Drogenparty - Dankmar H. Isleib - E-Book
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Drogenparty E-Book

Dankmar H. Isleib

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Beschreibung

Ein neuer Fall für den 'Doktor', Daniel Richter: Fee Herzog, die Tochter des Münchner Immobilien-Königs, ist tot – ein mysteriöser Mord auf einer Party. Ihre beste Freundin Ella, Tochter eines angesagten Schönheitschirurgen, verweist Adi Herzog, den Vater der Ermordeten, an Richter. Schnell stellt sich heraus, dass der Fall viel komplexer ist, als anfangs angenommen. Der 'Doktor' stößt auf ein riesiges Netzwerk von Dealern, die von einer Drogenküche in München beliefert werden. Deren Kopf ist ein Mafia-Boss aus Istanbul; und wieder ist die 'feine' Gesellschaft Münchens involviert. Daniel Richter hat nicht viel Zeit, um weitere Morde zu verhindern, und kommt auf eine geniale Idee … Der 'Doktor' Daniel Richter ist Experte auf dem Gebiet der organisierten Kriminalität – bis er beim LKA Bayern gefeuert wird. Nun ermittelt der Ex-Cop mit dem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn halt auf eigene Faust ... DROGENPAR†Y ist nach FEINGEIS† der zweite Band aus der Reihe "münchenMAFIAmord" um den abgebrühten Privatermittler Daniel Richter.

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Seitenzahl: 270

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DANKMAR H. ISLEIB

DROGENPARTY

THRILLER

münchenMAFIAmord

2

Hinweis

Diese Story ist in fast allen Komponenten komplett freierfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen wären reinzufällig und sind nicht gewollt. Die Namen der Straßen undHandlungsorte in München sind korrekt.Aber daraus sollte nicht geschlussfolgert werden, dass in demHaus „X“ die Person „Y“ lebt oder der Mord „Z“ im Lokal„XYZ“ geschehen ist.DROGENPARTY ist ein Thriller und nicht mehr …Das Buch erhebt keinesfalls den Anspruch, ein Spiegelbild derArbeit der Kriminalpolizei zu sein.

Übrigens:

Der Protagonist Daniel Richter ist ein Musikfreak. Wen die kurzen Songtexte stören, der sollte sie einfach überlesen. Sie passen zur Story, aber … Also: bitte nicht darüber ärgern.

Inhalt

PROLOG

Kapitel I

Kapitel II

Kapitel III

Kapitel IV

Kapitel V

Kapitel VI

Kapitel VII

Kapitel VIII

Kapitel IX

Kapitel X

Kapitel XI

Kapitel XII

Kapitel XIII

Kapitel XIV

Kapitel XV

Kapitel XVI

Kapitel XVII

Kapitel XVIII

Kapitel XIX

Kapitel XX

Kapitel XXI

Kapitel XXII

Kapitel XXIII

Kapitel XXIV

EPILOG

PROLOG

WER FEINGEIST gelesen hat, weiß ja schon in etwa, wie ich ticke. Daniel Richter, der ‚Doktor‘, seit fast einem Jahr nur noch Privatdetektiv, nicht mehr der aufgehende Star beim LKA.

Dennoch: Ich liebe München nach wie vor. Job und privat – das sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Auch wenn der Karriereknick mich kurzzeitig angefressen hatte. Gar keine Frage. Dadurch bin ich in der letzten Zeit vielleicht auch unangenehmer und härter rübergekommen, als ich eigentlich bin. Aber in meinem Job ist es schwer, die innere Balance zu halten. Wenn man sieht, was ich gesehen habe, was ich erleben musste, was für fiese Charaktere es auf der abgründigen Seite unserer Mitbewohner auf diesem Planeten gibt, dann kann einem schon mal die Galle überlaufen und man rastet selbst aus. Oft sind es nur Kleinigkeiten, die das Fass zum Überlaufen bringen.

Ich gelobe Besserung.

Davon abgesehen: Einige Dinge in München gehen mir gehörig auf den Keks.

Kommt mein Vermieter letzte Woche ganz scheinheilig auf mich zu und sagt allen Ernstes: „Herr Richter, ich habe die Miete bei Ihnen jetzt schon drei Jahre nicht erhöht. Der Herr Werner, dem das Haus nebenan gehört – und das ist nicht so schön wie meines –, nimmt für die gleiche Wohnung wie die Ihre 425 Euro mehr! 425! Wir sollten in den nächsten Tagen auch mal sprechen, aber jetzt gehe ich erst mal einen Kaffee trinken. Nichts für ungut, Herr Richter!“

Mir war der Tag versaut.

Apropos Kaffeetrinken.

Die alte Frau Berger, die unter mir wohnt, erzählte mir, dass sie früher beim ›Dallmayr‹ immer ihr Damenkränzchen abgehalten hat. Da kostete das Kännchen Kaffee 1,60 in DM, sagte sie. Ich fragte sie, „was war denn ‚Demark‘?!“

Ja, ich weiß, die ‚Demark‘ gab es noch zu meiner Studienzeit. Das Kännchen also 0,82 Cent!

Und heute?

Ich war gestern in der Blue Spa Lounge im Bayerischen Hof. Die Tasse Kaffee 11 Euro. Also 21,51 DM nach altem Geld.

Mehr als das Dreizehnfache. Ist der Kaffee jetzt nun im Laufe der Jahre das 13-fache mehr wert oder ist unser Geld nichts mehr wert?

Ich will ja nicht meckern, aber solche ‚Kleinigkeiten‘ fallen mir schon auf. Warum steigt der Wert der alten Häuser so rasant wie bei auserlesenen Antiquitäten? Nichts als Wucher.

Das Geschäft mit der Not der Menschen.

In unserer Gegend ist es nun mal angeraten in Steinhöhlen zu leben, oder?! Ist doch pervers: In Bayern gibt es sogar noch eine Verordnung, die besagt, dass der Vermieter keine Heizung stellen muss. Soll der doch mal bei 12 Grad minus darin wohnen!

Und die Wohnungen in München werden immer teurer.

Jedes Hemd, was du gerade gekauft hast und morgen wieder im Secondhand-Laden loswerden willst, weil dir die Farbe nicht gefällt, bringt nur noch 20% von dem, was du hinlegen musstest …

Wir leben in einer verdrehten Welt.

Das hat alles nichts mit meinen Fällen zu tun, die ich bearbeite, aber doch etwas mit meinem Credo, das auch für mein Leben gilt, den Alltag.

München ist manchmal echt anstrengend.

Angeblich ist die Stadt Nummer Eins in Deutschland. Jobs, Attraktivität, Einkommen, Sauberkeit, Zukunftsaussichten, Museen, Gaststätten, Grundstücks- und Immobilienpreise.

Auf jeden Fall sind wir Nummer Eins im Abzocken.

Und bei Baustellen mindestens auch.

Aktuell über 70 im Innenstadtbereich. Wo man hinschaut, wird gebuddelt und gemacht, von der neuen U-Bahn bis hin zu Straßenerweiterungen, vom Hauptbahnhof ganz zu schweigen.

München lobt sich selbst als sicherste Großstadt in Deutschland. 128.141 Straftaten im Jahr 2016 bei einer Aufklärungsrate von 71,7 Prozent heißt, dass 36.264 Fälle unaufgeklärt blieben.

Das sind genau 36.264 zu viel!

Die 1.298 Kolleginnen und Kollegen bei der Münchener Kriminalpolizei machen einen guten Job, sind aber ziemlich überlastet. Gewaltdelikte sind zwar um 1,7 Prozent auf 4.123 gesunken, aber in einer bestimmten Bevölkerungsgruppe um 21,7 Prozent innerhalb eines Jahres gestiegen. Im Amtsdeutsch heißt das, „… es ist ein eklatanter Anstieg von Straftaten nach dem Aufenthaltsgesetz zu verzeichnen …“.

Es gab 58 Tötungsdelikte.

Rauschgiftdelikte nahmen um sieben Prozent zu. Dazu kamen 2016 62 Drogentote. Wie viele davon durch ‚Fremdeinwirkung‘?

Es wird leider noch immer fröhlich gemordet. Mehr als man es glaubt!

Deshalb mache ich weiter und mein Credo bleibt unverändert:

DIE GERECHTIGKEIT IST UNSTERBLICH.(Buch der Weisheit 1,15 – um 50 v. Christus)

I

„DANIEL Richter: Du bist ein Mega-V.I.P. Willkommen heute Abend 21 Uhr zum Mega-Event im MEGA. Eine Überraschungsparty des Tierschutzvereins Starnberg. Lass dich überraschen. Gäste willkommen.“

Die dämlich verfasste SMS erreichte mich kurz nach dem Aufstehen. Also um 12:28, um genau zu sein.

Wir, Anna und ich, hatten einen harten Tag hinter uns. Gestritten, versöhnt, erneut gezofft, wieder versöhnt und dann die halbe Nacht schweißtreibend, laut und wild rumgemacht, bis wir nicht mehr konnten.

Liebe ist was Anstrengendes.

Und schön!

Was wären wir ohne Liebe?

Nur gut, dass den Lärm keiner mitbekam. Das Gästehaus, das wir nun schon seit mehr als drei Jahren mit Unterbrechungen bewohnen, liegt halt prima. Niemand hört uns, keiner stört uns. Wir hätten längst ins Haupthaus der Fischers umziehen können, aber der Schock über die Ermordung ihres Vaters saß Anna noch zu tief in den Knochen. Es war ja erst zehn Wochen her. Also zofften wir uns im Gäste-/Gartenhaus. Ich war noch ganz schön fertig, so hatte mich Anna rangenommen und meine Stimme war rau wie 45er Schmirgelpapier. Woher hat sie nur diese Kondition beim Streiten wie beim Lieben!

Alles ging gut aus.

Die Versöhnung war herrlich.

Meine Anna. Ein Prachtstück …

»Fischer. Mach dich fertig. Wir sind zu ‘ner Party eingeladen!«, rief ich ins Haus, da ich nicht wusste, wo Anna sich gerade aufhielt.

»Was für eine Party?«

Schön, ihre Stimme zu hören. Die war genauso kaputt wie meine. Klang nach Zigarren, Suff und Oktoberfest. Wir hatten es aber auch krachen lassen. Es geht doch nichts über eine gute Nummer, oder?!

Anna wurstelte in der Küche rum. Wollte uns wohl ein spätes Frühstück machen, damit wir wieder zu Kräften kommen. Ein paar Eier, gebraten mit Schnittlauch oder Petersilie – das wäre jetzt nicht schlecht.

»Das MEGA lädt ein und so ein Tierschutzverein. Also müssen wir Fanny mitnehmen, Geburtstag nachfeiern, was meinst du?«

»Au ja. Das klingt gut. Wann geht das los?«

»Irgendwie um neun.«

»Und da soll ich mich jetzt schon fertigmachen? Lass uns doch lieber noch ‘ne Runde drehen oder kannst du nicht mehr?«

Unersättlich die Fischer!

»Vergiss es. Ich muss vorher mit Fanny noch zum Friseur.«

Meine Art, Anna zu verarschen. Als ob der riesige Köter geföhnt werden wollte. Aber wenn der Tierschutzverein Starnberg schon zum Schaulaufen ruft, dann sollte ein Kampfhund wie Fanny auch in Hochform sein.

Die Konkurrenz schläft nicht.

Wir sahen das illustre Völkchen vor dem MEGA schon von weitem. Bevor ich meinen F-Type SVR und seine 575 PS gebändigt und den Boliden in der Garage des Hotels Vier Jahreszeiten für unglaubliche 28 Euro für den Rest des Abends einparken würde, ließ ich Anna schon mal geräuschvoll direkt vor dem Club aussteigen. Sie hatte wohl eine Freundin in dem Pulk entdeckt und war selbst schon in voller Partylaune.

Was ein guter Streit bewirkt.

Meine Anna …

Ich weiß, ich komme aus dem Schwärmen nicht raus. Aber sie ist auch eine Prachtbraut, alles was Recht ist.

Als ich zu der Meute stieß, kam ich mir vor wie eine Blindschleiche im Tigerkäfig. Die waren vielleicht gut drauf!

Ich versuchte, meine Stimmung in den Griff zu bekommen, und wie ich so um mich schaute: Niemand außer mir hatte ein Tier dabei.

Blöd.

Ich dachte, es lädt der Tierschutz ein.

Wo waren die Hunde und Katzen, die Affen und Schafe, die Kaninchen und Löwen?! Da hatte ich wohl die Arschkarte gezogen. Nur Partylöwen und sanfte Miezekätzchen auf Mäuserichfang.

Mindestens fünfzig übermäßig aufgezäumte In-People lachten sich gleich mal über mich scheckig. Hatte ich den Eindruck. Meine Klamotten passten nicht, das sah ich den Damen der Gesellschaft an – und dann noch Fanny! Am liebsten wäre ich sofort umgekehrt. Aber als harter Knochen, als der ich in der Branche verschrien war, gab es kein Entweichen vor Münchens It-Girls und It-Boys. Anwälte, Werbefuzzis, die üblichen Möchtegern-Models, Schnippelärzte, die ich aus Annas Erzählungen kannte und noch mehr Mädels, die hofften, einen Typen abzubekommen, der ihnen die Angst vor einer geregelten Arbeit abnimmt. Denn mit Arbeit kann man sich ja den ganzen Tag versauen.

Klunker ohne Ende, dass man sofort Klunkerzoll würde verlangen können. Echt/unecht. Klunker und Anwesende …?

Die ganze Gesellschaft. Irgendwie nicht mein Revier.

Und alle waren so gut drauf, dass ich glaubte, die würden jetzt schon fliegen können.

Fanny schaute mich entsetzt an. So, als ob er sagen wollte: „Was machen wir denn hier? Alter, das ist nichts für uns!“ Und schon schleckte er Anna die Füße ab.

Liebe ist halt vielseitig.

Was für ein Aufwand!

Es öffnete sich die Tür zum Edelschuppen. Livrierte Kleiderschränke mit Knöpfchen im Ohr, wie bei der Inauguration von Trump. Typen, die megamäßig versuchten, einen geregelten Einlass zu der Mega-Party des Mega-Tierschutzvereins megacool im MEGA hinzukriegen. Die nahmen sich verdammt wichtig. Dabei ging es nur um eine lächerliche Party.

Saufen, abtanzen, anmachen.

Der rote Teppich blieb rot und trocken, denn wir hatten Sommer und unverschämtes Glück mit dem Wetter. Zum Kotzen war es noch zu früh – alles megapaletti.

Der Tierschutzverein, den ich wirklich nicht kannte, hatte Glück: Sonne bis in den späten Abend bei 27 Grad. Die In&It-People dachten vermutlich, es gehe zur Oscarverleihung.

Ehrlich.

Ein Tamtam war das, mitten in der Woche! Die hatten sich auch alle aufgezäumt! Klar, dass Anna locker mithalten konnte. Sie weiß immer, was für welchen Anlass richtig ist und sah rattenscharf aus.

Doch: Wo blieben die Tiere? Hatte ich etwa etwas missverstanden? Tierschutzverein und so?

Solo für Fanny.

Wohin mit Fanny?

Anna hatte ihre Freundin, die ich vorher noch nie zu Gesicht bekommen hatte, untergehakt.

Ella Wolkenheim.

Ein echt heißes Geschoss mit Augen, die nicht zu ihr passen wollten. Arrogant und megacool. Eine von der Sorte ‚ich-weiß-wer-ich-bin-du-mich-auch‘. Die Tochter eines Schönheitschirurgen. Des angesagtesten in München und Umgebung, erklärte mir Anna voller Ehrfurcht. Mir unerklärlich, wie man einen Faltenschnippler so vergöttern kann.

Aber: Das ist München. Von Typen wie dem lebe auch ich. Professor Doktor Peter Wolkenheim. Selbst mir sagte der Name was, da der Herr Professor Botoxlippe-Nasenbär – das soll seine Spezialität sein, Nasen – ständig durch die Klatschzeitungen ging.

Der Elektriker von nebenan gibt mir keine Aufträge. Es gibt in unserer schönen Stadt unzählige Privatermittler, von denen sich einige sogar Detektive nennen:

„Unsere Detektei ist Ihr zuverlässiger Partner, wenn Sie Detektive für Privat- sowie Wirtschaftsermittlungen aller Art suchen. Vertrauen Sie auf unsere Kompetenz, langjährige Erfahrung und Diskretion, wenn sie einen Detektiv in Anspruch nehmen möchten. Die Qualität unserer Arbeit und unser Engagement werden regelmäßig DEKRA zertifiziert. Erstberatung kostenlos.“

Was für ein Scheiß!

Die echten Aufträge bekommen Leute wie ich. Die Jobs sind zwar seltener, aber wenn, dann braucht man wirklich Leute mit einer guten Ausbildung, echtem Können. Der Job hat was mit Arbeit zu tun, wie ich sie über Jahre beim bayerischen LKA erfolgreich gemacht hatte. Dass sie mich gefeuert hatten, das war ein Politikum gewesen …

Okay. Ella Wolkenheim. Interessante Person. Trotz ihrer zur Schau gestellten Arroganz.

Der Lärm, der aus dem MEGA drang, war jetzt schon unerträglich. Fanny war entsetzt und blieb gleich an der Garderobe hängen. Keine Chance, ihn auch nur einen Millimeter in den Laden zu zerren. Ich musste also einen der hochnäsigen Kleiderständer fragen:

»War wohl ‘ne Fehleinschätzung. Tierschutzverein. Wo kann ich den mal für ein paar Minuten abstellen?«, fragte ich den Tätowierten im schwarzen Anzug, der mir am nächsten stand, und zeigte auf das Tosa-Inu-Monster.

Der Muskelprotz grinste mich herablassend an:

»Lass ihn hier in der Garderobe. Der kackt doch nicht alles voll, oder?!«

Fuzzi, Ohrknopfträger mit direkter Verbindung zum Boss, Angeber blöder.

Meine Superwaffe, Fanny: Er war schließlich so groß und bissig wie Max, der Typ, der keine Waffe braucht und ein echter Kumpel von mir ist …

»Nee – wo denkst du hin!«

»Okay. Dann mach ihn da fest. Ich bin den ganzen Abend hier vorne.«

Fanny schaute ihn mit herabgezogenen Lefzen an. So einer passte ihm nicht, aber er akzeptierte. Fanny wollte mir nicht den Abend verderben.

Mein Gott, was für ein Lärm. Musik soll das sein? DJ DongDong – oder so ähnlich – aus New York. Extra eingeflogen. Einfach nur mega! DJ, das ist heute was Besonderes. Die Jungs verdienen ihr Geld leichter als ich. Was der wohl heute Nacht einstreicht? Zwanzig Mille oder fünfzig? Wie bezahlt das ein Tierschutzverein aus Starnberg? Ich muss die googeln.

Die Drinks waren schlapp. Das Fingerfood ebenso. Lauwarm wie die Luft der Klimaanlage. Reden – unmöglich. Aber mit wem sollte ich mich schon unterhalten … Abtanzen war angesagt. Dazu war ich zu faul, ehrlich. Nach der Mammutvorstellung der letzten Nacht. Echt, ich war ein Platzhirsch. Zumindest für Anna. So fühlte ich mich. Wenngleich ich im Moment ziemlich abgefuckt aussah, oder?

„Shed A Light“ von Robin Schulz & David Guetta hämmerte sich in meine Ohren ein. Anna war selig und sie tanzte mit ihrer Freundin, der Ella, die einen guten Style draufhatte, von der ich aber noch nie was gehört hatte. Komisch. Anna erzählt mir doch sonst alles …

So verging die Zeit für die anderen.

Für mich stand sie still.

Der angeblich so berühmte DJ Dingdong, oder DongDong aus NYC wollte uns gerade anteasern, den absoluten Top-Song der Woche „Picco“ von „Unstoppable“ mit ihm abzufeiern, da ertönte aus einer Ecke ein gnadenlos aufdringlicher Schrei. Der Schrei einer Sirene klang dagegen wie ein abgestandener Pups im Weltall.

DJ Dindingeling unterbrach seine Werbehymne. Alle schauten in Richtung Treppe, von der aus es zu den Toiletten im Untergeschoss ging und erstarrten.

Ich erwachte aus meiner mir selbstverordneten Lethargie. Der Bulle brach mit mir durch. Handy raus, 110, Notarzt, dann die drei getippt: Sepp. Der neue Super-Commissario, der meinen Freund Mario, den Verschollenen – eigentlich war der im Zeugenschutzprogramm, aber das wusste keiner außer mir und dem neuen LKA-Chef A.D. Lauer – im Kommissariat 1 der Mordkommission abgelöst hatte.

Mein Instinkt sagte mir, dass etwas faul sei.

Ich sah den zuckenden Körper eines Mädchens mit einem auffälligen Long-Bob im Ombre-Ton und bahnte mir wild einen Weg zur Treppe.

Sepp war nicht erreichbar.

Mailbox.

»Komm ins MEGA, sofort!«, schrie ich in das smarte Teil, um dann, noch immer ganz (Ex)-Bulle, sofort die Situation mit meinem Smartphone zu filmen.

Gelber Schaum drang stoßweise aus ihrem Mund. Dann nur noch epileptisches Zucken.

Aus.

Als ich direkt neben ihr stand, war es bereits zu spät.

Das It-Girl war tot.

Definitiv.

Jetzt schrie der ganze Club. Schriller als jeder Jet beim Start von einer zu kurzen Piste auf dem direkten Weg zum Crash.

Panik brach aus.

Ich musste einen kühlen Kopf bewahren. Ich brüllte mit aller Kraft, die ich noch in meiner angefressenen Stimme aufbringen konnte:

»Fanny! Achtung!«

Braver Hund.

Hatte mich gehört. Hunde haben halt sensationelle Lauscher! Er wusste, was zu tun ist. Er riss sich in der Garderobe los, rannte zu mir, schneller als ein aufgepimpter, tiefergelegter 88er Golf GTI eines Luden von der Reeperbahn, warf mir einen fragenden Blick zu. Verstand mich und raste ebenso schnell wieder zur Eingangstür und machte sich dort breit.

An ihm kam in den nächsten Minuten, wenn‘s sein musste Stunden, keiner mehr vorbei. Das Party-Völkchen wollte sich nämlich sofort verpissen.

Jetzt hatten sie plötzlich alle Schiss. Verständlich, denn ich war mir sicher, dass in der Nacht Muntermacher aller Couleur und jeder Preisklasse unterwegs waren. Ein gefundenes Fressen für eine Razzia, die unweigerlich durchgeführt werden würde, sowie ich einen meiner Ex-Kollegen endlich erreicht hatte.

»Das ist ja Fee!«

Eine panische Stimme.

Es ist Ella, die Neu-Alt-Freundin von Anna, die in Schockstarre plötzlich neben mir stand, die Hand vor Entsetzen vor ihren süßen Schmollmund haltend.

»Mein Gott, das ist ja Fee!«, wiederholt sie sich und fing schrill zu kreischen an. Wie eine Kreissäge im Einsatz bei ihrem Vater, dem Professor für gewollte Körperveränderungen.

Jetzt stand auch Anna neben mir.

»Wer ist Fee?«, brüllte ich sie an, Münchens Party-People in Panik übertönend.

»Die kennst du nicht? Es ist Fee Herzog. Die Tochter vom Immo-Herzog. Dem reichsten Makler der Stadt! Das ist eine Katastrophe!«

Anna Fischer war ebenfalls in Panik. Na ja, nicht jeden Tag hat man eine eklig aussehende Leiche auf einer Party. Ich verstand das schon.

Die Models und Millionäre, die Söhne und Töchter, Banker, Makler und Mimosen drängten raus auf die Maximilianstraße. Wollten weg. Nichts wie weg. Aber Fanny stand wie eine Wand mitten in der einzigen Tür nach draußen. Gefährlich glänzende Augen und ein Gebiss …! Ein Ungeheuer, mit dem sicher keiner der Damen und Herren Feiglinge anlegen wollte.

Wie auch immer: An meine Lauscher drangen Sirenen. Irgendjemand muss auch noch die Bullen gerufen haben. Ich war es nicht oder hatte Sepp meinen Anruf mitten in der Nacht doch mitbekommen?

Es waren drei Einsatzwagen.

Sepp schob sich als Erster an Fanny vorbei. Der kannte den Aufsteiger aus der Ettstraße und war nicht abgeneigt, die Verstärkung willkommen zu heißen.

Super. Auf Sepp war Verlass.

Ich stand noch immer an der Leiche. Kein schöner Anblick, wenn man Situationen wie diese nicht gewöhnt war. Nicht eine Person hatte den Club verlassen können. Der Mörder musste noch unter uns sein …

II

ES wurde eine lange Nacht. Sepp machte mit seinem Team einen gründlichen Job. Stoisch ruhig – er war ein ganz anderer Typ als mein ‚verschollener‘ Freund, Ex-Hauptkommissar Mario vom Morddezernat München 1 – ließ er von allen Partypeoples erst mal die Personalien aufnehmen. Das dauerte. Und nicht nur das: Schnell wurde mir klar, dass das keine Party des Tierschutzvereins Starnberg war.

Wie ich vermutet hatte – ein Fake.

Es ging im MEGA mega um Saufen, Abzocken und Drogen …

»Wie kommst du denn auf diese ‚Party‘, Doktor?«, fragte mich Sepp auch sofort, nachdem sich seine Leute und er einen Überblick verschafft hatten.

»Gute Frage. Einladung per SMS. Und da Fanny gestern vier Jahre alt geworden war, dachte ich, die Leute vom Tierschutz wussten das, weil ja mein guter Fanny registriert ist. Du weißt doch, Kampfhunde und so. American Staffordshire Terrier, Bullterrier und Pit Bull Terrier, sowie Bullmastiff, Staffordshire Bullterrier, Dogo Argentino, Bordeaux Dogge, Fila Brasileiro, Mastin Espanol, Mastino Napoletano und Mastiffs, wie mein Tosa Inu, unterliegen der Polizeiverordnung über das Halten gefährlicher Hunde!

Die liebenswerten Viecher haben Kennzeichnungspflicht. Der Tierschutz. Ich wollte Fanny eine Freude machen, wenn er schon eingeladen ist …«

»Den Tierschutzverein Starnberg gibt es nicht. Vergiss es. Wir wissen noch nicht, wer dahinter steckt, aber das ist auf jeden Fall eine Falle für Leute wie dich und deinen Fanny!«, antwortete mir der immer ernste und müde aussehende Sepp, der schon seit über zwanzig Jahren Dienst in München tat. Ein unauffälliger Beamter. Immer korrekt, nie aus der Ruhe zu bringen und kein Freund von meinem Tosa Inu.

Soviel stand fest.

»So was Ähnliches dachte ich mir schon, Sepp! Na ja, das geht mich hier nichts an. Das ist euer Job. Ich mach mich dann mal vom Acker, wenn du nichts dagegen hast. Fanny, den du nicht leiden kannst, hat euch gut vertreten, denke ich mal.«

»Ja, danke. Wenn du mich fragst, ist die ‚Party‘ hier gemacht, um Drogen zu verticken. Die laden ein, tun so als ob, spendieren den Kids ein paar Drinks und, wenn‘s gut geht, ein paar Häppchen dazu, damit sie sie später in der Nacht ausnehmen und ihnen ihre scheiß Pillen andrehen können. Die Dealer wollen neue Kunden anwerben. Ich habe gerade schon die Kollegen vom Drogendezernat gebeten, sich die Jungs mal unter die Lupe zu nehmen. Die werden gleich eintrudeln und ich schätze, da werden einige der Herrschaften unruhig. Schau nur in ihre Gesichter!«

Mit dem Statement ließ mich der behäbig schlurfend und immer viel zu langsam gehende Kommissar stehen, um sich gleich noch mal umzudrehen:

»Das weißt du selbst. Das Mädchen ist an einem Drogencocktail gestorben. Für mich Mord. Eindeutig.«

Dann trottete Sepp wieder die paar Meter zum Tatort und zündete sich ein Zigarillo an. Er erinnerte mich an Columbo, den etwas wirr wirkenden, zerknautschten und angeblich vergesslichen Inspektor der Los Angeles Police vergangener Filmtage, der es mit seinem vertrottelten Charme, kühler Analyse und gesundem Intellekt faustdick hinter den Ohren hatte.

Verrückt: Für Sepp waren alle unter Fünfzig ‚Kids‘. Ich mag diese altmodischen Herren bei der Polizei …

Anna versuchte, Ella Wolkenheim irgendwie zu trösten. Seit die Bullen das MEGA übernommen hatten, waren drei Stunden vergangen und Ella heulte noch immer.

Clever, das muss man ihnen lassen: Sepp und seine Kollegen hatten, kaum waren sie im MEGA eingetroffen, alle Handys eingesammelt. Das war ihre erste Amtshandlung und ging so schnell und überraschend, dass die verwirrten, angeschickerten, angefixten Feiersüchtigen keine Chance mehr hatten noch zu telefonieren oder eine SMS zu schicken, Fotos auf Instagram zu posten oder Videos zu versenden.

Der Schock saß zu tief und das Ereignis war zu abstrus für die ‚high‘ (waren die meisten) ‚Society‘, so dass sie mit der Situation nichts richtig anzufangen wussten.

Inzwischen waren auch die Jungs von der Droge eingetroffen. Sauber! Weitere vier Bullen in Zivil, darunter eine Frau, die aussah, als sei sie selbst auf Droge …

Fanny bekam Besuch:

Zwei Schäferhunde beschnupperten ihn neugierig. Dass sie keine Drogen bei ihm vermuteten, verstand sich von selbst.

Tiere unter sich.

Können sie sich riechen, ist alles gut. Wenn nicht, ist Knurren und Zähnefletschen angesagt. Es blieb friedlich und Fanny war wohl ganz happy nicht alleine die Verantwortung tragen zu müssen. Er fühlte sich dank seiner Statur als der Boss. Logisch! Mindestens 92 Kilogramm Lebendgewicht. Seit der Sache mit dem Feingeist und den Russen hatte er noch mal vier Kilo draufgelegt. Diesmal keine Muskelmasse, sondern Bauch. Ihm ging es bei uns einfach zu gut und er hatte sich nach seinem letzten Einsatz gegen Feingeist & Co. auch eine Belohnung verdient.

Es kam richtig Unruhe auf. Schätze, im MEGA waren circa zweihundert Party-People. Die genaue Zahl kannte nur Sepp. Wenn ich mich so umblickte, sah ich definitiv in rund zweihundert ängstliche Augenpaare.

Die Temperatur im Club stieg.

Angst schüttet Katecholamine aus. Stresshormone. Adrenalin und Noradrenalin. Botenstoffe. Sie verbreiten die Nachricht:

„Scheiße, ich sitze in der Falle. Wohin mit meinen Pillen, wohin mit dem Koks, dem Ethanol, dem Ecstasy, dem Crystal Meth, Candyflipping, Badesalz, Spice, Krokodil und Russian Cocktail?!!“

Das Herz spinnt, die Gefäße verengen sich, der Blutdruck steigt. Der Körper schreit „Hilfe“ und hyperventiliert. Im MEGA war es inzwischen megawarm. Gefühlt 55 Grad plus!

Sonderschicht für die Kollegen von Sepp und die Hunde.

Klar, dass sich die PP verpissen wollten. Nur wie?

Der Laden war dicht. Dichter, am dichtesten.

Auf den Klos Hochbetrieb. Nützte nichts, denn dort standen ein paar Uniformierte in ihrem modischen Abenddress. Nix mit wegkippen. Schlucken war auch keine Lösung. Fallenlassen bei den gierigen deutschen Schäferhunden mit je 225 Millionen Geruchsrezeptoren in der Nase?

Keine gute Idee!

Kollektiv hörte Fanny, ohne dass etwas zu hören war, die Menschenmeute schon wieder sagen:

„Scheiße – wir sitzen alle in der Falle!“

Ella Wolkenheim begann zu zittern wie das berühmte Espenlaub. Nein, sie war nicht drauf, wie mir Anna versicherte. Auf gar nichts. Clean. Sie musste es wissen. Schließlich war es ihre Freundin, nicht meine.

»Geht‘s dir nicht gut, Ella? Kann ich was für dich tun?«, versuchte ich die verkrampfte Stimmung irgendwie in den Griff zu bekommen.

»Nein. Alles okay. Besser: fast! Mich schockt das alles. Fee war mein Sonnenstern. Meine beste Freundin. Seit dem Kindergarten, verstehst du?! Ich kann das gar nicht begreifen! Wer macht sowas? Die hat man doch vergiftet, oder?«

Dabei schaute sie mich so flehend an, dass ich fast auch ‘nen Anfall von Mitleid bekommen hätte.

»Wenn ich mich hier umsehe, würde ich eher sagen, die war auf einem harten Trip!«

Jetzt zuckte Ella Wolkenheim noch mehr zusammen. Wurde aschfahl und mit dem Zittern hätte sie jeden Wettbewerb um das beste Zittern im Espenwald gewonnen!

Ich hatte einen wunden Punkt getroffen. Der Ex-LKA-Ermittler in mir regte sich. Der siebte Sinn. Ellas Augen sprachen Bände.

Aber eigentlich ging mich der ganze Schmarrn nichts an. Ich wollte nur Fanny und Anna einen Gefallen tun. Hatte mich allein 28 Euro Parkgebühren gekostet. Und nun hingen wir hier rum und ich machte mir auch noch ‘nen Kopf wegen einer Freundin meiner Freundin!

Doktor, schalt einfach ab und lass das die Bullen machen. Pack deine Bagage und ab durch die Mitte.

Aber Ella hing mir plötzlich am Hals. Sie fühlte wohl, dass ich sie beschützen konnte.

Weswegen brauchte sie Hilfe?

Mir war das peinlich, ehrlich. Anna war mein Sechser im Lotto. Das hatte sie mir erst heute wieder klargemacht. Nicht nur, weil sie einfach eine Granate im Bett ist. Das reicht nicht. Anna ist auch sonst ein Schatz und mit einem Charakter ausgestattet, den man ihren Eltern nun wahrlich nicht anhängen kann. Ja, ich weiß, der Alte ist tot, die Mutter abgehauen.

Das hatte Anna alles nicht verdient.

Ich war in der Vergangenheit zu oft auf Abwegen unterwegs gewesen. Das sollte ein für alle Mal ein Ende haben.

Ella – du bist nichts für mich. Du rattenscharfer Volltreffer!

»Fanny, Anna! Wir gehen!«, pfiff ich unfreundlich meine beiden Begleiter an. Ella hatte sich wider meinen Willen in meinen Unterleib geschmuggelt.

Ich war sauer auf mich, weil ich auf die Freundin meiner Freundin scharf war. Hatte ich mir nicht gerade Treue geschworen?

III

»HAST du gehört? Razzia im MEGA. Das ist einfach nur mega Scheiße! Was habe ich dir immer gesagt? Du bist einfach eine gottverdammte Niete!«

Der Angerufene brach in Schweiß aus. Gerade hatte ‚Dackelblick‘ sich schlafen gelegt. Er war früher gegangen, weil er fürchterlichen Dünnschiss bekommen hatte. Einfach so. Urplötzlich. Aus dem Nichts heraus. Sein Glück, sein Pech.

Woher wusste Ufuk schon wieder, dass es heute Nacht im MEGA eine Razzia gegeben hatte? Der Türke muss eine echt gute Verbindung zu den Bullen haben! Kacke, verdammte Kacke!

‚Dackelblick‘, der eigentlich Rainer Bormann heißt, war durch den Wind.

Er selbst war immer clean.

Die hätten mich checken können. Null Problemo!

Der Abend hatte sich gelohnt. Zweihundertachtundvierzig Päckchen hatte er verkauft.

Gemischtwaren.

Die Lotterie brachte ihm 29.200 Euronen ein. Clubmiete, Getränke, Fingerfood und der DJ abgezogen: Reingewinn 15.000. Den musste er sich mit zwei weiteren Parteien teilen. Für ihn blieben 40 Prozent. DJ DenDen legte für ‚Dackelblick‘ immer kostenlos auf. Den hatte er in der Hand. DJDD brauchte er nur ein Flugticket zu hinterlegen. Amsterdam-München. Peanuts. Und er hatte mindestens fünfzig neue Kunden gewonnen, die dauerhaft was wollten.

Genau das war sein Plan gewesen.

Nicht schlecht für drei Stunden. Aber nun …

Wie konnte es zu einer Razzia kommen? Wer hat gequatscht, wer hat den Tierschutzverein verpfiffen? Wen soll ich jetzt im MEGA anrufen?

Nee, Rainer, mach das bloß nicht! Nachher orten die noch dein Handy.

Mir kann keiner was.

Ich war gar nicht da.

Außerdem …

An Schlaf war nicht zu denken. Erst der Dünnschiss, dann der Anruf von Ufuk. 04:22.

Rainer Bormann, Sohn des Promi-Bohrers Dr. med. dent. Volker Bormann. Der 21-Jährige, der in der Szene nur ‚Dackelblick‘ genannt wurde, weil er so treu, so lieb und harmlos gucken konnte wie ein hinterlistiger Rauhaardackel, der ständig nach Fressen bettelt. ‚Dackelblick‘ wälzte sich hin und her.

Dann raste er wieder aufs Klo.

Dann schlich er sich wieder ins Bett.

So ging das alle paar Minuten.

04:38. ‚Dackelblick‘ schreckte hoch, als er die Sirene hörte. Ein fieser Ton, den sein Vater hatte einbauen lassen. Gar nicht laut, aber eine Frequenz, die ihn gleich wieder auf den Topf springen ließ. Einfach nur ätzend.

Ätzender Ton und Dünnpfiff.

Jetzt ging ihm richtig der Stift! Einbruch?

Die Bullen?

Fehlalarm?

‚Dackelblicks‘ Eltern waren in Baden-Baden zu einem Kongress der Bohrerelite. Neue Substanz für noch weißeres Bleaching. Da stehen die Frauen in München drauf. Sein Alter konnte es gar nicht erwarten, seinen Patientinnen – Männer besuchten seine Praxis sehr selten – das neue Zeug zu verklickern. Darin war er spitze. Noch weißere Zähne als weiß. Das war es doch! In unverständlichstem Bayerisch quatschte Doktor ‚Volli‘, wie er liebevoll von seinen Patientinnen genannt wurde, die Tussis voll, wenn sie auf seinem Stuhl lagen und, Schlauch im Mund, eh nichts erwidern konnten. Methode.

Aber jetzt?

Was war das?

Es wurde laut im Erdgeschoss. Die Villa in der Dall‘Armistraße in Nymphenburg war gleichzeitig die Praxis des Promi-Zahndocs. Das ganze großzügige Erdgeschoss, eingerichtet von Ennio Graf Pilati, dem Innenarchitekten der Stadt, wenn man viel Kohle raushauen will.

Es klirrte und krachte, dass ‚Dackelblick‘ in Panik geriet. ‚Dackelblick‘ überlegte, ob er die Bullen rufen soll.

Er riet sich selbst davon ab.

Vermutlich würden sie sein Labor finden. Das wäre nicht so gut für ihn und seine Familie …

Er verbarrikadierte sich in seiner Behausung. ‚Dackelblick‘ war messiemäßig unterwegs. Wohnung konnte man zu der Edel-Chaos-Bude nicht gerade sagen. Er wartete ab.

Um 07:13 wagte er sich ins Erdgeschoss und erstarrte: Die Luxus-Praxis war ein einziges Schlachtfeld. Alle Computer rabiat rausgerissen. Weg. Die Telefonanlage ebenfalls. Weg. Die Gemälde – rund um Zähne –, Sonderanfertigungen von Matthias Waske, dem Promi-Maler für die Münchener Schickeria-Profis, wie den Promi-Bohrer, zerschnitten. Die Wände, das teure Interieur – alles hin. Ein genialer Sprayer hatte sich ausgetobt:

»Fick dich!«

»Arschloch!«

»Promi-Wichser!«

»Zahn-Loser!«

»Drogen-Dödel!«

»Dosenöffner!«

Das waren noch die ganz harmlosen Losungen.

‚Dackelblick‘ war sich nicht sicher, ob das alles seinem Vater galt oder ihm oder beiden. Fest stand, dass die Praxis eigentlich um 08:30 geöffnet werden würde. Zwei der Helferinnen würden, wie stets, überpünktlich kommen, um die Damen der Gesellschaft zu empfangen. Zum Säubern der Beißerchen, Airflow, Bleaching, Fissurenversiegelung und all das, was die reiche, schöne, die junge und fast junge Frau, die reifere, die schon leicht in die Jahre gekommene usw. wöchentlich dringend braucht, um in der Gesellschaft bestehen zu können.

‚Dackelblick‘ bekam weiche Knie.

Das ging nicht ohne Polizei.

Also raffte er sich auf. Er hatte genau eine Stunde, um sein Labor im Untergeschoss zu cleanen. Fieberhaft machte sich Rainer Bormann, der blutjunge Drogenmillionär – also fast –, an die Arbeit.

07:15. Geschafft. Alle 213 Party-People, die eigentlich einen geilen Abend auf Kosten des Starnberger Tierschutzvereins im MEGA abfeiern wollten, waren aufgenommen, vernommen, registriert und katalogisiert. Blut abgenommen, Fingerabdrücke gemacht, Speichelabstriche. Von Sepp und seinem Team, die alle einen harten Job hinter sich hatten.

156 PP weiblichen Geschlechts zwischen 14 und 28. Die meisten verschüchtert, friedlich, aber zu 90 Prozent irgendwie überdreht, weggetreten. Nur fünf weigerten sich und wollten unbedingt ihren Anwalt sprechen. Nur einer der Gewünschten rief zurück. Er wurde abgewimmelt und für 10:00 ins Präsidium gebeten. Bei 28 der jungen Damen wurde ein Alkoholpegel von über 1,6 Promille festgestellt.

Anders die 57 aufgezäumten Typen, die im MEGA megaerfolgreich Mädels aufreißen wollten. Sie waren zwischen 19 und 48 Jahre alt. Mehr als die Hälfte verweigerte einen Speicheltest. Ebenso verweigerten sich 30 der männlichen PP, freiwillig Blut für keinen guten Zweck zu spenden.

Es gab richtig Zoff.

Die Kerle wurden laut, unverschämt. „Bullenarschgesicht“ war noch der freundlichste Ausdruck. Aber Sepp nahm alles mit stoischer Ruhe hin. Kein lautes Wort von ihm. Er grinste die Arschgesichter an und war sich seiner Sache sicher: Das war ein erfolgreicher Einsatz.

35 der Typen verlangten sofort und jetzt auf der Stelle nach ihrem Anwalt.

Abgelehnt.

10:00 im Präsidium.

Die Familie der Toten war benachrichtigt. Also zur Hälfte. Vater Adalbert Herzog, 54, Münchens Immobilienhai, den kaum jemand