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Chelsey Harper verfolgt nur ein Ziel: Endlich ihre Facharztausbildung abschließen. Dafür steckt sie in allen Belangen zurück. Partys, Männer und auch ihre Freunde müssen hintenanstehen. Jordan Lewis, Frauenschwarm und Center des Basketballteams der Miami High Flyers, wird nach einem Verkehrsunfall in das Krankenhaus eingeliefert, in dem Chelsey arbeitet. Das gesamte weibliche Personal schwärmt von dem attraktiven Sportler – bis auf Chelsey. Natürlich ist Chelsey nicht blind und auch sie findet den Basketballer anziehend, doch sie hat einen eisernen Vorsatz, den sie nicht zu brechen gedenkt. Da Chelsey Jordans Rehabilitation betreuen muss, ist sie seinen Flirtoffensiven vollständig ausgeliefert. Mit der Zeit gelingt es Jordan, Chelsey um den kleinen Finger zu wickeln. Die beiden beginnen eine heiße Affäre, woraufhin plötzlich viel mehr auf dem Spiel steht als ihre bisherige Freundschaft. Die beiden müssen eine Entscheidung treffen, die ihr Leben für immer verändern könnte.
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Seitenzahl: 440
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Arizona Moore
Miami High Flyers (Teil 2): Dubious Decision
© 2022 Plaisir d’Amour Verlag, D-64678 Lindenfels
www.plaisirdamour.de
© Covergestaltung: Sabrina Dahlenburg
(www.art-for-your-book.de)
© Coverfoto: Shutterstock.com
ISBN Print: 978-3-86495-548-8
ISBN eBook: 978-3-86495-549-5
Die Personen und die Handlung des Romans sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Begebenheiten oder lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig.
Dieser Roman darf weder auszugsweise noch vollständig per E-Mail, Fotokopie, Fax oder jegliches andere Kommunikationsmittel ohne die ausdrückliche Genehmigung des Verlages oder der Autorin weitergegeben werden.
Kapitel 1 – Chelsey
Kapitel 2 – Jordan
Kapitel 3 – Chelsey
Kapitel 4 – Jordan
Kapitel 5 – Chelsey
Kapitel 6 – Chelsey
Kapitel 7 – Jordan
Kapitel 8 – Chelsey
Kapitel 9 – Chelsey
Kapitel 10 – Jordan
Kapitel 11 – Chelsey
Kapitel 12 – Jordan
Kapitel 13 – Chelsey
Kapitel 14 – Jordan
Kapitel 15 – Jordan
Kapitel 16 – Chelsey
Kapitel 17 – Chelsey
Kapitel 18 – Jordan
Kapitel 19 – Jordan
Kapitel 20 – Jordan
Kapitel 21 – Chelsey
Kapitel 22 – Chelsey
Kapitel 23 – Jordan
Kapitel 24 – Chelsey
Kapitel 25 – Jordan
Kapitel 26 – Jordan
Kapitel 27 – Jordan
Kapitel 28 – Chelsey
Kapitel 29 – Jordan
Kapitel 30 – Jordan
Kapitel 31 – Chelsey
Kapitel 32 – Jordan
Kapitel 33 – Jordan
Kapitel 34 – Chelsey
Kapitel 35 – Chelsey
Epilog
Autorin
„Chelsey! Chelsey! Verdammt noch mal, wie taub kann ein Mensch denn nur sein? Schwing sofort deinen Hintern aus dem Bett“, höre ich Brandon brüllen.
Ich drehe mich stöhnend auf die andere Seite, ziehe mir mein Kissen über den Kopf und halte meine Bettdecke fest umklammert. Wenn er nicht sofort mit dem Geschrei aufhört, werde ich ihm den Hals umdrehen. Ich bin nach einer anstrengenden Nachtschicht im Krankenhaus nämlich gerade erst ins Bett gegangen.
„Verzieh dich, Brandon, oder ich werde dich kastrieren“, zische ich meinen Bruder an, der nun auch noch die Dreistigkeit besitzt, an meiner Bettdecke zu ziehen. Nun ärgere ich mich schwarz, dass ich ihn bei mir aufgenommen habe, nachdem seine Freundin ihn vor die Tür gesetzt hat.
Brandon ist nicht mein leiblicher Bruder, er wurde von unseren Eltern adoptiert. Jahrelang haben Mom und Dad versucht, eigene Kinder zu bekommen, doch es wollte nicht klappen. Nach einer nervenaufreibenden Zeit, die von Geschlechtsverkehr nach Plan bestimmt wurde, suchten sie eine Kinderwunschklinik auf, in der man feststellte, dass sich bei meinem Vater kaum bewegliche Spermien im Ejakulat befanden. Nachdem sie trotz der schlechten Erfolgsaussichten mehrere künstliche Befruchtungen über sich hatten ergehen lassen, die nie zu einer Schwangerschaft geführt hatten, beschlossen sie, einem Kind, das keine liebenden Eltern hat, ein Zuhause zu schenken. Dieses Kind war Brandon.
Ein paar Jahre nachdem sie Brandon adoptiert hatten, wurde meine Mom unerwartet mit mir schwanger. Sie konnte ihr Glück kaum fassen, als sie einen positiven Test in ihren Händen hielt. Ich vermute, dass sie, entgegen allen Prognosen, schwanger wurde, lag daran, dass der Druck, ein eigenes Kind zeugen zu müssen, mit der Adoption wie weggeblasen war.
Meine Eltern, die leider schon ein paar Jahre tot sind, haben Brandon und mich trotzdem stets gleichbehandelt. Sie machten keinen Unterschied zwischen uns. Wir waren beide ihre Kinder, die Gene spielten dabei keine Rolle. Für mich war es ebenfalls nicht von Relevanz, dass Brandon nicht dieselben Erbanlagen wie ich in sich trägt. Er ist mein Bruder und nicht weniger nervig als jeder andere große Bruder auch.
Es dauert keine zehn Sekunden, bis ich das Bettdeckengezerre gegen Brandon verliere. Während er triumphierend die Decke in seinen Händen hält, streift ein kalter Windzug meinen Körper. Nun bin ich hellwach. Na toll! Ich setze mich auf und reiße mir die Schlafmaske von den Augen.
„Bist du irre? Warum kannst du mich nicht einfach schlafen lassen? Ich bin vollkommen erledigt“, fahre ich ihn an, da ich wirklich sauer bin.
„Nicht ich bin irre, sondern du. Ich sorge bloß dafür, dass unsere Nachbarn uns nicht wegen Lärmbelästigung anzeigen. Vielleicht solltest du mal deine Ohren untersuchen lassen, denn dein dämlicher Handywecker würde selbst einen Grizzlybären aus dem Winterschlaf holen. Du hast dein Telefon mal wieder im Flur liegen lassen und vergessen, die Weckfunktion abzustellen“, meint Brandon und baut sich mit strenger Miene neben meinem Bett auf. Dann schaltet er den Wecker aus.
„Das hier ist immer noch meine Wohnung, mein Lieber. Deswegen kann ich mich auch wecken lassen, wie ich es will. Selbst wenn ich eine Blaskapelle engagieren würde, die mich mit Pauken und Trompeten aus dem Bett holt, hätte dich das nicht zu interessieren“, maule ich weiter, weil ich ein ziemlicher Morgenmuffel bin.
„Mir ist es völlig egal, dass du die Wände zum Wackeln bringst, aber unsere Nachbarn sind da weniger verständnisvoll. Erst neulich hat sich Miss Baker von gegenüber bei der Hausverwaltung über den Krach beschwert.“ Seufzend setzt er sich auf die Bettkante. „Außerdem siehst du ziemlich beschissen aus.“
„Danke für die Blumen, Bruderherz“, knurre ich. „Ich möchte mal sehen, wie du aussiehst, wenn du achtundvierzig Stunden im Krankenhaus geschuftet hast und dann auf so barbarische Weise geweckt wirst. Erwarte bitte keinen Dank dafür, dass du mir keinen Eiskübel über den Kopf geschüttet hast.“
„Geniale Idee, das mit dem Eis. Das werde ich mir für das nächste Mal merken.“ Er zwinkert mir zu. „Wie stehst du zu einem Wiedergutmachungskaffee?“
„Das ist ja wohl das Mindeste, was du für mich tun kannst.“ Ich seufze theatralisch, woraufhin er kopfschüttelnd aufsteht und aus meinem Zimmer verschwindet, um kurz darauf mit einem großen Becher zurückzukommen.
„Wie du ihn gerne hast: schwarz wie deine Seele.“ Er haucht mir ein Küsschen auf die Wange und drückt mir dann die Tasse in die Hand.
„Danke, Brandon, du bist eben doch der Beste.“ Ich kann ihm nie lange böse sein. „Übrigens solltest du dich rasieren, denn dein Gesicht gleicht einem Urwald.“
„Sorry, ich hatte noch keine Zeit für das Beautyprogramm, weil ich erst Kaffee kochen musste, um ein Monster zu besänftigen.“
„Und dafür liebe ich dich.“ Ich klimpere übertrieben mit den Augen.
„Spar dir das unschuldige Augengeklimpere, das zieht bei mir nicht. Du weißt doch, dass ich, als dein Bruder, gegen deine weiblichen Reize immun bin. Jeder andere Kerl würde sicherlich auf die Nummer reinfallen und dir den Morgenmuffel nachsehen, doch da bist du bei mir an der falschen Adresse.“
„Um deine Theorie zu bestätigen, bräuchte ich überhaupt erst einen Kerl, aber dafür habe ich keine Zeit. Außerdem sind die tollsten Männer doch sowieso alle schwul.“
„Das halte ich für ein Gerücht, denn ein Prachtexemplar von Mann sitzt gerade vor dir und steht zu einhundert Prozent auf Frauen. Nur weil du dich ein Mal in einen Typen verguckt hast, der vom anderen Ufer war, kannst du nicht alle Männer über einen Kamm scheren.“ Brandon verdreht seufzend die Augen. „In diesen Schweinestall solltest du besser auch keinen Kerl hereinlassen. Wie hältst du es nur in dieser Unordnung aus?“
„Wer hat dich zum Ordnungspolizisten ernannt? Ordnung brauchen nur Dumme, ein Genie beherrscht das Chaos“, witzele ich. „Und außerdem möchte ich auch gar keinen Mann hierher einladen, weil ich es nicht unbedingt antörnend finde, wenn mein Bruder im Nebenraum sitzt und uns beim Rummachen zuhören kann. Die Wände sind verdammt hellhörig, mein Lieber.“ Ich spiele ganz bewusst auf vergangenes Wochenende an, als Brandon eine Frau in einer Bar abgeschleppt und sie im Gästezimmer vernascht hat. Ich hatte gehofft, an meinem freien Samstagabend ein wenig Schlaf zu bekommen, wurde aber von deren lautem Gestöhne wach gehalten.
„Mensch, Chelsey, jetzt sei doch nicht so prüde. Der Job nimmt dir den ganzen Spaß. Du kannst doch nicht immer nur arbeiten und für die Facharztprüfung büffeln, sonst gehst du irgendwann am Krückstock. Gönn dir ruhig mal wieder eine Prise Ablenkung.“
„Das werde ich, sobald die Ausbildung abgeschlossen ist“, sage ich.
Ich habe Medizin studiert und befinde mich aktuell in der Ausbildung zum Facharzt am Mercy Hospital, um zukünftig als Orthopädin zu praktizieren. Ich habe zwar immer gewusst, dass die Zeit als Assistenzärztin kein Zuckerschlecken wird, doch dass sie so anstrengend und kräftezehrend ist, überstieg mein Vorstellungsvermögen bei Weitem. Trotzdem bereue ich meine Berufswahl nicht. Die langen Schichten mal ausgeklammert, erfüllt mich die Arbeit. Meinen Patienten wieder auf die Beine zu helfen, macht mich stolz und glücklich. Und wenn ich sehe, welche Fortschritte sie nach einer Fraktur oder einer Quetschung dank meiner Hilfe machen, ist das die weltbeste Entschädigung für den Schlafentzug und die langen Wochenenddienste.
Ich stelle den leeren Kaffeebecher auf meinen Nachttischschrank und schwinge meine müden Gräten aus dem Bett. Jetzt, wo ich sowieso schon wach bin, kann ich mich auch anziehen und den freien Tag nutzen, indem ich das Buch Orthopädie in der Unfallchirurgie durcharbeite, das ich mir aus der Krankenhausbibliothek ausgeliehen habe.
„Weißt du eigentlich, dass viele meiner Kundinnen für deine Figur einen Mord begehen würden?“, fragt mich Brandon, der mich von Kopf bis Fuß mustert.
Mein Bruder arbeitet als selbstständiger Personaltrainer und seine vorrangig weiblichen Kunden blättern ein halbes Vermögen dafür hin, von ihm angeschrien und gequält zu werden. Vor ein paar Monaten hatte ich eine Probestunde bei ihm, weil er meinte, ich müsse mehr für meinen Körper tun, und habe Blut und Wasser geschwitzt. Nicht, weil ich es figurtechnisch nötig habe, sondern aus rein gesundheitlichen Aspekten. Bereits nach einer Viertelstunde hatte mich der Mistkerl so weit, dass ich mir die Lunge aus dem Leib gehustet habe. Ich musste mal wieder feststellen, dass Sport und Chelsey nichts gemein haben, während es voll Brandons Ding ist. Fitness und gesunde Ernährung sind seine Lebensinhalte.
„Die Figur habe ich mir mit Gummibärchen, Schokolade und Eiscreme hart erarbeitet“, ziehe ich ihn auf, weil er sich andauernd darüber beschwert, dass ich trotz meines immensen Süßigkeitenkonsums so gut in Form bin. Nachdem ich ihm die Zunge rausgestreckt habe, gehe ich zu meiner Kommode, um mir einen Jogginganzug herauszuholen.
„Du willst den Tag doch wohl nicht im Jogger verbringen, oder?“ Er schüttelt den Kopf, während er den ausgewaschenen Hausanzug in meinen Händen kritisch beäugt. „Du solltest dringend an deinem Kleidungsstil arbeiten, denn mit dem Schlabberteil bekommst du nie einen Mann ab.“
„Wann verstehst du endlich, dass ich überhaupt nicht auf der Suche bin?“
„Ja, ja, rede dir das ruhig weiter ein. Dabei wissen wir doch beide, dass das gelogen ist. Auch du sehnst dich nach Liebe“, erwidert er prompt. „In der richtigen Verpackung kommen deine Reize viel besser zur Geltung. Glaube mir, die Fantasie eines jeden Mannes ist es, von einer heißen Ärztin vernascht zu werden.“
Von seinem ständigen Herumgenörgel über mein nicht vorhandenes Liebesleben genervt, puste ich mir eine meiner blonden Haarsträhnen aus dem Gesicht. „Ich werde den Tag mit Pauken zubringen, da brauche ich weder High Heels noch ein knappes Röckchen oder einen Push-up-BH. Die Fachliteratur liest sich nicht schneller oder einfacher, nur weil ich scharf aussehe.“
„Man sollte auf alle Eventualitäten eingestellt sein. Vielleicht klopft ausgerechnet heute dein Traummann an die Haustür.“
Da ich sein blödsinniges Gequake nicht länger ertrage, lasse ich ihn kopfschüttelnd stehen. Ich gehe aus meinem Zimmer, um das Badezimmer aufzusuchen. Dort verrichte ich meine Morgentoilette, wasche mich gründlich und putze mir die Zähne. Dann tausche ich meinen Pyjama gegen den Jogginganzug ein und nehme mir ein Zopfgummi, um meine Haare zu bändigen. In der Regel ist das kein leichtes Unterfangen, da meine schulterlangen Locken überaus widerspenstig sind.
Bestimmt meckert Brandon gleich wieder an mir herum, weil ich mich nicht geschminkt habe. Während ich eher auf den natürlichen Look stehe, vertritt er die Meinung, dass Make-up ein Gesicht nur noch schöner erscheinen lässt. Aber was soll’s? Da muss ich wohl durch. Im Gegensatz zu ihm bin ich nicht ständig darauf aus, meine Freizeit mit One-Night-Stands zu füllen, und sehe deswegen auch keinen Sinn darin, mich aufzubrezeln, um mir einen Mann zu angeln. Seitdem seine Ex-Freundin ihm den Laufpass gegeben hat, vögelt er sich munter durch ganz Miami. Im Vergleich zu ihm bin ich ein wahres Mauerblümchen. Ich hatte erst einen festen Freund, und obwohl es genügend Männer gab, die ihr Interesse an mir signalisiert haben, war ich mit meinem Studium immer zu beschäftigt, um eine Affäre zu beginnen.
Ich bleibe noch eine Weile im Bad stehen, weil ich meine Ruhe haben möchte. Auch wenn ich meinen Bruder von ganzem Herzen liebe, geht mir das Zusammenleben mit ihm doch gehörig auf den Keks. Da er von einem auf den anderen Tag ohne ein Dach über dem Kopf dastand, bin ich gern bereit, ihm Asyl zu gewähren. Nichtsdestotrotz sehne ich mich nach etwas mehr Privatsphäre. Ich würde ihn nie vor die Tür setzen, aber vielleicht ist es nun an der Zeit, ihn bei der Wohnungssuche aktiv zu unterstützen.
„Chelsey? Brauchst du noch lange im Bad?“, fragt mich mein Bruder durch die verschlossene Tür.
„Nein, ich bin fertig“, erwidere ich, seufze gedanklich laut auf und verlasse widerwillig meinen Rückzugsposten.
Brandon steht mit seinem Handy in der Hand im Flur. „Was hast du übernächstes Wochenende vor? Ein alter Bekannter kommt in die Stadt und wir wollen die Clubs unsicher machen. Bist du dabei?“
„Klingt gut, aber ich weiß noch nicht, ob ich da kann.“ Das ist keine Ausrede, denn ich bekomme meinen Schichtplan für den Rest des Monats erst kommende Woche.
„Du musst einfach mitkommen. Ich glaube, dass Jackson und du euch blendend verstehen werdet.“
„Ich gebe dir Bescheid, wenn ich weiß, wie mein Dienstplan aussieht. Okay?“, erwidere ich. „Aber glaube bloß nicht, dass ich dich nicht durchschaue. Ich weiß, was du vorhast, und ich sage dir, dass ich mich ganz sicher nicht von dir verkuppeln lasse. Ich bin gerade mal siebenundzwanzig Jahre alt und denke, dass durchaus noch Hoffnung für mich besteht, irgendwann aus eigenem Antrieb heraus einen Mann zu finden. So, und nun würde ich gerne das Thema beenden und frühstücken.“
„Das trifft sich sehr gut, denn ich habe vorhin in weiser Voraussicht Bagels zum Aufbacken in den Ofen geschoben. Wenn Madame mir folgen würde, kredenze ich sehr gerne das Frühstück.“
Fette Regentropfen prasseln auf die Windschutzscheibe meines Wagens, während ich versuche, dem Verlauf der kurvigen Landstraße zu folgen. Eigentlich hatte ich auf besseres Wetter gebaut, um meinen neuen Sportwagen, einen Lamborghini Aventador SCJ Roadster, auszutesten, aber man kann nicht alles haben.
Ich stelle die Scheibenwischer manuell auf die höchste Wischgeschwindigkeit ein, da ich aufgrund des verfickten Starkregens nicht einmal mehr die verdammte Fahrbahnmarkierung sehen kann. Zudem drossele ich die Geschwindigkeit, indem ich den Fuß vom Gaspedal nehme. Doch auch die Verringerung des Tempos ändert nichts an den beschissenen Sichtverhältnissen. Der Asphalt ist klatschnass und deswegen verflucht rutschig.
Die Sonne ist mittlerweile untergegangen, weshalb die Scheinwerfer meines Lamborghini die einzigen Lichtquellen sind. Straßenlaternen gibt es hier draußen keine, weswegen es umso schwieriger ist, dem Verlauf der Straße zu folgen und in der Spur zu bleiben. Da ich die Karre nicht auf ihrer Jungfernfahrt zerlegen will, fahre ich, entgegen meinem sonstigen Fahrstil, mit besonders viel Bedacht. Vorausschauend tippe ich auf das Gaspedal, wenn es die Straßenführung zulässt, und verringere die Geschwindigkeit, wenn ich mich einer Kurve nähere. Ich habe sogar das Radio ausgeschaltet, um mich besser konzentrieren zu können.
Dummerweise verschätze ich mich trotzdem in einer Kurve und bremse viel zu spät ab. Innerhalb eines Bruchteils verliert der Wagen die Bodenhaftung. Ich versuche, noch irgendwie gegenzulenken, als das Fahrzeug aufgrund des verfickten Aquaplanings zu schlittern beginnt.
Um wieder Herr der Lage zu werden, gebe ich mein Möglichstes. In der Hoffnung, die Kontrolle über das Fahrzeug zurückzuerlangen, reiße ich das Lenkrad herum. Doch plötzlich beginnt sich alles zu drehen. Ich fühle mich wie ein nasses Kleidungsstück, das im Schleudergang durch die Waschtrommel gewirbelt wird, und verliere vollkommen die Orientierung.
Nach einer gefühlten Ewigkeit des Umherschleuderns sehe ich, dass mir, wie aus dem Nichts, ein großer Baum gefährlich näher kommt. Unaufhaltsam rutsche ich auf ihn zu. Da es kein Entkommen gibt, weil die Eiche nicht zur Seite springen wird, kneife ich instinktiv die Augen zusammen, spanne jeden Muskel in meinem Körper an und bete, dass das Auto doch noch irgendwie, bevor es mit dem Baum kollidiert, zum Stehen kommt. Pustekuchen. Kaum habe ich die Bitte gedanklich ausgesprochen, höre und spüre ich, wie der Lamborghini mit einem Knall gegen den Baum prallt.
Dann herrscht Stille.
Ich brauche einen Moment, um zu realisieren, was soeben passiert ist.
Alter Schwede, mir dröhnt der Schädel, als würde ihn jemand mit einem Presslufthammer bearbeiten, und ich fühle, wie kalte Schweißperlen meine schwitzige Stirn benetzen. Meine Atmung ist flach und ungleichmäßig, mein Herz rast wie verrückt. Allerdings habe ich keine Schmerzen.
Das Nächste, was ich bewusst wahrnehme, ist eine warme Flüssigkeit, die von meiner Augenbraue über meine Wange rinnt. Ich fasse mir ins Gesicht, wische mir mit dem Daumen über die Wange und schaue mir meinen Finger an. Es ist Blut. Mit noch heftiger pochendem Herzen will ich checken, wo das Blut herkommt, allerdings bin ich nicht in der Lage, mich auch nur einen Millimeter zu rühren. Mein verdammter Körper verweigert jedweden Befehl. Das liegt vermutlich daran, dass ich unter Schock stehe.
Stöhnend versuche ich, das Ausmaß des Unfalls abzuschätzen. Die Frontscheibe ist in tausend kleine Kristalle zersplittert, die Fahrertür ist nach innen hin eingebeult und eine pechschwarze, dichte Rauchwolke steigt aus dem Motorblock empor.
Fuck, meine neue Karre ist im Arsch!
Bevor ich mich weiter darüber ärgere, einen Wagen, der mich eine Viertelmillion Dollar gekostet hat, zu Schrott gefahren zu haben, sollte ich lieber versuchen, hier herauszukommen, ehe mir das Auto um die Ohren fliegt. Wenn ich in Sicherheit bin, kann ich mir noch immer selbst vorbeten, was für ein verdammter Vollidiot ich doch bin.
Weil der Qualm aus dem Motorblock immer dichter wird, starte ich einen Befreiungsversuch. Ich versuche echt alles, um mich irgendwie aus dem Sitz zu winden, doch es will mir nicht gelingen. Wie ein Irrer zerre und reiße ich an dem verdammten Sicherheitsgurt, doch er klemmt. Er will sich ums Verrecken nicht lösen lassen. Der Gurt sitzt so bombenfest in seiner Verankerung, dass ich keine Chance habe.
Die Hilflosigkeit, die sich in diesem Moment in mir breitmacht, bringt mich fast um, denn normalerweise habe ich immer alles unter Kontrolle: mein Sexleben, mein Privatleben und meine Karriere. Beim Basketball analysiere ich meine Gegner, um ihre Spielzüge zu durchschauen oder zu vereiteln. Das macht mich zu einem verdammt gefährlichen Verteidiger. Wenn mir die Kontrolle über die Defense entgleitet, frustriert mich das genauso wie die Situation jetzt. Jedoch kann man ein Basketballspiel, das auf Taktik und einstudierten Spielzügen basiert, nicht mit der jetzigen Lage vergleichen.
Bringe ich auf dem Feld nicht die Leistungen, die man von mir erwartet, werde ich ausgewechselt. Passiert dies, schmolle ich auf der Ersatzbank. Für jeden Profi- und Leistungssportler ist es die Höchststrafe, nur die zweite Geige zu spielen. Ob ich zu den Reservisten oder zur Starting Five zähle, habe ich ganz allein in der Hand. Hier wieder herauszukommen, hingegen weniger.
Ich hatte schon immer das Talent, sehr gut mit Bällen umgehen zu können. Bereits als kleines Kind habe ich mit meinem Dad in der Hofauffahrt bis zum Erbrechen das Körbewerfen geübt. Mein Wunsch, der beste Basketballer aller Zeiten zu werden, hielt mich motiviert. In der Schule waren mir Mathematik oder Chemie ziemlich egal, es zählte nur der Sportunterricht. Selbst wenn ich eine Grippe hatte, habe ich mich zum Training gequält.
Die harte Arbeit hat sich ausgezahlt. Ich gewann mit meinem Highschool-Team dreimal in Folge die Meisterschaft und machte so Talentscouts auf mich aufmerksam. Diese verschafften mir ein Sportstipendium für das College, wo ich nicht weniger glänzte. In meinem Abschlussjahr fegten wir jeden Gegner aus der Halle, alle Teams der Liga hatten Angst vor uns. Holy crap, das war ein verdammt geiles Gefühl.
Nachdem ich meinen Collegeabschluss in der Tasche hatte, lagen mir vier Angebote für ein Engagement in der NBA, der National Basketball Association, der höchsten und wohl anspruchsvollsten Liga der Welt, sowie zwei Offerten aus dem europäischen Ausland vor. Da es schon immer mein Traum war, einmal in meinem Leben im United Center in Chicago, das mit seinen knapp zweiundzwanzigtausend Sitzplätzen die größte Sporthalle der USA ist, für oder gegen die Bulls aufzulaufen, entschied ich mich dazu, hierzubleiben und mein Glück in der NBA zu versuchen.
Seit zwei Jahren trage ich nun schon das Trikot der Miami High Flyers und bin verdammt stolz darauf. Die High Flyers zählten lange Zeit zu den Underdogs der Liga, weil sie sowohl finanziell als auch personell schlechter aufgestellt waren als die meisten anderen Clubs. Doch das änderte sich schlagartig, als der Teammanager große Sponsoren gewinnen und einige geniale Verpflichtungen klarmachen konnte, die der Mannschaft zu Siegen verhalfen. Seitdem gehören die High Flyers zur Elite. Vorletztes Jahr gewannen wir sogar die Meisterschaft, was einem Ritterschlag gleichkommt. Der Titel half dem Club dabei, ernstgenommen zu werden. Niemand erinnerte sich länger an die ruhmlosen Jahre, sondern nur noch an die legendäre Season, die mit dem Gewinn der verdammten Meisterschale endete.
„Fuck! Fuck! Fuck!“, brülle ich aus voller Kehle und lehne mich in dem Sitz zurück, da es absolut keinen Sinn macht, weitere Befreiungsversuche zu starten. Der Gurt bewegt sich nicht einen Millimeter.
Weil ich verzweifelt bin, schlage ich mir beide Hände vor das Gesicht. Dabei stelle ich fest, dass auch diese voller Blut sind. Ob meine Hände verletzt sind oder ich vielleicht Schnittwunden an den Armen habe, ist mir vollkommen latte. Wichtig ist nur, dass ich hier wieder lebend herauskomme.
Ich fühle mich, als wäre ich in einem Albtraum gefangen, aus dem es kein Entkommen gibt. Am liebsten würde ich mit den Fingern schnippen und die Zeit zurückdrehen, denn dann würde ich jetzt meinen Hintern auf der Couch parken und mir eine Serie auf Netflix reinziehen. Aber das geht leider nicht. Auch wenn ich mich selbst zu beruhigen versuche, indem ich mir sage, dass ich bestimmt jeden Moment gerettet werde, gelingt es mir nicht, meinen Puls herunterzubringen. Vermutlich trägt die Tatsache, dass ich noch immer das knallende Geräusch der Kollision in meinen Ohren höre, nicht gerade zu meiner Entspannung bei.
„Komm verdammt noch mal wieder runter, Jordan. Reiß dich zusammen, denk nach und finde einen Weg, wie du hier herauskommst, bevor dir der verfickte Motor um die Ohren fliegt“, sage ich zu mir selbst.
Ich habe das Gefühl, dass jeden Moment mein verdammter Schädel platzt. Meine Schläfen pochen, mein Kopf dröhnt und meine Kehle ist staubtrocken. Außerdem ist mir saukalt, mein linker Arm schmerzt, und mir ist so kotzübel, als hätte ich die ganze Nacht durchgesoffen. Ich glaube, dass ich mich jeden Moment übergeben muss. Da mir plötzlich schwindelig wird, kneife ich für einen kurzen Moment die Augen zusammen.
Je ruhiger ich werde, desto deutlicher spüre ich die Schmerzen in meinem Schulter- und Oberarmbereich. Solche Schmerzen wie in diesem Moment habe ich noch nie zuvor gefühlt. Nicht mal, als ich mir das verdammte Kreuzband im Knie gerissen habe. Es fühlt sich an, als hätte mir jemand mit einer glühenden Klinge meine Schulter vom Rest des Körpers abgetrennt. Mittlerweile kann ich nicht einmal mehr einen klaren Gedanken fassen, weil der verdammte Schmerz das Einzige ist, an das ich denken kann.
Auf einmal wird mir heiß. Richtig heiß. Als würde mein Blut kochen. Mein ganzer Körper scheint in Flammen zu stehen. Und je wärmer mir wird, desto weniger spüre ich den Schmerz. Ich knirsche mit den Zähnen, weil ich meine Zähne viel zu fest aufeinanderpresse. Zeitgleich rinnt mir kalter Schweiß von der Stirn. Ich probiere, tief durchzuatmen, doch ich habe das Gefühl, dass nicht ausreichend Sauerstoff meine Lunge erreicht.
Während ich darum kämpfe, Luft zu bekommen, schießt mir plötzlich ein Gedanke in den Sinn: Was ist, wenn ich mir eine solch schwerwiegende Verletzung zugezogen habe, dass ich nie wieder Basketball spielen kann? Der Gedanke, meine Karriere wegen eines unachtsamen Moments beenden zu müssen, ist kaum auszuhalten. Der Sport ist mein verdammter Lebensinhalt. Sollte ich wirklich nie wieder einen Ball in den Händen halten, quer über den Court sprinten oder einen Korb werfen können, gebe ich mir selbst die Kugel.
Mit jedem Atemzug, den ich nehme, verschwimmen die Umrisse der Umgebung ein Stück weit mehr. Alles scheint sich zu verlangsamen, selbst der Rauch, der aus dem Motorraum aufsteigt. Ich werde müde und kann nicht verhindern, dass meine Augenlider zuklappen. Da ich aus weiter Ferne das Heulen von Sirenen höre, zumindest glaube ich das, versuche ich, mit aller Gewalt wach zu bleiben, doch mein Körper verfolgt einen anderen Plan.
Ich gebe den Kampf gegen die Müdigkeit auf und verliere das Bewusstsein. Während ich wegdrifte, fühlt es sich an, als würde mich eine dunkle Macht in einen Strudel aus Kälte, Schmerzen und Schwärze ziehen, um mich zu vernichten. In diesem Moment wird mir klar, dass meine Basketballkarriere wohl zu Ende ist.
Ich binde mir noch rasch die Haare zu einem Dutt zusammen und knöpfe meinen weißen Arztkittel zu, bevor ich die Personalumkleide im Keller des Krankenhauses verlasse, um meine Schicht anzutreten. Mit dem Aufzug fahre ich in die dritte Etage und gehe auf die Station. Da ich heute Frühdienst und letzte Nacht ziemlich schlecht geschlafen habe, gähne ich ununterbrochen. Bevor ich mich dazu in der Lage sehe, mich um meine Patienten zu kümmern, werde ich einen Kaffee im Schwesternzimmer trinken und mich parallel auf den neusten Stand von Klatsch und Tratsch bringen lassen. Die Mädels sind immer bestens informiert, was den Flurfunk betrifft.
„Einen wunderschönen guten Morgen, Chelsey. Alles gut bei dir?“, begrüßt mich Oberschwester Liah freundlich.
Wir duzen uns hier untereinander, weil wir eben nicht nur Kollegen, sondern eher so etwas wie eine große Familie sind. Das ist nicht auf allen Stationen so. Auf der Onkologie zum Beispiel, wo meine beste Freundin Kayla arbeitet, sind die Umgangsformen weniger zwanglos. Niemand würde je auf die Idee kommen, Kayla mit dem Vornamen anzusprechen. Mir gefällt es sehr gut, dass das bei uns anders ist. Denn in der Regel verbringe ich mehr Zeit mit den Kollegen als mit meinem Bruder oder meinen Freunden.
„Danke, alles bestens. Ich bin nur ein wenig müde, aber das wird eine Dröhnung Koffein gleich wettmachen“, erwidere ich und gehe zur Kaffeemaschine. „Was gibt es Neues? Ist während der Nachtschicht irgendetwas Spannendes passiert?“
„O ja, das kann man wohl sagen.“ Liah grinst bis über beide Ohren. „Wir haben einen prominenten Neuzugang.“
„Sprecht ihr über das heiße Schnuckelchen, das in Zimmer neunhundertzwölf liegt?“ Eine weitere Schwester kommt zur Tür herein. „Als ich ihn oberkörperfrei im Bett liegen sah, hatte ich voll die Schnappatmung. Halleluja, für das Sixpack braucht er definitiv einen Waffenschein. Ich hätte nichts dagegen, mich ausschließlich um Mr. Superhot zu kümmern. Bei seinem Anblick kann man ja nur ein feuchtes Höschen bekommen.“
„Und wenn er dann auch noch seinen Charme spielen lässt …“, fügt Liah schwärmerisch hinzu. „Gut für uns, dass er uns noch ein paar Tage erhalten bleibt, denn es hat ihn ziemlich übel erwischt. Er hat einen Trümmerbruch der Schulter sowie Frakturen der Elle und Speiche.“
Jetzt bin ich neugierig. „Wer ist denn der ominöse Adonis, von dem ihr so schwärmt?“
„Jordan James Lewis.“ Liah stöhnt seinen Namen mehr, als dass sie ihn sagt.
„Jordan Lewis? Der Basketballer?“, hake ich nach.
„Ganz genau, der Center der MiamiHigh Flyers“, bestätigt sie mir. „Findest du es nicht auch aufregend, einen so berühmten Patienten betreuen zu dürfen? Und einen so heißen dazu? Bestimmt bekommt er ganz viel Besuch von seinen Mannschaftskameraden. Ich werde ab sofort nur noch in hautengen Klamotten und topgestylt zur Arbeit kommen. Vielleicht springt dabei ja ein Date mit einem der Jungs für mich raus.“ Sie zwinkert mir zu.
„O ja, superaufregend“, sage ich keuchend, weil mir die Spucke wegbleibt.
Ich bin so geschockt, weil Jordan mein Freund ist. Ich meine, er ist nicht mein fester Freund, sondern ein sehr guter Kumpel. Ich habe ihn über meine Freundin Kayla kennengelernt, die seit knapp einem Jahr mit Jordans Mannschaftskameraden Aiden Turner liiert ist. Nachdem Aiden und Kayla ein Paar geworden waren, integrierten sie mich und Harlow, die dritte Lady in unserer Mädelsrunde, in die Clique rund um die Basketballer der High Flyers. Seither verbringen wir viel Zeit miteinander. Regelmäßig besuchen wir die Basketballspiele der Jungs oder hängen mit ihnen zusammen in ihren Apartments ab. Da ich selbst keine richtige Familie mehr habe, sind die Mädels und das Team der High Flyers eine Art Ersatzfamilie für mich geworden.
„Er liegt in Zimmer neunhundertzwölf, hast du gesagt?“, vergewissere ich mich noch einmal, woraufhin meine Kollegin nickt. Sofort stelle ich meinen Kaffeebecher zur Seite und verlasse das Schwesternzimmer.
Während ich über den Flur eile, piepe ich mit unserem hausinternen Notfallpager Kayla an. Bestimmt hat sie noch keine Ahnung davon, dass Jordan bei uns eingeliefert wurde, denn sonst hätte sie sich sicherlich schon bei mir gemeldet. Da ich nur weiß, dass er sich, bei was auch immer, Brüche zugezogen hat, muss ich mir selbst ein Bild von seinem Zustand machen.
Kurz bevor ich sein Zimmer erreiche, schneidet Kayla mir auch schon den Weg ab. „Alles gut, Süße? Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen, so kreidebleich, wie du bist.“ Sie legt mir eine Hand auf den Oberarm und streichelt darüber.
„Jordan … er ist hier … und ist … verletzt“, stammele ich, weil ich jetzt erst so richtig zu realisieren scheine, was Sache ist.
„Ich weiß, Liebes“, sagt Kayla und versucht, zu lächeln. „Ich habe es soeben von Aiden erfahren.“
„Was ist denn passiert?“, möchte ich wissen. „Hast du nähere Informationen?“
Kayla seufzt. „Laut Aiden ist Jordan mit seinem neusten Spielzeug, einem Lamborghini, unterwegs gewesen und hat aufgrund von schlechten Witterungsverhältnissen die Kontrolle über den Sportwagen verloren. Er geriet ins Rutschen und krachte gegen einen Baum. Sein großes Glück war es, dass er nicht zu schnell unterwegs war, aber trotzdem mussten ihn die Feuerwehrleute aus dem Wagen schneiden“, klärt Kayla mich ganz ruhig auf. „Ich konnte schon einen Blick in seine Patientenakte werfen. Doktor Young, der auch mich damals behandelt hat, hat ihn gestern Nacht operiert und die Frakturen mit Metallplatten stabilisiert. Der Eingriff verlief ohne Komplikationen.“
Erleichtert atme ich aus. Als ich das Wort Lamborghini gehört habe, habe ich mich innerlich für das Schlimmste gewappnet. So ein Sportwagen hat siebenhundertsiebzig PS unter der Haube und bringt eine Spitzengeschwindigkeit von dreihundertfünfzig Kilometern pro Stunde auf die Straße. Ich weiß das so genau, weil Brandon sich brennend für Luxuskarossen interessiert und mich bei jeder Gelegenheit mit Zahlen und Fakten bombardiert. Außerdem ist Jordan nicht gerade für eine zurückhaltende Fahrweise bekannt, denn er liebt den Nervenkitzel. Schon oft habe ich neben ihm auf dem Beifahrersitz gesessen und wollte ihm ins Lenkrad greifen oder für ihn bremsen, weil er ein verdammter Raser ist, der Überholvorgänge als sportliches Wetteifern ansieht. Vor meinem inneren Auge sah ich ihn deswegen bereits mehr tot als lebendig im Krankenhausbett liegen.
„Irgendwann bringt sich einer der Jungs mit seiner dämlichen Schwanzverlängerung um“, murre ich, weil alle im Besitz eines stark motorisierten Höllengeräts sind und sich den Film The Fast and the Furious viel zu sehr zum Vorbild nehmen.
„Wem sagst du das? Ich schwitze jedes Mal Blut und Wasser, wenn Aiden zu einer Spritztour aufbricht.“ Kayla verdreht stöhnend die Augen. „Ich vermute, dass Jordans Einlieferung der Grund war, weshalb du mich angepiept hast?“, möchte sie wissen, was ich mich einem Nicken bejahe. „Aiden ist bereits dabei, das Team und den Betreuerstab zu informieren. Leider kann ich dich nicht zu Jordan begleiten, weil ich gleich eine Patientin habe, die ihre erste Chemotherapie bekommt. Bei dir ist er aber in den besten Händen. Bitte halte mich auf dem Laufenden, Liebes, und lass dich nicht von ihm unterkriegen. Du weißt ja, wie anstrengend Männer sein können, wenn sie verletzt sind. Ich spreche da aus Erfahrung.“ Sie drückt noch einmal kurz meinen Arm, dann rauscht sie davon.
Ich stimme ihr voll und ganz zu. Männer leiden viel, viel mehr als wir Frauen. Als Aiden damals verletzt war, ist er eine unausstehliche Miesmuschel gewesen, die man nicht mal mit der Kneifzange anfassen konnte. Allerdings haben wir ihm die Launen nachgesehen, denn er hat eine verdammt schwere Zeit durchgemacht. Seine Karriere hing am seidenen Faden, aber zum Glück hat sich alles zum Guten entwickelt.
Mit leicht schwitzigen Händen gehe ich zu Jordans Zimmer und klopfe an die Tür. Als ich ihn unwirsch „Ja“ rufen höre, trete ich ein.
„Hi, Champ, wie geht es dir?“, frage ich ihn, lächele ihm zu und bemerke erst da, dass er nicht allein ist. Schwester Lucy sitzt neben seinem Bett.
„Ich war gerade mit dem Patienten im Gespräch“, giftet sie mich vorwurfsvoll an, als hätte ich ein romantisches Date der beiden gesprengt.
„Kein Problem, macht ruhig weiter. Lasst euch von mir nicht stören“, entgegne ich gespielt gelassen und nehme seine Akte an mich, die in der Halterung am Ende des Bettes steckt, um mir einen Überblick in Hinblick auf seine Verletzungen und der verordneten Medikation zu verschaffen. Allerdings kann ich mir einen kleinen Seitenhieb nicht verkneifen. „Wenn die Unterredung beendet ist, vergiss bitte nicht, den Blutdruck und die Temperatur zu messen sowie eine neue Elektrolytinfusion anzuhängen.“ Mit einem Nicken deute ich auf die leere Flasche, die sich am Infusionsständer befindet.
Ich habe nichts dagegen, dass sie sich mit ihm unterhält, solange die Arbeit nicht darunter leidet. Bei jeder anderen Kollegin hätte ich nichts gesagt, doch Lucy hat weder das Arbeiten erfunden, noch ist sie für ihre Professionalität bekannt. Ein paarmal wurde sie bereits für ihr grenzwertiges Verhalten gerügt, weil sie einem Patienten zu nahekam. Und Jordan passt genau in ihr Beuteschema: reich, gut aussehend, prominent. Mehr Kriterien muss ein Mann nicht erfüllen, um ihr zu gefallen.
„Keine Sorge, ich habe alles im Griff, Frau Doktor“, zischt sie und schaut mich bitterböse an. Könnten Blicke töten, würde ich auf der Stelle tot umfallen. „Würden Sie mir bitte Ihren unverletzten Arm reichen, Mr. Lewis?“, säuselt sie engelsgleich. „Es geht auch ganz schnell und tut überhaupt nicht weh. Ich bin sehr einfühlsam.“
„Ich würde Ihnen sogar mein Leben anvertrauen“, flirtet Jordan zurück.
„Sie kleiner Charmeur.“ Kichernd prüft Lucy seinen Blutdruck, misst die Körpertemperatur im Ohr und wechselt die Infusion aus. „Das war’s auch schon, Mr. Lewis. Wenn ich sonst nichts mehr für Sie tun kann, verlasse ich Sie wieder. Aber keine Sorge, ich schaue in ein paar Stunden noch mal nach Ihnen.“
Jordan schüttelt den Kopf, doch Lucy macht keine Anstalten, sein Zimmer zu verlassen. Wie ein liebeskranker Teenager, der seinem Idol gegenübersteht, himmelt sie ihn an. Ich kann verstehen, dass sie ihn mit ihren Blicken auszuziehen versucht, denn Jordan ist überaus attraktiv. Er ist über zwei Meter groß, hat kurze, dunkelbraune Haare und ebenso dunkle, fast schon schwarze Augen. Außerdem hat er ein ansehnliches Gesicht mit hohen Wangenknochen, einer geraden Nase und vollen Lippen. Rein optisch betrachtet, entspricht er mit seinen tätowierten Armen und Waden dem typischen Bild eines Bad Boys.
Sein gutes Aussehen mal ausgeklammert, ist Jordan überaus charismatisch. Er beherrscht die Kunst des Flirtens wie kein Zweiter. Mit seiner locker-lässigen Art schafft er es, jeder Frau das Gefühl zu geben, einzigartig zu sein. Er macht Komplimente, hat immer ein Lächeln auf den Lippen und ist nie um einen Spruch verlegen. Und gerade, weil er so verteufelt gut im Schäkern ist, liegen ihm die Damen in Scharen zu Füßen. Selten verlässt er eine Party ohne eine Begleitung für die Nacht. Hätte er keinen Schwanz, würde man ihn ganz gewiss als Flittchen bezeichnen. Da er aber ein Kerl ist, erntet er, zumindest von seinen Jungs, viel Anerkennung und Zuspruch für sein wildes Herumgevögele.
Ich bin gegen seinen Charme immun. Nicht, weil ich ihn nicht ultraheiß finde, denn zur Hölle, er ist Sex auf zwei Beinen, sondern weil er ein guter Kumpel ist. Mein unumgänglicher Grundsatz, nie mit einem Typen aus dem engeren Freundeskreis zu vögeln, neutralisiert seinen Sex-Appeal. Leider habe ich früher eine sehr schmerzliche Erfahrung machen müssen, die mich diese Entscheidung hat treffen lassen.
Zu Schulzeiten hatte ich eine unverbindliche Affäre mit einem guten Freund. Josh und ich waren uns einig, dass das mit uns nicht für eine Beziehung reicht, wir aber dennoch Spaß miteinander haben möchten. Als er dann irgendwann plötzlich doch mehr wollte, beendete ich die Liaison, weil ich seine Gefühle nicht erwiderte. Er reagierte anders als erwartet und bestrafte meine Entscheidung mit Ignoranz. Fortan war ich nur noch Luft für ihn. Wenn sich die Clique zum Spieleabend oder zum Feiern traf, schloss er mich aus den Unterhaltungen aus, antwortete einsilbig oder genervt auf meine Fragen und ließ keine Gelegenheit aus, um mich vor den anderen dumm dastehen zu lassen. Das sorgte für eine angespannte Stimmung innerhalb der Clique. Letztlich gab es nur einen Ausweg aus diesem Dilemma: Meine Freunde mussten zwischen ihm und mir wählen, woraufhin ich den Kürzeren zog. Das hat mich gelehrt, nie wieder in den eigenen Reihen zu wildern.
„Vielen Dank für Ihre Fürsorge, Schwester Lucy. Ich weiß es sehr zu schätzen, was Sie hier täglich leisten, und freue mich schon darauf, Sie später wiederzusehen“, sagt Jordan zu meiner Kollegin und reißt mich damit aus den Erinnerungen.
Wie ein Honigkuchenpferd grinsend, tänzelt sie aus dem Zimmer und lässt uns allein. Kopfschüttelnd schaue ich ihr hinterher. Nachdem die Tür ins Schloss gefallen ist, wende ich mich Jordan zu, in dessen Augen ich ein amüsiertes Blitzen registriere.
„Kein Grund zur Eifersucht, Honey. Du bist und bleibst meine unangefochtene Nummer eins.“ Er zwinkert mir zu.
„Eifersüchtig? Ich? Auf Lucy? Niemals! Du könntest nackt neben mir im Bett liegen und ich würde mir trotzdem lieber die Nachrichten im Fernsehen anschauen, als auf dich zu reagieren.“
Ich bin wirklich nicht neidisch, sondern megagenervt von ihrem unprofessionellen Verhalten. Zum einen gehört es sich nicht, eine Ärztin im Beisein ihres Patienten anzuzicken, und zum anderen war es völlig unangebracht, so ungeniert mit ihm zu flirten. Ich kann verstehen, dass ihre Hormone verrücktspielen, denn Jordan ist nun mal ein verdammter Augenschmaus. Aber das ist noch lange kein Grund, das Krankenhaus als Singlebörse anzusehen. Unsere Aufgabe ist es, uns um die Patienten zu kümmern. Freundlichkeit, Fürsorge und Hilfsbereitschaft sind vollkommen in Ordnung, albernes Herumgebalze ist hingegen ein No-Go. Hätte sie sich im Beisein eines Oberarztes so aufgeführt, hätte dieser ihr sofort eine Abmahnung erteilt.
Natürlich ist es eine Ausnahmesituation, wenn wir einen Prominenten hier haben, doch das rechtfertigt nicht ihr albernes Betragen. Das Personal hat keine Unterschiede zu machen; jeder Patient ist gleich. Ganz egal, ob ein Obdachloser, ein Handwerker, ein Jurist oder ein allseits beliebter und gefeierter Basketballer im Krankenbett liegt.
„Auf einen Versuch würde ich es durchaus gerne ankommen lassen“, witzelt er. „Ich wette eintausend Dollar darauf, dass du dich nicht eine Minute lang auf die Worte des Nachrichtensprechers konzentrieren könntest.“
„Ich werde gleich anordnen, eine Computertomografie bei dir durchzuführen, denn ich befürchte, dass dein hübsches Köpfchen bei dem Unfall weitaus mehr abbekommen hat als zunächst angenommen“, kontere ich.
„Soso, du findest mich also hübsch? Das nenne ich doch mal eine gute Grundvoraussetzung für einen Selbsttest.“
„Übertreib es nicht, mein Lieber. Ich sitze an der Quelle für Medikamente, mit denen ich dich leicht außer Gefecht setzen kann. Und ich bin nicht zimperlich, diese einzusetzen, solltest du mir zu frech werden.“
Jordan seufzt genussvoll. „Ich liebe es, wenn du dich dominant gibst, Baby. Dabei vermute ich, dass du im Bett eher den devoten Part innehast. Liege ich richtig?“ Schmunzelnd zieht er eine Augenbraue in die Höhe.
Ich verdrehe die Augen. „Jetzt ist der Moment gekommen, dich zu verlassen. Anstatt mich über meine sexuellen Vorlieben ausfragen zu lassen, sollte ich mich besser um die Patienten kümmern, die wirklich meine Hilfe benötigen. Dir scheint es ja schon wieder viel zu gut zu gehen.“
„Nein, bitte geh nicht. Mir geht es hundeelend. Ich habe ganz doll Aua. Und nur dein hübscher Anblick kann meine Schmerzen lindern“, veräppelt er mich.
„Es tut mir leid, aber dann wirst du jetzt wohl leiden müssen. Die Arbeit ruft. Ich bin sowieso nur hergekommen, um mich persönlich davon zu überzeugen, dass alles in Ordnung ist. Und ich habe nicht Eindruck, dass es dir an etwas fehlt. Bis später, du Spinner.“ Ich stecke seine Akte zurück in die Halterung und verlasse das Zimmer.
Dass Jordan ab und an mit mir flirtet, ist mir nicht neu. Eigentlich liebäugelt er mit jeder Person, die zwei Brüste und eine Vagina hat. Alter egal. Jedoch nehme ich seine Worte nicht ernst. Er macht das bloß, um mich aufzuziehen. Ich würde eintausend Dollar darauf setzen, dass er mich nicht halb so anziehend findet wie ich ihn. Denn ich entspreche nicht seinem üblichen Beuteschema. Jordan steht auf Frauen, die zierlich sind, einen üppigen Busen und dunkle Haare haben und zudem schweigsam sind. Außer mit dem entsprechenden Vorbau kann ich mit nichts weiter punkten.
Für eine Frau bin ich mit meinen einhundertfünfundsiebzig Zentimetern relativ groß, ich habe hellblondes Haar und bin alles andere als ruhig. Ich würde sagen, dass ich ein sehr aufbrausender Mensch bin, der immer das ausspricht, was ihm gerade durch den Kopf geht, und mit all diesen Eigenschaften kann Jordan nichts anfangen.
„Und? Ist unser Neuzugang nicht heiß wie die Hölle?“ Liah stupst mich in die Seite, als wir uns auf dem Flur begegnen. „Er ist das Gesprächsthema schlechthin auf der Station. Es wurden sogar schon Wetten abgeschlossen, wen er wohl am ehesten daten würde.“ Sie verdreht spektakulär die Augen. „Lucy steht ganz hoch im Kurs.“
„Dann wünsche ich ihr viel Erfolg.“
„Ich nicht, denn ich habe zehn Dollar auf dich gesetzt“, meint sie kichernd. „So eine hübsche Ärztin, wie du es bist, hat er doch ganz bestimmt auf dem Radar.“
Ich recke das Kinn vor. „Jordans Radar ist mir herzlich egal, denn es würde nie zu einem Date kommen. Wir sind gute Freunde. Sorry, Liah, aber die Kohle hättest du dir sparen können. Außerdem ist er überhaupt nicht mein Typ.“
Meine Kollegin stiert mich mit weit aufgerissenen Augen an. „Wie kann er nicht dein Typ sein? Bist du blind?“
„Ich werde bei Gelegenheit einen Optiker aufsuchen, um deine Theorie überprüfen zu lassen.“ Ich stimme in ihr Lachen ein und mache mich dann auf den Weg, um meine Arbeit zu erledigen.
Nervös warte ich darauf, dass die Visite endlich beginnt, die hoffentlich mit der Aussicht auf meine Entlassung endet. Ich bin mittlerweile schon seit zwei Wochen hier und habe so langsam die Schnauze gestrichen voll von dem Krankenhausfraß, den tristen weißen Wänden und dem blöden Herumliegen. Ich werde hier zwar königlich behandelt, sehne mich aber doch nach etwas mehr Privatsphäre. Entweder habe ich Besuch von meinen Jungs oder eine der Krankenschwestern ist zugegen, um mit mir zu flirten. Letzteres stört mich weniger, als mir ständig anhören zu müssen, wie viel Spaß das Training macht. Ich will meinen Körper auch endlich wieder fordern, was aber wohl noch eine Weile nicht gehen wird. Das frustriert mich zunehmend.
Anstatt so eine Dramaqueen zu sein, sollte ich lieber Gott dafür danken, dass der Unfall so glimpflich ausgegangen ist. Als ich nämlich im Wagen eingeklemmt war und meine linke Körperhälfte nicht mehr spürte, verabschiedete ich mich bereits gedanklich davon, je wieder Basketball spielen zu können. Dieser Gedanke war so verflucht schmerzhaft, dass ich mir wünschte, zu sterben. Der Sport ist nun mal mein Ein und Alles, mein verdammter Lebensinhalt. Mittlerweile kann ich nachempfinden, wie Aiden sich damals gefühlt haben muss, als sein Traum zu platzen drohte. Während man ihm die Knie zertrümmert hatte, muss ich nur mit gebrochener Schulter und gebrochenem Arm klarkommen. Und im Gegensatz zu ihm bin ich selbst schuld an meiner Lage.
Das Problem ist, dass ich Linkshänder bin. Wäre meine rechte Seite im Arsch, würde mir das weniger Kopfzerbrechen bereiten. Chelsey meinte, dass es noch einige Zeit dauern wird, bis ich wieder meiner Leidenschaft nachgehen und Bälle im Netz versenken kann. Das pisst mich mächtig an.
Das Einzige, das meine Zeit hier ein wenig erträglicher macht, ist meine Ärztin. Chelsey jeden Tag zu sehen, mildert die Umstände, nicht mit den Jungs trainieren zu können. Ich muss nämlich zugeben, dass ich sie scharf finde. Und das, obwohl sie nicht der Typ Frau ist, den ich sonst für ein heißes Abenteuer in Betracht ziehen würde. Sie entspricht nicht meinem Beuteschema. Ich stehe mehr auf den südländischen Typ mit dunklen Haaren, dunklem Teint und rehbraunen Augen. Und auch im Bett bevorzuge ich es heiß und feurig. Warum ich trotzdem auf sie abfahre, ist mir ein Rätsel. Kayla wäre da schon eher meine Kragenweite, doch sie ist tabu.
Ich glaube, ich stehe so sehr auf sie, weil sie eine ganze Menge zu bieten hat. Ihre weiblichen Rundungen sowie die faszinierenden eisblauen Augen mal ausgeklammert, ist sie auch charakterlich eine Wucht. Sie übt ihren Job mit so viel Hingabe aus, dass sich andere davon ruhig mal eine Scheibe abschneiden sollten. Außerdem kann man mit ihr richtig gut herumblödeln, man hat immer etwas zu lachen und sie ist nie um einen Konter verlegen. Genau wie ich.
Mit ihr vögeln würde ich allerdings nicht, auch wenn mich die Vorstellung durchaus reizt. Warum nicht? Weil ich auf keine Beziehung aus bin, denn bekannterweise fällt es Frauen schwerer als uns Kerlen, Gefühle und Sex voneinander zu trennen. Zumindest ist das die Erfahrung, die ich gemacht habe. Ich musste mir schon oft anhören, ein verficktes Arschloch zu sein, nur weil ich die Gefühle meiner Sexpartnerin nicht erwidern konnte. Dabei spiele ich immer mit offenen Karten und sage offen heraus, dass ich nur auf Sex aus bin.
Beziehungen kommen für mich nicht infrage, weil ich nur beschissene Erfahrungen gemacht habe. Vor zwei Jahren zum Beispiel habe ich mich auf etwas Festes eingelassen und bin postwendend auf die Schnauze gefallen. Wie wir Kerle nun mal sind, habe ich mich von einem hübschen Gesicht, geilen Titten und einem verdammt heißen Hintern blenden lassen. Da ich nur mit dem Schwanz gedacht habe, habe ich übersehen, dass sie mit unserer Beziehung nur ein Ziel verfolgte: schnellstmöglich in die Medien zu kommen.
Meine Ex hat meinen Bekanntheitsgrad ausgenutzt, um ihre Modelkarriere zu pushen. Sie hat jede Gelegenheit genutzt, um mit mir zusammen abgelichtet zu werden. Wenn wir zum Essen verabredet waren, bestand sie darauf, sich mit mir in einem Lokal zu treffen, in dem auch ganz bestimmt Reporter anwesend waren. Als sie irgendwann ausreichend Follower auf Instagram hatte und die Jobangebote von allein ins Haus flatterten, hat sie mich abgeschossen. Seither halte ich meine Bekanntschaften bewusst nur noch unverbindlich und unkompliziert, denn ich lasse mich nicht noch einmal ausnutzen.
Außerdem passt es nicht in meine momentane Lebensplanung, eine Frau zu finden, die mir unter die Haut geht. Mein Vertrag bei den High Flyers läuft nur noch für diese Saison. Die Aussicht auf eine Vertragsverlängerung ist zwar gegeben, aber ich habe noch ein paar Alternativen in der Hinterhand, die ich durchaus interessant finde. Im Leben eines Profisportlers gehören ständige Wohnortwechsel zum Business. Hätte ich eine Freundin, wäre ich weniger flexibel, denn ich könnte von meinem Mädchen nicht erwarten, dass sie ihr Leben dem meinen anpasst und mich auf alle sportlichen Stationen begleitet.
Momentan befinde ich mich auf dem Höhepunkt meiner Karriere. Körperlich war ich, zumindest bis zu meinem Unfall, topfit. Meine Werbedeals mit IceTonic, einem Hersteller isotonischer Getränke, und Under Armour, einer Unterwäsche-Luxusmarke, laufen grandios. Und da mein Marktwert im Moment ziemlich hoch ist, locken mich auch neue Teams mit Hammerangeboten.
Als es an meiner Zimmertür klopft, setze ich mich auf und kurz darauf tritt die sehnsüchtig erwartete Delegation an Weißkitteln ein. Chelsey ist eine von ihnen.
„Guten Tag, Mr. Lewis. Wie geht es Ihnen? Haben Sie noch Schmerzen?“, fragt mich Oberarzt Young, der mich aufgeschnitten und wieder zusammengeflickt hat.
„Mal mehr, mal weniger.“
„Ihre Brüche waren sehr kompliziert, weshalb die Schmerzen Sie noch eine Weile begleiten werden. Wir mussten Ihnen eine Metallschiene zur Stabilisierung der Elle implantieren sowie die Schulter mit Drähten fixieren. Wie Sie bereits wissen, verlief die Operation komplikationslos, weshalb ich sehr zuversichtlich bin, dass Sie, ohne an Mobilität einzubüßen, vollständig genesen werden. Allerdings erfordert der Heilungsprozess Zeit und umfassende physiotherapeutische Maßnahmen.“
Ich kann die Leier nicht mehr hören. Bei jeder Visite bekomme ich das Gleiche vorgebetet. „Mich interessiert nur, wann ich nach Hause darf und wieder Basketball spielen kann.“
„Die gute Nachricht ist, dass wir Sie übermorgen entlassen können. Wann Sie den Profisport wieder aufnehmen können, kann ich Ihnen hingegen nicht prognostizieren. Jeder Körper schlägt unterschiedlich auf die Therapie an. Einige brauchen mehr Regenerationszeit, andere weniger. Wenn Sie keine weiteren Fragen haben, sehen wir uns morgen zur Abschlussuntersuchung wieder.“
„Wie läuft das mit der Physiotherapie ab? Suche ich mir eigenständig einen Therapeuten oder komme ich dafür ambulant hierher?“, will ich wissen.
„Ganz, wie Sie möchten“, erwidert der Doc. „Sie können selbstverständlich gerne unsere Dienste in Anspruch nehmen. Die Hauptsache ist jedoch, dass Sie schnellstmöglich mit den Rehamaßnahmen beginnen.“
„Ich würde es sehr begrüßen, wenn mich Miss Harper weiterhin betreuen könnte.“ Ich zwinkere Chelsey zu, die mich skeptisch mustert.
„Es tut mir leid, Jordan, aber das geht nicht. Ich bin Orthopädin und keine Physiotherapeutin“, legt sie ihr Veto ein. „In medizinischen Belangen stehe ich dir aber gerne weiterhin zur Verfügung.“
„Warum eigentlich nicht?“, nuschelt Doktor Young. „Chelsey, im Hinblick auf deine bevorstehende Facharztprüfung wäre es sicherlich nicht verkehrt, wenn du deine Kenntnisse im Bereich Physio ein wenig auffrischst. Zumal die Sportmedizin ein essenzieller Teilbereich deines Examens ist. Professor Richards, der ehemalige Leiter des Health Grade Center für Sportunfälle, wird im Prüfungsausschuss sitzen. Wenn du ihn mit Fachkenntnissen beeindruckst, ist das die halbe Miete.“
Eigentlich sollte der Vorschlag nur ein Scherz sein, um Chelsey abermals ein wenig zu foppen. Während meiner zwei Wochen hier habe ich irgendwie Gefallen daran gefunden, sie zu necken. Dass ihr Boss den Joke für bare Münze genommen hat, damit konnte ich nicht rechnen. Stören würde es mich allerdings nicht, wenn sie mich betreut, denn ich verbringe gern Zeit mit ihr. Und die Aussicht darauf, ihre Hände während einer Schultermassage auf meiner Haut zu spüren, ist nicht die schlechteste.
„Dann ist es hiermit beschlossene Sache. Ich mache die Therapie bei Miss Harper“, sage ich schnell, bevor Chelsey einen weiteren Einwand äußern kann. „Ich verspreche Ihnen, dass das keinen Nachteil für Ihr hervorragendes Krankenhaus sein wird, Doktor Young, denn ich werde überall für Ihre Abteilung und die erstklassige Betreuung werben.“
Mit großen Augen und einem breiten Grinsen im Gesicht nickt Doktor Young zustimmend, erklärt meine Visite für beendet und die Gruppe verlässt nach und nach mein Zimmer.
Bevor Chelsey durch die Tür geht, dreht sie sich noch einmal zu mir um und wirft mir einen bitterbösen Blick zu, der selbst die Hölle zum Gefrieren bringen könnte. „Das wirst du mir büßen, Jordan. Ich habe Wichtigeres zu tun, als meine Zeit mit Dingen zu verschwenden, die nicht in meinen Kompetenzbereich fallen.“ Ihre Nasenlöcher sind weit aufgebläht. Wäre sie ein Drache, würde sie nun Feuer speien.
Ich verstehe gar nicht, warum sie so angepisst ist. Dieses Arrangement kommt doch auch ihr zugute. Einerseits helfe ich ihr bei der Prüfungsvorbereitung und andererseits ist es die beste Werbung für das Krankenhaus. Es ist nun mal so, dass der Ruf eines Hospitals das A und O ist. Wenn die Leute hören, dass das Mercy Hospital mich wieder fit bekommen und erstklassige Arbeit geleistet hat, werden die Patienten ihnen die Bude einrennen.
„Ich freue mich schon drauf. Bitte nimm mich ganz hart ran, denn darauf stehe ich“, treibe ich es noch weiter auf die Spitze.
„Darauf kannst du Gift nehmen. Ich schwöre dir, dass ich dich leiden lasse“, entgegnet sie schnaubend, schreitet aus meinem Zimmer und lässt die Tür lautstark hinter sich ins Schloss fallen.
Schmunzelnd lehne ich mich zurück und feile gedanklich schon an der nächsten Aktion, um sie zur Weißglut zu treiben. Ich liebe die kleinen Neckereien, mit denen wir uns gegenseitig aufziehen. Vor ein paar Tagen, als sie Nachtdienst hatte und nach mir sah, tat ich so, als hätte ich einen Schwächeanfall. Bevor sie Hilfe anfordern konnte, löste ich den Gag auf. Als Rache für meine Showeinlage mischte sie mir Chilipulver in meinen Frühstückskaffee, woraufhin ich einen Liter Milch exen musste.
Als es an meiner Zimmertür klopft, richte ich mich auf und stelle mich auf das nächste Wortgefecht mit ihr ein. „Willst du es mir jetzt schon hart besorgen?“, frage ich, weil ich fest damit rechne, dass Chelsey zurück ist, um mir den Marsch zu blasen.
„Alter, geht’s noch? Ich bin nicht schwul. Wenn du es so nötig hast, dann besorg es dir gefälligst selbst“, höre ich meinen Teamkollegen Carl sagen. „Ist das hier ein Krankenhaus oder ein Puff?“ Er schaut mich belustigt an. „Und was ist mit Chelsey los? Als ich ihr gerade im Flur begegnet bin, murmelte sie etwas davon, dass sie dich kastrieren will.“
„Chelsey wurde von ihrem Boss dazu verdonnert, meine Physiotherapie zu betreuen.“
„Oha, nun verstehe ich, warum sie dir die Kronjuwelen abschneiden will.“ Carl lacht. „Lass mich raten. Du bist nicht unschuldig daran, dass sie dich noch länger an der Backe hat.“
Ich blicke ganz unschuldig drein. „Vielleicht.“