6,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 6,99 €
Der Autor, Ex-Rockmusiker und Journalist, hat die Thriller-Trilogie 666-PERFEKTION DES BÖSEN im Jahr 1999 begonnen … Die Welt geht zum Teufel. Die vier apokalyptischen Reiter scharren längst nicht mehr mit den Hufen, sie sind losgelassen. Unsere Welt stürzt in Chaos. Seuchen, Überbevölkerung, Hunger, Kriege, die massive Zerstörung unserer Umwelt bedrohen die Erde. Die schlimmsten Waffen aber sind die Technologien des 21. Jahrhunderts – Robotik, Gentechnik und Nanotechnologie. Selbst Einzelne oder kleine Gruppen können diese Waffen missbrauchen. Oder tun sie es bereits …? Die CORONA-Krise als Synonym dafür …? Dieses Szenario beschreibt der Autor Dankmar H. Isleib in seiner Thriller-Trilogie "666-Trilogie – Perfektion des Bösen" so düster, dass einem das Blut in den Adern gefriert. Der Allmachtswahn treibt eine Handvoll Superreiche, die unseren Planeten längst unter ihrer Kontrolle haben, dazu, die Welt, wie wir sie kennen, mittels kreuzgefährli-cher Technologien zu demontieren und zu beherrschen. Ihre Handlanger: Skrupello-se, geldgierige Politiker, Wissenschaftler und Geschäftemacher. Ein wilder Tanz Gut gegen Böse beginnt. Hinter dem Bösen stecken Geheimbünde, uralte Religionen und die mystische Tradition der Zahlenkabbala. Alles Fiktion oder doch Wirklichkeit? Das kann jeder für sich entscheiden.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 890
DANKMAR H. ISLEIB
DU GEHÖRST IHNEN.
BUCH EINS: ROBOTIK
666-TRILOGIE – PERFEKTION DES BÖSEN
THRILLER
Alle Namen und Personen der Handlung sind frei erfunden. Eventuelle Übereinstimmungen mit lebenden Personen sind unbewusst geschehen; Namen der Zeitgeschichte rein zufällig möglicherweise richtig.
Artikel 5 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland zur Meinungsfreiheit: Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
Der Autor nimmt das Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz) UrhG in Anspruch.
Einleitung zur 666-Trilogie – Perfektion des Bösen
Die Technologien, die in den atomaren, biologischen und chemischen Massenvernichtungswaffen des 20. Jahrhunderts Anwendung finden, waren und sind weitgehend militärischen Charakters und wurden in staatlichen Forschungseinrichtungen entwickelt. In deutlichem Gegensatz dazu handelt es sich bei Gentechnik, Nanotechnologie und Robotik um kommerziell genutzte Technologien, die fast ausschließlich von privaten Unternehmen entwickelt werden. In unserer Zeit eines triumphierenden Kommerzialismus liefert die Technologie – unter Zuarbeit der Wissenschaft – eine Reihe nahezu magischer Erfindungen, die Gewinne unerhörten Ausmaßes versprechen. Aggressiv folgen wir den Versprechen dieser neuen Technologien innerhalb eines entfesselten, globalisierten Kapitalismus mit seinen vielfältigen finanziellen Anreizen und seinem Wettbewerbsdruck.
Da wir ständig neue wissenschaftliche Durchbrüche erleben, müssen wir uns erst noch klarmachen, dass die stärksten Technologien des einundzwanzigsten Jahrhunderts – Robotik, Gentechnik und Nanotechnologie – ganz andere Gefahren heraufbeschwören als die bisherigen Technologien. Vor allem Roboter, technisch erzeugte Lebewesen, und Nanoboter besitzen eine gefährliche Eigenschaft: Sie können sich selbstständig vermehren. Eine Bombe explodiert nur einmal. Aus einem einzigen Roboter können viele werden, die rasch außer Kontrolle geraten.
Was war im zwanzigsten Jahrhundert anders? Natürlich bargen die Technologien, die den nuklearen, chemischen und biologischen Massenvernichtungswaffen zugrunde lagen, gewaltige Potenziale, und die Waffen stellen eine ebenso große Gefahr dar. Aber zum Bau von Atomwaffen benötigte man, zumindest in der Anfangszeit, seltene – tatsächlich sogar nahezu unerreichbare – Rohstoffe und ein durch Geheimhaltung geschütztes Wissen; auch der Bau biologischer und chemischer Waffen verlangte einigen Aufwand. Die Technologien des einundzwanzigsten Jahrhunderts – Genetik, Nanotechnologie und Robotik – bergen dagegen Gefahren, die sich in ganz anderen Dimensionen bewegen. Und am gefährlichsten ist wohl die Tatsache, dass selbst Einzelne und kleine Gruppen diese Technologien missbrauchen können. Dazu benötigen sie keine Großanlagen und keine seltenen Rohstoffe, sondern lediglich Wissen.
Zitat:BILL JOY – Ex Chef Scientist und Mitgründer von SUN MICROSYSTEMS, Entwickler bahnbrechender Mikroprozessorarchitekturen wie SPARC, picoJAVA, Jini und MAJC sowie Solaris für ORACLE. Die Silicon Valley-Ikone Bill Joy hat sich bereits 2003 aus dem Geschäft der Software-Entwicklung zurückgezogen ...
DIE WAHRHEIT
IST IMMER EINE HERAUSFORDERUNG
AN DIE STELLE VON MASSENVERNICHTUNGSWAFFEN
TRITT DIE GEFAHR EINER WISSENSBASIERTEN
MASSENVERNICHTUNG, DIE DURCH DAS HOHE
VERMEHRUNGSPOTENZIAL NOCH DEUTLICH VERSTÄRKT WIRD.
ICH DENKE, ES IST NICHT ÜBERTRIEBEN,
WENN ICH SAGE,
WIR STEHEN AN DER SCHWELLE ZU EINER WEITEREN
PERFEKTION DES BÖSEN IN SEINEN EXTREMSTEN AUSPRÄGUNGEN;
UND DIESMAL WERDEN DIE SO GESCHAFFENEN SCHRECKLICHEN
MÖGLICHKEITEN NICHT NUR NATIONALSTAATEN ZUR VERFÜGUNG
STEHEN, SONDERN AUCH EINZELNEN EXTREMISTEN.
Bill Joy – Ex Chef Scientist und Mitgründer von SUN MICROSYSTEM
NUR ZWEI PROZENT DER ACHT MILLIARDEN PROZESSOREN, DIE IM JAHR PRODUZIERT WERDEN, LANDEN IN EINEM COMPUTER. DER REST WIRD IN DIE WELT EINGEBAUT, DIE UNS JEDEN TAG UMGIBT.
John Sally Brown
Ehemaliger Direktor des Computer-Entwicklungslabors XEROX-PARC, 1995.
Im Jahr 2016 wurde die unvorstellbare Menge von 2.097.152 Milliarden Prozessoren (CPU‘s) pro Jahr produziert. Der Intel-Ingenieur Gordon Moore prognostizierte schon 1965, dass die Transistoranzahl in integrierten Schaltkreisen alle zwei Jahre verdoppelt werden kann.
Die Presse nannte diese Regelmäßigkeit dann das Mooresche Gesetz.
Es handelt sich dabei nicht um ein wissenschaftliches Naturgesetz, sondern um eine durch empirische Beobachtung begründete Faustregel, die auf langfristigen Planungen der Halbleiterindustrie beruht und die bis heute zutrifft.
Das Verhältnis von 3 Prozent, die in Computer eingebaut werden,
hat sich nur unwesentlich verschoben.
(By the way: Der erste Mikroprozessor wurde 1970 für die US Navy entwickelt. Der Mikroprozessor ist die Zentraleinheit von Mikrocomputern unter der Verwendung eines Chips.
Anmerkung des Autors)
I
ALLES ERSCHAFFENE SCHWINGT UND KLINGT
IN UNENDLICHEN KREISEN INEINANDER UND MITEINANDER;
DER TANZ DER GESTIRNE, DER TANZ DER ATOME,
DER TANZ DER SEELE;
ALLES SINGT DAS UNENDLICHE SCHÖPFUNGSLIED.
Hazrat Inayat Khan
Miami. Ein Samstag, Ende Oktober. Ein
junger Italiener mit erheblichen Problemen.
Nicht im Traum hatte er daran gedacht, selbst aktiv eingreifen zu müssen.
Was mache ich nur hier?!, ging es ihm immer und immer wieder durch den Kopf, während er gebannt auf das ruhige, tiefschwarze Meer schaute. Das in seinem eigenen, lässigen und unwiderstehlichen Rhythmus sprach und nach einer Mischung aus Sehnsucht, Melancholie, unendlicher Weite, Kraft, Freiheit und kosmischer Tiefe klang. Hell und dunkel, weich und hart, laut und leise, betörend. Mystisch. Das nach Tang roch, Muscheln, Salz und völlig gleichmäßig und sehr entspannt zu atmen schien. Im Rhythmus der Planeten.
Wenn er kommt, wird er mich angreifen. Horror. Ich gehöre hinter mein Schlagzeug. Was ich vorhabe, ist Harakiri! Ich atme jetzt nicht gelassen und entspannt. Das ist ein Job für James Bond, Superman oder wie die tollen Typen alle heißen. Die ganz cool, immer ein smartes Grinsen aufgesetzt, den für sie maßgeschneiderten Brioni-Anzug perfekt zur Geltung kommen lassend, die gefährlichsten Situationen unter Kontrolle haben. Die wunderschönen Frauen mit gnadenlos erotischen Körpern, Silikon gestärkten Titten und maronfarbenen Schmollmündchen heroisch retten, obwohl sie mit der Handlung des Films – wenn er denn eine hat – nicht viel zu tun haben. Optische Beigabe. Mission Impossible! Bullshit. In Sekunden verstehen es die gelackten Helden, während sie ganz cool Mörderwaffen in der Linken halten, die Püppchen so weit zu bringen, dass sie sich unter lasziven Seufzern ihrem Superstar 007, 008 oder einem Ethan Hunt gierig hingeben. Wie kann die Welt einfach sein!
Im Kino.
Ich muss ein totaler Trottel sein. Ein verliebtes Arschloch! Ich zittere, friere, schwitze, mache mir fast in die Hose und dennoch ...
Mich zwingt niemand. Lauf weg, Dummkopf! Muss ich ein Held sein? Nein. Ich tue es für SIE. Nur für sie. Meine Angebetete. Für die Frau, für die ich lebe. Für keinen Menschen sonst auf der Welt würde ich versuchen den Helden zu spielen.
Seit zwanzig Minuten raste sein Puls so sehr, dass er fürchtete, kurz vor einem Herzkollaps zu stehen, obwohl er voll austrainiert war. Auch ohne Gym. Und jung. Blutjung. Er traute sich kaum noch zu atmen; seine schlanken, überaus grazilen, zugleich sehnigen, kräftigen Hände waren schweißig, seine Augen flirrten nervös hin und her und her und hin und suchten dabei sehr konzentriert die Finsternis ab.
Selten genug für Miami: Die Stadt war dunkel, stockdunkel. Der Mond blieb irgendwo hinter einer tief hängenden, schwer und träge zum Meer treibenden Wolkendecke hängen. Das schier endlos erscheinende Lichtermeer der stetig pulsierenden, unruhigen, lauten und nur mühsam schlafen wollenden Florida-Metropole mit dem etwas zweifelhaften Ruf war von der Nacht und den nassen, fetten und bedrückend düster wirkenden Wolken einfach aufgefressen worden. Es war, wie so oft, ekelhaft schwül und die City trieb eine Luftfeuchtigkeit auf die in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts aufgeschütteten Venetian Islands, die so manches kubanische Hausmädchen in die Verzweiflung trieb; weil man Wäsche zwar ohne zu befeuchten mangeln konnte, aber diese anschließend genauso klebrig und nass war, wie vor diesem zeitraubenden Arbeitsvorgang.
Wenn ER kommt, dann kann es durchaus passieren, dass einer von uns beiden in der Nacht der Nächte sein Leben verliert. Schrecklicher Gedanke. Ich muss ihn ausschalten. Nur wie? Nie bringe ich das fertig. Ich bin doch kein Mörder und will auch keiner werden! Oh Gott, ich bin viel zu weit gegangen. Mein Altruismus bringt mich noch mal um.
Aber eines steht fest, da irrt sich mein Programm nie: ER kann nur über das Wasser kommen. Alle anderen Wege scheiden aus. Das wäre das erste Mal, dass diese abgewichste Software einen falschen Schluss gezogen hätte. Demnach stehe ich zumindest am richtigen Platz, gelle? Und ich muss ihn irgendwie ausschalten, unschädlich machen. Irgendwie. Ausgang ungewiss. Denn es könnte auch mich erwischen ...
Merde!
Die Insel ist zu gut bewacht, als dass ER sich Zutritt über das Land verschaffen würde. Nein, nein, nein! Das würde erst recht nicht funktionieren. Der Weg über das Meer ist für ihn am ungefährlichsten. Das ist so, Punkt, Schluss, aus. Dafür verwette ich mein dw-drums.
Verdammt, ich bin für den Job untauglich.
Plötzlich waren schlupfende Geräusche zu hören. So, als ob jemand in einer Mischung aus Tauchen und Kraulschwimmen versucht, möglichst leise und unauffällig ans Ufer zu kommen. Rhythmisch. Das schlupfende Geräusch, leise und für ein feines Ohr doch vernehmbar, wiederholte sich in regelmäßigen Abständen. Einmal, zweimal, dreimal. Dann trat für zirka zwanzig Sekunden lang völlige Stille ein. Und der ungewöhnliche Ablauf begann von neuem. Die Geräusche waren noch zu weit entfernt, um ihre Richtung genau orten zu können. Der Beobachter des Strandes vernahm sie nur, weil er musikalisch geschulte Ohren hatte. Sie kamen vom Meer. Nicht gerade viel.
Aha, ER kündigt sich an.
Er muss es sein, denn ein Hai klingt anders und wer hätte sonst Interesse, in einer so finsteren Nacht ein Schäferstündchen im Wasser – ohne Boot – haben zu wollen oder ein Fitnessprogramm zu absolvieren.
Das schaffe ich nie. Das Strandstück ist zweihundert Meter breit, wie soll ich wissen, an welcher Stelle genau ER an Land kommt? Es ist doch nichts zu sehen!
Da, da ist das Geräusch wieder. Die Pause ist länger als zuvor. Kommt es von links? Oder von rechts? Shit. Ich bin halt kein Profi. Meine Berechnungen mögen stimmen, aber der geht auch kein Risiko ein. Ich bin es, der an diesem verdammten Ort ängstlich im Sand liegt und seinen Allerwertesten riskiert. Und nicht nur den.
Seine Halsschlagader klopfte bis zum Zerreißen, sein linkes Augenlid spielte verrückt, zuckte unaufhörlich. Jetzt traute er sich nicht mehr zu atmen und drohte vor Angst zu ersticken.
Nur nichts verpatzen. Ich m u s s ihn ausschalten.
Die eigenwilligen Geräusche waren in der Stille der Nacht von einer Sekunde auf die andere nicht mehr zu vernehmen. Hinter ihm, vom Haus kommend, knackte es plötzlich. Ein Zweig, ein Zeichen? Oh mein Gott, von dort kann ER doch nicht kommen, dann hätte er sein Werk ja schon vollbracht und ich würde hier, völlig überflüssig und um Lichtjahre zu spät, am falschen Platz auf ihn warten! Oder hat der im Haus etwa Helfer? Da sind doch nur Jack und Mack, von der treu ergebenen Yuih Phin nicht zu reden. Unmöglich. Oder sollte ich mich in der Loyalität ihrer ständigen Leibwächter getäuscht haben? Die sind doch beide okay. Längst tausendmal bis ins letzte Detail abgecheckt.
Hey man, keep cool, man!
Außerdem kann ER mich beim besten Willen nicht sehen. Bleib ruhig, Junge, es ist nur ein Spiel ... Alles ganz harmlos. Wie beim Verstecken spielen. Kids. Sind durch den Garten gerannt, versteckten sich hinter einem Busch oder Baum, in der Hundehütte oder neben dem dampfenden, stinkenden Komposthaufen in der Hoffnung, dass dort niemand suchen würde. Und haben sich dann gar nicht erschrocken, wenn sie in ihrem Versteck vom Freund erwischt wurden. Sich nur schrill kreischend kaputtgelacht. Um die Schrecksekunde des Entdecktwerdens besser überspielen zu können.
Jetzt war das Schlupfen im Wasser wieder zu hören. Die Schwüle nahm zu, so das Gefühl des Wartenden, die Dunkelheit ebenfalls. Die Pause zwischen den sehr regelmäßigen Intervallen kam dem Beobachter jetzt viel länger vor als zu Beginn. Der Mensch, der sich zielstrebig dem Ufer näherte, hatte Erfahrung. Alle fünfzig Meter, die er dem Strand näherkam, machte er eine Pause. Dazu drehte er sich unter Wasser, um dann ewig lange wie tot auf dem Rücken zu liegen. Paddelte nur ganz leicht mit den Händen und atmete währenddessen tief und intensiv. Das hatte den Vorteil, dass er sich nicht unnütz verausgabte, sondern neue Kräfte sammelte und zugleich selber auf ungewöhnliche Geräusche achten konnte.
Eile war ihm fremd.
Das zeugte von großer Selbstsicherheit. Von exakter Kenntnis der Gewohnheiten der Menschen, die in der großen Villa am Strand lebten und von einem gehörigen Stück Kaltblütigkeit on top. Profi. Er war um zwei Uhr dreißig gestartet und inzwischen exakt 3,4 Kilometer geschwommen, denn er musste erst durch den Kanal, um dann über das Binnenmeer zu dem Anwesen zu gelangen. Die ersten zweieinhalb Kilometer waren einfach gewesen. Routine. Aber ausgerechnet in der heutigen Nacht, in der fast absolute Stille herrschte, war es schwierig. Und bei der spiegelglatten See konnte man ihn ab etwa vierhundert Meter vor dem Anwesen hören, das lehrte ihn seine Erfahrung ...
Sie sollte sehr gute, mit dem Ungewöhnlichen rechnende Leibwächter haben. Die kannte er bisher nur von Fotos, nicht aber in Aktion. Das war ein leichter Risikofaktor, den er einkalkuliert hatte. Zu glauben, dass beide zu dieser Stunde schliefen, wäre sträflicher Leichtsinn gewesen. Auf der anderen Seite hatte er die Leibwächter und die Situation im Haus nicht im Detail nachgeprüft, das ließ seine Arroganz nicht zu. Er verließ sich auf die Pläne und Angaben seiner Auftraggeber, die schließlich selbst Profis waren.
Für ihn war das ein Job wie jeder andere zuvor. Über zweihundert Mal hatte er seine Aufträge weltweit erfolgreich abschließen können und stand in der Karriereleiter seines Faches ganz oben. Dass er so unglaublich erfolgreich war, wusste keiner, der ihn zu kennen glaubte; manch einer seiner Auftraggeber ahnte es vielleicht. Deshalb buchte man ihn, wenn man sicher gehen wollte ... Die konnten sich nicht vorstellen, was es heißt, im Laufe von fast zwanzig Jahren zweihundertvierundachtzig komplizierte Jobs, die für seine ´Patienten´ stets in einer hölzernen Kiste endeten, erfolgreich zu gestalten. Die ersten Jahre, seine persönlichen Lehrjahre, mochte er heute gar nicht mehr dazu zählen. Da unterlief ihm mancher kleine Fehler. Erwischt wurde er jedoch nie, er blieb der geheimnisvolle Unbekannte.
Für alle.
Für ihn gab es weder unlösbare Aufgaben, noch kannte er das Wort Angst. Das Wort ´Mord´ fand man ohnehin nicht in seinem Wortschatz. Seine ´Patienten´ starben stets eines natürlichen Todes. Oft waren sie während des für die Angehörigen und die Öffentlichkeit unbegreiflichen Todes in bedauerliche Unfälle oder ungünstig verlaufende Krankheitsgeschichten verwickelt. Er setzte in seinem Fach Maßstäbe, seit fünfzehn Jahren, da er, wie schon erwähnt, seine Lehrjahre für die eigene Statistik nicht hinzurechnete. Er zelebrierte die Kunst des natürlich eintretenden Todes wie kein anderer seiner Branche.
Der Killer liebte die Natur. Und als Naturliebhaber war er fasziniert von der Idee, das Herbeiführen des Todes derart perfekt zu beherrschen, dass man ihn als absolut natürlich eingetretenes Ableben eines Menschen diagnostizieren würde. Fachärzte, Pathologen, Forensiker.
Die Manie befiel ihn, als er zehn Jahre alt war. Anlass dafür waren seine Eltern, die er abgöttisch liebte. So sehr, dass er ihnen nichts sehnlicher als einen schnellen Tod wünschte. Denn waren sie es nicht, die für seinen abgründigen Charakter verantwortlich zeichneten? Waren sie es nicht gewesen, die ihn vor lauter Karrieregeilheit aufs Abstellgleis für kleine Kinderseelen gestellt hatten?
Tagtäglich wurde er von der Vorstellung beherrscht, Menschen seiner Auswahl in einen Zustand des ´ewigen Todes´ zu versetzen. Eines Zustandes, der nicht einmal mehr eine Reinkarnation zuließe. Den man selbst mit state of the art Erkenntnissen der führenden Experten der Gerichtsmedizin nicht als unnatürlich würde nachweisen können.
Biologie war konsequenterweise sein Lieblingsfach in der Schule, die er in einem in jeder Hinsicht typisch britischen Internat absolvieren musste, das seine Eltern monatlich dreitausend Pfund kostete und ihn sehr viel Nerven. Es war programmiert, dass er später erst Biologie an der Sorbonne in Paris studierte, summa cum laude abschloss, dann Medizin an der Columbia University in NY-City und schließlich über ein Thema habilitierte, das einigermaßen intelligente Polizeibeamte und Geheimdienstler hätten ahnen lassen können, wer hinter vielen Todesfällen oft junger, immer erfolgreicher, kerngesunder, reicher Menschen stecken könnte. Wenn sie ihm denn je auf die Schliche kommen würden.
Pathologen hatten bei seinen ´Patienten´ niemals geschlussfolgert, dass es sich um einen unfreiwilligen Tod gehandelt haben könnte. Und selbst ein Rudolf Steiner mit seinen Theorien und medialen Fähigkeiten über >Das Sichtbarmachen von Reinkarnation< hätte es schwer gehabt, den Verblichenen ein neues Seelenleben einzuhauchen und über diese Technik Unnatürliches am Tod der verstorbenen Person nachzuweisen.
Der heutige Auftrag war für den Dr. habil. rer. nat. einfach. Fast unter seiner Würde. Routine. Die Zielperson war harmlos.
Ein Popstar, der rein routinemäßig beschützt wird. Wie fast alle Typen aus dem Showbiz, die glauben, dass sie dann von ihren Fans weniger belästigt werden und auch damit sie wissen, wie wichtig sie sind. Bullshit.
Mehr dachte der Schwimmer nicht.
Dr. Tod wäre erst gar nicht auf die Idee gekommen, den seiner Karriere wenig schmeichelnden, einfachen Job anzunehmen, wenn er nicht überaus gut dotiert gewesen wäre. Aber wer lässt schon zehn Millionen Dollar sausen?! Cash. Eingezahlt auf eines seiner Konten auf den Cayman Islands. Und das für einen zeitlich derart limitierten Job. Zudem konnte er seinem Auftraggeber ohnehin nicht widersprechen. Schließlich gehörte er IHNEN – seit Beginn seiner Karriere, als sie ihn an der Columbia ansprachen, wie viele andere, die ihnen jetzt gehören und die Karriere machten und machen, so wie der derzeitige Präsident der USA und alle seine Vorgänger.
Es gab zwei unabhängige, auf dem neuesten Stand der Technik befindliche Alarmsysteme, die das Haus innen und außen, sowie das etwa 40.000 Quadratmeter große Grundstück sicherten. Der ganze Schnickschnack, den Sicherheitsfirmen ihren Kunden für viel Geld aufschwatzen. Für ihn kein ernstes Hindernis. Denn im Laufe der Jahre war er im Zuge einer Vervollständigung der Qualität seines Berufsbildes nicht umhingekommen, ein intensives Studium auch auf dem Gebiet der Elektronik zu absolvieren und sich ständig in der neuen und sich fast monatlich verbessernden Technik der Besicherung von Gebäuden auf dem Laufenden zu halten. Wenn die Pläne, die sein Auftraggeber ihm geliefert hatte, stimmten – und davon ging er aus –, dann konnte er die Elektronik recht mühelos überwinden. Für die Dame des Hauses bedauerlich, auch für ihre Bodyguards.
Peanuts, meinte Dr. Tod.
Nun tauchte er wieder. Geräuschlos wie ein Hai, der seine Beute wittert. Schwamm unter Wasser weiter; das Meer wurde flacher. Nur noch wenige Meter und er konnte den sandigen Boden unter seinen Füßen spüren. Mit delfinartigen, minimalen und sehr kontrollierten Bewegungen tauchte er aus dem für ihn unangenehm warmen, seichten Wasser auf ...
Da war es wieder zu hören! Das schlupfende Geräusch. Mit einem höheren Ton beginnend, leicht tiefer werdend. Es dauerte nicht lange, vielleicht drei Sekunden.
Ja, das muss ein Mensch sein, der da gleich aus dem Wasser steigt. Ich bin sicher, er kommt von links. Er müsste jetzt den Strand betreten. Wenn ich doch nur besser sehen könnte. Und das Zucken in meinem Augenlid macht mich ganz verrückt! Alles hängt davon ab, dass ich mich ihm schnell genug nähern kann, damit ihn mein Trick erfolgreich überrumpelt. Ob er darauf reinfällt? Sicher. Damit rechnet er nicht. Damit kann er nicht rechnen, denn er hat als Profi die vorhandenen Alarmsysteme des Anwesens mit Sicherheit abgecheckt. Und nichts Bedrohliches gefunden. Dessen bin ich mir sicher!
Jetzt konnte der ängstliche, dabei überaus aufmerksam agierende Beobachter und heimliche Beschützer der gut bewachten Lady, die sich zu diesem Zeitpunkt in ihrer riesigen Villa aufhielt und um diese Zeit vermutlich schlafen würde, schwache Umrisse erkennen.
Eine Person stieg langsam und geschmeidig aus dem Wasser. ER war in diesem Moment höchstens fünfzig Meter, sich von links nähernd, von dem nicht sichtbaren Beschützer der Sängerin entfernt.
Da sich der nervöse Beobachter das Gesicht schwarz geschminkt hatte – die Augen nur zu Schlitzen geöffnet, damit auch das Weiße darin unsichtbar blieb – und in schwarzen Klamotten direkt vor einer stattlichen Palme stand, war er sich sicher, dass die Person, die aus dem Wasser stieg, ihn bei dieser schlechten Sicht noch nicht bemerkt hatte.
Gleich musste es passieren ...
Der Helfer des natürlichen Todes kniete bewegungslos, wie eine Raubkatze auf dem Sprung, leicht nach vorn gebeugt, die Hände wie ein Hundertmeterläufer an einer imaginären Linie im weißen Sand aufstützend, und beobachtete die Umgebung. Minutenlang. Stundenlang, wie es dem Beobachter erschien, der seinerseits einem Nervenzusammenbruch nahe war. Der Schweiß rann ihm nur so über das Gesicht. Beißend setzte er sich, schwarze Abdecktönung mit sich führend, in seinen Augenwinkeln fest. Dazu das dämliche, stets vor Nervosität zuckende Lid seines linken Auges ...
Shit!
Jetzt endlich machte der Eindringling vorsichtig einen Schritt in Richtung Haus, den nächsten, den übernächsten. Man konnte das leise Knirschen des Sandes mehr ahnen als hören. Zwischen jedem einzelnen Schritt gönnte er sich eine lange Pause. Vielleicht zehn Sekunden. Rhythmisch. Einfach, um zu lauschen. Die Zeit schien still zu stehen. Der einst künstlich angeschüttete, weiße Sandstrand maß an dieser Stelle zirka fünfunddreißig Meter in der Tiefe; der vorsichtige Eindringling war noch etwa vierzig Meter von der Palme entfernt, an der ein anderer Mann angespannt lauerte ...
Viel zu weit, so kann es nie funktionieren, ging es diesem durch den Kopf. Verzweifelt biss er sich auf die Unterlippe, die schon leicht zu bluten anfing. Das geht alles über meine Fähigkeiten. Ich bin eben doch nur ein mieser, kleiner Amateur. Nie hätte ich das versuchen sollen. Blöde Verliebtheit! Einen Weltstar retten wollen! Idiot! Wie soll das gehen? Der Strand ist viel zu breit. Ich bin viel zu weit von ihm entfernt und er bewegt sich viel zu vorsichtig, dieser dämliche Superprofi! Ich hatte gedacht, er läuft ganz schnell, husch, husch, aus dem weißen Sand in Richtung Villa. Dann hätte es klappen können ...
Nada, mi amigo!
Dass es auch ausgerechnet heute so dunkel sein muss. Und dass der Pausen macht, als sei er auf Urlaub und genieße den Strand, das Dunkel, die Einsamkeit und meine Furcht ...
Aber – der stille Schatten an Palme Drei hatte das Glück des Tüchtigen auf seiner Seite. Der Ankömmling bewegte sich exakt auf die Stelle zu, wo unser Freund Schutz gesucht hatte. Dreißig Meter, zwanzig. Die Sekunden schlichen.
Wie kann man sich nur so elend viel Zeit lassen!
Doch jetzt, ganz unvermittelt, kam der gedungene Mörder völlig überraschend ins Straucheln. Er versuchte sich noch einmal abzufangen, aber da schlug er auch schon lang in den Sand, verhakelte sich in irgendetwas und unser Beobachter war blitzschnell mit langen Sätzen über ihm.
Sein schlanker, in asiatischen Kampfsportarten geübter Körper – Big Punk sei Dank! – flog grazil, unglaublich schnell, kontrolliert und wissend, was er zu tun hat, durch die Luft. Das linke Bein streckte sich in Sekundenbruchteilen, sein Fuß explodierte förmlich und krachte dem vor Verwunderung stockenden und sich ein wenig ungelenk aufrappelnden Taucher an das Stellatum der rechten Seite seines Halses. Gleich darauf schoss das linke Bein des aktiv gewordenen Beobachters aus einer ganzen Körperdrehung heraus noch einmal mit voller Wucht in Schläfenhöhe an die linke Hälfte des Kopfes des verwirrten Mannes, der gar nicht erst dazu kam, auch nur ansatzweise Widerstand leisten zu können. Ein dumpfer, knackender, nicht gerade sehr freundlich klingender Ton beendete das Schauspiel im folgenschweren Dunkel der wolkigen Herbstnacht der pulsierenden Florida-Metropole, das insgesamt weniger als drei Sekunden gedauert hatte.
Der Helfer des natürlichen Todes lag regungslos im Sand. Zum ersten Mal in seiner langjährigen Karriere hatte er versagt, das stand zu diesem Zeitpunkt außer Frage ... Ob er das in dem Augenblick seiner größten Demütigung allerdings noch nachvollziehen konnte, entzog sich dem zufrieden in sich hinein lächelnden kleinen Mann in Schwarz, der den – einseitigen – Fight ohne jegliche Gegenwehr des Eindringlings hatte gewinnen können. Und das unschöne Knacken am Kopf des Liegenden ließ darauf schließen, dass er, zumindest für einen langen, ganz ganz langen Augenblick nicht mehr würde klar denken können. Wenn überhaupt jemals wieder.
Amen.
Der heimliche Beschützer des Rockstars war nun seinerseits in großer Eile, denn er selbst wollte auf keinen Fall von den Gorillas der Schönheit festgenommen werden. Das harte, bösartige Knacken am Kopf des mit unschönen Absichten eingedrungenen Akademikers verursachte seinerseits in der Stille der Nacht regelrechten Lärm, war vielleicht von einem der aufmerksamen Bodyguards gehört worden. Unser fan in black konnte sich ausrechnen, dass es nicht lange dauern würde, bis ganze Hundertschaften das Strandstück absuchten.
Also rannte er wie ein Wiesel zur rechten Begrenzung des Grundstückes, wo es durch hohe, dichte Bougainvilleabüsche zum Nachbarn abgeschottet war, bückte sich und zog hektisch, im Zickzack das große Strandstück ablaufend, alle paar Schritte etwas Undefinierbares aus dem Sand bis zur linken Begrenzung zum nächsten Grundstück.
Mein Trick hat ihn erledigt! Mein Trick hat ihn erledigt!, jubilierte der Kleine dabei still in sich hinein. Wie einfach das alles war, nur ein lumpiger, dünner Nylonfaden brachte IHN, den großen Superprofi, den Geheimnis umwitterten Unbekannten ins Stolpern ... Oft sind es die einfachsten Mittel, die Erfolg bringen. Logik, Genie? Nur gut, dass ich den Faden gleich zwölf Mal kreuz und quer über die gesamte Breite des Strandstückes gespannt habe. Und wie der Erfolg beweist, war es auch richtig, den Faden so eng zu spannen, nur einen geringen Zwischenraum von jeweils zwanzig Zentimetern zu lassen, denn genau in dem engen Netz hat der sich verheddert ...
Mit einem zaghaften Lächeln auf den Lippen, die feinen Schweißperlen über seinen Lippen abwischend, im Inneren jedoch richtig fröhlich, ausgelassen und fast schon überdreht, hatte er die letzten Splinte mit dem Nylonfaden in schneller Folge aus dem Sand gezogen, dankte im Stillen noch einmal Big Punk und den asiatischen Kampftechniken. Verschwand nun selbst im Wasser und schwamm, kraftvoll und rhythmisch, das Zucken im linken Augenlid hatte längst aufgehört, ins ruhige Binnenmeer hinaus.
Miami, das Leben und die ganze Welt hatten ihn wieder.
II
JE ÄLTER EINE GITARRE WIRD,
DESTO BESSER KLINGT SIE –
GENAUSO IST ES AUCH MIT DEN ROLLING STONES
Keith Richards, 1999
Frankfurt am Main, einige Tage vorher,
Stellas bejubeltes Konzert.
Die Frankfurter Festhalle bebt. Mehr als zwölftausend Stella Henderson-Fans feiern ihre Königin.
Wie ein Orkan tobt der Beifall der Massen, erreicht einen Lautstärkepegel, gegen den die Gitarristen ihrer Band während des Konzertes nur ein seichtes Geräusch-Lüftchen erzeugt hatten. Die nicht als schön zu bezeichnende, enge, akustisch schwierig zu bespielende Halle, die aber eine sehr intime, Publikum und Künstler faszinierende Stimmung erzeugen kann, bebte. Minutenlang. Von den Rängen der gleiche Jubel wie aus der unbestuhlten Arena. Völlig ausgelaugt steht Stella wie in Trance auf der Bühne, vorne, in der Mitte, verneigt sich immer wieder und wird von der mächtigen Sympathiewelle der rasenden Fans fast umgeworfen.
Bis vor drei Stunden war sie in Deutschland nur die Prinzessin. Gut, aber sie war nie live zu hören und sehen. Tina Turner, die große alte Dame des Rock, galt selbst bei den Kids vom Hörensagen noch als die Königin, der man sich über Jahrzehnte fast widerspruchslos zu den musikalischen Füßen geworfen hatte, obwohl sie seit gut zehn Jahren nicht mehr on the road war. Der Nachwuchs ist dünn gesät. Zu dürftig die Stimmchen der Konkurrenz oder zu durchsichtig die von hechelnden Marketingstrategen der Plattenkonzerne und Managern ersonnene Bühnenerotik so mancher Sängerin. Zu manieriert, zu langweilig, zu unerotisch, harmlos die Stimmen, zu platt die Songs. Wo war sie, die echte Rockröhren-Konkurrenz? Eine schon längst vergessene Alanis Morrisette, die einfach keine balls hatte; was ist eigentlich aus Melissa Etheridge geworden, die ich sehr mochte? OK, da ist Pink. Die könnte es bringen, wenn sie sich konzentriert und sich nicht vom Mainstream einlullen lässt. Die hat was. Wenn sie Rockmusik macht. Nicht den Popmist wie derzeit. Die anderen machen guten Pop, Christina Aguilera, Shakira, Kelly Clarkson, Adele, Rihanna, aber ... Das ging Stella durch den Kopf, während sie den tosenden Applaus kaputt, aber glücklich in sich aufsog.
Seit heute – Freitag, zehnter Oktober, 23:25 Uhr mitteleuropäischer Zeit – ist das anders. Stella weiß es: Jetzt bin ich die Königin des Rock. Auch in Europa. Deutschland gehört zu den wichtigsten Märkten im Musik-Business. Ihre erste Tournee durch das Land war restlos ausverkauft. England liebte sie, das hatten ihre drei gefeierten Konzerte der vergangenen Woche im Londoner Hammersmith erneut eindrucksvoll bestätigt. Frankreich und Italien eroberte sie schon vor drei Jahren; die Japaner lechzen nach Stella Herndon und lagen ihr zu Füßen und die Fans in ihrer Heimat, von der East- bis zur Westcoast des Landes der fast unbegrenzten Möglichkeiten, feierten sie sowieso seit etlichen Jahren als die Größte, den Superstar des neuen Millenniums.
Keine zehn Schritte von ihr entfernt, eingekeilt von stark nach Schweiß und kaltem Tabakrauch riechenden Fans & Freaks, die vom Alter her zum Teil seine Kinder hätten sein können, stand Meerbold. Direkt vor der Bühne, ebenfalls heftig transpirierend. Von seinen widersprüchlichen Gefühlen überwältigt. Nicht fähig, sich äußerlich erkennbar zu freuen. Obwohl ihm das Konzert außergewöhnlich gut gefallen hatte. Die leicht glasigen Augen ununterbrochen auf Stella gerichtet, hat er die rechte Hand noch immer in der zu engen Jeans, um seine wilde, sich selbst zerstörende Gier zu mildern. Zu erregt war er noch immer, genauso wie während der ganzen einhundertsiebenundfünfzig Minuten des Konzertes. Er hat die Zeit gestoppt, weil er jede einzelne Sekunde genießen wollte. Nur gut, dass keiner sehen konnte, wie es um ihn stand. Die kleine Dralle in Schwarz mit den bunten Haaren und dem herrlich runden, festen Hintern hatte sicher nicht bemerkt, dass Meerbold sich in Ermangelung seines Idols, von dem er nur durch die Absperrung zur Bühne hin getrennt war, an IHR mit IHM gerieben hatte, dazu waren die Menschen einfach viel zu dicht aneinandergepresst.
Stella! So nah war er seiner Göttin noch nie gewesen!
Er wusste, seine Stunde war gekommen. Jahrelang hatte er auf diesen Augenblick warten müssen, denn die Henderson hatte bei ihren Tourneen stets einen Bogen um Deutschland gemacht und die Zeit, eines ihrer Konzerte im Ausland zu besuchen, konnte Meerbold einfach nicht aufbringen.
Stellas schwedische Großmutter war auf die ´Germanen´, wie sie immer mit leicht sarkastischem Unterton zu sagen pflegte, durch schwere Schicksalsschläge, die sie als Jüdin in den vierziger Jahren des letzten Jahrhunderts hinnehmen musste, auch heute noch nicht gut zu sprechen. Obwohl inzwischen weit mehr als ein halbes Jahrhundert vergangen war und das Wassermannzeitalter* (Anhang) mit seinen enormen Umwälzungen in der Menschheitswerdung eingeläutet worden war. Ein neues Jahrtausend mit veränderten Vibrations, das trotz der entsetzlichen Kriege des letzten Jahrhunderts und der großen Veränderungen im arabischen Raum um einiges friedfertiger zu werden verspricht ...
Staatssekretär Rudolf Meerbold, Mann mit eigenwilliger Karriere und dem Tick, jede Frau müsste ihm, Meerbold, rettungslos verfallen sein, kannte den Grund seines weiblichen Heros, Deutschland bei ihren Tourneen zu umgehen, bis dato nicht.
Für ihn war die Henderson einfach zum ersten Mal in seinem Heimatland auf Tournee. Denn das Management der Henderson verschwieg die persönlichen Beweggründe des Stars, Deutschland nicht zu besuchen. Man wollte sich den lukrativen Markt nicht versauen. Bisher hieß es immer, dass Stella Konzerte in Deutschland aus Zeitgründen nicht geben konnte und dass es mit der Tourplanung nicht zu vereinbaren gewesen wäre. Eine fadenscheinige Begründung, die keiner hinterfragt hatte, was im oberflächlichen Showbiz und für die dazu gehörende ebenso oberflächliche Medienclique nicht weiter verwunderlich war. Die Rocklady hatte von ihren Alben im Laufe der letzten sechs Jahre mehr als zwölf Millionen CDs in Deutschland verkauft. Ein schlagendes Argument, nun doch einmal live vorbei zu schauen.
Der Staatssekretär sah heute verdammt gut aus.
Rudolf Meerbold war ungemein wandlungsfähig. Ein Mann, der wirklich in jede Rolle schlüpfen konnte. Deshalb war er für viele Menschen beiderlei Geschlechts und beinahe jeden Alters auf seine Weise äußerst attraktiv, interessant oder auch abstoßend, wenn Meerbold es so wollte. Mit seinen 42 Jahren hatte er immens viele Typen gelebt.
Nein, nicht gespielt: gelebt.
Manchmal war er sich seiner Ausstrahlung selber nicht mehr bewusst, konnte kaum noch zwischen dem echten und dem gespielten Meerbold, zwischen Wirklichkeit und Fassade unterscheiden. Alle Ich´s, die er verkörperte, machten ihm großen Spaß. Der devote Kriecher, der weltoffene Geschäftsmann, der elegante und immer liebenswerte und zuvorkommende, höfliche Ehemann, der großartige, durchtrainierte Golfer, der mondäne Dandy, der biedere, dennoch karrierebewusste amtstreue, intelligente und jeder Regierung devot dienende Beamte. Der arrogante Topstar im Amt, wenn er in Brüssel mit seinen europäischen Kollegen verhandelte. Meerbold, der Geheimnisvolle. Das Chamäleon vom Dienst.
Diese geniale Wandlungsfähigkeit benutzte er schonungslos, seit er sie mit fünfzehn Jahren entdeckt hatte. Das hatte ihn zu dem Mann gemacht, der er heute ist: Ein geschätzter, von den Kollegen aller Fraktionen geradezu vergötterter, Staatssekretär, dem jeder zutraute, bald im Kabinett einen ihm angemessenen Ministerposten zu bekleiden. Der bessere von Guttenberg. Egal, bei welcher Partei, denn Meerbold war parteilos. So früh im Leben wollte er sich politisch nicht binden, obwohl für ihn außer Frage stand, dass er seine politische Karriere fortsetzen würde und fest daran glaubte, dass Großes, ganz Großes in ihm stecke. Erster Kanzler der Europäischen Union! Das Amt strebte er an und glaubte auch zu wissen, wie er das erreichen kann ...
Von dem virilen Staatssekretär, unauffällig elegant, höflich, ein verbindliches Lächeln mit zu jedem politischen Thema passenden Spruch auf den Lippen, fachlich einfach nicht zu erschüttern, von diesem coolen Staatssekretärsgesicht zeigte er heute Abend wenig. Meerbold war für das für ihn so wichtige Konzert absolut überzeugend in die Rolle des totalen Rockfans geschlüpft: Die enge Joop-Jeans – schwarz, ölgetaucht, verwaschen – saß perfekt auf einem perfekten Hintern, mit dem er für Calvin Klein Underwear hätte Werbung machen können. Das ebenfalls schwarze T-Shirt stammte von der US-Tour der Stones des Jahres 2006/2007. Da man damals munkelte, dass es die letzte, die wirklich allerletzte Tour Mick Jaggers & Co. sein sollte, hatte er sich das Shirt über Ebay besorgt, bevor die Altherrenriege nach Europa gekommen war. Intuitiv gekauft für den heutigen Abend, von dem er damals noch nicht ahnte, dass es ihn geben könne und dass das T-Shirt von besonderer Bedeutung sein würde ...
Die Rock-Swatch passte zum Outfit. Die leicht abgelatschten, aber dennoch gepflegten Stiefel, natürlich schwarz, Saffian-Leder, Handarbeit, ebenso. Wenngleich für den Anlass einen Tick zu edel und teuer. Aber das sah nur jemand mit Kennerblick. Das schwarze Sakko, feinstes Leinen, Armani, war vielleicht auch eine Spur zu elegant. Aber was soll´s: Rockfans gibt es heute in jedem Alter, in jeder Einkommensschicht, weiblich, männlich, sächlich. Das dunkelblonde, glatte Haar, das er ohnehin etwas länger trug, umrahmte sein charismatisches Haupt locker und federnd. Die ganze Erscheinung erinnerte ein wenig an den jungen Don Johnson, als der einst vor gefühlten Jahrhunderten in der US-Krimi-Serie Miami Vice den Polypen-Dandy spielen durfte. Mann trug die Haare heute wieder so, wenn man auf sich hielt und um die Dreißig war.
Meerbold sah extrem gut aus. Brad Pitt in seinen besten Jahren. Extrem blau die Augen. Extrem lässig, extrem sympathisch, extrem rhythmisch, dieser Pfau. Eine Spur zu glatt, eher aalglatt, und, wenn es jemandem gelang, hinter die Fassade zu schauen, war eine ständige innere Unruhe, Nervosität in seinen Augen, in seinem Atmen zu spüren. Die Lippen konnten sehr schnell hart und schmal werden, die Hände verkrampften binnen Millisekunden, knöchelweiß. Doch so sahen Meerbold nur wenige Menschen. Schon gar nicht hier und heute würde einer den Unsympathen im Sympathen erkennen. Seine 1,87 Meter kamen durch die schmalen Jeans, die hochhackigen Stiefel und das schwarze Outfit noch besser zur Geltung. Wen wundert es, dass er, seit er vor wenigen Stunden die Halle betreten hatte, von vielen Girls und jungen Frauen bewundernde, ja auffordernde, wenn nicht ziemlich eindeutige Blicke zugeworfen bekam. Dreizehn kleine Flirts, nur mit den Augen geführt, die ihm sagten, dass er heute Nacht jede Menge One-Night-Stands hätte durchziehen können. Das registrierte sein – noch – fehlerfrei arbeitendes Gehirn ... Und war eine Bestätigung dafür, dass er seine Rolle richtig spielte. Oder war d a s der wahre Meerbold? Sahen wir heute Abend das echte, wahre Gesicht des Mannes, der morgen der deutschen Raute-Kanzlerin, der immer lächelnden Sprechblase mit den gestanzten, pathetischen Worthülsen und dem zu kurzen Jäckchen über gut gepolstertem Hinterteil, wieder mit gutem Rat und frischer Tat zur Seite stehen würde?
Gerne hätte Meerbold in der Jahrhunderthalle hier und da zugegriffen. Eine Nacht mit einer fast unberührten, von der Mutter begleiteten, naiven Sechzehnjährigen konnte ungeahnte Reize haben, wie Rudolf, der Lässige, nur zu gut wusste. Oder mit einer voll bekifften Endzwanzigerin, die ihren Typen draußen warten hat, und die ihm auf der Damentoilette so zwischendurch schnell mal einen bläst.
Egal, sagte er sich, scheiß auf den Staatssekretär. Heute greife ich mir was Besseres. Heute lebe ich für Stella. Nur für Stella Henderson. Und der Teufel müsste mich davon abhalten, sie nicht zu beglücken. Denn er ging davon aus, dass sein Rendezvous nicht nur stattfinden, sondern dass er der Lady total imponieren könne und sie, keine Frage, ins Bett abschleppen würde.
In den Minuten des Beifallsrausches, der Stella noch immer umgab, ließ Meerbold das relativ wenige Substanzielle, was er über die neue Königin des Rock wusste, Revue passieren.
Die Berichte der Yellow-Press und die Interviews der letzten Jahre im >Rolling Stone< hatte er alle gelesen. Meist war das Geschriebene seicht, deutete zwar einiges aus ihrem Privatleben an, ging oberflächlich auf ihre geniale Musik ein, streifte Affären aber nur am Rande. Er kannte die gängigen Klischees über sie in- und auswendig. Meerbold war regelmäßiger Gast bei Google, um nichts Neues über sie zu verpassen. Nach allem was er zwischen den Zeilen in den Berichten und Interviews über Stella Henderson gelesen, im TV gesehen hatte, entsprach sie genau dem Typus Frau, den er sich für diese besondere Nacht wünschte. Das war das für ihn Entscheidende. Alles andere Nebensache. Stella kann sich gut tarnen.Wie ich, genau wie ich – redete sich Meerbold seit Jahren ein. Denn dass sie sich tarnte, etwas zu verbergen hatte, dessen war er sich sicher. Immer wieder gab es Gerüchte um Stella, ihre Neigungen, ihre Sexualität, ihre Liebschaften. Man weiß, dass an Gerüchten meist ein Körnchen Wahres ist. Da waren zum Beispiel ihre immer schärfer werdenden, einen Mann wie Meerbold aufgeilenden Musik-Clips, die er sich von MTV mitgeschnitten hatte. Die Dreiminuten-Filmchen lebten von Anspielungen; ihre Erotik blieb unterschwellig. Weitaus differenzierter, intelligenter und letztlich aufreizender als die provokanten, sofort durchschaubaren und an der Oberfläche bleibenden Clips von Madonna oder die optisch voluminösen, fantasievollen und direkt auf Hol-dir-einen-runter getrimmten Videos von Lady Gaga und Rihanna. Aber für ihn, den Fachmann in Sachen Erotik, waren die von Stella gedrehten Clips dennoch eindeutig. Eindeutig erotisch, und das auf eine ganz bestimmte, nur schwer zu beschreibende Art. Dafür musste man einen sexten Sinn haben.
Meerbold hatte ihn. Zumindest das sei ihm attestiert.
Wie oft war Rudolf Meerbold nachts noch einmal aufgestanden, hatte zu seiner gewiss nicht prüden Frau gesagt, dass er noch einige Akten durchsehen müsse, damit er für die Debatte im Hohen Haus gut präpariert sei, um sich erst eine fette line zu legen und dann genüsslich einen Videoclip von Stella anzusehen.
„Freak Out“, „Tell Me Your Dream“, „What A Big Ahhh ...” waren seine favourites. Er sah sich in den nach einem festen Ritual ablaufenden Nachtstunden immer nur einen Clip an. Oft in slowmotion, um jede Faser ihres unbeschreiblich erotischen Körpers besser genießen zu können und die schnellen Schnitte, so wie sie heute in der Clip-Culture leider in waren, in seinem Sinne zu verlangsamen. Meerbold war auf die Macher sauer, weil sie von dem Star immer weniger zeigten. Dafür multiple Storys inszenierten und einen immensen technischen Aufwand betrieben, um sich von der Konkurrenz ein wenig abzuheben. Da die Henderson ein weltweiter Superstar war, wurden ihre Clips besonders aufwändig gedreht und wahnsinnig schnell geschnitten. Damit ließen sie Raum für unendlich viele – erotische – Fantasie. Und die hatte Meerbold. Auch das konnte man ihm attestieren.
Meerbold, der stets nackt schlief, streifte sich, wenn er das Ehebett verließ um mit Stella per DVD oder Festplatte fremd zu gehen, seinen dunkelgrünen Seidenkimono über, den er, eitel wie er war, mit dem Schwarzen Gürtel aus seiner aktiven Zeit als Judoka schloss. Das machte ihn noch männlicher, unwiderstehlicher. Meinte er. In seinen Gedanken versetzte er sich oft in die herrliche Zeit zurück, die er durch den Kampfsport genießen konnte. Bereits im zarten Knabenalter räumte er auf Turnieren Preise ab und so ergab es sich von selbst, dass die Mädchen auf ihn standen. Zu gerne prahlte er mit den verschieden farbigen Gürteln, die er sich im Laufe der Jahre erkämpft hatte und nicht selten erschien er in der Schule mit dem Grünen, Blauen, später dann, in seiner Blütezeit als Judoka, mit dem Schwarzen Gürtel. Er spürte schon damals die Macht, die von ihm ausging, wenn er den Gürtel trug, und ärgerte sich in seinem jetzigen Leben, dass der Putin ihm das nachmachte, wenn er besonders auf den Putz hauen wollte. Dabei galt sein – Meerbolds – Imponiergehabe damals ausschließlich den Mädchen. Auf die war er scharf. Bei ihnen kam der Gürtel, auf nackter Haut vorgeführt, am besten an. Das Ritual behielt er bei und deshalb musste seine geliebte Stella den großen Meerbold auch mit dem Schwarzen Gürtel ertragen.
Wenn er Kimono und Gürtel angelegt hatte, setzte er sich genüsslich auf seine schwarze, italienische Designer-Ledercouch, die in der Mitte des großen Arbeitszimmers stand. In einem überdimensionalen Safe, der durch eine schwarz gelackte Bücherwand verdeckt war, lagerten seine Schätze. Darunter alles von Stella Henderson. Denn bei aller Skrupellosigkeit des Herrn Staatssekretärs wäre es ihm unangenehm gewesen, wenn Gattin Arianne, sein gesellschaftliches Aushängeschild aus erstklassigem teutschen Adelsstall, seine perverse Neigung zu dieser Rockschlampe – Ariannes Worte – entdeckt hätte. Arianne ließ nur eine einzige TV-Begegnung mit der Henderson über sich ergehen. Das war vor zwei Jahren, als ein Konzert der Rockdiva auf MTV übertragen wurde und ihr verehrter Gatte darauf bestand, sich das Ereignis gemeinsam mit ihr anzusehen. Danach war Arianne gar nicht amused, denn auf schöne Frauen war sie immer eifersüchtig. Wusste sie doch, mit was für einem Kerl sie verheiratet war. Meerbold hatte es verstanden, seine Abhängigkeit vom Kokain – und er war mit seiner Vorliebe für das weiße Pülverchen wahrlich nicht allein im deutschen Bundestag – vor Arianne zu vertuschen. Das besondere Vergnügen gönnte er sich auch zu Hause nur heimlich und immer dann, wenn er besonders scharf auf Stella war. Und er war täglich auf Stella scharf ... Dass er eine Schampus-Nase war, dass er öfter einen Schluck zu viel Dom Perignon in sich hineingoss, schrieb Frau Gräfin Staatssekretär dem Stress in der Bundesregierung zu, denn Meerbold war auch da in guter Gesellschaft. Außerdem: Sie nippte selbst nur zu gern an den edelsten Tropfen. Es war für sie völlig normal, dass Rudolf der Große öfter einen oder auch zwei Schluck über den Durst trank und dann sehr ordinär wurde, wenn er über sie herfiel.
Genau das mochte sie an ihm.
Meerbolds Mehrzweck-Fernbedienung war ein kleines technisches Meisterstück. Von der Couch aus konnte er die Tür zu seinem – akustisch versiegelten – Arbeitszimmer verschließen, die Bücherwand zur Seite fahren, die Rollos der Fenster schließen, den Safe öffnen, den Fernseher einschalten, den Hard-Disc-Recorder bedienen, das Bose-Soundsystem in Gang setzen.
Nur die angemessene Dosis Koks musste er sich selbst legen und den richtigen Song programmieren. Dann war Genießen angesagt. Geiles Genießen. Das Erleben eines der Clips von Stella Henderson war für ihn gerade in den Wochen vor der Tournee jedes Mal ein herrliches Vorspiel auf den großen Tag der ersten Begegnung mit dem Star. Dass es diese Begegnung geben würde, dessen war er sich stets sicher gewesen. Darauf konzentrierte er sich, seit er wusste, dass ihre World-Tour sie diesmal auch durch Deutschland führen würde. Meist sah er sich den sorgfältig ausgesuchten Clip zehn-, fünfzehnmal an. Nonstop. Vor, zurück. Vor, zurück. Slowmotion. Das dauerte, je nach Grad der Erregung, bis zu einer Stunde.
Slowmotion.
Er war ihr verfallen, mit Haut und Haar. Und besonders sein Schwanz. Im Laufe der Jahre hatte er es gelernt, während der Minuten seiner sich aufbauenden geistigen Ekstase, die ihn regelmäßig an den Rand des Wahnsinns brachte, ihn völlig ausflippen ließ, einen wundervollen Orgasmus zu bekommen, ohne auch nur eine einzige Sekunde Hand an sich legen zu müssen.
Das jahrelange Genießen und Warten auf den heutigen Abend ging ihm in Sekundenbruchteilen durch den Kopf, als er jetzt vor der Bühne stand und auf sie starrte. Das Konzert in der Frankfurter Festhalle war für ihn der Höhepunkt seiner krankhaften Zuneigung zu der Sängerin. Stellas sinnliche, zum Bersten erotische Ausstrahlung war für ihn einfach unvergleichlich stärker als jedes noch so heiß gedrehte Filmchen. Jetzt stand sie dreidimensional, live, lebendig und in ganzer Schönheit und Größe vor ihm, ihre Hits in genialer Qualität aus sich heraus schreiend. Jeder Zentimeter der Frau purer Sex. Zumindest empfand das Meerbold so. Dabei war Stella Henderson auf der Bühne eher unauffällig gekleidet: eine schlabberige Bluejeans 501, die durch einen breiten schwarzen Gürtel über ihrer wundervoll schmalen Taille allerdings sehr körperbetont festgehalten wurde. Die schwarze Bluse aus Waschseide dezent geschlossen. Nur die zwei obersten Knöpfe standen offen und ließen ihren lieblichen, mittelgroßen Busen erahnen, nicht sehen. Das war es schon fast. Denn Schuhe trug Stella bei ihren Konzerten nie, der Tradition Janis Joplins folgend. Stella trug Silberschmuck. Alte Indianerarbeit; zwei acht Zentimeter breite Armreifen mit blutroten Steinen und dazu passende – blutrote – Ohrringe in der Form eines für Meerbold eindeutigen Phallus-Symbols. Die Armreifen hatte sie im Laufe der Show abgestreift und mit vielsagendem Blick ihrem athletischen Keyboarder – mit wachsblondem, langem, wehenden Haar, der an Rick Wakeman aus den Siebzigern des letzten Jahrhunderts erinnerte – zugeworfen. Am makellosen Hals der Rockdiva lag eine breite, silberne Kette. Vier-, fünf Mal umschlang diese ihren zarten, langen, wunderschönen Hals, verschönerte das Dekolleté.
Stellas Körpersprache stand während des gesamten Konzertes total konträr zu ihrem ruhigen, eher langweilig zu nennenden, aber praktischen Bühnen-Outfit. Sagte man von Tina Turner, sie wäre einst in den frühen Siebzigern und sogar noch in den Neunzigern des vergangenen Jahrhunderts ein Vulkan auf der Bühne gewesen, der nur so vor Erotik strotzte und mit sichtbaren, sinnlichen Reizen nicht geizte, war die Turner gegen Stella Henderson wirklich nur noch eine überreife Frucht. Eine Frau – Hochachtung vor ihr! –, die lange Zeit mit großem Erfolg versucht hatte, die Blüte ihres Lebens festzuhalten.
Warum auch nicht! Das Leben ist brutal, Tina, ging es Meerbold durch den Kopf. Stella hat deinen Platz längst übernommen. Und richtig abfahren konnte ich auf dich nie, Tina, was deinen body angeht ... Wenn du verstehst, was ich meine ...
Meerbolds enge Jeans ließ es nicht zu, dass man von seiner Dauererektion zu viel mitbekam. Doch jede noch so sparsame Bewegung von Stella ließ ihn zusammenzucken. Die weiche, überaus harmonische Symphonie von rhythmischen Bewegungen ihres Körpers über zweieinhalb Stunden – das war einfach gigantisch! Jeder Zentimeter ihres leider für ihn mit viel zu viel Stoff umhüllten Körpers strahlte sensationelle, geballte, erotische Energie aus.
Stella war eins mit ihrer Band, regelrecht verschmolzen. Sie spielten und sangen wie aus einem Guss. Stella war eins mit ihren Hits, jeder einzelne aufreizend und stark. Voll Sinnlichkeit. Power und harte Rhythmen, die die Fans von einer Ekstase in die nächste trieben. Selten streute Stella neue und weniger bekannte Songs in ihr Programm. Sie konnte es sich leisten nur Hits zu spielen, so groß war ihr Repertoire inzwischen. Für fast jeden Titel holte sie sich einen ihrer Musiker mit nach vorne auf die Bühnenmitte. Sie wurden von dutzenden computergesteuerten Laser-Spots eingefangen und agierten nicht selten in einer derart intensiven, eindeutigen Körpersprache, dass Meerbold sich fragte, ob die Musiker bei dem explosiven Schauspiel darunter leiden würden von Stella ständig so angemacht zu werden, oder die Situation einfach nur genossen. Vielleicht hatten ihre Musiker ihm, Meerbold, ja auch schon einen Genuss voraus, von dem er seit langer Zeit träumte.
You never know!
Jetzt steht sie an der Bühnenkante, immer noch überwältigt vom anhaltenden Toben der Fünfzehntausend. Stella Henderson genießt ihren Triumph und durch die Bluse zeichnen sich die steil aufgerichteten Knospen ihres wundervollen Busens ab. Intensiver Beifall ist Erotik pur für Stella und einer der Gründe, wenn nicht der wichtigste, Rocksängerin zu sein und nicht Managerin einer Kosmetikfirma, Rechtsanwältin, Kongressabgeordnete oder Hausfrau. Sie zieht das Mikrofon noch einmal in eindeutiger Bewegung zu sich heran. Die Geste kannte man über Jahrzehnte hinweg schon von T.T. Nur dass sie bei Stella weniger vulgär, vielmehr natürlich-erotisch aussieht:
»Thank’s, thank’s a lot! Thank you Germany, thank you Frankfurt, thank you very much, my friends!«
Die Masse jubelt ihr noch ein letztes Mal frenetisch zu. Eine Verbeugung. Jetzt kommt sie direkt auf Meerbold zu. Geht in die Knie um ein paar der Hände zu berühren, die sich ihr gierig entgegenstrecken, die Beine weit gegrätscht.
Ihre Jeans wird eng, sehr eng und Meerbold starrt gebannt nur auf eine einzige Stelle.
III
WIR LEBEN IN PARALLELWELTEN.
ZEIT GIBT ES NICHT.
SIE IST EIN MECHANISCHES HILFSMITTEL,
UM NICHT DEN ÜBERBLICK ÜBER DAS LEBEN ZU VERLIEREN.
DOCH WIR KÖNNEN DEN RAUM KRÜMMEN,
VORWÄRTS UND RÜCKWÄRTS,
AUFWÄRTS UND ABWÄRTS
SEITWÄRTS UND SEITWÄRTS SCHAUEN
NUR MÜSSEN WIR ES ERST NOCH LERNEN. UND DANN VERSTEHEN ...
Danis
Frankfurt a.M.,
in der Nacht nach dem Konzert.
Franco Mignello saß schon weit über eine Stunde am Telefon. Telefonierte in seiner einmaligen Art mit Gott und der Welt. Das heißt, weniger mit Gott als mit der Welt. Und es waren, genau genommen, nur drei Personen, mit denen er parallel korrespondierte. Sie standen ihm menschlich nahe, auch wenn sie sich weit voneinander entfernt in verschiedenen Zeitzonen aufhielten.
In seiner Suite im Steigenberger Hof, die direkt neben der Suite von Stella Henderson lag, lief der Fernseher auf voller Lautstärke. Natürlich MTV, denn im Leben des Dr. rer. nat. Dr. jur. Franco Mignello gab es nur zwei echte Prioritäten:
Musik ... und Stella.
Und für den Augenblick das Telefon. Sein wichtigstes Kommunikationsmittel, durch das ihm gerade Informationen übermittelt wurden, auf die er schon mehrere Tage gewartet hatte und die er in Sekundenschnelle koordinieren musste. Zwei weitere Handys lagen neben dem Fernseher; Choe Chur in Tokio musste die neue Ballade der längst zahm gewordenen, aber noch immer Millionen Fans bedienenden Mutter Madonna ebenso über sich ergehen lassen wie James Waltham in Toronto. Für beide ein absolut widerwärtiger, ihrem Geschmack diametral entgegengesetzter ´Genuss´. Ein Affront. Die Herren respektierten das Übel. Denn Dr. Franco Mignello hatte darauf bestanden, dass sie in der Konferenzschaltung gefälligst »am Rohr« blieben, wie sich der Youngster auszudrücken beliebte.
»Kannst du mir wirklich bestätigen«, brüllte Franco dem dritten Partner, Zamko Wendrowu, den er in Bukarest aus dem Bett gerissen hatte, in den Hörer, denn die Qualität der Verbindung nach Rumänien war zumindest heute über die Hotelleitung mehr als dürftig, »dass Stella davon gewusst haben kann? Ist jeder Irrtum ausgeschlossen?«
»Natürlich, Franco. Der Botschafter hat mir bestätigt, dass sie in Dallas mit S. zusammen war, die ganze Nacht. Die haben einen Mitschnitt des Gesprächs. Du willst gar nicht wissen, was da ablief. Die ganzen Sauereien wurden anschließend wieder rausgeschnitten. Vergessen wir das, oh Pardon. Ich weiß, wie du zu ihr stehst, aber ... nun gut: Das Ergebnis war eindeutig. Der Para-Konzern erhält über Joe Wood seine Informationen. Es geht verdammt verschlungene Wege und wie die Araber da mit drinhängen, kann ich noch nicht mit Bestimmtheit sagen. Nur so viel: Bagdad scheint involviert zu sein. Wir wissen in diesem Augenblick noch nicht genau, um welche Thematik es geht, denn mit Rauschgift, wie wir anfangs vermuteten, hat die ganze Sache absolut gar nichts zu tun. Eher mit Elektronik. Denn du weißt, womit sich der Para- Konzern beschäftigt. Elektronik, Militärtechnik, Prozessorentechnologie. Die Rolle von S. gilt es noch zu analysieren. In Zusammenhang mit Wood und dem Para Konzern. Auch das weißt du, mein guter Freund.«
»Mr. Waltham, haben Sie gehört? Ach nein, entschuldigen Sie bitte. Sie haben mit großer Freude, glaube ich, Madonna in ihre Lauscher eindringen lassen müssen. Tut mir leid.«
Waltham antwortete mit einem tiefen Atemzug.
»Also«, fuhr Franco fort, zwischenzeitlich den Hörer von seinem Gesprächspartner in Bukarest auflegend, ohne mit Wendrowu noch ein Wort gewechselt zu haben. »Wood scheint unser Mann zu sein. Er und Sunrise kennen sich. Das ist nach den soeben erhaltenen Informationen eindeutig. Bitte lassen Sie ihn auf meine Kosten rund um die Uhr von Ihren besten Leuten überwachen. Ich muss wissen, ob er auch mit den Russen in Verhandlungen steht, nicht nur mit den Bossen des Para- Konzerns in Rio. Wir müssen schnellstens erfahren, worum es überhaupt geht, denn noch tappe ich im Dunkeln. Ebenfalls scheint Bagdad involviert zu sein. Was das soll, kann ich gar nicht einordnen. Es ist zwar ganz schön zu wissen, wer die Mitspieler in dem Abenteuergame sind, aber noch besser wäre es zu erfahren, womit die sich eigentlich beschäftigen. Uns fehlt noch immer der richtige Ansatz ...«
»Okay, Doc. Ich halte Sie auf dem Laufenden.«
»Ich danke Ihnen, Doktor Waltham. Und denken Sie bitte daran, dass meine Liebe stets Priorität hat!«
»Wie könnte ich das vergessen!«
Dr. James Waltham, ein begehrter international agierender Wirtschaftsanwalt in Toronto, war von seinem Madonna-Alptraum erlöst. Mit ihm arbeitete Mignello seit geraumer Zeit zusammen. Da es sich bei dem Para-Konzern mit seinen Headquarters in Rio de Janeiro um einen der größten Konzerne für Militärtechnik handelte, von dem man nicht wusste, wer die Eigentümer sind, da alles unglaublich geschickt verschachtelt aufgebaut war, hatte Franco sich mit der Bitte um Hilfe an Dr. Waltham gewandt.
Der Tag des kanadischen Vivaldi-Fans endete durch die soeben erhaltene Nachricht seines Klienten gut. Sie würde ihn in seinen Recherchen ein ordentliches Stück voranbringen. Jetzt mussten nur noch seine Mitarbeiter gute Arbeit leisten. Waltham war froh, dass sie sich allesamt doch nicht getäuscht hatten, dass es eine konkrete Verbindung zu Wood gab. Und zu Sunrise.
»Können Sie mir sagen, warum Sie die schreckliche Musik so laut in meinen Hörer donnern lassen müssen?!«, meldete sich zum dritten Mal vergeblich Choe Chur mit rauer, bellender Stimme. Der Japaner hörte am liebsten Mahler und Bruckner auf seiner 100.000-Dollar-Hifi-Anlage und war genervt. Franco hatte das Handy auf dem Fernseher abgelegt. Aus dem dröhnte in entsetzlich verzerrtem Sound Aerosmith, die nach wie vor erfolgreichen US-Uralt-Rocker, die längst ihre hauseigenen Face-Lifter und Haarfärbe-Spezialisten beschäftigten, um für die Kids noch einigermaßen cool auszusehen. Älter werden ist halt für manch ein gestandenes Mannsbild, wie Steven Tyler zum Beispiel, nicht ganz einfach ...
In Wahrheit hatte Mignello jr. den Japaner nicht vergessen. Doch er interessierte sich für den neuen Song von Aerosmith, den er zum ersten Mal hörte. Was sich darin äußerte, dass er mit der Fernbedienung dem Fernseher das Letzte an Lautstärke abverlangte. Außerdem kombinierte er bei Rockmusik am allerbesten. Auch wenn ihm der Schlagzeuger von Aerosmith noch nie richtig gefallen hatte und er der Meinung war, dass der doch recht simpel spielte und schleppte, was den groove einer Nummer anging. Franco freute sich jedoch darüber, dass die Band, trotz dessen Mittelmäßigkeit, seit nunmehr über vierzig Jahren an ihm festhielt. So wie die Stones an olle Charlie. Treue hat was für sich. Und der Song kam trotzdem gut. Hat halt ne geile Stimme, der Tyler, sinnierte Franco Mignello. Noch konnte er das kompliziert erscheinende Puzzle trotz neuer Informationen nicht zusammensetzen. Nach einigem Zögern griff er zum letzten Telefon und sagte nur knapp: »Ich melde mich morgen früh wieder bei Ihnen. Vielen Dank für Ihr Verständnis, Choe Chur!« und trennte die Verbindung, ohne dass der Japaner die Möglichkeit hatte, zu antworten. Er ließ den Armen mit den Eindrücken des für ihn grässlich klingenden Rocksongs zurück. Für Mr. Chur ein geradezu erschütterndes Erlebnis, wo doch sein Tag so gut begonnen hatte. Mit der Achten, C-Moll, von Bruckner, die neu eingespielte Aufnahme der Wiener Philharmoniker unter Kent Nagano, den er als Japaner natürlich verehrte.
Melancholie machte sich in Francos Gesicht breit, als er endlich zum Nachdenken kam und den Tag Revue passieren ließ. Wegen der eben geführten Gespräche hatte er das Konzert in der Frankfurter Festhalle vorzeitig verlassen müssen. Die Ereignisse ließen ihm keine andere Wahl. Wann hört dieser Wahnsinn nur auf?, fragte sich der sensible Italiener, der seinen ganzen Schmerz mit Arbeit zu ersticken versuchte. Es blieb ein kläglicher Versuch, dessen war er sich bewusst. Auch, dass er nun schon seit fast zwei Jahren beständig vor sich selbst wegrannte. Das war schwach und Franco wusste das nur zu gut. Ebenfalls ein Wegrennen vor sich selbst war sein Job als Manager in Vaters Konzern. Aber wer kann schon über seinen Schatten springen? Noch dazu, wenn der Schatten immer länger wurde? Franco Mignello war verzweifelt ob der für ihn ausweglos erscheinenden Situation. Jeden Tag musste er mit ansehen, wie sich Stella in neue Männergeschichten verstrickte. Wie sehr litt er unter der unerträglichen, ihn mehr und mehr belastenden Situation. Dazu ihre sträflich dilettantische, unvorsichtige Umgangsweise mit dem Verbrechen! Sie erkannte menschliches Fehlverhalten sofort. Gut so. Doch dann ging sie, ohne nachzudenken, wie ein Stier, direkt auf das Übel los. Wenn er mit seiner Power und der Hilfe von Freunden nicht ständig versuchen würde, sie aus der Schusslinie zu nehmen – im wahrsten Sinne des Wortes – wäre sie sicher längst tot.
Und von all dem, was er für sie tat, wie er sie beschützte, ahnte Stella nicht einmal das Geringste ...
Wie kompliziert ist doch die Welt, seufzte Franco in sich hinein.
Anonymous 1
„Was meinst du, hier 666, Nr. elfeinundzwanzig: Haben wir das Ding im Griff oder nicht?“
„Auf jeden Fall, 666, Nr. achtzehnviervier ist das Experiment gelungen, wuerde ich sagen. Wir koennen stolz sein. Etwas Besseres konnte uns gar nicht passieren. Das Ding passt einfach fuer unser Experiment. Genial. Physisch sehr gesund. Stark, athletisch. Das kann ´was aushalten. Mach dir deswegen keine Gedanken.“
„Wenn du meinst. Ich haette gedacht, wir sollten noch am XP-Teil etwas nachbessern. Bekommen wir das von aussen hin, was denkst du?“
„Glaube ich nicht. Dazu muessten wir es noch mal in die Finger bekommen und versuchen, es an den Korrektor zu haengen. Das wird schwer werden. Das Programm ist gut. Sehr gut. Besser als alles andere, was die Kollegen in den USA in den naechsten Jahren entwickeln werden. Darauf kannst du dich verlassen. Ich bin mir da absolut sicher. Es wird uns das liefern, was wir wollen. Das dauert gar nicht lange!“
„Ich weiss, was wir gemacht haben, ist eine wissenschaftliche Sensation. Das kann man, ganz nuechtern betrachtet, wohl so sagen. Letztlich bleibt die Frage der korrekten, kompletten Kontrolle. Die liegt bei uns und wir muessen trotz aller Euphorie sehr darauf achten, dass sie uns nicht entgleitet. Ich moechte auch vorschlagen, dass wir die Software noch einmal bearbeiten und speziell im XP-Sektor angleichen, wo Fehler auftauchen koennten.“
„Einverstanden. Eine zusaetzliche interne Firewall kann nicht schaden, um uns Abweichungen sofort anzuzeigen und dort Schäden zu vermeiden.“
≠≠≠
IV
JEDES MAKROKOSMISCHE WALTUNGSAMT HAT SEINE
MIKROKOSMISCHE ENTSPRECHUNG IN JEDEM MOLEKÜL,
JEDEM KRISTALL, JEDER PFLANZE, JEDEM TIER
UND JEDEM MENSCH;
ES MÜSSEN DAHER AUCH FÜR DIE
MIKROKOSMISCHE ENTSPRECHUNG
DIESELBEN FÜNF KÖNIGSGEWALTEN MASSGEBEND SEIN,
DIE IN DER MAKROKOSMISCHEN ANORDNUNG
ZU DEM BETREFFENDEN WALTUNGSAMT
IM GEGENSEITIGKEITSVERHÄLTNIS STEHEN.
>Brisinga-Halsband-Mythe<, Dr. Ing. Emil Rüdiger, Dipl. Ing André Uebele
Frankfurt a.M., nach dem Konzert.
Eine ahnungslose Stella ...
Stella Henderson wusste nichts, rein gar nichts von ihrem weltweit intensivsten und auf jeden Fall am besten über ihren Alltag informierten Fan. Franco war sich nicht einmal sicher, ob sie ihn jemals bewusst wahrgenommen hatte. Seit nunmehr vierhundertelf Tagen reiste er Stella schon hinterher. Egal was Stella machte, ob sie in TV-Shows auftrat, ihren Urlaub auf den Malediven genoss, im Criteria Recording Studio in Miami stand, um einen neuen Song aufzunehmen, oder, wie augenblicklich, seit zweihundertzweiundfünfzig Tagen ununterbrochen auf weltweiter Tournee war.
Franco, ihr stiller, heimlicher und unaufdringlicher Begleiter, befand sich meist in ihrer unmittelbaren Nähe. Der Italiener war Stalker und Antistalker in einer Person.
Ein Schatten der Liebe. Ein Schatten, der liebte.
Da Franco finanziell unabhängig war, fehlten ihm nur ganze siebenundvierzig Tage von den vierhundertelf, die Stella auf Tournee war, an denen er nicht rund um die Uhr in ihrer Nähe sein konnte. An dreihundertvierundsechzig Tagen, einem ganzen Jahr, war er seiner platonischen Liebe so wahnsinnig nah, dass sie ihn hätte spüren müssen, wenn sie über ein feinnerviges Seelenleben verfügte, was Franco zwar sehnlichst hoffte, letztlich jedoch nicht wusste und das auch noch nicht einschätzen konnte. Er fragte sich, ob sie, die Seelenverwandte, die sie sein könnte – das war seine stille Hoffnung – ebenso wie er Rupert Sheldrakes >Seven Experiments That Could Change The World< gelesen hatte. Dann wüsste sie von der Ausdehnung des Geistes, die weit über den eigenen Körper hinausgeht. Von der realen Möglichkeit zu wissen, dass eine Person genau in dieser Sekunde an einen bestimmten Menschen denkt und der Mensch das unmissverständlich fühlt, der das einfach weiß und sich dessen zu einhundert Prozent sicher ist.
Wie stark war der Einfluss von Gleichem auf Gleiches über Raum und Zeit?