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So unwiderstehlich wie unmoralisch
Die attraktive Lola hat hart für den Erfolg ihres Erotikgeschäfts „Toyland“ gearbeitet. Als ihr Vermieter stirbt, will sein attraktiver Erbe Alessandro ihren Mietvertrag kündigen und das Gebäude profitabel verkaufen. Allerdings prickelt es vom ersten Moment an zwischen ihnen, und da Lola eine magische Wirkung auf Allessandro hat, macht er ihr einen unmoralischen Vorschlag: Er wird mit der Kündigung warten, wenn sie sich auf ein erotisches Abenteuer einlässt. Er ist unglaublich sexy, und Lola willigt ein ….
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Seitenzahl: 312
DAS BUCH
Lola selbst rang mit ihrer Erregung, um zu verhindern, dass ihr Brustkorb auf und ab wogte und es somit offensichtlich wurde, dass es ihr gefiel, was Alessandro tat. Immerhin waren sie zwei Fremde, auch wenn es sich merkwürdigerweise nicht so anfühlte. Schon bald nach ihrem ersten Zusammentreffen hatte sich eine hauchdünne Verbindung zwischen ihnen gezeigt, ein gemeinsames Interesse, die Lust an ausschweifendem Sex, die langsam zu Verlangen nach dem jeweils anderen wurde.
Als sie ihn am gestrigen Tag dabei beobachtet hatte, wie er aus seinem Auto ausgestiegen war, hatte sie gedacht, dass ein Schönling wie Alessandro unerreichbar für sie wäre. Doch hier standen sie im Schutz seines Büros und überschritten eine Grenze, die Geschäftsleute üblicherweise wahrten …
DIE AUTORIN
Sandra Henke lebt in der Nähe von Düsseldorf. Mit ihren erotischen Romanen hat sie sich ein großes Publikum erschrieben. Eine spannende Handlung liegt der Autorin ebenso am Herzen wie ein starkes Knistern und außergewöhnlich sinnliche Erotik.
LIEFERBARETITEL
Die Mädchenakademie
Alphawolf
Meister der Lust
Das Lustroulette
Mit starker Hand
Die Unterweisung
Pleasure Park
WILHELM HEYNE VERLAG
MÜNCHEN
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Originalausgabe 03/2020
Copyright © 2020 dieser Ausgabe
by Wilhelm Heyne Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Redaktion: Anita Hirtreiter
Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design
unter Verwendung von shutterstock
(Timothy Luscher, Marina Arabadzhi)
Satz: KompetenzCenter, Mönchengladbach
ISBN: 978-3-641-23909-1V001
www.heyne.de
1
Mai
»Sünde« hatte jemand mit signalroter Farbe auf das Schaufenster gesprayt. Auf der gläsernen Eingangstür prangte anklagend das Wort »Hure«.
»Dabei prostituiere ich mich doch gar nicht«, murmelte Lola verstimmt und schüttelte ihre blonden Dreadlocks, die von einem regenbogenfarbenen Tuch im Nacken zusammengehalten wurden.
Wasser lief von ihrer Hand auf ihren Arm hinab, drang unter ihr türkisfarbenes Batikkleid, unter dem sie einen meerblauen Spitzenbody trug, und kitzelte sie in der Achselhöhle. Sie wischte die Tropfen mit dem weiten fließenden Stoff ab.
Kopfschüttelnd tauchte sie die Bürste in den Eimer mit der Wasserlauge und fuhr fort, die Farbe abzuschrubben. »Und Sex ist keine Sünde, sondern ein Zeichen von Liebe oder Leidenschaft oder bestenfalls beidem. Ein One-Night-Stand mag ja belanglos sein, bedeutet aber pure Lebenslust. Derjenige, der das an das Schaufenster meines Ladens gesprayt hat, vögelt wohl nur, um Kinder zu zeugen, und macht das Licht aus, bevor er sich auszieht.«
Verärgert schnaubte sie. Sie verbot sich, weiter Selbstgespräche zu führen, sonst hielt man sie am Ende noch für verrückt und hatte endlich ein Argument, um die Stadt Birdsville davon zu überzeugen, das Toyland zu schließen.
Von Anfang an hatte es Proteste gegen Lolas Erotiklädchen gegeben, dabei war es stilvoll und gemütlich eingerichtet wie ein plüschiges Wohnzimmer, mit einem roten Samtsofa neben der Umkleidekabine und Kiefernholzregalen, auf denen die Schamlippenspreizer, Penisringe und anderen Sexspielzeuge ansprechend ausgestellt wurden. An den Wänden hingen ordentlich aufgereiht die Schlaginstrumente neben einem Garderobenständer voller verführerischer Dessous und Rollenspieloutfits. In der Ecke luden zwei Cocktailsessel dazu ein, einen Blick in die Bücher der kleinen, aber frivolen Sammlung dahinter zu werfen.
Von außen konnte man nicht in das Geschäft hineinschauen, denn indische Mandala-Tücher versperrten die Sicht, und ebendieses geheimnisvolle Ambiente machte gleichzeitig neugierig auf das, was sich dahinter verbarg. Kunstvoll verzierte venezianische Masken hingen in der Auslage. In einer Vitrine lagen Handgelenkriemen aus dunkelbraunem Wildleder mit zwei Schnallen, die man auch für medizinische Manschetten hätte halten können, wären sie nicht mit einer Metallkette verbunden.
Die Dekoration ist viel dezenter, als ich es gerne hätte, dachte Lola und wischte die Scheibe mit einem Tuch trocken. Schweißtropfen perlten ihren Rücken hinab. Es war zwar erst vormittags, aber die Wetter-App sagte dreiundzwanzig Grad vorher, recht warm für Anfang Mai, außerdem geriet bei dem Ärger über den Vandalismus ihr Blut in Wallung.
Es gab sogar einen Tag in der Woche, an dem nur Frauen, und einen, an dem bloß Männer Zutritt zu Lolas Reich hatten. Dieses Angebot galt Personen, die sich schämten, sich gemeinsam mit dem anderen Geschlecht die Toys näher anzusehen.
Mit verkniffener Miene ging Lola zur Tür und bürstete die verleumderische Schrift ab. Dabei übte sie nicht zu viel Druck aus, um das Glas nicht zu beschädigen, wodurch die Schinderei noch länger dauerte. Versehentlich spritzte Wasser auf ihre gelb lackierten Fußnägel und die mit türkisen Schmucksteinen verzierten Riemchensandalen.
Sie ärgerte sich, weil sie schon wieder das Schaufenster putzen musste. Erst hatte jemand Eier dagegengeworfen, an einem anderen Tag waren es reife Tomaten gewesen. Am härtesten hatten sie die Exkremente getroffen, die man ihr auf die zwei Stufen, die ins Toyland führten, geschmiert hatte.
Trotz allem oder gerade wegen der Anfeindungen, Diffamien und Demütigungen hielt ihr die Stammklientel die Treue. Kunden, die ebenso sexuell offen und tolerant waren wie Lola. Das wusste sie sehr zu schätzen und war dafür unglaublich dankbar.
Lola versuchte, sich ihre Wut nicht anmerken zu lassen, denn unter Umständen wurde sie beobachtet, entweder vom Täter selbst oder von demjenigen, der ihn dazu angestachelt hatte.
Verstohlen schaute sie über die Schulter. Sie spähte zur anderen Straßenseite, nicht direkt zu dem Gebäude gegenüber, sondern zu dem dreistöckigen Mietshaus zwei Eingänge links daneben. Sie sah Ezekiel Goodman zwar nicht, war sich aber sicher, dass er an diesem Samstagmorgen hinter der chlorweißen Häkelgardine stand und mit dem Fernglas jede ihrer Bewegungen verfolgte. Das Toyland zu überwachen war eins seiner Hobbys, ebenso wie jeden Autofahrer zu fotografieren, der zu schnell über die Hauptstraße von Birdsville fuhr oder der falsch parkte, und die Verkehrssünder der Polizei zu melden.
Tagsüber arbeitete er in der Kommunalverwaltung, wie Lola herausgefunden hatte. In seiner Freizeit engagierte er sich für den Verein zur Verhinderung des moralischen Verfalls, den er selbst ins Leben gerufen hatte. Die Mitglieder trafen sich wöchentlich in der Teestube der Kirche zwei Blocks weiter. Die Gruppe bestand wohl nur aus wenigen Mitgliedern, aber diese sorgten für ganz schön viel Wirbel in der Kleinstadt.
Als der anfänglich noch offene Protest gegen ihr Geschäft mit Plakataktionen auf dem Bürgersteig und Leserbriefen in der Lokalzeitung kurz nach der Eröffnung ihres Ladens angefangen hatte, war Lola einmal zu einem Treffen hingegangen, um das Gespräch zu suchen und die versammelte Mannschaft über ihr Geschäftskonzept aufzuklären. Sie war auf verkniffene Münder, ablehnende Blicke und taube Ohren gestoßen. Man hatte ihr weder zuhören noch mit ihr reden wollen.
Lola war in Birdsville geblieben und hatte sich durchgebissen. Der Widerstand gegen ihren Sextoyshop am Ende der Hauptstraße war nach einer Weile verstummt, doch seit Monaten hatte sie unter Vandalismus zu leiden, und sie ahnte, wer den initiiert hatte.
Bestimmt machte sich Goodman nicht selbst die Hände schmutzig, aber er impfte eine neue Generation mit seiner Verachtung. Neulich hatte ein Junge von vielleicht acht Jahren gegen ihr Auto gespuckt und war danach in das Gebäude, in dem Lolas Erzfeind wohnte, eingetreten.
Die Türglocke des Nachbarladens klingelte. Jimmy trat aus dem Wein- und Spirituosengeschäft, kam zu ihr und lehnte sich genau dort gegen die Hauswand, wo sich das Toyland an das Devine Drink schmiegte. Er schenkte Lola ein mitfühlendes Lächeln. »Schon wieder?«
Lola rümpfte die Nase und schrubbte den letzten Rest Farbe ab. »Die haben einen langen Atem, aber ich habe einen längeren, das werde ich allen beweisen.«
»Soll ich dir helfen, das Geschmier zu entfernen?« Die Sonne ließ sein rotes Haar leuchten und betonte seine Sommersprossen.
»Lieb von dir«, sagte sie und schüttelte den Kopf, »aber ich bin schon fast fertig.«
»Du solltest endlich Anzeige erstatten.«
»Gegen unbekannt? Du weißt doch, wohin das führen würde.« Energisch wischte sie die Scheibe trocken, sah, dass noch ein paar Kleckse Farbe daran klebten, und arbeitete mit der Bürste nach. »Zu nichts. Außerdem regele ich die Dinge lieber selbst.«
»Das hast du versucht, und es hat nicht geklappt.«
»Irgendwann werden sie aufhören, mein Geschäft anzugreifen.«
»Bist du sicher? Das dauert jetzt schon so lange an.«
Lola verspürte einen Stich in der Magengrube und schwieg.
»Hier.« Jimmy hielt ihr fünf schwarz-weiß melierte Schokoladenkugeln hin, die in mit goldenen Kronen verzierter Plastikfolie eingepackt waren. »Vielleicht bauen die dich wieder auf. Whiskytrüffel, haben wir neu reinbekommen.«
Als Lola den Betrag, der auf dem schreiend pinkfarbenen Preisschild stand, sah, riss sie die Augen auf. »Die kann ich unmöglich annehmen.«
»Geschenkt ist geschenkt.« Unnachgiebig drückte er ihr die Packung in die vom Putzen feuchte Hand.
»Wirst du keinen Ärger von deinem Chef bekommen?« Oder wollte er die Pralinen etwa aus der eigenen Tasche bezahlen? Denn dass er Lola mochte, wusste sie. Nur wie sehr, dessen war sie sich noch nicht sicher.
Verträumt betrachtete er den Spaghettiträger ihres Bodys, der hervorguckte. »Ich werde sie einfach als Probierpackung für die Kunden verbuchen. Wir öffnen schon mal Ware, wie zum Beispiel mit Alkohol gefüllte Schokolade, und legen sie neben die Kasse. Wenn die Leute kosten dürfen, kaufen sie eher.«
Erleichtert, dass sich keine Anmache hinter dem Präsent verbarg, steckte sie die Pralinen ein. Dennoch zog sie vorsorglich den breiten Träger ihres Batikkleids hoch, damit ihre Unterwäsche nicht mehr zu sehen war. »Danke.«
»Dafür sind Freunde doch da.« Kurz drückte er sie an sich.
»Du bist aber nicht der Meinung, dass ich das Toyland besser schließen sollte, oder?« Bevor dieser vermeintliche Verein brutalere Methoden anwendet, um mich aus Birdsville zu vertreiben.
»Gott bewahre, nein!« Sachte drückte er ihre Oberarme. »Ich finde nur, dass du zu nett und sehr – lass es mich mal so ausdrücken – leidensfähig bist. Ich an deiner Stelle hätte Goodman längst mal einen Besuch abgestattet und wäre ausgerastet.«
»Das würde mir bloß noch mehr Ärger und vermutlich eine Anzeige einbringen. Aber leidensfähig?« Lola lachte. »Ich kämpfe eben auf meine Art und Weise gegen diese Moralapostel, nämlich indem ich durchhalte und mich nicht einschüchtern lasse. Schließlich war es schon immer mein großer Traum gewesen, ein eigenes Erotiklädchen zu führen, eins das geschmackvoll und einladend ist.«
Lange hatte sie nach einem Ladenlokal dafür gesucht, hatte jedoch nur Absagen kassiert, sobald sie verriet, welche Art von Geschäft sie eröffnen wollte. Erst Agostino Di Marino hatte ihr einen Vertrag angeboten. Bei dem Gedanken an ihn wurden ihre Augen feucht.
»Oh nein! Nehmen dich die Anfeindungen doch mehr mit, als du zugibst?«, fragte Jimmy und streichelte über ihre Wange.
»Ich hab an Agostino gedacht. Er muss ja wirklich eine furchtbare Familie haben! Ich komme nicht darüber hinweg, dass wir beiden die Einzigen auf seiner Beerdigung waren.« Und Jimmy war bloß ihretwegen mitgekommen, um sie zu begleiten und ihr beizustehen.
»Man soll ja nicht schlecht über Verstorbene sprechen, aber dein Vermieter war eben ein ganz schöner Miesepeter und hat mit seiner mürrischen Art viele Leute vor den Kopf gestoßen.«
»Er hat nur seine Meinung geradeheraus gesagt, das war alles.«
»Als diplomatisch konnte man ihn jedenfalls nicht bezeichnen.«
Lola blinzelte die Tränen fort und grinste. »Wahrhaftig nicht. Er konnte schon verletzend und schroff sein, das gebe ich zu. Aber aufrichtige Menschen wie er sind mir tausendmal lieber als hinterhältige wie Ezekiel Goodman.«
Doch jetzt war Agostino tot, und sie vermisste den alten Griesgram, den sie ins Herz geschlossen hatte. Lola hatte ihn in seinem Apartment im Dachgeschoss gefunden. Ein Gehirnschlag hatte ihn unerwartet aus dem Leben gerissen, hatten die Ärzte später festgestellt. »Ich mache mir Sorgen, was aus dem Toyland werden wird.«
»Verständlich, du wohnst ja auch noch über dem Laden.« Jimmys Blick schweifte zu den Fenstern in der ersten Etage des zweistöckigen Baus. »Hast du noch nichts von dem neuen Eigentümer gehört?«
Sie schüttelte den Kopf.
Ein beigefarbener Jeep mit Schlammspritzern an den Seiten rauschte heran. Abrupt bremste er ab, worauf die Reifen quietschten und der Fahrer vom Nachfolgeverkehr ein wütendes Hupkonzert kassierte. Ohne sich davon aus der Ruhe bringen zu lassen, parkte er vor dem Devine Drink.
Mit einem Augenzwinkern hatte Lola erwartet, dass der Marlboro Man mit Sporen an den Cowboystiefeln aussteigen und sich den Präriestaub von den Wildlederchaps klopfen, seinen Westernstetson geraderücken und sich mit seiner coolen Art eine Zigarette anzünden würde.
Doch der Raser entpuppte sich als groß, breitschultrig und äußerst gut angezogen. Seine dunkle Jeans saß perfekt und brachte seinen knackigen Hintern appetitlich zur Geltung. Das schwarze Oberhemd schmiegte sich sanft an seinen gut gebauten Oberkörper, und seine weißen Sneakers wirkten an ihm elegant lässig.
Während er die Straße hoch und runter schaute, massierte er sein markantes Kinn, das seine männliche Ausstrahlung unterstrich. Mit gespreizten Fingern fuhr er durch sein welliges ebenholzschwarzes Haar, als wäre er ein Model in einem Werbespot für Männershampoo.
»Kundschaft«, sagte Jimmy. »Ich muss los.«
Seine Worte klangen weit weg für Lola. Geistesabwesend nickte sie, denn sie konnte den Blick einfach nicht von dem Fremden abwenden. Was für ein Kerl! Solche rassigen Männer kannte sie nur von den Covers der Erotikromane in ihrem Lädchen.
»Alles wird gut«, flüsterte Jimmy ihr aufmunternd ins Ohr und küsste sie auf die Wange.
Das riss Lola aus ihren Tagträumereien. Sie wusste nicht, wie sie darauf reagieren sollte, aber das brauchte sie auch gar nicht, denn Jimmy eilte längst zum Wein- und Spirituosengeschäft und war im nächsten Moment schon darin verschwunden.
Sollte sie das als eine rein freundschaftliche Geste betrachten? Oder war der Kuss ein dezenter Hinweis darauf, dass Jimmy etwas für sie empfand?
Sie war sich unsicher. Achselzuckend nahm sie Bürste, Trockentuch und Eimer und ging ins Toyland. Als sie die Lauge in die Toilette schüttete, hörte sie das Bimmeln der Türklingel.
Eilig spülte sie das Schmutzwasser ab und wusch sich die Hände. Mit einem herzlichen Willkommenslächeln trat sie zurück in den Verkaufsraum und blieb erstaunt stehen.
Der Typ »italienisches Fotomodell« stand am Eingang. Sichtlich erstaunt drehte er sich um die eigene Achse und betrachtete die Sextoys, Reizwäsche und Bücher mit den eindeutigen Covers.
»Ach du Scheiße!«, stieß er aus und lachte.
Irritiert über sein Verhalten blieb Lola vor ihm stehen und runzelte die Stirn. »Wie bitte?«
»Ich dachte, das Toyland wäre ein Spielzeugladen.« Seine Stimmbänder mussten aus Samt bestehen, so weich war seine Aussprache.
Sie zwinkerte. »Ist er ja auch.«
»Für Kinder«, stellte er klar.
»Nun«, um ihn verlegen zu machen, steckte sie den Zeigefinger durch den Nippelschlitz des Büstenhalters, den eine Schaufensterpuppe vor der Umkleidekabine trug, aber es funktionierte nicht, »dieser ist eben für Erwachsene.«
Seine zimtbraunen Augen leuchteten wie bei einem Kind am Weihnachtsmorgen. »Wer hätte so etwas in Birdsville vermutet?«
»Gefällt Ihnen, was Sie sehen?«, fragte sie provozierend, nicht nur, weil sie einen neuen Kunden gewinnen wollte, sondern weil dieser Mann die reine Verführung war.
Sein Blick glitt über die Vaginalspreizer, die Analketten und Zimmermädchen-Outifts. Dann blieb er an Lola hängen. Anzüglich musterte der Beau sie von oben bis unten, sodass ihr ganz heiß wurde. Rau sagte er: »Oh ja.«
2
Ein paar Sekunden lang sahen sie sich schweigend an. Die Stille dehnte sich zwischen ihnen aus und ließ den Moment länger wirken, als er tatsächlich war.
Was diesen attraktiven Fremden betraf, brauchte es nicht viel, um Lolas Kopfkino anzuregen. Dieses anzügliche Grinsen in seinem ebenmäßigen Gesicht reichte vollkommen aus. Hinzu kamen seine stolze Haltung, das Temperament, das zweifelsfrei hinter seiner Coolness lauerte, und die figurbetonte Kleidung, die ihre Lust darauf weckte, ihn auszupacken wie ein unerwartetes Geschenk.
Schamlos stellte sie ihn sich nackt vor. Gewiss war er schön wie ein römischer Gott. Sie tippte darauf, dass er italoamerikanischer Abstammung war, denn in seinem Blick lag dieselbe Verwegenheit wie in Agostinos.
In ihrem Tagtraum war er gut bestückt, allerdings schmückte die Fantasie gerne aus und optimierte die Realität. Was verbarg sich wirklich unter seiner Jeans? Die Wölbung ließ die berechtigte Hoffnung aufkommen, dass Lola mit ihrem Wunschdenken richtiglag.
»Guckst du jedem Kunden in den Schritt?«, fragte er plötzlich.
Hitze stieg ihr in die Wangen. »Seit wann duzen wir uns?«
»Du siehst aus wie jemand, der grundsätzlich jeden beim Vornamen nennt.« Er zuckte mit den Achseln.
»Weil ich ein Hippie-Girl bin?« Sie sah sich mit alten Vorurteilen konfrontiert.
Herausfordernd blinzelte er sie an. »Das Ganja raucht und unter freiem Himmel vögelt.«
Offensichtlich hatte auch er Fantasien über sie, das schmeichelte ihr. Drogen nahm sie nicht, aber sie war offen für nahezu das gesamte Repertoire an Erotik. »Was wäre falsch daran?«
Er schmunzelte. »Du passt genauso wenig nach Birdsville wie das Toyland.«
»Schickt Ezekiel Goodman dich etwa?«, zischte sie aufbrausend. Sie stemmte die Fäuste in die Hüften und machte einen Schritt auf den Adonis zu.
Sein Lächeln verschwand. »Wer?«
»Vergiss es.« Sie schlang die Arme um ihren Oberkörper, als wäre ihr kalt, denn ihr kleiner Gefühlsausbruch war ihr peinlich.
»Du bist eben anders als die anderen Kleinstädterinnen.«
»Und anders zu sein ist immer schlecht, nicht wahr?« Sie klang gereizter, als sie wollte, doch sie war selten mit dem Strom geschwommen und darum oft angeeckt.
»Ganz und gar nicht«, sagte er mit seiner verheißungsvollen samtweichen Stimme. »Es ist erfrischend.«
Lola beruhigte sich wieder. »Es tut mir leid. Ich wollte dich nicht angehen, aber es ist gerade nicht einfach.«
»Hat es mit diesem Goodman zu tun?«
»Er zettelt Proteste gegen mein«, sie malte Anführungszeichen in die Luft, »unmoralisches Geschäft an. Zuerst ging man offen gegen mich vor, inzwischen nur noch hinterhältig. Erst heute Morgen habe ich wieder Schmierereien von Schaufenster und Tür entfernt.«
»Das tut mir leid zu hören«, murmelte er mehr zu sich selbst als zu Lola. Einen Moment lang war er in Gedanken versunken. Seine Miene verdüsterte sich.
»Ach herrje«, gab sie betont fröhlich von sich, »ich wollte dir nicht die Laune verderben und dich mit meinen Problemen belästigen. Du bist ja aus einem ganz anderen Grund hergekommen.«
Er machte große Augen. »Du weißt, wer ich bin?«
»Ein Mann, der Sex genießt wie guten alten Wein.«
»Ach so, das meinst du.«
»Liege ich damit etwa falsch?«, fragte sie und blinzelte ihn herausfordernd an.
»Keineswegs.« Er legte Zeige- und Mittelfinger unter ihr Kinn und strich sinnlich mit dem Daumen durch die Furche unter ihren Lippen.
Diese Berührung war so sinnlich, dass Lolas Brustspitzen sich zusammenzogen. Sie wusste nicht, wann sie das letzte Mal einem so verführerischen Mann begegnet war.
»Ich mag es ausdauernd und schmutzig.« Grinsend nahm er die Hand wieder weg.
Ein sanftes Pochen weckte ihre Möse auf. Wie unpassend! Es handelte sich schließlich um ein Kundengespräch, nicht mehr und nicht weniger. Sie hatte Rechnungen zu bezahlen und wollte ihm daher unbedingt das ein oder andere Spielzeug verkaufen. Dazu musste sie erst etwas über seine erotischen Vorlieben erfahren. Das war ihr mehr als recht. »Soll ich dir einige Produkte zeigen?«
»Nur zu!« Sein Blick liebkoste den Träger ihres meerblauen Spitzenbodys, der schon wieder hervorguckte.
Anders als bei Jimmy richtete sie ihr Batikkleid nicht, um ihr Dessous zu verbergen. »Wofür interessierst du dich denn?«
»Für fast alles. Fangen wir doch mit dieser Ecke an!« Er packte ihren Ellbogen und dirigierte sie zu den BDSM-Utensilien. »Ich könnte neue Handschellen gebrauchen.«
»Für dich oder deine Gespielin?« Verlegen räusperte sie sich. »Ich frage nur wegen der Größe.«
Sein skeptischer Blick verriet ihr, dass er ihr nicht glaubte. Ohne zu antworten, nahm er zwei mit einer Gliederkette verbundene Handgelenkriemen und betrachtete sie eingehend. Sie waren etwas schmaler als die, die im Schaufenster lagen, und aus schwarz glänzendem Leder gefertigt.
Als der rassige Typ Lola eine der Manschetten umlegte und die beiden dünnen Schnallen schloss, ließ sie es geschehen. Sie wusste selbst nicht, warum sie nicht protestierte. Bei jedem anderen Kunden hätte sie diese Grenze nicht überschritten. Es ging schließlich nicht um sie, sondern um ihre Waren, das machte sie jedem zu aufdringlichen Interessenten unmissverständlich klar. Jetzt jedoch war es ihr nur recht, als Anschauungsobjekt zu dienen.
Es erregte sie, dass der Beau sie dazu benutzte, das Produkt zu testen. Er tat es einfach, ohne vorher um Erlaubnis zu fragen. Dabei überrumpelte er sie keineswegs, im Gegenteil: Er ließ sich Zeit. Seine Bewegungen waren sanft und geschmeidig, als er ihr auch den zweiten Riemen anlegte. Zärtlich strich er über die breiten Ledergurte und nutzte die Gelegenheit, um wie zufällig Lolas Unterarme zu berühren.
Lola bekam eine angenehme Gänsehaut. »Und, gefallen sie dir?«
»Sie sind gut verarbeitet und sehen hübsch aus. Aber hält die Kette auch?« Selbstsicher drängte er Lola an die Wand. Er zog ihre Hände hoch und hängte die Gliederkette an einen Haken über ihrem Kopf, an dem schon eine Gerte befestigt war.
Nun waren ihre Arme nach oben gestreckt. Freilich hätte sie sich leicht aus der Haltung befreien können, doch das eigenmächtige Handeln des unwiderstehlichen Mannes elektrisierte sie. Mit großen Augen guckte sie ihn an.
Wie weit willst du noch gehen?
Sie konnte es kaum erwarten, das herauszufinden, und gleichzeitig spähte sie immer wieder zum Eingang, weil sie befürchtete, jemand würde sie dabei erwischen, wie sie sich zu sehr in die Verkaufspräsentation einbrachte.
Ihr Brustkorb hob und senkte sich rasch, sie leckte sich über die trockenen Lippen und schaute den Fremden erwartungsvoll an. Sie konnte nicht verhindern, deutliche Signale zu senden, dass sie ihn nicht daran hindern würde, sein Spiel mit ihr weiterzuführen.
Er stützte sich rechts neben ihr an der Wand ab. Sein Atem duftete nach buttrigem Croissant. »Was ist das für ein süßer Akzent?«
Das Wörtchen süß hallte in einer Endlosschleife in ihr wider. »Ich kam vor fünf Jahren mit einer Green Card von Köln nach New Hamsphire.«
»Lola klingt nicht sehr deutsch.« Sachte blies er gegen ihren Hals.
»Genau genommen heiße ich Eleonore Weingold, wie meine Oma.« Sie erschauerte wohlig. Es betörte ihre Sinne, dass sein Gesicht dem ihren so nah kam. »Aber ich muss leider jeden erschießen, der mich mit dem Vornamen anspricht.«
Er lachte verführerisch und strich durch ihre linke Achselhöhle, worauf Lola kicherte. Beiläufig streiften seine Fingerspitzen ihren Busen. »Wie lange hältst du dich schon an diesem Standort?«
»Ich habe das Toyland vor drei Jahren eröffnet.« Und in der ganzen Zeit war es ihr noch nie passiert, dass sie in ihrem Geschäft die Kontrolle verloren hatte.
»Und die Leute trauen sich in den Laden? Ich meine, Gott bewahre«, er tat empört, »ein Nachbar könnte sie dabei beobachten.«
»Oder sie ihn ebenfalls hier treffen.« Sie zwinkerte und versuchte vergeblich, das Prickeln zu ignorieren, das hier und da über ihre Haut kroch. »Viele Einheimische sind aufgeschlossener, als man durch den Vandalismus denken könnte, und Kunden reisen aus der gesamten Umgebung an. Außerdem gebe ich Dessous- und Sextoy-Partys. Als zusätzliches Standbein habe ich einen Onlineshop.«
Mit dem Daumen bog er ihre Unterlippe nach unten und ließ sie dann los. »Geschäftstüchtig, das gefällt mir.«
»Nur das?« Himmel, Lola, halt den Mund! Sie musste professionelle Distanz wahren. Aber war es dafür nicht längst zu spät? Ihr Mund kribbelte vor Sehnsucht nach einem Kuss.
Ungeniert strich er über den Träger ihres Bodys, ließ die Finger über ihr Dekolleté kreisen und zog das Bündchen ihres Kleids so weit weg, dass er in ihren Ausschnitt sehen konnte. »Die Dekoration ist geschmackvoll und die Ausstattung wahrlich appetitanregend.«
Ihre dunklen Brustwarzenhöfe schimmerten frivol durch die halb transparente meerblaue Spitze. Ihre Nippel reagierten empfindlich. Sie stachen erigiert hervor und bettelten förmlich darum, liebkost, gezwirbelt und gekniffen zu werden. Fast meinte sie, den Blick des Fremden körperlich zu spüren. Lola keuchte.
Unvermittelt ließ er den Batikstoff los, öffnete ihre Fesseln und fügte hinzu: »Ja, den Laden hast du wirklich ansprechend hergerichtet.«
»Du hast vom Geschäft gesprochen?«, fragte sie ungläubig und enttäuscht darüber, dass er die Beherrschung behalten hatte und nicht über sie hergefallen war.
Zwar schmunzelte er, doch er wirkte seltsam bekümmert dabei. »Natürlich.«
»Ja, klar. Was sonst?« Verärgert darüber, dass er sie hinters Licht geführt hatte, warf sie die Riemen zu den anderen Handschellen.
»Sei nicht sauer auf mich!«
»Dazu habe ich gar kein Recht.« Sie wollte an ihm vorbeigehen und sich hinter die Kassentheke flüchten.
Doch er hielt sie am Oberarm fest. »Unter anderen Umständen …«
»So ist es.« Sie hatte sich schon viel zu sehr fallen lassen. Um nicht erneut schwach zu werden, streifte sie seine Hand ab. »Nicht hier und nicht jetzt.«
»Das meinte ich nicht. Dass dies ein halb öffentlicher Ort ist, hätte mich nicht davon abgehalten, dich gleich hier zum Schreien zu bringen«, sagte er mit Schlafzimmerstimme.
Ihre Wangen brannten. Ihr fiel auf, dass die Wölbung in seinem Schritt gewachsen war. Er hatte sie also nicht nur verspottet. »Du hättest mich nicht erst ins WC gedrängt, um mich zu ficken?«, fragte sie spitz. Dann bist du mutiger als ich.
»Es im Ladenlokal zu treiben ist doch weitaus reizvoller. Die Gefahr, entdeckt zu werden«, er breitete die Arme aus, »Sex inmitten von lauter Erwachsenenspielzeug, und den Luxus, bloß die Hand ausstrecken zu brauchen, um einen Knebel oder einen Rohrstock zu greifen und mit einzubeziehen.«
Lola wurde endgültig feucht. Sie tat, als würde sie gar nicht richtig zuhören, und schob einige Vibratoren hin und her, in Wahrheit waren ihre Ohren allerdings gespitzt. »Sind das deine bevorzugten Toys?«
»Ich schöpfe gerne aus dem Vollen, aber ja«, er schnippte gegen eine Peitsche, »ich mag es gerne härter und versauter.«
Dieser Mann war der Wahnsinn! Er war zu gut, um wahr zu sein. Wahrhaftig schön, zudem sexuell aktiv und dominant. Wo lag also das Problem? Fühlte er sich nicht stark genug zu ihr hingezogen? War er gebunden und treu?
»Ich bin nicht gekommen, um etwas zu kaufen.«
Misstrauisch beäugte sie ihn. »Warum dann?«
»Ich bin Alessandro Di Marino.« Sein Name klang weich und verträumt.
Lola schnappte nach Luft. »Du bist mit Agostino verwandt?«
»Er war mein Onkel.«
Lola staunte nicht schlecht. Darum loderte also dasselbe Temperament in seinen Augen.
Plötzlich ballte sich ihr Magen zusammen. Vor ihrem geistigen Auge sah sie sich allein mit Jimmy am Grab ihres verstorbenen Vermieters stehen. Niemand sonst war gekommen. Keine Bekannten, keine Freunde und kein einziges Mitglied seiner Familie. Das hatte Lola noch trauriger gemacht und sie bitterlicher weinen lassen.
Schnaubend stemmte sie die Fäuste in die Hüften und baute sich dicht vor Alessandro auf. Ihr giftiger Blick bohrte sich in ihn hinein. Sie schoss die Worte wie Gewehrkugeln auf ihn ab. »Warum warst du dann nicht auf seiner Beerdigung? Du hast ihn nicht verabschiedet, das war echt mies von dir. Schließlich war er ein enger Verwandter. Egal, was zwischen euch vorgefallen ist, du hättest ihm die letzte Ehre erweisen müssen. Pfui, sage ich dazu. Das ist abscheulich und gefühlskalt. Wie konntest du ihm das antun?«
»Wow, du kannst ja vielleicht explodieren.« Während er verlegen lächelte und sich durch das wellige Haar fuhr, sah er dabei auch noch süß aus. »Mit dir möchte ich keinen Streit bekommen.«
»Was ist nur los mit dir?«, ging sie weiter mit ihren Giftpfeilen auf ihn los. Sie boxte gegen seinen Oberkörper. »Ist dein Brustkorb etwa leer? Oder hast du darin einen harten Stein anstatt eines Herzens?«
»Nun beruhige dich, Lola«, sachte drückte er ihre Oberarme, »ich bitte dich.«
Auch wenn Agostino das nicht mehr mitbekommen hatte, tat es Lola bis heute weh, dass die Welt ihn schon vergessen hatte, bevor er zu Grabe getragen worden war. »Das ist nicht wiedergutzumachen. Die Chance, ihn zu begleiten, wird nie wiederkommen.«
Noch immer hielt er sie fest. »Gib mir eine Chance, das zu erklären.«
»Nur zu.« Welche Ausrede würde er ihr wohl präsentieren?
»Ich wusste nicht, dass er an einem Schlaganfall gestorben war.« Zärtlich strich er an ihren Armen auf und ab, dann nahm er seine Hände fort.
Ungläubig schüttelte sie den Kopf, sodass das Tuch in ihrem Nacken verrutschte und sich eine kürzere Filzlocke, in die pastellfarbene Perlen und silberne Tubes eingearbeitet waren, löste. »Wie kann das sein?«
»Er war ein Eigenbrötler und Sonderling, der schon vor langer Zeit mit seiner Familie gebrochen hatte«, erklärte er und steckte ihr die blonde Strähne zwischen ihre anderen Dreadlocks. »Schon seit Jahrzehnten hatte niemand mehr Kontakt mit ihm gehabt.«
Warum nutzt Alessandro jede Gelegenheit, mich zu berühren? Das verwirrte sie auf eine durchaus angenehme Art und Weise.
Ihr blieb der Protest im Halse stecken, denn sie wusste selbst, dass Agostino kaum jemanden an sich herangelassen und zurückgezogen gelebt hatte. Zudem war Diplomatie nie seine Stärke gewesen. Er hatte die Dinge stets beim Namen genannt, auch wenn das sein Gegenüber verletzt hatte. Jetzt, wo sie darüber nachdachte, fragte sie sich, ob das nicht seine Masche gewesen war. Möglicherweise hatte er so seine Mitmenschen auf Abstand gehalten, damit sie ihn in Ruhe ließen und er sie nicht verletzen konnte.
Warum hat er dann ausgerechnet mich als Freundin akzeptiert? Weil er in mir ebenfalls einen Außenseiter sah ,wie er einer war? »Nun gut, er war nicht gerade einfach.«
»Umso erstaunter war ich, dass er mir diese Immobilie vererbt hat.« Alessandro betrachtete die Packungen mit den männlichen und weiblichen aufblasbaren Sexpuppen, die Peniskäfige und die Ponymaske aus Latex mit dem langen roten Haarteil. Anzüglich lächelte er.
Instinktiv trat Lola einen Schritt von ihm weg. »Du bist also mein neuer Vermieter?«
Ihre Beziehung machte erneut eine Wende. Erst hatte sie einen Kunden in ihm gesehen, dann war er zu einem potenziellen Sexpartner geworden, und jetzt verband sie plötzlich Geschäftliches. Langsam wurde ihr schwindelig. Oder lag das an seiner Wirkung auf sie?
Hätte ich mich doch nicht von ihm fesseln lassen!
Neugierig prüfte er den violetten Vibrationshandschuh, in den man Zeige- und Mittelfinger steckte, um seinen Liebhaber oder seine Geliebte vaginal oder anal zu penetrieren. »Bis auf Weiteres zumindest.«
»Was soll das heißen?« Sie nahm ihm das Spielzeug ab und legte es zurück aufs Regal, damit er sich auf das Gespräch konzentrierte, doch ihre Möse pulsierte von Neuem.
»Mit dem Erbe habe ich auch den Mietvertrag mit dir übernommen, aber …«
Sie verspürte ein nervöses Kribbeln im Nacken. »Was meinst du mit aber?«
3
»Ich werde das Haus verkaufen. Liegt das nicht nahe?«
Lola wurde angst und bange. Wer wusste schon, was dann auf sie zukommen würde? Vielleicht würde der Käufer alles renovieren und danach die Miete so drastisch erhöhen, dass Lola sie sich nicht mehr leisten konnte, oder er würde Eigenbedarf anmelden und ihr kündigen. »Du könntest es auch behalten.«
»Was soll ich damit?«, fragte er, schritt an den Regalen vorbei und betrachtete mit glänzenden Augen die Penis-, Vaginal- und Brustpumpen.
Sie folgte ihm. »Es bringt dir Geld ein.«
»Das Bauwerk ist in die Jahre gekommen«, ungeniert öffnete er Gleitgele, Massageöle, kühlende und wärmende Tinkturen und stimulierende Parfüme und roch daran, »und es fallen bestimmt viele Reparaturen an.«
»Du könntest einen neuen Bewohner fürs Dachgeschoss suchen.« Agostinos Apartment stand ja leer. »Ich würde dir dabei helfen.«
»Nachher gerate ich noch an einen Mietnomaden wie mein Bruder Samuele.« Energisch winkte er ab und widmete sich den Analduschen. »Ich müsste einen Hausmeisterservice bezahlen und ständig hier heraus fahren und nach dem Rechten sehen.«
»Wäre das denn so schlimm?« Mit einem kessen Augenaufschlag sah sie ihn an.
Er genoss zwar sichtlich ihr Bezirzen, schwieg jedoch.
Schuft! So leicht war er offenbar nicht um den Finger zu wickeln. Darum setzte sie noch eins drauf und zwinkerte frivol. »Du könntest selbst ins Dachgeschoss einziehen.«
»Ein verführerischer Vorschlag«, er kam ihrem Gesicht so nah, als wollte er sie küssen, doch er zog sich zurück, bevor seine Lippen die ihren berührten, »aber ich bleibe lieber in Manchester.«
Verstimmt, dass er sie abblitzen ließ, hinderte sie ihn daran, die Paarvibratoren zu inspizieren. Vermutlich würde er ja doch nichts kaufen. Gekränkt sagte sie: »Dann wird das zwischen uns eben die kürzeste Geschäftsbeziehung, die Birdsville jemals gesehen hat.«
»Kürzer, als du denkst, befürchte ich.« Er wich ihrem Blick aus, indem er sich wegdrehte und eine Nippelklemme nach der anderen nahm und die Gewichte, Ketten oder Federn, die daran hingen, anschnippte.
Alarmiert horchte sie auf. Was kam jetzt?
»Es tut mir wirklich sehr leid. Bitte, nimm das nicht persönlich, Lola. Ich habe nichts gegen dich oder das Toyland.«
Wenn er ihren Namen mit dieser sinnlichen samtweichen Stimme aussprach, klang das bereits wie Verbalerotik. »Aber?«
Er wandte sich ihr wieder zu, rieb über seinen Oberkörper, vielleicht um sich selbst zu beruhigen, zumindest wirkte es auf Lola so. Offenbar rang er mit sich, denn seine Kiefer mahlten. Schließlich räusperte er sich und sagte: »Ich werde dir leider umgehend kündigen müssen.«
Die Neuigkeit traf sie wie ein Blitz. Am liebsten hätte sie sich vor lauter Schreck gesetzt, doch sie konnte sich nicht bewegen, um zum Sessel in der Ecke zu gehen. Ihre Beine waren wie gelähmt. Sie glaubte, sich verhört zu haben. »Wie bitte?«
»Mal ehrlich, wer ersteht schon eine Immobilie, die nicht nur alt ist, sondern«, er breitete die Arme aus und deutete auf das Mobiliar, »in der sich ein Sexshop befindet?«
»Sextoyshop«, korrigierte sie ihn bissig und bohrte die Fingernägel in ihre Handballen, bis es wehtat.
»Unter den gegebenen Umständen würde es schwer werden, überhaupt einen Käufer zu finden«, sein Achselzucken glich einer stummen Entschuldigung, »und falls das wider Erwarten doch klappen würde, würde er unter Garantie versuchen, mit dem Toyland den Kaufpreis zu drücken.«
Empört schnaubte sie und zog den Träger ihres Batikkleids hoch, um ihren Spitzenbody vor Alessandro zu bedecken. Waren sie sich eben noch nahegekommen, so klaffte nun ein Spalt zwischen ihnen. »In welchem Jahrhundert leben wir eigentlich?«
»Außerdem hast du mir selbst von dem Vandalismus erzählt. Wenn potenzielle Interessenten davon erführen – und sie werden sich garantiert über die Immobilie erkundigen –, würden sie abspringen, das kann man an fünf Fingern abzählen.«
Ich Vollidiotin! Ich habe mir mein eigenes Grab geschaufelt. Stöhnend massierte sie ihre Schläfen, hinter denen sie schmerzhafte Stiche spürte.
Er schaute auf seine Armbanduhr. »Ach du Schreck! Es ist schon so spät? Ich habe mich von dir auf köstliche Weise ablenken lassen.«
Obwohl er erst frivol zwinkerte und dann mit einem Kopfnicken zu den Handschellen und den Schlaginstrumenten deutete, reagierte sie nicht. Sie blinzelte nicht einmal. So appetitlich Alessandro auch aussah, ihr war nicht mehr zum Flirten zumute.
»Nun dann.« Er gab ein verlegenes Räuspern von sich. »Ich muss gehen. Ein wichtiger beruflicher Termin.«
Sie wusste nicht, ob sie ihm glauben sollte oder ob er dieser unangenehmen Situation nur entfliehen wollte, aber das war auch egal. Der Schreck hatte ihr die Stimme geraubt. Ihr Kopf war wie leer gefegt. Sie stand einfach bloß da wie die Schaufensterpuppe ihr gegenüber und starrte Alessandro entgeistert an.
Er holte sein Smartphone aus der Gesäßtasche, entnahm dem Fach auf der Rückseite der teerschwarzen Lederhülle ein Kärtchen und reichte es ihr. Da sie es nicht annahm, legte er es auf die Theke. »Auf der Visitenkarte steht meine Büronummer, falls irgendetwas ist. Ich melde mich, sobald ich einen Immobilienmakler eingeschaltet habe, okay?«
Fick dich, Italian Stallion!
Warum er ihre Schulter drückte, bevor er das Toyland verließ, war ihr schleierhaft. Als Aufmunterung? Ausgerechnet von ihm? Oder als Entschuldigung?
Es kam selten vor, dass sie trübselig war oder den Mut verlor, doch nun wusste sie nicht weiter. Sie sehnte sich nach ermutigenden Worten, nach Zuversicht und einer Umarmung.
Jimmy! Ich brauche dich jetzt.
Aufgewühlt hängte sie ein Schild an die Glastür. Bin bald zurück. Als sie das Toyland abschloss, brauste Alessandro mit diesem schlammbesudelten Wagen, der gar nicht zu seinem stylishen Äußeren passte und gerade darum charmant wirkte, die Hauptstraße entlang in Richtung Highway.
Ob der rassige Kerl beim Vögeln genauso ungestüm war wie sein Fahrstil? So, wie sie ihn kennengelernt hatte, eher nicht. Er hatte bedacht agiert. Er hatte genau gewusst, was er tat, und das Temperament, das in seinen zimtfarbenen Augen loderte, unter Kontrolle gehabt. Aber ich wette, der Sex mit ihm ist genauso schmutzig wie sein Auto.
Lola wusste nicht, ob sie ihn jemals wiedersehen würde. Vermutlich nicht. Ein Anwalt würde alles Weitere mit ihr besprechen, und das war wohl auch besser so. Sie war enttäuscht und wütend, weil er sie erst angemacht und sich dann als eiskalter Businessman entpuppt hatte. Nur ihre triebgesteuerte Möse sah das anders und wollte ihn noch immer vögeln.
»Er ist ein Idiot«, brachte Lola gepresst hervor und ballte die Hände zu Fäusten, während sie zum Devine Drink eilte. Aber ein verdammt attraktiver.
Im Wein- und Spirituosengeschäft hieß sie ein Rocksong willkommen, der zu laut durch das Ladenlokal hallte, um als Hintergrundmusik durchzugehen. Jimmy war nicht zu sehen. Möglicherweise arbeitete er im Angestelltenbereich und hatte die Musik aufgedreht, damit er sie bis dahin hörte.
Sie schüttelte den Kopf und rief nach ihm, doch es kam keine Reaktion. Weil sie das Toyland nicht lange geschlossen lassen wollte, umrundete sie kess die Verkaufstheke und spähte hinter die Kulissen des Wein- und Spirituosengeschäfts. Geräusche aus dem Lager drangen zu ihr.
Lola, die ihm unbedingt ihr Herz ausschütten musste, um nicht vor Sorge um ihre Existenz verrückt zu werden, fackelte nicht lange und schritt durch den engen Korridor zu der Schiebetür, hinter der das Stöhnen zu hören war. Zum Glück spähte sie erst durch den Spalt und riss sie nicht weiter auf, denn was sie sah, ließ sie abrupt innehalten.
Ihre Augen wurden größer. Sie öffnete den Mund zu einem stummen O und grinste dann breit.
Jimmy kniete vor einer Holzkiste, den Oberkörper hatte er darübergebeugt. Er hatte die Weinflaschen in dem Behälter so arrangiert, dass ein Loch entstanden war. Darin steckte die Taschenmuschi, die er bei Lola gekauft hatte.
Seitdem er vor sechs Wochen seinen Job im Devine Drink angetreten hatte, hatte er viele, sehr viele Sextoys bei ihr erstanden. Er war einer ihrer besten Kunden. Die meisten der Spielzeuge dienten zur Selbststimulation. Aber er wurde nicht müde zu erwähnen, dass er hoffte, eines baldigen Tages den Vibrationspenisring, die Analkette, die Metallklemmen, das Handmassagegerät mit den Reizkugeln, die Wachskerzen, den Prostata-Stimulator und all die anderen Dinge in das ausschweifende Liebesspiel mit einer Freundin einzubauen.