. Als diese ihm ihre Zustimmung gaben, zog er sich Handschuhe über und begann, es vorsichtig zu untersuchen, zunächst ohne es zu bewegen. Er tastete die Frau am Kopf ab, danach ging er weiter über den Hals zu ihren Schultern und Armen. Auch ihre Beine tastete er ab. Er öffnete ihre geschlossenen Augen, sah sich diese genauer an und öffnete ihren Mund. Schließlich legte er sie zur Seite und tastete ihren Oberkörper ab.
Der Gerichtsmediziner erhob sich und zog mit einem lauten Ratschen seine Handschuhe wieder aus. „Die Todesursache ist noch unklar“, sagte er zu Minsoo und Yujun. „Ich muss sie in der Gerichtsmedizin genauer untersuchen.“
„Wie lange ist sie schon tot?“, wollte Yujun wissen.
„Seit etwa 4 bis 5 Stunden“, sagte Herr Lee. Yujun sah auf seine Uhr.
„Also ist sie zwischen 1 Uhr und 2 Uhr gestorben“, ergänzte er. Yujun nickte. „Vielen Dank, wir warten auf Ihren Bericht.“
Minsoo und Yujun beobachteten, wie der Gerichtsmediziner das Opfer in einen Leichensack einpackte und mithilfe der Polizisten in sein Auto brachte.
„Lass uns mal hier umsehen! Vielleicht ist noch jemand in der Bar, der uns sagen kann, was gestern hier passiert ist“, sagte Yujun zu Minsoo und machte sich auf, die Gasse zu verlassen. Doch Minsoo folgte ihm nicht. Etwas hatte plötzlich seine Aufmerksamkeit erregt, wovon er seinen Blick nicht abwenden konnte. Er zog seine eigenen Handschuhe aus seiner Tasche und streifte sie über.
Minsoo ging auf den Gegenstand zu, der sein Interesse geweckt hatte, und hob ihn auf. Es war ein Ring. Ein schwarzsilberner Ring mit römischen Zahlen darauf. Er lag genau an der Stelle, an der soeben noch das Opfer an der Wand gelehnt war.
Minsoo übergab den Ring den Kollegen der Spurensicherung, damit sie ihn offiziell als Beweismittel aufnehmen konnten. Danach folgte er Yujun in die Lloyd’s Bar.
Die Bar war geschlossen und niemand war anzutreffen. Auf dem Schild war zu lesen, dass die Bar um 16 Uhr öffnet und um 3 Uhr am nächsten Morgen wieder schließt. Minsoo und Yujun vereinbarten, am Nachmittag wieder vorbeizukommen.
Von der Bar aus gingen sie getrennte Wege und befragten Passanten, die ihnen um diese Uhrzeit über den Weg liefen. Dies waren hauptsächlich Berufstätige und Studierende, die auf die Arbeit oder zur Universität unterwegs waren. Von dem Opfer wusste niemand etwas.
„Ich habe eigentlich nichts anderes erwartet“, sagte Minsoo zu seinem Partner, als sie sich wieder vor der Gasse trafen.
„Was für eine Zeitverschwendung!“, bestätigte Yujun und steckte leicht verärgert seinen Notizblock weg. Er hatte nicht einen einzigen Hinweis aufgeschrieben. „Lass uns lieber die Dashcams von den Autos hier besorgen!“ Er deutete auf die Fahrzeuge, die am Straßenrand parkten. Minsoo stimmte ihm zu und begann, die Wohnhäuser abzuklappern, um die Eigentümer der parkenden Autos zu finden.
Yujun hingegen fotografierte die Straße von allen möglichen Richtungen, um deren Standorte aufzunehmen. Anschließend ließ er vom Revier die Kennzeichen überprüfen und die Eigentümer ermitteln. So erreichten sie in der gleichen Zeit, die sie mit den Befragungen verschwendet hatten, deutlich mehr. Mit einem Karton voller USB-Sticks und SD-Karten, die Videoaufzeichnungen aus den Windschutzscheiben der vor Lloyd’s Bar geparkten Autos enthielten, machten sie sich auf den Weg in die Gerichtsmedizin. Vielleicht würden sie bereits die Todesursache erfahren.
Herr Lee hatte seine Untersuchung noch nicht abgeschlossen, als die zwei Hauptkommissare bei seiner Arbeitsstätte auftauchten. Das Opfer lag nun völlig nackt auf dem Obduktionstisch und der Gerichtsmediziner stand mit dem Skalpell in der Hand dahinter.
„Haben Sie schon etwas herausgefunden?“, fragte Minsoo sofort, als er eintrat.
„Das Opfer hat keine äußerlichen Verletzungen und auch die Röntgenbilder zeigen keine Anomalien auf.“ Herr Lee deutete auf die Bilder, die an einer von hinten beleuchteten Wand hingen. Minsoo sah sie sich genauer an. „Keine Frakturen der Halswirbel oder anderer Knochen. Es ist nicht einmal ein Gelenk verrenkt. Alles so, wie es sein soll.“
„Und trotzdem ist sie tot“, sagte Yujun und drehte sich wieder zum Gerichtsmediziner um.
„Sie können gern bei der Obduktion zuschauen, wenn Sie möchten“, schlug Herr Lee vor, woraufhin Minsoo und Yujun das Angebot dankend annahmen.
Sie beobachteten den Gerichtsmediziner, als er das Opfer aufschnitt und ihm nach und nach die Organe entnahm, abwog und dabei Kommentare zu seinem Zustand machte. Minsoo und Yujun haben schon oft an einer Obduktion teilgenommen und – in der Natur ihres Berufes – auch schon die eine oder andere verunstaltete Leiche gesehen. Es machte ihnen daher nichts aus, dem Gerichtsmediziner bei seiner Arbeit zuzusehen.
Nach ein paar Stunden schließlich war er fertig und blickte zu den Hauptkommissaren auf.
„Keine Anzeichen von Fremdeinwirkung auf ihren Körper“, sagte er abschließend. „Sie ist völlig gesund.“
„Und trotzdem ist sie tot“, sagte Yujun erneut.
„Haben Sie schon ein toxikologisches Gutachten in Auftrag gegeben?“, fragte Minsoo nach. Der Gerichtsmediziner schüttelte mit dem Kopf.
„Blutabnahmen werden immer am Ende der Obduktion gemacht, um dem Opfer keine zusätzliche Einstichwunde zu verpassen.“ Danach drehte er sich um und ging zu dem Tisch, auf dem er die Organe bereitgestellt hatte. Er wandte sich dem Herzen zu und nahm eine große Nadel zur Hand. Vorsichtig stach er hinein und zog den Kolben auf, doch nichts füllte die Spritze auf.
Minsoo hob eine Augenbraue. „Sollte das Herz nicht mit Blut gefüllt sein?“, fragte er nach.
Herr Lee versuchte es noch einmal, doch wieder konnte er kein Blut in die Spritze aufnehmen. „Das ist komisch. So etwas habe ich noch nie erlebt. Es befindet sich kein einziger Tropfen Blut im Herzen.“
„Was hat das bloß zu bedeuten?“, hakte Yujun nach.
Der Gerichtsmediziner drehte sich zu den Hauptkommissaren um und meinte verwundert: „Die Leiche ist völlig blutleer.“