Du hast mein Kind entführt - Jessica Schubert - E-Book

Du hast mein Kind entführt E-Book

Jessica Schubert

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Beschreibung

Im Jahre 2015 verlor ich meinen Sohn an den Libanon. Bis heute versuche ich, ihn wieder zurückzuholen. Der Weg bis zu diesem Buch war steinig, aber, ich habe es geschafft. Wenn sich Eltern trennen und sich nicht einig werden, dann leiden die Kinder. Manchmal gibt es keinen Ausweg und manchmal muss man seine Zukunft akzeptieren, ohne dass man großen Einfluss nehmen kann. Wer sein Kind verliert, zerbricht. Der Libanon ist ein stark männlich geprägtes Land, indem Männer die Oberhand haben. Das ist die Geschichte meines Sohnes und mir.

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Inhaltsverzeichnis

Impressum

Ab und zu treten Ereignisse in unser Leben, die wir nicht kontrollieren können, auch wenn wir uns sehnlichst Wünschen, dass uns jemand diese erspart hätte. Doch auch die negativsten Erlebnisse können Wege offenbaren, die uns ohne Diese versperrt geblieben wären.

Ich hätte niemals damit gerechnet, dass ich eines Tages mit einem dieser Ereignisse konfrontiert werde, geschweige denn, dass ich mich eines Tages an meinen Schreibtisch setze und ein Buch darüberschreiben würde.

Doch, mit der Zeit stellte ich fest, dass es auch andere Frauen und Kinder gibt, die von dem gleichen Schicksal begleitet werden, wie ich und mein Sohn und, dass ich ihnen das Gefühl vermitteln möchte, dass sie mit Diesem nicht alleine sind.

Und auch in der Zukunft wird es weitere dieser Fälle geben. Vielleicht kann ich mit diesem Buch dazu beitragen, dass die Menschen, die das Gleiche erleben könnten, die Zeichen früh genug erkennen und das Schlimmste abwenden können.

Ich schreibe diese Zeilen für meinen Sohn Memnun. Sie sind frei von „Special Effects“ und machen einem leider bewusst, dass das Leben realer sein kann, als wir es uns vorstellen können.

Dieses Buch soll mir dabei helfen, meine Vergangenheit zu verarbeiten und meine Zukunft neu zu gestalten.

Mein Ex Mann hat mich mit der Entführung meines Sohnes schwer, vielleicht auch lebensgefährlich verletzt, aber getötet hat er mich nicht.

Abbas hat meine und die Welt meines Kindes in Schutt und Asche gelegt. Am Ende ist außer ihm keiner glücklich. Am Anfang, vor 5 Jahren, stellte sich die Frage, wessen Grad an Unglücklichsein größer ist, der meines Sohnes oder meiner?

Aus jetziger Sicht ganz klar, der meines Sohnes!

Er wurde aus reinem Egoismus seines Vaters, aus seinem sicheren Zuhause gerissen und in ein Kriegsgebiet, in den Libanon verschleppt.

Ich trete euch von vornherein offen und ehrlich entgegen, zum jetzigen Zeitpunkt, gibt es noch kein Happy End für uns, was sich aber jederzeit ändern kann und auch wird. Dieses Buch wird euch aus meiner Sicht nicht viel, aber vielleicht ein bisschen Hoffnung geben, dass es für den Einen oder Anderen einen positiven Ausgang gibt, denn den gab es schon oft genug und den wird es auch immer geben. Ich rate euch deswegen, von vornherein auf eure innere Stimme und auf die Menschen zu hören, die euch lieben und es gut mit euch meinen. Vorher habt ihr Möglichkeiten, es zu verhindern, im Nachhinein ist es sehr schwer, da die Menschlichkeit an manchen Grenzen einfach abgelegt wird. Ihr werdet mit Behördenversagen, religiösem und männlichem Wahn, aber auch mit Verständnis, Hilfsbereitschaft und seriöser Unterstützung konfrontiert (da fehlt mir noch das richtige Wort) werden.

Diese Worte richte ich direkt an meinen Sohn:

„Du hast mich so viele Jahre glücklich gemacht. Du bist das Beste was mir je passiert ist und du bist stark genug, um die Situationen, die du durchleben musst zu überstehen.“

Das ist für dich.

Mein Sohn.

Ich werde dich immer lieben.

Ich habe die Namen verfälscht:

Abbas: bedeutet „düster“.

Memnun: bedeutet „der Dankbare“

Ich umarmte meinen Sohn, ein letztes Mal. „Pass auf ihn auf und bringe ihn wieder zurück Nachhause.“, sagte ich eindringlich zu Abbas, während ich in sein böses, von Hass zerfressenes Gesicht schaute. Der ein oder andere fragt sich sicher, ob ich zu diesem Zeitpunkt schon wusste, dass ich meinen Sohn für eine sehr lange Zeit nicht mehr zu Gesicht bekommen würde. Wir hatten viel durchgemacht, nein ICH hatte viel durchgemacht, seinetwegen. Na ja, sagen wir mal so, wir hatten unsere Vergangenheit. Aber fangen wir ein wenig weiter vorne an.

Als ich Abbas kennenlernte, war er schon sehr anstrengend, aber ich mochte ihn aus irgendeinem Grund. Er gab mir das Gefühl von Sicherheit, zumindest am Anfang unserer Beziehung. Wir hatten uns im Internet auf einer Partnerbörse kennengelernt. Damals hatte ich ihn angeschrieben, weil er mich an jemanden erinnerte. Wir kamen ins Gespräch, wie es so oft der Fall ist. Meine damalige sehr gute Freundin wollte mich bei dem Treffen begleiten, er nahm auch einen Freund mit, damit wir beide abgesichert waren. Sein Freund und meine Freundin haben mehr geredet als wir, das war am 25. Juni 2009, welcher auch der Todestag des King of Pop war, hätte ich mal auf ihn gehört. Abbas war sehr still und schien sehr unsicher, denn sein Deutsch war nicht perfekt. Das störte mich aber überhaupt nicht, man sollte jeden Menschen grundsätzlich eine Chance geben. Zwar war ich mir sehr unsicher, aber ich wusste nicht genau, was diese Unsicherheit ausmachte. Jetzt, im Nachhinein, weiß ich, was diese Unsicherheit ausgelöst hatte, nämlich, dass manche „Vorurteile“ doch berechtigt sind, so traurig wie das ist. Zum damaligen Zeitpunkt schob ich es allerdings auf seine mangelnden Deutschkenntnisse, und seine stille, da mir eine ungestörte Kommunikation doch sehr wichtig in einer Beziehung ist. In der Nacht sagte meine Freundin mir, dass sie ebenfalls Bedenken habe, aber wir übergingen dieses ehrliche Gefühl, weil ich Abbas gerade erst kennengelernt hatte. In den nächsten Wochen ging alles viel zu schnell. Er kam mich zu Hause besuchen, einige Male. Nach 3 oder 4 Besuchen ging er nicht mehr. Er klebte in meiner Wohnung fest wie eine Fliege an der Fliegenfalle. Mich wunderte dieser plötzliche, schnelle Einzug. Und es dauerte nicht lange, bis einige Unannehmlichkeiten zu Tage traten.

Wir hatten zwar keinen direkten Streit, aber er wurde immer etwas böse, wenn es zum Beispiel um das Essen ging. Er wollte, wie nicht anders zu erwarten kein Schweinefleisch im Haus haben, was mich eigentlich nicht weiter störte, da ich selber ohnehin nicht so die Schweinefleischesserin bin, aber auch meine Katze war ihm ein Dorn im Auge. Und ich war es nicht gewohnt, dass mir jemand vorschrieb, was ich zu essen oder welche Haustiere ich zu halten habe. Irgendwie versuchte er, immer die Fäden in der Hand zu halten, um mich zu kontrollieren, obwohl diese Wohnung nicht einmal ansatzweise ihm gehörte, sie gehörte ja nicht einmal zu 100% mir, sondern vielmehr meiner Mutter. Denn sie bezahlte alles, Miete, Strom, Internet und gab mir ein wenig Geld damit ich Essen kaufen und die Katze füttern konnte. Ich holte gerade meinen Abschluss nach, den ich selbst bezahlte, denn dafür schien ich in meinen jüngeren Jahren einfach zu blöd gewesen zu sein, oder zu faul? Das ging ihm ein gewaltig gegen den Strich. Seiner Meinung nach müssten/ dürften Frauen keine Bildung haben und auch nicht arbeiten gehen müssen/dürfen. Jeden Abend hörte ich seinen Geschichten zu, über Krieg, über Mohammed und seinen Weggefährten und auch wie furchtbar sein Weg nach Deutschland war. Wobei man sich irgendwann fragen musste, was er überhaupt erzählte, da er selber nur ein Wirtschaftsflüchtling war. Seine Deutschkenntnisse waren so mangelhaft, dass ich das meiste ohnehin nicht verstehen konnte, was dafür sorgte, dass diese Geschichten eher Desinteresse auslösten. Außerdem nervten mich diese 4-stündigen Predigten mit der Zeit, denn Religion und Krieg waren nicht so meine Hauptthemen.

An manchen Tagen hatte ich das Gefühl, das ich Abbas einfach nur loswerden will, aber ich wusste nicht, wie ich ihm das Beibringen sollte bzw. wie ich ihn überhaupt loswerden kann, da meine Freiheit durch ihn so massiv eingeschränkt war.

Wenn Freunde vorbeikommen wollten, wollte er das nicht, er sprach regelrechte Verbote aus. Das er mich isolierte, habe ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht gesehen. Eine einschneidende Situation habe ich noch im Kopf, das war das erste Mal, dass er mich geschlagen hat, nicht doll, aber die Geste an sich verletzte mich zutiefst. Wir saßen zusammen auf dem Sofa und er redete schon stundenlang über alles Mögliche, was er am Ende selber nicht verstand, da er den Zusammenhang irgendwie aus den Augen verlor und nur noch von Hölzchen auf Stöckchen kam. Ich wurde mit der Zeit immer genervter. Plötzlich erzählte er von einer Frau aus der Vergangenheit, er hatte sie irgendwann vor mir, irgendwo kennengelernt und sie mochte ihn wohl so sehr, da sie sich auf seinen Schoß setzte. Irgendwie fand ich das süß und ich musste etwas lachen. Plötzlich hatte ich eine Hand im Gesicht, für ihn schien es völlig normal zu sein eine Frau zu schlagen, da ich keinerlei Entsetzen in seinem Gesicht wahrnehmen konnte. Es tat nicht sonderlich weh, aber er meinte das ernst und mahnte mich, dass ich nicht einfach über das Lachen sollte, was er erzählt. Mit Tränen in den Augen erklärte ich, dass ich die Situation süß fand. Schlagartig wurde er wieder normal. Was auch immer man in diesem Fall unter normal verstehen möchte. Und wie immer blieb eine Entschuldigung aus. „Wie komme ich hier wieder raus? Ich muss diesen Mann loswerden.“, spukte es mir noch immer mit Tränen in den Augen durch den Kopf. Zugehört habe ich an diesem Abend nicht mehr. So etwas war ich nicht gewöhnt, noch nie hat mich jemand so dermaßen erniedrigt. Da hätte ich mich schon jemandem anvertrauen und Hilfe suchen müssen, aber ich tat es nicht, denn ich war viel zu verletzt und eingeschüchtert. Und ab diesem Zeitpunkt habe ich mich abhängig gemacht, denn ich hatte das Gefühl, dass ich diejenige war, die etwas falsch gemacht hat, nicht er. Die nächsten Monate waren durchwachsen, es gab öfter mal Streit, dann verlor ich den Anschluss zu meinen Freunden, musste anders Einkaufen und er nutze mehr und mehr meinen Laptop, sodass ich kaum noch etwas zu tun hatte. Die Wohnung war immer dreckig, von Ordnung und Sauberkeit hatte er noch nie viel gehört. Er war auch mein erster Mann, mit dem ich sexuelle Erfahrungen austauschte, zumal der sexuelle Kontakt mit ihm späteren Verlauf einen dauerhaften Vergewaltigungsbeigeschmack bekam. Vielleicht ist das eine Erklärung, warum ich so lange geblieben bin, da das alles ein Gefühl der unbewussten Unterwürfigkeit auslöste, welche mich zu sehr kontrollierte und an ihn band. Warum hatte ich mich so lange, für so einen miesen Menschen aufgehoben? Anfangs war er nicht brutal, aber er hatte auch schon bei DEM ersten Mal kein Verständnis dafür, dass ich noch keine Erfahrungen hatte. Meine Mutter beschloss, dass wir umziehen mussten, da sie bei ihrem Freund lebte und ich in einer 4-Zimmerwohnung im Prinzip allein lebte. Wir suchten uns eine 2-Zimmerwohnung, große Zimmer, sehr lichtdurchflutet und eine super Lage. Der Umzug war nötig und ich hatte die leise Hoffnung, dass dies auch ein Neuanfang für uns, als Paar werden würde. Obwohl ihn meine Familie, aus Gründen, die sich wohl jeder denken kann, nervte, blieb er trotzdem immer höflich und half gut mit. Eines Abends, mitten beim Umzug, wollten er und ich noch ein paar Sachen in die neue Wohnung bringen. In der Zeit war auch meine Mama bei uns, denn sie half uns, so gut sie konnte. Auf dem Weg war noch alles gut, aber in der Wohnung fing er plötzlich an laut zu werden, redete davon, das ich andere Männer auf der Straße anschauen würde. Plötzlich zog er ein Messer und fuchtelte damit im Raum herum. Wir saßen auf dem Boden und Abbas stach damit in eine kleine Holzplatte, die neben ihm am Fenster lag. Ich war ruhig, in einer Schockstarre, wie das Reh im grellen Scheinwerferlicht.

„Warum schrie er so?“

Er weckte Zweifel in mir.

“Hatte ich unbewusst wirklich andere Männer angestarrt und ihm einen Grund zur Eifersucht gegeben?“ Dabei wusste ich doch, dass ich niemanden anstarre. Von da an, schaute ich nur noch auf den Boden, so wie er es von mir verlangte. Keine Ahnung wie lange wir da in dem dunklen Wohnzimmer saßen, aber es fühlte sich an wie eine Ewigkeit. Auf dem Weg zurückstanden wir an einer Ampel, schräg neben uns stand ein Pärchen, Abbas sagte im Flüsterton, „Guck nicht hin, aber der Typ ist doch eine Schwuchtel. Wie soll der denn seine Frau beschützen.“, aus Reflex schaute ich hin, aber schaffte es noch den Fremden nicht direkt anzugucken, sondern ich schaute ihn, wie soll ich sagen, an Abbas vorbei an. Ich bemerkte zu spät, dass er mich bewusst in eine Falle lockte. Nachdem wir uns ein Stück von dem Pärchen entfernt hatten, schrie er plötzlich los „Ich hatte gesagt du sollst die Schwuchtel nicht angucken! Was bist du für eine Schlampe? Wolltest du mit dem ins Bett? Stell dir mal vor ich hätte den Typen töten müssen, weil er was gesagt hätte!“, er war ganz rot. Ich sagte nichts, was hätte ich auch sagen sollen? Wie gerne hätte ich in dieser Nacht woanders geschlafen, nur nicht neben diesem Tier, aber das ging nicht. In der Nacht wollte ich mich verstecken, damit er nicht sieht, wie ich weine. Er hat einfach weitergeschlafen. In der neuen Wohnung wurde er immer schlimmer und ich flüchtete immer mehr zu meinen Großeltern und verbrachte viel Zeit mit meiner Schwester. Abbas mochte das nicht, aber ich brauchte Abstand. Mehrmals hatte ich versucht ihn auf verschiedene Arten und Weisen, aus meiner Wohnung zu verbannen.

Einmal sagte ich ihm, dass meine Mutter für eine gewisse Zeit zu mir ziehen möchte, aber er wollte einfach nicht gehen. Er sagte nur, dass er sie umbringen müsse, wenn sie das tun würde. Und da ich mittlerweile schon so viel Angst vor ihm hatte, waren mir die Hände gebunden und meine Möglichkeiten stellten sich immer mehr als Unmöglichkeiten dar. Es gab zahlreichen Streits, wegen Nichtigkeiten. Nur wenn ich mich mal zu Recht hätte aufregen können, fehlte mir der Mut. Einmal zum Beispiel telefonierte ich im Schlafzimmer mit meiner Mutter. Ich sagte ihr noch, dass es komisch riecht und ich mich frage, was er wieder versucht zu kochen. Als wir auflegten, öffnete ich die Schlafzimmertür und hatte eine schwarze Wolke vor mir. Er hatte den Topf mit dem Öl auf der Herdplatte stehen lassen und saß im Wohnzimmer an der Konsole. Die ganze Küche war voller Ruß, noch heute sieht man in der Küche das es dort mal „gebrannt“ hatte.

Und anstatt ihn deswegen zur Verantwortung zu ziehen, „fiepste“ ich ihn nur an. Obwohl sonst etwas hätte passieren können.

Er jedoch bekam ständig Wutausbrüche, schrie mich an, bedrohte mich damit, dass er meine Familie umbringen würde. (Das war so seine tägliche Standarddrohung). Meistens saß ich im Schlafzimmer, wie in einem Zwinger, darauf wartend, dass die Zeit an mir vorbei strich, denn er besetzte das Wohnzimmer. Dort rauchte er Marihuana, spielte PlayStation oder schaute Porno Filme auf meinem Laptop, wobei er permanent Vieren auf den Laptop zog. Ich weiß noch, einmal hatte ich den Laptop gerade wieder fit bekommen, da sagte er mir 5 Minuten später, dass wieder ein Virus auf dem Laptop wäre. Wenn ich meinen Laptop haben wollte, damit ich mal etwas anderes tun konnte als Fernsehen, musste ich bezahlen. „Wie? Mit meinem Körper.“ Er nahm sich sowieso, was er wollte. Das war wohl das Schlimmste, was er mir antun konnte. Zwischen uns gab es nie etwas Liebevolles. Nach und nach kam die Wahrheit über Abbas ans Licht. Es flatterte eine Anzeige ins Haus, die ich mir durchlesen sollte. Die Verhandlung war bereits. Er hatte einen Polizisten getreten und am Finger verletzt, was zu einem Dienstausfall führte. Da die Polizisten in Zivil unterwegs waren, wusste Abbas angeblich nicht, dass es Polizisten waren. Er dachte, das wären irgendwelche Menschen, die seinen Bruder angriffen, aus welchen Gründen auch immer. In der Anzeige stand ein anderer Name. Er hatte mich tatsächlich angelogen, was seinen Namen und Geburtsdatum angingen. Ich fiel aus allen Wolken, damit hatte ich nicht gerechnet. Alles hatte ich zu der Zeit für ihn geklärt, überall angerufen, selbst Briefe hatte ich persönlich bei einigen Stellen abgegeben. Er musste sich um nichts kümmern, aber wenn dann etwas nicht so lief, wie er es wollte, gab er mir die Schuld. Auch, als wir seinen Namen ändern ließen, in seinen richtigen Namen. Was musste ich mir in der Zeit nicht alles anhören und bieten lassen. Besonders gut gingen sie nicht mit mir um, egal wer das in dieser Zeit war. Ich wurde schwanger, ein Schock. Das war das Letzte, woran ich dachte. Aber ich wusste genau, an welchem Tag ich schwanger geworden bin, denn das war einer dieser Tage, an denen ich den sexuellen Kontakt nicht verhindern konnte. Unter welchen Umständen, Memnun gezeugt wurde, brauche ich daher nicht näher erläutern. Aber auch, wenn die Umstände nicht die wünschenswertesten waren, liebe ich meinen Sohn mehr als alles andere, denn er kann ja nichts dafür, dass sein Erzeuger so ist wie er ist. Mir bleibt nur zu hoffen, dass er auf Grund seiner Abwesenheit nicht so wird. Ich wollte nicht mit Abbas schlafen, weil er kaum bis gar keine Körperpflege mehr betrieb, mein Gefühl zu ihm war fast komplett verschwunden, ja fast, denn der Hass war noch da, nur die Angst fesselte mich an ihn und das Wissen, er würde sowieso nicht gehen. Meine Schwester war bei dem Test dabei und beruhigte mich, da ich es ja auch meiner Familie sagen musste und vor Allem ihm. Besonders glücklich waren sie nicht, sie sagten mir aber auch nicht, dass ich mit diesem Mann kein Kind in die Welt setzen sollte.

„Wäre es denn ihre Aufgabe gewesen mir von der Geburt abzuraten? Sicher nicht!“

Ihm musste ich es auch sagen, ich ließ mir aber einen Tag Zeit damit. Da saß er nun, im Schlafzimmer, am Laptop- wie immer. Mit Tränen in den Augen sagte ich es ihm. „Wirklich? Du bist schwanger? Wir bekommen ein Kind?“, er freute sich, was mich sehr überraschte. Doch im selben Atemzug fragte er, „Kannst du es noch abtreiben?“, was mich wiederum sehr schockierte. Er Umarmte mich und entschuldigte sich. Klar, so eine Nachricht ist überwältigend. Trotzdem fragte ich mich, warum er sich nach der Möglichkeit der Abtreibung erkundigte. War es angst, dass ich es machen würde, weil ...? Sofort rief er alle an, Familie, Freunde, jeder sollte es erfahren. Es fühlte sich in den nächsten Tagen so an, als würde es bergauf gehen, er kümmerte sich, fragte immer, ob ich etwas brauche. Aber glaubt mir, der Schein trügt. Seine Familie sah endlich etwas zu ihm auf, er hatte eine Frau und ein Kind in Deutschland. Wie das in der Schwangerschaft so ist, man muss oft zum Arzt, viele Besorgungen machen, natürlich war meine Familie auch oft im Haus, denn wir hatten einiges aufzubauen. Ein Junge sollte es werden, da war Papa natürlich stolz. Die Schwangerschaft noch etwas näher beschreiben. Leider drehte sich mein Sohn nicht um, weshalb ich einen Kaiserschnitt machen lassen musste. Am 07. März, 2011 kam Memnun, mein neues Leben, auf die Welt. Schon in der Schwangerschaft flippte Abbas mehr aus, schubste mich sogar, boxte gegen einen Spiegel, so das er zerbrach. Aber ich war schwanger. Ins Krankenhaus kam er nur einmal. Der angeblich stolze frischgebackene Vater eines so hübschen und gesunden kleinen Babys. Das hieß aber auch, ich konnte die Zeit im Krankenhaus ohne Gewalt und ohne Streit erleben. Ich denke auch, da wurde mir langsam bewusst, dass es so nicht weitergehen konnte. Wenn man isoliert ist, von dem, was einem nicht guttut, merkt man wie schön das Leben ohne solch einen Tyrann eigentlich ist. Niemals hätte ich gedacht, dass ich mal Mutter werden würde, und da war er nun. Als ich aus dem Krankenhaus kam, bat ich ihn, das die Wohnung sauber ist, wenn ich mit unserem kleinen Würmchen nachhause komme. Das war nicht der Fall, es sah aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen. Nach meinem Kaiserschnitt musste ich noch die komplette Wohnung sauber machen. Abbas schämte sich kein Stück für die Müllhalde, die er hinterlassen hatte. Im Sitzen versuchte ich alles sauberzumachen. Auch die Treppen musste ich allein runter, denn er war zu faul mir zu helfen, obwohl er den ganzen Tag nichts zu tun hatte. Ständig hatte ich Angst, dass meine Narbe aufgehen könnte oder ich mit dem Kinderwagen die Treppen runterfalle. Es gab zwei Situationen, an die ich immer wieder denken muss. Ich legte Memnun in sein Laufgitter im Wohnzimmer, Abbas sollte so lange aufpassen, bis ich das Bett neu bezogen hatte. Plötzlich hörte ich einen lauten Knall und Memnun fing an zu schreien. Ich rannte hin und sah, das Abbas ihn gerade vom Boden aufhob. Das Laufgitter stand genau neben ihm, aber er fand es besser, auf den Laptop zu gucken, anstatt auf Memnun zu achten. Der Kleine fiel genau auf seinen Kopf. Da habe ich Abbas das erste Mal beschimpft, denn hier ging es nicht mehr um ihn oder um mich, hier ging es um unseren Sohn. Innerlich hoffte ich, dass er sich selbst hasste, denn er schaute auf dem Laptop einen Porno. Die zweite Situation war, als meine beste Freundin da war. Irgendwas hatten wir im Schlafzimmer gemacht, wobei ich den Kleinen absolut nicht gebrauchen konnte. Abbas sollte nur kurz auf ihn aufpassen. Plötzlich hörte ich wieder einen leichteren Knall und Memnun fing an zu weinen. Diesmal war ich schneller bei ihm. Er war vom Sofa gefallen. Ich drückte in so fest an mich, wie ich konnte, weil er so sehr weinte. Ich hätte ihn nicht bei seinem Vater lassen sollen. Abbas ging einfach auf Toilette und schrie mich an „Er ist heruntergefallen, weil „DU“ nicht aufgepasst hast“, wie konnte er das sagen? Schon immer war er der verantwortungslose Teil in unserer Beziehung. Er verplemperte unser Geld für Marihuana, irgendwelche anderen Drogen und Spielautomaten. Jeden Tag gab es Diskussionen wegen dem Geld. Er hatte nichts, 170€ waren alles was er hatte, dazu hatte er Schulden. Memnun half mir jeden Tag, denn meine Liebe zu ihm war größer als der Hass auf Abbas. Hätte ich ihn nicht gehabt, wäre ich zu Grunde gegangen. Er war auch der Grund, warum ich unbedingt wegwollte. Memnun war immer glücklich, er lachte viel und grinste wie ein Honigkuchenpferd, sein Lächeln war das schöne, was ich je sehen durfte. Mir fiel auf, dass er es mehr und mehr verlor und dass ich meine Freiheit wiederhaben wollte. Memnun würde älter werden und besser verstehen, was sein Vater dort tut. Eines Tages kam Abbas in die Küche und ich wusste sofort, dass er Streit suchte, langsam konnte ich es viel besser deuten, wenn er streitsüchtig wurde. Er dachte immer, wenn man ein Kind in Deutschland hat, ist man reich, dass man aber von herumgammeln nicht reich wird, das verstand er nie. Er wollte Geld, wie immer, aber ich hatte nicht mehr viel. Für Memnun musste ich immer Milchpulver kaufen, weil ich zu wenig Milch hatte. Das warf er mir auch immer vor, obwohl ich überhaupt nichts dafürkonnte und wirklich alles versucht hatte. Eine Frau sucht es sich nicht aus, ob sie Stillen kann oder nicht. Ich sagte ihm, dass das Geld für Memnuns Milchpulver ist und er es nicht einfach nehmen kann. Natürlich verlor er wieder völlig die Kontrolle und kniff mir sehr doll ins Gesicht. Mein ganzes Gesicht war rot und tat weh. Egal wie, er wollte Geld für sein Gras, manchmal gab ich es ihm einfach, damit er mal aus dem Haus ging, dann duschte er auch endlich mal wieder. Ihm passte es nicht, dass ich über mein Geld verfüge, und nicht er, aber er konnte mit Geld nicht umgehen. Weiter schrie er mich an, was für eine schlechte Mutter ich sei und, dass ich nicht so viel Mist für Memnun kaufen sollte, dann bliebe auch mehr Geld für alles andere übrig – für sein Gras also. Abbas Gesicht war rot und er schwitzte wie verrückt, ich wusste das er sich versuchte zu kontrollieren, damit er mir nicht mitten ins Gesicht boxte. Irgendwann ging er raus und sagte irgendetwas, dass mich wirklich wütend machte. Ich fühlte mich gedemütigt, ausgenutzt und ich konnte es nicht mehr ertragen. Ich rannte ihm hinterher und schubste ihn von hinten, nicht sonderlich doll, denn ich hatte kaum noch kraft um mich überhaupt auf den Beinen zuhalten. Memnun war zwar ein ruhiges Kind, aber es war trotzdem anstrengend, wenn man alles allein machen muss und dann noch so einen Mann zuhause hatte. Abbas drehte sich um, Griff eine volle geschlossene Wasserflasche von der Küchentheke und wollte sie mir gerade ins Gesicht donnern, als ich mich gerade noch wegdrehen konnte. Er beschimpfte mich als „Schlampe“ und ich hätte ihn umbringen wollen. Mein Gefühl war tot, ich konnte und wollte nicht mehr. Hier war eine Grenze überschritten. Das alles musste ein Ende haben. Bis zu diesem Tag habe ich so oft daran gedacht, dass es besser wäre meinem Leben ein Ende zusetzten aber was würde Memnun dann über mich denken? Worte reichen nicht, um zu beschreiben, was ich an diesem Abend gefühlt hatte, was ich an diesem Abend gefühlt hatte, was ich an diesem Abend gefühlt hatte. Ich erinnere mich auch nicht mehr, wie lange ich in der Küche stand und geweint habe. Wir redeten kein Wort mehr. Am nächsten Tag ging ich wieder zu meinen Großeltern, sie liebten Memnun und ich fühlte mich bei ihnen wohl. Meine Oma fragte, was mit mir los sei und warum ich so still war. Als ich erzählt hatte, was passiert war, zog mein Opa sich an und ging mit mir zur Polizei. Es lag gar nicht in meinen Händen. Die Aufregung war so groß, ich brachte kaum ein Wort raus. Sie nahmen meine Anzeige wegen gefährlicher Körperverletzung auf, fuhren mit mir nach Hause und warfen ihn aus der Wohnung. Dieses Gefühl, wenn man in einem Polizeiauto sitzt, hinter einem noch ein Auto mit Polizisten. Man kann es kaum in Worte fassen. Die Polizisten wollten, dass ich mich an die Seite stelle, falls er ausflippte. Dort wurde ich das erste Mal beschützt. Mir blieb nichts, als zu weinen, denn solch ein Ende hätte ich mir nie gewünscht. Warum konnte er nicht einfach gehen? Abbas wurde meiner Wohnung verwiesen und sollte mich nicht kontaktieren, wenn er Sachen haben wollte, sollte er bei der Dienstelle Bescheid geben.

---ENDE DER LESEPROBE---