Dunkelgrün fast schwarz - Mareike Fallwickl - E-Book + Hörbuch

Dunkelgrün fast schwarz E-Book und Hörbuch

Mareike Fallwickl

5,0

Der Titel, der als Synchrobook® erhältlich ist, ermöglicht es Ihnen, jederzeit zwischen den Formaten E-Book und Hörbuch zu wechseln.
Beschreibung

Raffael, der Selbstbewusste mit dem entwaffnenden Lächeln, und Moritz, der Bumerang in Raffaels Hand: Seit ihrer ersten Begegnung als Kinder sind sie unzertrennlich, Raffael geht voran, Moritz folgt. Moritz und seine Mutter Marie sind Zugezogene in dem einsamen Bergdorf, über die Freundschaft der beiden sollte Marie sich eigentlich freuen. Doch sie erkennt das Zerstörerische, das hinter Raffaels stahlblauen Augen lauert. Als Moritz eines Tages aufgeregt von der Neuen in der Schule berichtet, passiert es: Johanna weitet das Band zwischen Moritz und Raffael zu einem fatalen Dreieck, dessen scharfe Kanten keinen unverwundet lassen. Sechzehn Jahre später hat die Vergangenheit die drei plötzlich wieder im Griff, und alles, was so lange ungesagt war, bricht sich Bahn – mit unberechenbarer Wucht. Mareike Fallwickl erzählt von Schatten und Licht, Verzweiflung und Sehnsucht, Verrat und Vergebung. Ihr packendes Debüt bringt alle Facetten der Freundschaft zum Leuchten, die Leidenschaft, die Sanftheit – und die Liebe, in ihrer heilsamen, aber auch funkelnd grausamen Pracht.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 567

Das Hörbuch können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS

Zeit:13 Std. 28 min

Sprecher:Julia Preuß
Bewertungen
5,0 (4 Bewertungen)
4
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.

Beliebtheit




Drei Freunde, verstrickt in einem Netz aus Liebe und Abhängigkeit.

Raffael, der Selbstbewusste mit dem entwaffnenden Lächeln, und Moritz, der Bumerang in Raffaels Hand: Seit ihrer ersten Begegnung als Kinder sind sie unzertrennlich, Raffael geht voran, Moritz folgt. Moritz und seine Mutter Marie sind Zugezogene in dem einsamen Bergdorf, über die Freundschaft der beiden sollte Marie sich eigentlich freuen. Doch sie erkennt das Zerstörerische, das hinter Raffaels stahlblauen Augen lauert. Als Moritz eines Tages aufgeregt von der Neuen in der Schule berichtet, passiert es: Johanna weitet das Band zwischen Moritz und Raffael zu einem fatalen Dreieck, dessen scharfe Kanten keinen unverwundet lassen. Sechzehn Jahre später hat die Vergangenheit die drei plötzlich wieder im Griff, und alles, was so lange ungesagt war, bricht sich Bahn – mit unberechenbarer Wucht.

Mareike Fallwickl erzählt von Schatten und Licht, Verzweiflung und Sehnsucht, Verrat und Vergebung. Ihr packendes Debüt bringt alle Facetten der Freundschaft zum Leuchten, die Leidenschaft, die Sanftheit – und die Liebe, in ihrer heilsamen, aber auch funkelnd grausamen Pracht.

»›Kommst du mit mir‹, wiederholte er, und Motz wusste, er würde überall hingehen mit Raf, hinein ins Dunkel, hinaus ins Ungewisse, über seine Grenzen, überall, überall.«

Für Edith Havel

INHALT

MORITZ

2017

MARIE

1986

MORITZ

2017

1991

2017

JOHANNA

2017

MARIE

1987

1982

1987

MORITZ

2017

1996

2017

JOHANNA

2017

2012

2017

2000

MARIE

1987

MORITZ

2017

2000

2017

JOHANNA

2017

2013

2000

2017

MARIE

1991

1993

1997

MORITZ

2017

1997

2017

JOHANNA

2017

2000

2017

MARIE

2000

2001

MORITZ

2017

JOHANNA

2017

MARIE

2001

MORITZ

2017

JOHANNA

2017

MORITZ

2017

1986

DANKE

MORITZ

2017

Mit der Fingerkuppe streicht Moritz über Alaska, das Muttermal unter Kristins Bauchnabel. Es ist dunkel und so groß wie ein Daumennagel. Am linken Rand sitzen winzige Leberflecke, sie beschreiben dieselbe Kurve wie die Aleutischen Inseln im Beringmeer. Das Muttermal sieht aus wie eine schiefe Sternschnuppe. Oder eine Sprechblase. Doch wenn Moritz es berührt, denkt er an Alaska. An behäbige Eisbären und Weiß in allen Schattierungen, Zinkweiß, Bleiweiß, verräterisch strahlendes Barytweiß. Kristin hat er das noch nie erzählt.

Moritz ist allein mit dem Bauch. Seine Fingerspitzen streicheln die Haut, er spürt, wie rau sie sind im Vergleich zur Haut, die überspannt ist, unnachgiebig, und doch weich. Er schiebt die Finger vorwärts, zentimeterweise, viel gibt es zu erkunden, er fühlt und er tastet und er staunt. Der Bauch pulsiert ganz leicht. Er ist lebendig, und seine Lebendigkeit schüchtert Moritz ein. Er kann sich nicht daran gewöhnen. Wie eine Leinwand ist die Haut, ein geglättetes Gewebe. Das Leben wird eine Geschichte malen, mit schwungvollen, kräftigen Pinselstrichen, niemals wird es zögern, eine Geschichte von schicksalhaften Tagen und zuckerfarbenen.

Er legt die Handfläche auf den Bauch und wartet darauf, dass das Baby boxt. Und das tut es. Mit seiner kleinen Hand oder einem Fuß, einem Ellbogen oder einem Knie schlägt es genau dorthin, wo er die straff gezogene, warme Haut berührt, es spürt die Wärme oder bewegt sich zufällig. Er kann es sehen. Der Bauch verbeult sich, bekommt Ausbuchtungen, die gleich wieder verschwinden. Da drin ist sein Kind.

In diesen Abendstunden, nachdem er Kristins Beine massiert hat und sie eingeschlafen ist, gehört der Bauch ihm. Das ist seine Zeit. Da gibt es nur sie beide, das Baby und ihn. Kristin nimmt nicht seine Hand, um sie auf eine bestimmte Stelle zu legen, sie forscht nicht in seinem Gesicht nach Emotionen, die er dann in seine Miene zu legen versucht, Stolz, Freude, Zuversicht. Es ist schwierig, die richtigen Gefühle zu zeigen und die falschen zu verbergen, ist das Gesicht erst einmal offen, vermischen sie sich, tricksen ihn aus, entwischen ihm.

Sie reden nicht laut miteinander, er und das Baby, eher innerlich, er erzählt dem Kind von den Farben und dem Schnee, der kommen wird, von den ersten Kirschen des Sommers und perfekt abgerundeten Kieseln. Es antwortet nicht, aber es ist da und hört ihm zu und boxt.

Kristin murmelt etwas im Schlaf, das er nicht versteht. Sie dreht sich auf die Seite, er legt ein Kissen unter ihren Bauch. Die Haut schimmert hell, durchscheinend fast. Sie hat ein paar wenige, feine Risse, die, wenn er sie aus der Nähe betrachtet, gezackt aussehen. Wie Aquarellblitze, aus unsicherer Hand geflossen. An rohen Strudelteig erinnert ihn die Haut, der milchig ist und zäh, dennoch überraschend dehnbar. Das Baby ist jetzt, in der fünfunddreißigsten Woche, fünfundvierzig Zentimeter groß und zweitausend Gramm schwer. Es ist ein Mädchen. Sein Mädchen. Im Oktober wird er Vater einer Tochter sein. Er hat diesen Gedanken ständig im Kopf und hat doch keine Vorstellung davon. Wie muss er sich verhalten im Moment der Geburt, wenn alles aufbricht und sich neu formt, wie kann er sich der Welle an Emotionen entgegenstemmen? Er erinnert sich an eine andere Welle, die ihn fortgespült hat vor langer Zeit. An trübes, schlackiges Wasser. An das trockene Knacken und die Stille. Er erinnert sich und erinnert sich nicht. Der Mensch besitzt das Talent, zu verdrängen, um nicht unterzugehen in altem Morast. Er spricht nicht darüber, er denkt nicht daran. Die Angst jagt er fort, das Leben wird nicht zweimal zuschlagen, sagt er sich, wird ihn nicht noch einmal an derselben Stelle treffen.

Ruckartig bewegt sich das Baby und reißt Moritz aus seiner Versunkenheit. Der Bauch hat eine große Beule auf der linken Seite, schief ist er und verbildet. Es sieht merkwürdig aus, fremdartig. Moritz nimmt die Hand weg. Es ist Zeit, Kristin zu wecken und ins Bett zu gehen. Die Uhr zeigt Mitternacht, Moritz ist müde. Er streckt sich und schaltet den Fernseher aus.

Da klingelt es an der Tür. Er fährt zusammen und wundert sich, wer das sein könnte, an einem Donnerstagabend, um diese Zeit. Wahrscheinlich hat sich jemand im Namensschild geirrt und die junge Nachbarin von gegenüber bekommt noch Besuch, die mit den schmutzigen Chucks und der ockerfarbenen Einsamkeit im Blick. Doch gerade, als er Kristins Beine von seinem Schoß nimmt, klingelt es erneut. Das Geräusch fährt hinein in die Stille wie ein Säbel. Er steht auf, geht zur Tür und öffnet sie.

Moritz erkennt ihn sofort. Er ist älter geworden, natürlich, und doch sieht er aus wie damals. Blondes, kurzes Haar, eisenblaue Augen, ein Lächeln, das Männer versöhnlich macht und Frauen ruhelos. In einer Hand hält er einen großen schwarzen Koffer, von seinem Jackett perlen Regentropfen.

Vor ihm steht Raffael.

Er ist sein bester Freund.

Sie haben sich sechzehn Jahre lang nicht gesehen.

MARIE

1986

Ich hatte vergessen, dass es die Sterne gibt. Ich stehe am Fenster und frage mich, wann ich sie zuletzt so deutlich gesehen habe, die Sterne, die in der Großstadt hinter den grellen Lichtern verblassen, und ich weiß es nicht. Mit dreizehn vielleicht, in meinem letzten Sommer bei Tante Grete auf dem Land, als ich in der Wiese gelegen bin hinter dem Hof, den Kopf voller Gedanken, die längst verjährt sind. In Wien habe ich die Sterne nicht beachtet, Wien leuchtet selbst viel zu hell, ich habe sie erahnen können in manchen Nächten, aus dem Augenwinkel, aber ich habe ihnen keine Aufmerksamkeit geschenkt. Jetzt sind sie da. Und sie sind näher als je zuvor. Ich staune, auf eine kindliche Art, ich spüre dieses Wundern in der Brust, ein Ziehen, ein Drängen. Der Sternenhimmel senkt sich herab auf mich, hüllt mich ein, macht mich schwindlig und leer, es fühlt sich gut an. Ich bin winzig im Vergleich zu dieser düsteren, mit Lichtfunken durchschossenen Unendlichkeit, durch Zufall an diesen Platz im Universum geschleudert. Ich habe keine Konturen, keinen Anfang, kein Ende. Es ist, als wäre ich verschmolzen mit der Dunkelheit, als zögen die Sterne mich zu sich, wo ich eigentlich hingehöre.

In diesem Moment taucht eine Erinnerung in mir auf. Ich sitze auf dem Schoß meines Vaters, auf seinem Schaukelstuhl in der Ecke, und er erzählt mir etwas über Sternbilder, über Leo Minor, den Kleinen Löwen, und über Bootes, den Bärenhüter, er zeigt mir ihre Formen in einem dicken Atlas mit ledernem Einband und hellbraunen Seiten, ihre Farbe erinnert mich an den Milchkaffee, den er morgens trinkt. Er trägt einen kratzigen Wollpullover und umfängt mich mit seinen Armen, er tippt mit den Fingern auf die Bilder im Buch über Planetenkunde, ich bin hellwach und eingeschüchtert. Mehr als diese Namen fällt mir nicht mehr ein, und wenn ich jetzt am Himmel nach diesen Sterntieren suche, finde ich sie nicht. Es muss ein besonderer Moment gewesen sein, denn ich saß nicht oft bei meinem Vater, der meist vergraben war in seinen Büchern, und zwar allein. Zu diesen Büchern hatte ich keinen Zugang, zu ihm genauso wenig. Schmal waren seine Oberschenkel und knochig, aber ich saß still, um möglichst lang bleiben zu dürfen, nicht auf das Gewicht meines Körpers aufmerksam zu machen und den Augenblick hinauszuzögern, in dem er mich unter den Achseln nahm, hochhob, auf den Boden stellte und vergaß.

Moritz seufzt im Schlaf. Schlagartig saugt die Wirklichkeit mich an, die Müdigkeit drückt sich auf mich, meine Arme schmerzen vom Tragen der Kartons und Kisten. Mein Oberteil riecht nach Schweiß und Staub. Ich drehe mich um. Im Schlafzimmer gibt es nur einen leeren Schrank und das riesige Bett mit zwei getrennten Matratzen, auf dem Moritz gerade eingeschlafen ist, während ich ihm den Rücken gestreichelt habe. Er war aufgeregt und unruhig, wie wir alle, er ist den ganzen Tag mit seinem kleinen Koffer voller Malstifte und Spielzeugautos zwischen Haus und Umzugswagen hin- und hergelaufen, die Hose schmutzig, die Locken verschwitzt. Vor Erschöpfung ist er schnell eingeschlafen, ohne viel zu reden.

Seit ich Kinder habe, weiß ich, dass Wärme einen Geruch hat. Ein Kind riecht nach Wärme, vor allem an den Schläfen, am Haaransatz, es duftet nach einem Gefühl, für das es keinen Namen gibt, nach Weichheit, nach Vertrauen. Nie zuvor war mir so heiß wie mit einem Baby auf dem Bauch, das schläft, ohne sich zu bewegen, und dabei so viel Hitze ausstrahlt, dass meine Haut nicht weiß, wohin damit. Ich nehme diese Hitze auf und fülle sie in meinen inneren Speicher. Seit ich Kinder habe, friere ich nicht mehr.

Es ist zu finster, um Moritz’ Gesicht zu erkennen, er atmet wieder gleichmäßig. Ich sehe mich im dunklen Zimmer mit den Bauernmöbeln um, von denen im Moment nur die wuchtigen Umrisse zu erkennen sind, und versuche probeweise, mich einzufinden. Noch habe ich keine zugehörige Empfindung. Das ist jetzt mein Zuhause, ich werde hier, wenn alles nach Plan läuft, sehr lange bleiben.

Ich schaue noch einmal aus dem Fenster. Die Sterne sind zurückgeschnellt in die Ferne, beeindruckend hell und doch wieder unerreichbar. Vielleicht hätte ich mir, einer alten Vorstellung der Menschheit zufolge, etwas wünschen können von ihnen, und es fühlt sich an, als hätte ich das versäumt. In die angenehme Losgelöstheit finde ich nicht zurück, die Erde hält mich erneut fest, ich höre die Geräusche um mich herum, ich spüre die Mauern, die mich umgeben. Den Pfeifentabak meines Vaters habe ich nicht mehr in der Nase.

Sophia wird gleich hungrig sein und weinen, Alexander wandert mit ihr auf dem Arm durch das Labyrinth aus Umzugskartons im Wohnzimmer, um sie abzulenken, bis Moritz schläft. Ich werde sie holen und mich mit ihr zu ihm legen, sie stillen und uns alle zudecken. Uns wird nicht kalt werden in dieser Nacht.

Moritz erkundet das Haus auf seine Art. Er ist ein Beobachter, ein Registrierer, ein Bemerker. Seit wir in der fremden Umgebung sind, fällt mir mehr denn je auf, dass er die Welt begreift, indem er sie mit den Augen studiert. Moritz öffnet die Tür zu einem Zimmer, bleibt stehen und schaut. Er betrachtet die Möbel, die Decke, die Fenster und bewegt sich nicht. Ich gehe mit der frischen Bettwäsche um ihn herum, ich berühre ihn nicht, lasse ihn versunken sein in seine Wahrnehmung. Er entscheidet selbst, wann er genug gesehen hat und sich wieder rühren kann. Es hat lange gedauert, bis er das Haus betreten konnte, er stand an der Schwelle und lugte hinein und war uns im Weg. Ich habe gelernt, ihn zu lassen, ihn nicht mehr hineinzuzerren ins Unbekannte, weil er dann schreit und weint, starr wird und sich zusammenkauert. Wenn er in ein Zimmer zurückkehrt, das er bereits kennt, lächelt er, dann legt er sich auf das ausgebeulte Sofa oder spielt mit den bunten Knöpfen aus der Kommodenschublade, dann ist er ruhig.

Wir räumen die Kisten aus, hängen unsere Kleidung in die Schränke, entsorgen Gerümpel und putzen alle Zimmer in dem Haus, das elf Jahre lang leer stand. An manchen Stellen sind Staub und Spinnweben fest verbacken, Asseln flüchten aus ihren Verstecken, in denen sie viele Jahre ihre Ruhe hatten. Ich reibe die Küche mit Essigreiniger ab, beim Kehren im Keller setze ich mir einen Jägerhut auf, der am Haken neben der Haustür hing, damit mir keine Spinnen ins Haar fallen. Alexander hat nur drei Tage Zeit, uns zu helfen, dann muss er zurück nach Wien an die Uni. Das Semester beginnt erst im Oktober, aber er hat wohl Arbeiten zu schreiben und Prüfungen abzulegen, womöglich will er auch allein sein. Er wird bloß gelegentlich hierherkommen, an den Wochenenden, zweimal im Monat vielleicht, mit dem alten Ford, den er dafür gekauft hat, in einem rostigen Rot und mit Dellen in den hinteren Türen. Ich habe gar keinen Führerschein.

Er bringt die alten Dinge, die seit Jahren niemand mehr berührt hat, zur Mülldeponie der Stadt unten im Tal. Zwei eingestaubte Gewehre findet er und vergilbte Fotos, auf denen Männer mit Backenbärten und finsteren Gesichtern ernst in die Kamera schauen, kaputte Fahrräder und eine ganze Reihe Einmachgläser mit Hollerkoch, Marmelade und Gurken. Sophia lege ich in die schöne Wiege aus Holz, die er in der Garage entdeckt, abgeschmirgelt und neu lackiert hat. Wir wissen nicht, wer sie gebaut und geschnitzt hat, wie alt sie ist. Freilich könnte Alexander seine Mutter fragen, aber das fällt ihm nicht ein. Sie selbst anzurufen, um über Dinge aus der Vergangenheit zu sprechen, die mich ihrer Meinung nach nichts angehen, wage ich nicht. Ich mache mir keine Illusionen. Sie hat sich etwas Besseres für ihren Sohn gewünscht. Sie hat das nie gesagt, aber es lag gut sichtbar in den vertikalen, verkniffenen Zügen um ihren Mund und in den schmalen Schatten unter ihren grauen Augen. Seit wir in das Haus auf dem Berg gezogen sind, haben Alexanders Eltern kein einziges Mal angerufen.

Wem auch immer die alte Wiege gehörte, Sophia fühlt sich wohl darin. Mich überkommt eine unerklärliche Wehmut, wenn ich das handgeschliffene Holz ansehe, weil die Zeit, während sie vergeht, alles mit sich zieht, bis nur Vereinzeltes übrig bleibt, ein abgelatschtes Paar Schuhe, ein Jägerhut, ein Foto mit gezacktem Rand. Ich kannte diese Menschen nicht und fühle mich ihnen dennoch verbunden. Meine Kinder sind mit ihnen verwandt, entstammen ihnen, es gäbe meine Kinder ohne sie nicht, nicht in dieser Form. Ich putze und entsorge, was sie hinterlassen haben. Und eines Tages wird das mit den Dingen geschehen, die von mir geblieben und niemandem mehr von Nutzen sind.

Das Haus ist alt, einstöckig und unterkellert, kein wuchtiger Generationenbau wie die Nachbarhäuser im Dorf. Wer hat es gebaut und wann? War zu wenig Geld vorhanden oder zu wenig Ehrgeiz? Hat Alexanders Großvater es geerbt oder gekauft? Ich habe so viele Fragen und niemanden, dem ich sie stellen kann. Alles, was ich weiß, ist, dass der Großvater hier gewohnt hat mit seiner Frau, nachdem er seinem Sohn die Praxis sowie die angrenzende Wohnung in der Stadt überlassen und sich zur Ruhe gesetzt hatte. Das Haus sollte seine Altersresidenz werden, auf dem Berg, im Grünen, mit einem Garten rundherum und dem Café nebenan zum Biertrinken und Kartenspielen. Auskosten konnte er das allerdings bloß ein paar Jahre. Sie sind bei einem Unfall gestorben, er und die Großmutter, auf dem Weg zum Nachmittagsspaziergang in Berchtesgaden, über die Böschung gestürzt mitsamt dem Auto. Im Krieg war er Sanitäter, das hat Alexander mir erzählt, danach hat er eine Auffangstation für Verletzte und Kriegsversehrte eingerichtet, er war kein Arzt, sondern Uhrmacher. Ich stelle mir vor, dass er weniger behandelt als vielmehr zugehört hat. Erst sein Sohn, Alexanders Vater, hat Medizin studiert und die ehemalige Anlaufstelle für Traumatisierte in eine HNO-Praxis umgewandelt. Alexander wird die Praxis übernehmen und in wenigen Jahren seinen Namen an die vorgesehene Stelle auf dem Messingschild setzen. Es muss schön sein, einen solchen Platz zu haben, einer Bestimmung zu folgen.

Ich stehe auf dem Balkon, der vom Schlafzimmer aus den Blick freigibt aufs Tal, das Salzburger Becken, weit unten schlängelt sich die Salzach durch ihr breites Bett. Ich habe nie aus einer solchen Höhe hinunter auf eine Landschaft und hinüber zum Horizont geschaut, ich komme mir erhaben vor, distanziert von der Welt. Auf dem Balkon genieße ich die Furcht, ich könnte hinunterstürzen, nicht auf die Straße, nein, ganz hinunter, ins Tal, in die Stadt, kilometerweit fallen, wie ein einziger langer Flug. Zwei bergige Buckel ragen auf der linken Seite auf, der Kleine und der Große Barmstein, und an klaren Tagen kann man dahinter Salzburg erahnen, die Stadt, die dann silbern leuchtet in der Sonne. Ich war noch nie dort. Auch das Haus am Dürrnberg habe ich zum ersten Mal gesehen, als wir mit unseren Habseligkeiten davorstanden, ich kannte nicht einmal ein Foto. Alexander hat die Tür geöffnet und mir den zweiten Schlüssel in die Hand gedrückt in einer seiner stummen Gesten, dann hat er alle Fenster aufgerissen, um den Muff nach alten Leuten zu vertreiben.

Er spricht nicht von seinen Großeltern, während er ihren Besitz sortiert und wegwirft, pragmatisch und unbeteiligt wie ein Fremder. Er war als Kind jeden Sommer für ein paar Wochen hier, und manchmal scheint ihm beim Ausräumen etwas einzufallen von damals. Ich beobachte, wie er an einer grauen Strickjacke riecht, bevor er sie in den Müllsack stopft, und wie er mit dem Fingernagel an den Saiten der Türzither zupft. In einem Album mit Leinenbezug kleben Bilder von ihm, sie zeigen ihn als blassen, fröhlichen Jungen, beim Unkrautjäten mit der Großmutter, mit himbeerverschmiertem Mund, auf einem Foto mit einer weißen Katze auf dem Arm. Alexander mit Murzel, Sommer 1969, steht in einer strengen Handschrift darunter. Die Großmutter sieht aus wie eine jener Frauen, die nur in seltenen Momenten milde lächeln. Ich habe das Album im Wohnzimmer ins Bücherregal geschoben, zwischen das Lexikon der Pflanzenkunde und einen Konsalik-Roman, um es mir anzuschauen, wenn Alexander fort ist. Er wirft sich den großen Müllsack über die Schulter. Die Türzither lässt er hängen.

Zwei Tage später geht Moritz an meiner Hand und schaut sich den Wald an. Er will nicht zeigen, dass der Wald ihm Angst macht, ich merke es trotzdem. Er bleibt stehen, geht in die Hocke und stupst einen Regenwurm an, der auf dem Waldweg liegt. Ein Kind an der Hand verlangsamt alles, jede Bewegung, auch das Schauen und das Denken. Das macht nichts, ich passe mich ihm an, ich habe Zeit. Wir sind noch nicht weit gekommen auf unserem ersten Spaziergang, haben gerade erst das Nachbarhaus passiert, in dem das einzige Café des Dorfs untergebracht ist. Die Gäste sind meist Touristen, die das Salzbergwerk besucht haben und danach herumwandern, bevor der Bus sie wieder ins Tal bringt, oder Pensionisten aus dem Kurhaus. Die Cafébesitzerin hat mir von ihrem Balkon aus zugenickt. Bisher hat niemand mit mir gesprochen. Im anderen Nachbarhaus, das am Hang ein wenig unterhalb von unserem klebt, haben sich ab und zu die Vorhänge bewegt. Ich weiß nicht, wie die Leute dort heißen.

Ich bin die Zugezogene, die Fremde, über die geredet wird im Dorf. Ich kenne das aus meiner Kindheit, wenn ich Tante Grete in der Steiermark besucht habe und die Klatschweiber über die Autokennzeichen der Besucher vor dem Pfarrhaus, über die neue Frisur der Dorfarztgattin und über die Abwesenheit meiner Eltern geredet haben. An Orten, an denen nie etwas geschieht, an denen ein Tag sich ohne Regung in den nächsten schiebt, ist jede Winzigkeit von Belang, und gibt es selbst eine solche Winzigkeit nicht, so wird sie sich ausgedacht, weitererzählt, aufgeblasen. Es stört mich nicht. Die Menschen brauchen ein bisschen Zirkus, um nicht zu verzweifeln an der Welt. Ich lächle jeden an, der mir begegnet.

Sophia habe ich ins Tragetuch gesteckt, das Carlotta mir geschenkt hat, und mir vor die Brust gebunden, »damit siehst du dann aus wie eine Afrikanerin«, hat Carlotta gesagt, »aber es soll sehr praktisch sein«. Und das ist es, weil ich die Hände freihabe für Moritz, auch wenn meine Mutter überzeugt ist, dass es nicht gut für meinen Rücken sein kann, ein Kind auf diese Art zu tragen. Ich habe Sophia schon vierzig Wochen in meinem Bauch transportiert, schädlicher wird es kaum sein.

»Tot«, stellt Moritz fest, stemmt sich wieder hoch und nimmt erneut meine Hand. Beim Weitergehen macht er einen großen Schritt über den vertrockneten Regenwurm.

Er ist vor knapp vier Wochen, kurz vor unserem Umzug, drei Jahre alt geworden, wir haben zu viert gefeiert, mit einem Rosinengugelhupf und einem Ausflug in den Böhmischen Prater, wo er sich nicht getraut hat, mit dem Karussell zu fahren. Moritz hat keinen einzigen gleichaltrigen Freund.

Wir sind bereits jetzt, drei Jahre vor Alexanders Abschluss, hierhergezogen, weil für vier kein Platz war in der Ein-Zimmer-Wohnung in Wien, und weil Moritz und Sophia sich einfinden sollen in dem Ort, an dem sie aufwachsen werden.

Am Telefon sagte die Kindergärtnerin, sie hätten nicht viele neue Kinder in diesem Jahr, drei oder vier, insgesamt seien es elf. Ich werde Moritz morgens um halb acht hinbringen und um halb zwölf abholen, das sind vier Stunden, zwanzig Stunden pro Woche, in denen wir nicht zusammen sind. Ich würge alle Gedanken, die ich mir gern darüber machen würde, ab, wenn sie anfangen, in mein Ohr zu flüstern. Er wird zurechtkommen müssen.

Ein leichter Wind lässt die Blätter rauschen, und mir kommt die Luft tatsächlich frischer vor als in unserer Siedlung in Wien, wo es draußen nach Abgasen und drinnen, im Treppenhaus, nach Urin gerochen hat. Der Waldweg führt bergauf und macht oben eine Kurve, dahinter liegt eine kurze asphaltierte Bahn, deren Zweck ich mir nicht erklären kann. Als Moritz mich fragt, was die halbe Straße mitten im Wald zu suchen hat, habe ich keine Antwort.

Hohe, mit Moos und kleinen Bäumen bewachsene Felsen türmen sich an den Wegrändern auf, und ich hätte Lust, hinaufzuklettern, den feuchten Stein unter den Fingern zu spüren und mit den Füßen nach Spalten zu tasten, um mich hochzudrücken. Ich würde das Gewicht meines Körpers mit meiner Kraft heben, mich vom festen Boden entfernen, ein Risiko eingehen. Es muss herrlich sein, dort oben zu stehen, unbeobachtet. Ich hätte ein anderer Mensch sein können mit einer Kindheit an einem Ort wie diesem.

Ich schaue hinauf, bis Moritz an meiner Hand zieht. Nach wenigen Metern öffnet sich der Wald zu einem Parkplatz. Wir haben das Kurhaus gefunden. Es ist groß und weiß, mit vielen Fenstern, aus denen hellgelbe Handtücher zum Trocknen hängen. Wir blicken uns um, niemand ist zu sehen. Die Stille ist wie Gelee, das in die Ohren rinnt und sie verschließt. Eine steile, einspurige Straße führt hinunter zur Kirche, gesäumt von einer Steinmauer und einem Gehweg mit Geländer. Es ist schön hier, auf jene idyllische Art schön, die es nur auf dem Land gibt, wo das Licht lieblich ist und das Rauschen der Wälder beständig. Bestimmt findet man Erholung in einem Dorf wie diesem, das aus Ruhe besteht.

»Hier ist überall ein Berg, Mama«, sagt Moritz, und er hat Recht, die Wege führen bergauf und bergab, nirgends ist es eben. Die Häuser verstecken sich in einer Ansammlung aus Hügeln und Hängen, Wiesen und Wäldern. Es ist ein anderes Gehen, ein bewussteres Gehen, kein Schlurfen, kein Schlendern. Wer sich hier fortbewegen möchte, muss sich anstrengen.

Die Kirche ist aus lachsfarbenem Stein, rosa fast, mit Weiß durchzogen, Turm und Schiff krönt ein Dach aus Blech. Sie ist schmucklos und schlicht, frühbarock, Ende des 16. Jahrhunderts erbaut. Man konnte sich einst in ihrem Marmor spiegeln, habe ich gelesen, so glatt poliert war er. Beim Anblick des verwitterten, ausgebleichten Steins kann ich mir das nicht vorstellen. In diesem Moment schlägt die Glocke ein einziges Mal, es ist Viertel nach zwei. Moritz geht vorsichtig am Geländer entlang, als wisse er nicht, wie sein Körper reagieren wird auf das Gefälle der Straße. Sie mündet in einen freien Platz vor der Kirche, auf dem eine große, schattenwerfende Linde steht, mit einer Sitzbank aus Holz rund um ihren dicken Stamm. »Von den Kindern der Volksschule gepflanzt zum hundertjährigen Hochzeitsjubiläum von Kaiser Franz-Joseph und seiner Sisi 1954«, steht auf einer kleinen, an den Stamm genagelten Tafel, ich lese es Moritz vor.

»Der Baum ist zweiunddreißig Jahre alt«, sage ich, und er schaut hinauf in die dunkelgrüne Baumkrone, ohne zu wissen, wie lang es dauert, bis so viele Jahre vergehen.

»Aha«, sagt er, dreht sich um und sieht sich die Häuser an. Schräg neben der Linde steht ein sehr kleines, weiß gestrichenes Häuschen, auf dessen Fassade in geschwungenen blauen Buchstaben der Schriftzug Marias Kramerladen aufgemalt ist. Heute ist Sonntag, das einzige Geschäft des Dorfs ist geschlossen. Hier gibt es Eier, Milch, Brot, Wurst und Zeitschriften zu kaufen, Mehl, Putzmittel und Damenbinden, alles, für das der Weg in die Stadt nicht lohnt, zumal der Bus nur ein paarmal am Tag ins Tal fährt. Moritz presst sein Gesicht an die Scheibe der versperrten Tür, aber sie ist aus Milchglas, das Innere ist nicht zu erkennen.

Das kleine Haus schmiegt sich mit seiner Hinterseite an die Mauer, die den Kirchhof umgibt. Die Kirche steht in ihrem eigenen Steinbruch, nah am Felsen, aus dessen Marmor sie gebaut ist, aber nicht nah genug, denn schon seit sie errichtet wurde, sinkt sie ab. Die Menschen haben sie nicht auf das Felsplateau, sondern daneben gestellt, zur Hälfte auf sandigen Grund, und wie alles, das kein solides Fundament hat, bricht sie auseinander. Ich suche nach Anzeichen dafür, dass das stimmt, und finde keine. Der berühmte Wallfahrtsort sieht alt aus und müde, aber gefestigt. Der Kirche gegenüber befindet sich das Pfarrhaus, es ist rosa gestrichen, daneben ein Postamt in blassem Grün, an dessen Rückseite, im selben Haus, der Kindergarten und die Volksschule untergebracht sind.

»Lass uns dorthin gehen«, sage ich und nehme wieder Moritz’ Hand. Sophia bewegt sich, verzieht das Gesicht, gähnt, schläft weiter. Ich schwitze unter dem Tragetuch, ihre Wärme überzieht meine Haut, mein Oberteil klebt durchnässt an meiner Brust. Die ungewohnte Stille dröhnt in meinen Ohren, immer wieder sehe ich mich nach einem Auto um, das nicht kommt. Wir sind noch keiner Menschenseele begegnet.

Bunte Malereien auf einer Holztafel an der Schulmauer zeigen die Bergarbeiter in ihrer Uniform aus weißen Hosen und schwarzen Jacken. Neunundzwanzig goldene Knöpfe sind darauf, weil diese Zahl dem Alter der Schutzpatronin der Knappen bei ihrer Hinrichtung entspricht, der heiligen Barbara. Ob die Schüler, die die Bilder gemalt haben, das wussten, kann ich an den Farbflecken nicht erkennen. Manche Figuren haben nicht einmal ein richtiges Gesicht. Die Malereien erzählen offenbar die Geschichte des Dürrnbergs und des weißen Goldes, wie das Salz genannt wurde, dieser Rohstoff, der Salzburg reich gemacht hat. Hall ist ein altes Wort für Salz, das hab ich vor unserem Umzug im Lexikon der Ortskunde gelesen, unter H für Hallein und Heilbad Dürrnberg, um mich wenigstens mit ein bisschen Wissen über den Ort, an den ich verpflanzt werde, zu wappnen. Mit der Verkleinerungsform -ein ergibt das für Hallein, so heißt die Stadt im Tal, den Namen »Kleines Salz«. Die Knappen haben dieses Salz unter Tage dem Berg abgerungen. Über Rinnen aus Holz wurde die Sole nach Hallein geleitet und dort aufbereitet, in Fässern hat man die wertvollen Kristalle anschließend über die Salzach verschifft. Ich habe noch mehr gelesen an jenem Montagvormittag, als ich mit Moritz und dem Schwangerschaftsbauch in die Wiener Stadtbücherei in der Zirkusgasse gefahren bin, wo er sich Die kleine Raupe Nimmersatt ausgeliehen hat. Aber es ist niemand da, mit dem ich mein Wissen teilen könnte.

»Wer hat das gemalt?«, fragt Moritz, und ich lese ihm die Inschrift vor: »Die Kinder der Volksschule mit Edith Havel, 1979.«

Moritz nickt, seine rechte Hand schwebt durch die Luft, als würde sie einen Pinsel führen, und ich muss lächeln. Er imitiert die Bewegungen, die nötig waren, um diese Figuren zu malen. Kurz streiche ich mit der Hand über seine dunklen Locken. Die grün-braunen Augen hat er halb geschlossen, ich zähle die Sommersprossen auf seiner Nase, es sind immer noch sieben.

Er will zum Spielplatz und zieht mich zu der steinernen Treppe. Ich öffne das kleine Tor und schrecke zurück. Vor der gelben Rutsche stehen eine Frau und ein Kind. Moritz drückt seinen Rücken an meine Beine. Die Frau hat uns gehört und dreht sich um, sie ist sehr schön. Auch sie hat ein Baby in einem Tragetuch, der Bub neben ihr ist im selben Alter wie Moritz, und für einen Augenblick fühle ich mich gespiegelt. Ich bin gebannt, ich kann nicht wegsehen, ihr blondes Haar fällt in so sanften Wellen über ihre Schultern, dass ihre Umrisse verschwommen wirken, als gehöre sie viel mehr zur Welt, als ich das je könnte. Ihre Augen sind blau oder grün, ihr Gesicht ist von bemerkenswerter Symmetrie, und wo ich dürr bin, sitzen Kurven an ihrem Körper.

»Entschuldigung«, sage ich ohne Grund, während sie mit einem gelassenen Lächeln an ihrer Zigarette zieht, den Blick auf uns gerichtet. Der Bub läuft auf Moritz zu und ruft »Servus«, packt ihn am Arm und nimmt ihn mit sich. Er ist genauso blond, seine Augen haben die helle Farbe eines Himmels, an dem gerade das Wetter umschlägt und Regen aufzieht. Er trägt nur eine kurze abgerissene Jeans, sein schmaler Oberkörper ist braungebrannt und sehr muskulös für ein Kind.

Moritz wendet den Kopf zu mir, sein Gesichtsausdruck schwankt zwischen Heiterkeit und Entsetzen. Er verschwindet mit dem Bub über die Anhöhe. Die Frau kommt auf mich zu, und obwohl ich den Drang verspüre, einfach wegzurennen, strecke ich ihr meine Hand entgegen. Sie schnippt die Zigarette zu Boden und tritt mit dem Fuß darauf, ohne hinzusehen. Ihre Hand ist warm.

»Ich heiße Sabrina«, sagt sie.

»Marie«, sage ich.

Sie bläst Rauch aus ihrem himbeerroten Mund, hält meine Hand zu lange fest.

»Das ist die Sophia«, sage ich und entziehe meine Finger, streichle das Babybündel auf meinem Bauch.

Sie beugt sich vor, um einen Blick auf Sophias Gesicht zu werfen, sie riecht nach Tschick und Lavendel.

»Samuel«, sie deutet auf ihr Tragetuch, »und Raffael«, sie macht eine Handbewegung hinter ihren Rücken, wo die Buben sind.

Sie trägt ein Millefleur-Kleid mit einem senffarbenen Unterton und Hunderten winziger Blumen, an den Füßen helle Sandalen, sie sieht aus wie eine der Frauen aus dem Otto-Modekatalog. Auf ihrer Nase und ihren Schultern tanzen Sommersprossen.

»Ich hab dich hier noch nie gesehen«, sagt sie und legt den Kopf schief, betrachtet mein Gesicht, lächelt wieder.

»Wir sind vor einer Woche hergezogen«, murmle ich, »in das Schartauer-Haus beim Keltencafé.«

Ich gehe die fünf Stufen aus Holz hinauf, sie folgt mir.

»Ah, du bist das«, lacht sie, »von dir reden eh schon alle.«

Sie legt ihre Hand an meine Hüfte, und ich zucke zusammen, wegen ihrer Worte, wegen ihrer Berührung.

»Ach«, entgegne ich einfallslos, »ja.«

»Na, denk dir nichts«, beschwichtigt sie mich und streicht mir über den Oberarm, »die Leut hier reden sowieso immer über jeden.«

Es fühlt sich an, als säße eine Spinne auf meiner Haut, genau da, wo ihre Finger sie gestreift haben.

»Aus Wien, nicht wahr? Und dein Mann studiert dort?«

Ich nicke und schaue zu den Kindern. Moritz sitzt auf der Schaukel, und Raffael schubst ihn an, viel fester, als ich es bisher getan habe. Moritz hat die Augen geschlossen und das Gesicht in die Sonne gestreckt. Seine Locken fliegen. Als Raffael uns sieht, sagt er ernst: »Motz und ich sind jetzt Freunde.«

Sabrina legt mir die Hand auf die Schulter.

»Das scheint ja gut zu passen mit den beiden«, sagt sie.

Ich nicke wieder, und der Schweiß, der sich unter Sophias Körper auf meiner Haut gesammelt hat, rinnt langsam über meinen Bauch.

»Ab morgen geht Moritz hier in den Kindergarten«, sage ich und deute zu dem grünen Haus unterhalb von uns. Sabrina strahlt und ruft: »Raf, dein neuer Freund geht morgen mit dir in den Kindergarten!«

Dann lacht sie erneut, während ich mich frage, ob ich keinen Funken Lässigkeit besitze. Mein Sohn findet, ohne sich anzustrengen, einen neuen Freund, mir ist es in fünfundzwanzig Jahren nicht gelungen. Für einen Augenblick fühle ich mich, als hätte er mich im Stich gelassen. Und wie schön wäre es, wenn wir Erwachsene uns verhalten könnten wie die Kinder. Wenn ich Sabrina anschauen und sagen könnte: »Lass uns Freunde sein«, ohne dass wir aus Höflichkeit diverse Stufen der Annäherung durchmachen müssten. Ich sehe sie von der Seite an. Ich würde gern zu ihr gehören. Ich würde gern anfangen.

Samuel wacht auf und fängt an zu brüllen, laut und durchdringend.

»Uh«, sagt Sabrina, »da hat aber einer Hunger.«

Sie hockt sich ins Gras, zieht das Tragetuch halb über ihren Oberarm, sodass sie Samuel seitlich legen kann, holt ihren Busen aus dem Kleid und drückt die Brustwarze in seinen Mund. Sie trägt keinen BH. Ihre Achselhaare sind dunkelblond, ihr Busen ist runder und praller als meiner. Das alles geht schnell, in einer einzigen fließenden Bewegung, ich schaffe es kaum, zweimal zu blinzeln, da trinkt das Kind schon gierig, und Sabrina lächelt mich unbefangen an.

»Wie alt ist Sophia?«, fragt sie.

»Zwei Monate«, antworte ich.

»Vier Monate«, sagt sie und streicht Samuel über die verschwitzten Haarwuschel. Sie schlüpft aus ihren Sandalen und streckt die Beine aus, ihre Zehennägel sind violett lackiert.

»Das scheint ja gut zu passen«, wiederholt sie und sieht mich forschend an.

Ich spüre den Blick bis ins Rückenmark, aber ich weiche nicht aus. Die Sonne scheint mir ins Gesicht. Ich schwitze, und ich habe Durst. Ich höre Moritz lachen. Dann setze ich mich neben Sabrina ins Gras.

MORITZ

2017

Raffael betritt die Wohnung, als wäre er hier zuhause. Er sieht sich nicht neugierig um, er kommentiert und fragt nicht. Stattdessen schlüpft er aus den Schuhen und der Jacke, stellt den Koffer ab. Moritz steht da, ohne sich zu rühren. Mit einem sanften Lächeln löst Raffael die Klinke aus Moritz’ Hand, drückt leise die Tür zu, als wüsste er, dass die alte Nachbarin nebenan einen leichten Schlaf hat, umarmt ihn dann. Der Geruch von Regen. Raffaels Dreitagebart schabt an Moritz’ Wange.

Raffael klopft ihm auf die Schulter.

»Es ist so gut, dich zu sehen.«

Bevor Moritz antworten kann, taucht Kristin im Türrahmen des Wohnzimmers auf, gähnt mit weit aufgerissenem Mund und schlägt erschrocken die Hand darauf, als sie den Unbekannten sieht. Raffael lächelt sie an.

»Ich wusste ja, dass sie schön ist, Motz«, sagt er, »aber so schön?«

Moritz beobachtet Kristin und ist überrascht. Schon lange hat ihre Farbe nicht mehr so geleuchtet. Vielleicht, als er sie kennenlernte, oder sogar noch nie. Für gewöhnlich ist ihre Präsenz leicht rötlich, ein schwaches Schimmern. Jetzt strahlt ihm ein intensives Pink entgegen, ein Luftballonrosa, das ihm zeigt, dass sie unsicher ist, aus dem Gleichgewicht gebracht.

Er hat sie Raffael gegenüber nicht erwähnt. Außer einem Facebook-Like unter einigen Fotos, einem Standardgruß zum Geburtstag im Messenger, und auch das nicht immer, hatten sie keinen Kontakt in den letzten Jahren. Keinen Brief, kein Gespräch und schon gar kein Treffen hat es gegeben. Er war aus seinem Leben verschwunden wie ein Schlüssel, der in den Gully fällt und dem man ratlos hinterherschaut, weil man weiß, dass man ihn nie wieder wird herausholen können. Woher hat Raffael diese Adresse, wer hat ihm gesagt, wo Moritz jetzt wohnt?

»Motz?«, fragt Kristin verwundert. Seinen Spitznamen hat sie noch nie gehört, kann ihn nicht gehört haben. Sie räuspert sich, als sie merkt, wie rau ihre Stimme ist, öffnet ihren Pferdeschwanz, streicht das lange blonde Haar zurück, bindet ihn neu. Sie trägt eine schwarze Jogginghose und ein ausgewaschenes Joy-Division-Shirt von Moritz, das unvorteilhaft über den Bauch hängt. Das ist sicher nicht das Outfit, in dem sie gesehen werden will. Schon gar nicht von einem wie Raffael, der den Eindruck macht, als hätte der Regen ihn nicht durchnässt, sondern bloß erfrischt.

Er nimmt Kristins Hand in beide Hände und hält sie, während er die Luft rechts und links von ihrem Gesicht küsst. Moritz sieht, wie das Pink Kreise bekommt, dunkler wird.

Raffael legt die Hände auf Kristins Bauch.

»Darf ich?«, fragt er, und sein Lächeln ist auch Moritz zugewandt, schließt ihn ein. Das bricht Moritz’ Starre auf, er greift Raffael an die Schulter, zieht an ihm, zieht ihn weg vom Bauch. Raffael gelingt es sofort, diese Geste nicht so forsch aussehen zu lassen, indem er sich ihr fügt, sie verwandelt in eine Art Umarmung zu dritt, als stünden sie in einem Kreis, wie Freunde, die nach einem Abschied erneut zusammenfinden. Nur hat es einen solchen Abschied nie gegeben.

»Verzeiht«, sagt Raffael in die intime Nähe hinein, »dass ich einfach so auftauche, unangekündigt und mitten in der Nacht. Das tut mir leid, das wollte ich nicht. Eigentlich hatte ich geplant, euch morgen oder übermorgen zu besuchen, und ich hätte natürlich vorher angerufen.«

Er lächelt sie beide nacheinander an, erst Kristin, dann Moritz.

»Aber?«, fragt Moritz unwirsch, was Raffaels Lächeln nur noch breiter macht.

»Aber das Hotel hat meine Reservierung verschlampt, und in den zwei anderen, in denen ich gefragt hab, war kein Zimmer mehr frei, also dachte ich, ihr würdet mich bestimmt nicht im Regen stehen lassen.«

Er streicht über sein Haar, zeigt die feuchten Finger und hebt entschuldigend die Schultern.

»Wenn ihr einen Schlafplatz für mich habt für eine Nacht, bin ich euch überaus dankbar.«

Er schaut Moritz an. Seine Augen sind immer noch wasserblau, ein tiefer See an einem stürmischen Tag, und sie spießen Moritz immer noch auf. Leichte Verzweiflung liegt darin, aber nicht zu viel, gerade richtig bemessen. Er trägt seine Bitte in einem Ton vor, der keine Ablehnung zulässt. Moritz hält dem Blick stand. Raffaels Augen durchdringen ihn. Sie gleiten über Stellen, die so lange niemand mehr gesehen hat. Das ist, was Moritz nie wieder spüren wollte. Das ist, was er vermisst hat.

»Selbstverständlich kannst du bleiben«, sagt Kristin, »du kannst auf der Couch schlafen. Freunde von Moritz sind immer willkommen.«

»Danke«, entgegnet Raffael schlicht.

»Auch wenn er sie noch nie erwähnt hat«, fügt Kristin hinzu mit einem Seitenhieb auf Moritz, der ohne sie anzusehen weiß, dass sie die Augenbrauen missbilligend hochgezogen hat. Er wird Fragen beantworten müssen heute Nacht, Fragen, die er lieber nicht gestellt bekommen möchte.

»Selbstverständlich«, sagt jetzt auch er, »die Couch lässt sich ausziehen.«

»Bitte macht euch keine Umstände«, wehrt Raffael ab, »ich schlaf auch auf dem Boden, ich bin völlig erschöpft. Ich stör euch nicht, ich schwör’s.«

Kristin geht ins künftige Kinderzimmer, um frisches Bettzeug zu holen.

»Sie ist der Hammer, Motz«, flüstert Raffael, und der alte Name fühlt sich auf Moritz’ Haut an wie eine kalte Hand, die erst nach einem Moment, durch den Kontakt, warm und vertraut wird. Raffael folgt ihm ins Wohnzimmer und schnalzt anerkennend mit der Zunge.

»Schon gut«, wehrt Moritz ab, »das ist sicher nicht der Luxus, den du gewohnt bist.«

»Bullshit«, sagt Raffael, »eure Wohnung ist super. Sehr gemütlich. So … individuell.«

Er zeigt auf die Fotowand neben dem Fernseher, wo ein Sammelsurium an Schnappschüssen und Erinnerungsstücken hängt. Moritz und Kristin auf einem Segelboot, in einem Burgerladen in Amsterdam, Sophia, als sie dreizehn war, das Hochzeitsbild von Kristins Eltern, das Post-it, auf dem Kristin Moritz ihre Nummer gegeben hat, damals, am letzten Abend des Business-English-Kurses. Es ist Moritz unangenehm, dass Raffael das sehen kann, dass alle, die ihm etwas bedeuten, so schutzlos ausgeliefert sind. Er macht zwei Schritte in Richtung Wand und stellt sich in Raffaels Blickfeld.

Die Wohnung ist geräumig, etwa hundert Quadratmeter aufgeteilt auf vier Zimmer, in einem alten Halleiner Gemäuer mit jenen dicken Mauern, die zu bauen die Menschen sich im 17. Jahrhundert noch die Mühe gemacht haben. Betritt man das Haus, schlagen einem Katakombengeruch und Kälte entgegen, die Kälte vieler Jahrhunderte, gespeichert hinter den schweren Türen. Kein Sonnenstrahl wird sie je vertreiben. Die Wohnung dagegen ist modern, sie wurde renoviert, bevor Moritz und Kristin vor drei Jahren hier eingezogen sind. Den verspielten Stuck, die schiefen Marmorfensterbänke und eine niedrige, gedrungene Holztür hat man belassen, das wird als Charme bezeichnet. Es ist ein Gebäude, das es viel länger gibt als Moritz und das es noch geben wird, wenn er längst fort ist, ein Gebäude, das sich nicht um ihn schert. Ihn, der neue Häuser baut, zieht es in alte Gemäuer. In denen die Ziegel wispern. In denen Geheimnisse durch die Luft flirren. Aus diesem Grund betritt er Kirchen, obwohl ihm der religiöse Bezug fehlt, setzt sich auf eine der harten Büßerbänke und atmet das Seufzen ein.

Kristin wirft eine Decke und ein Kissen auf die Couch, überzieht beides mit duftiger, hellgelber Bettwäsche. Die Neugier sitzt in den Blicken, mit denen sie Raffael ausweicht. Sie stellt ihm keine Fragen, auch nicht nach der merkwürdig dünnen Geschichte über das unzuverlässige Hotel, die er ihnen erzählt hat. Sie möchte entspannt wirken und cool, wie jemand, der wöchentlich fremden Besuch empfängt, seine Couch womöglich sogar im Internet anbietet. Ihre Zungenspitze lugt durch die Lippen, während sie sich auf die routinierten Handgriffe konzentriert. In solchen Momenten sieht sie aus wie ein kleines Mädchen, und Moritz bekommt eine Ahnung davon, wie ihre Tochter sein wird, selbstvergessen, frech, voller Sommersprossen.

»Tausend Dank«, sagt Raffael, »ich möcht euch nicht aufhalten, ihr wollt bestimmt schlafen gehen.«

Moritz zögert.

»Ich kann morgen sicher blaumachen«, sagt er dann, »freitags ist im Baugewerbe eh nicht so viel los.«

»Das wäre großartig«, sagt Raffael, »dann unternehmen wir was. Bisschen rumgurken. Wie in alten Zeiten.«

»Ja, gute Idee«, stimmt Kristin zu und unterdrückt ein Gähnen, »macht das doch.«

In der Stille breitet sich Verlegenheit aus.

»Das Bad ist dort vorn, die zweite Tür links«, sagt Kristin, »nimm dir, was du brauchst. Ich geh ins Bett, sorry. Gute Nacht.«

»Gute Nacht«, erwidert Raffael und lächelt. Moritz beobachtet ihn von der Seite. Er hat Falten bekommen, rund um die Augen, auch auf der Stirn, aber der Bub, den Moritz kannte, ist noch da. Raffaels Gesicht ist kantiger und schärfer als früher, nicht schmaler, nur deutlicher abgegrenzt. Jede seiner Bewegungen, seine Schritte, seine gesamte Haltung spiegeln seine Selbstsicherheit, und sogar die Arroganz, die in seinem stets dezent amüsierten Blick zu erkennen ist, ist anziehend. Er sieht aus wie einer, der das Leben leicht nimmt, weil das Leben es gut mit ihm meint. Man bekommt das Gefühl, etwas von dieser Leichtigkeit könnte abfärben, stünde man nur nah genug bei ihm.

Moritz und Raffael sind allein, und dies wäre der Moment, leise zu fragen, was das soll, was Raffael sich dabei denkt, einfach hereinzuplatzen, als hätten sie nie aufgehört, Freunde zu sein. Als wäre dies ein Ort, an den er kommen kann, jederzeit.

»Lass uns schlafen und morgen reden«, sagt Raffael.

Er sieht nicht müde aus. Er legt kurz die Hand auf Moritz’ Hand und berührt dabei die kleine Narbe an seinem Daumen, sicher nicht zufällig. Erinnere dich, sagt diese Geste stumm, wir haben es geschworen. Moritz zögert lange, nickt dann und geht ins Bad.

Er schließt die Tür, dreht das Wasser auf und trinkt aus dem Hahn. Er schaut in den Spiegel, Tropfen fallen von seinem Kinn. Was sieht Raffael in seinem Gesicht? Sieht er, was sich verändert hat? Moritz starrt sich an, bis seine Konturen verschwimmen. Er sucht nach dem Bub, der auch er einmal war. Kann Raffael ihn erkennen unter den Schichten der letzten sechzehn Jahre, findet er etwas Vertrautes? Und wer ist er eigentlich geworden in all der Zeit? Moritz’ Blick fokussiert wieder, kracht gegen die kalte Oberfläche des Spiegels. Seine dunkelbraunen Locken sind zu lang, die Augen braun, finsterbraun und erdig, mit dichten, sehr langen Wimpern, er sieht erschrocken aus und ratlos.

Er putzt sich die Zähne, pinkelt und lauscht. Es ist ruhig. Barfuß tappt er ins Schlafzimmer, schlüpft ins Bett und ist erleichtert, dass Kristin schon schläft. Lange liegt er wach und denkt an Raffael drüben im anderen Zimmer. Der Schlaf lässt sich bitten wie ein störrisches Kind, Moritz döst nur, und jedes Mal, wenn er hinübergleiten könnte in die Traumlosigkeit, reißt sein Körper ihn zurück, indem er unkontrolliert zuckt. Plötzlich ist er schlagartig hellwach, der Wecker zeigt 3.14 Uhr. Hat er sich Raffael in der nassen Jacke vor seiner Tür nur eingebildet, hat er das geträumt? Sein Herz rast, er hat Durst und steht auf. Leise überquert er den schmalen Flur, es ist dunkel und still. Die Wohnzimmertür ist angelehnt, er drückt sie vorsichtig auf, steckt den Kopf hinein. Und jetzt, ohne das Licht, kann er deutlich sehen, was er vorhin schon vermutet hat. Das Grün ist dunkler geworden, viel dunkler, tief und massiv, fast schwarz. Es füllt den Raum, bis an die Decke strahlt es. Einst war Raffael knospengrün, raupengrün, wie Zuckererbsen in ihrer frisch geöffneten Schote, an manchen Tagen limonenhell. Schwarze Flecken hat das Grün bekommen, wie Schimmel. Moritz steht da und schaut und kann doch, was er sieht, nicht verstehen. Etwas ist passiert. Er weiß, dass Raffael nicht schläft. Er erkennt es an den aufleuchtenden Spritzern, die durch das Grün schießen.

Keiner sagt ein Wort.

1991

In den Wald hineinzugehen, war jedes Mal eine Mutprobe. Doch vor Raf wollte Motz sich nicht anmerken lassen, dass er Angst hatte, und weil er das nicht wollte, war das Hineingehen leichter. Nur zwei Schritte, schon waren sie drin. Der Wald war nicht dunkel, nur braun, ein warmes, gatschiges, freundliches Braun, wie die helle Schicht im Ildefonso-Nougat, das er von der Gitti-Oma manchmal bekam. Die Mama durfte das nicht wissen, die erlaubte ihm keine Schokolade. Deshalb steckte Motz den Nougatwürfel immer ganz schnell in den Mund und ließ ihn schmelzen, obwohl er ihn lieber vorher ausgiebig betrachtet hätte.

An manchen Tagen lief das Braun vom Wald ins Grüne, an anderen ins Graue, aber er hatte noch nicht herausgefunden, wie der Wald sich dann fühlte. Erschreckend am Braun war nicht die Farbe, sondern dass es lebte. Es pochte und klebte, saugte ihn an, streichelte ihn. Der Wald meinte es nie böse mit ihm, der Wald tat ihm nichts, doch er war unberechenbar und groß. Der Wald schien alles zu wissen, auch Dinge, von denen man nicht wollte, dass die jemand wusste. Um später wieder rauszufinden aus dieser ihn umarmenden Masse, die, wenn er mittendrin stand, keinen Anfang hatte und kein Ende, hielt Motz sich an Raf, und darum war es schwierig, allein in den Wald zu gehen. Es war auch schwierig, allein in ein fremdes Zimmer zu gehen, aber zum Glück musste er das nicht mehr so oft, weil er inzwischen die meisten Zimmer kannte, die Räume in seinem Haus und in Rafs Haus, die Schule und das Keltencafé, Marias Kramerladen und die Wohnung von der Gitti-Oma. Stand er zum ersten Mal vor einer Schwelle, dann riefen die Gegenstände so laut und leuchteten, dass er die Augen fest zupressen und sich die Ohren zuhalten musste. Alles war hell und sprühte, Silber, Blau, Gelb und Rosa, es war ein Funkeln und Stieben. Dann schmeckte es nach Beeren oder nach Käfern, nach verbranntem Zucker, nach Moos. Meist wurde es besser, wenn er ganz lange ganz still stehen blieb. Dann beruhigten sich die Dinge, bis es gut war und er eintreten konnte. Von all dem wusste die Mama nichts, niemand wusste das. Früher hatte sie ihn oft hineingezerrt in die neue Umgebung, schimpfend und ungeduldig, und dann hatte er schreien müssen, auf den Boden gekauert, die Arme um den Kopf geschlungen, weil zu viel. Einfach zu viel. Irgendwann hatte er erkannt, dass die anderen die Welt nicht so wahrnahmen wie er. Er verstand nicht, warum das so war. Aber er konnte ihnen jetzt besser verzeihen.

Hinter ihm schloss sich das Waldbraun, Farn streifte seine Beine. Motz schnaufte laut, sein Herz hüpfte. Da nahm Raf seine Hand, Raf, der immer spürte, wenn die Angst kam. Mit Rafs Fingern an seinen wurde alles gut, die Zuversicht ging dann von Raf auf Motz über. Die Zuversicht war hellgelb, wie das Licht einer Glühbirne, und sie flackerte nie.

»Lass uns nachschauen, ob Spinnen in den Geheimbatz gefallen sind«, sagte Raf und zog ihn Richtung Baumhaus.

Das Baumhaus gab es schon ewig. Keiner wusste mehr, wer es gebaut hatte. Es gehörte immer mal wieder einer anderen Bande und eigentlich allen. Jeder schleppte an, was er fand, neue Bretter für die Außenwand, Micky-Maus-Hefte, aussortierte Kissen und rostige Messer. In einer kleinen Truhe gab es meistens was zu essen. Wer es nahm, füllte sie bei Gelegenheit wieder auf, wenn er sich unbemerkt zuhaus in die Speisekammer schleichen konnte oder ein bisschen Taschengeld hatte, um bei der Maria was zu kaufen. Motz legte immer die Bananen hinein, die seine Mama ihm als Schuljause gab und die er nicht essen mochte, weil der weiche Brei zu eklig war, um ihn zu schlucken. Manchmal trug er die Bananen so lang mit sich herum, dass sie dunkel wurden, dann machten sie Gatsch daraus. Eine dieser alten Bananen hatten sie vor ein paar Tagen mit Wasser vermischt, mit Erde, kleinen Steinen und zerrissenen Blättern, weil Spinnen das liebten, das hatte Raf gesagt. Sie wollten die angelockten Spinnen zerhacken und in den Gatsch rühren, um eine fürchterliche Waffe zu haben im nächsten Kampf gegen die Bande vom dicken Manuel.

»Wir schütten ihnen den Spinnentrank aus dem Baumhaus auf den Kopf, wenn sie raufklettern wollen«, erklärte Raf, »das haben die Ritter auch so gemacht in den Burgen.«

»Und dann?«, fragte Motz mit großen Augen.

Die Vorstellung grauste ihn so sehr, dass er eine Gänsehaut bekam, obwohl es August war und warm.

»Dann sind sie für immer markiert«, sagte Raf bestimmt, und obwohl Motz nicht wusste, was das bedeuten sollte, nickte er zufrieden.

»Verdammt«, murmelte Raf, als sie am Baumhaus ankamen.

Der Kübel mit dem Spinnenlockmittel war leer. Wenn Raf sich ärgerte, wurde sein Grün faserig, wie einzelne Stängel sah es aus, wie die zerrupften Kressespitzen auf der Küchenfensterbank von Motz’ Mama. Motz wurde dann nervös. Ein verärgerter Raf war ein Raf, vor dem man sich hüten musste. Das wussten alle Kinder.

»Wer hat das getan?«, fragte Motz.

»Weiß nicht«, grummelte Raf, »hast noch eine Banane?«

»Heut nicht, die Mama hat mir einen Apfel aufgeschnitten, den hab ich gegessen«, sagte Motz entschuldigend.

»Wir hätten den Kübel besser verstecken müssen, selber schuld.«

Sie setzten sich auf die Leiter, die zum Baumhaus hinaufführte, und ließen die Beine in der Luft baumeln. Die Langeweile der Sommertage war wie eine alles umwickelnde Folie, man konnte sich nur langsam bewegen darin. Aber im Wald war es wenigstens nicht so heiß wie auf der Wiese, die Baumwipfel bildeten ein Schutzdach, eine lebende Markise.

»Was wünschst du dir zum Geburtstag?«, fragte Raf.

»Malkreiden und Knickerbockerbandenbücher, und du?«

»Hm«, machte Raf, »hab schon ein ferngesteuertes Rennauto gekriegt. Und drei Kassetten. Und 500 Schilling.«

»Aber dein Geburtstag ist doch erst in fünf Tagen«, wunderte sich Motz, den bei der Erwähnung von so viel Geld der Neid in den Nacken biss.

»Na und, da ist der Papa sowieso nicht da, und ich lad auch niemanden ein«, sagte Raf und dann: »Wir haben fast gleich Geburtstag.«

»Das sagst du jedes Jahr.«

»Ist ja auch jedes Jahr so, du Depp.«

Motz zuckte mit den Schultern. Bald wären sie acht Jahre alt. Nur drei Tage waren sie voneinander getrennt, drei Tage, auf die er insgeheim stolz war. Das Einzige, was er Raf voraushatte.

»Hast ein paar Schilling?«, fragte Raf. »Wir könnten uns grüne Gummischlangen kaufen. Ist eh keiner da heute.«

Motz schüttelte den Kopf, sagte nichts. Eigentlich war Raf derjenige, der immer Geld dabeihatte. Und 500 Schilling hatte er doch auch grad gekriegt.

»Dann suchen wir die anderen, vielleicht sind sie beim Schnauferlhaus. Irgendwem können wir sicher was abknöpfen«, schlug Raf vor.

»Oder wir gehen zur Eisstockbahn«, sagte Motz schnell und machte eine Kopfbewegung in die Richtung, in der die asphaltierte Bahn im Wald lag. Er mochte es nicht, wenn Raf den anderen Kindern das Taschengeld wegnahm.

»Schau lieber nach, ob in der Truhe was zu essen ist.«

Motz kletterte die restlichen drei Sprossen nach oben und rutschte auf den Knien ins Baumhaus hinein. Er machte sich am Hakenschloss der Truhe zu schaffen. Sie war klein und aus Holz, ohne Schlüssel, dafür mit einem schmalen Eisenhaken, den man in ein Loch einhängte. Als Motz daran nestelte, ruschte er mit den Fingern ab und ritzte sich den Daumen auf, direkt unter dem Nagel.

»Scheiße«, fluchte er in den scharfen Schmerz hinein.

In der Truhe lag bloß eine leere, glitzernde Eiswaffelverpackung. Er kletterte wieder hinaus.

»Nix drin«, sagte er, »schau.«

Er hielt Raf den blutenden Daumen hin. Raf zog sein Taschenmesser aus der Hosentasche. Er klappte es auf und schnitt sich, ohne das Gesicht zu verziehen, in die Handfläche. Dann nahm er Motz’ Daumen und presste die Wunden aufeinander. Motz schnappte nach Luft, aber wehrte sich nicht.

Er sah zu, wie das Blut sich vermischte, seins und Rafs. Es brannte und tat weh. Raf schaute ihm in die Augen.

»Blutsbrüder«, sagte er, ohne zu lächeln.

»Was heißt das?«, fragte Motz.

»Dass wir jetzt mehr sind als Freunde. Wie verwandt«, sagte Raf und schaute ihn immer noch an. »Dass du mir gehörst.«

»Dass wir zusammengehören«, berichtigte Motz.

»Ja«, sagte Raf, aber Motz wusste, dass er es nicht so gemeint hatte.

2017

Als der Wecker klingelt, hat Moritz einen alten Traum im Kopf und ein drückendes Gefühl in der Brust. Kristin liegt nicht mehr neben ihm. Aus der Küche hört er das Klappern von Geschirr, und der Schreck durchsticht ihm das Herz. Er hastet hinüber. Ohne nachzudenken, reißt er die Wohnzimmertür auf und versucht, alles im Raum zugleich wahrzunehmen. Wie weit sind die beiden Körper voneinander entfernt, was machen sie, wie ist die Atmosphäre?

»Guten Morgen«, sagt Kristin.

»Guten Morgen«, echot Raffael und grinst ihn an.

Moritz fällt die Schminke in Kristins Gesicht auf. Sie hat sich hübsch gemacht an diesem Morgen, ihre Augen sind sorgfältig umrandet, einzelne Strähnen fallen aus ihrem Zopf, und Moritz weiß, dass sie dafür einen Lockenstab nimmt. Sie trägt ein dunkelblaues Blusenkleid, das sich in raffinierten Falten um den Bauch schmiegt. Dass sie sich solche Mühe gegeben hat, um den gestrigen Eindruck auszubügeln, ärgert und rührt Moritz gleichzeitig.

»Gut, dass du wach bist«, sagt sie, »du kannst gleich runtergehen zum Bäcker und Frühstück für dich und Raf holen.«

Er hat ihr also auch seinen alten Spitznamen anvertraut, die Abkürzung, unter der er früher im ganzen Ort bekannt war und in der gesamten Schule. Auch einen dritten Namen gab es, für noch jemanden, Jahre später, aber den hat Moritz in die Vergessenheit gelegt.

Raffael hat ein helles, italienisch geschnittenes Hemd an, dazu dunkle Jeans. Hat er geduscht? Ist er nackt durch Moritz’ Wohnung gelaufen, vorbei an Kristin? Es ist erst halb acht, wie lange sind die beiden schon wach? Moritz steht im Türrahmen, in Shirt und Unterhose, er macht sich lächerlich, und er weiß das.

»Okay«, murrt er, »muss ins Bad.«

Er dreht sich um und geht zurück ins Schlafzimmer, um sich anzuziehen. Die schwarze Jeans, die er immer trägt. Aber heute mit einem weißen Hemd. Er hört die beiden kichern, sie amüsieren sich bestimmt über seinen dämlichen Auftritt. Er fühlt sich wie ein Fußgänger auf einer stark befahrenen Straßenkreuzung, auf der die Autos aus allen Richtungen kommen.

»Beruhig dich mal«, sagt er und vermeidet den Blick in den Spiegel.

Er wäscht und rasiert sich. Angestrengt horcht er hinaus, doch von dem Gespräch zwischen Raffael und Kristin kann er nichts verstehen. Als er wieder hinübergeht, fühlt er sich gewappnet.

»Raf hat gerade erzählt, dass du oft in den Altpapiercontainer neben dem Pfarrhaus geklettert bist, um alte Kronenzeitungen zu suchen und die Nackerten rauszureißen«, sagt Kristin und lacht, »und dass ihr die Seiten dann für zwei Schilling vertickt habt, um euch Gummischlangen zu kaufen.«

Ihre Wangen sind gerötet, sie wirkt heiter und gelöst.

»Ich wusste gar nicht, dass du so ein Draufgänger warst«, fügt sie hinzu.

Moritz wühlt in der Erinnerung. Er weiß, wie der Altpapiercontainer ausgesehen hat. Es war Sommer, und sie hatten aufgeschlagene Knie. Der Schorf hat sich knubbelig angefühlt unter seinen ständig daran kratzenden Fingern. Aber ist er wirklich in das bauchige Metallding mit dem schweren Deckel geklettert? War das nicht Raffael? Er kneift die Augen zusammen, doch die Vergangenheit lacht ihn aus, lässt sich nicht greifen, gibt nur Einzelheiten preis.

»Die grünen Gummischlangen waren die besten«, sagt Moritz.

»Ich hab Raf unseren dritten Schlüssel gegeben«, sagt Kristin zu seinem Rücken, »damit er sich frei bewegen kann.«

»Ich hoffe, das ist in Ordnung für dich«, fügt Raffael hinzu.

»Wir verbringen den Tag doch eh zusammen, dachte ich«, sagt Moritz und trinkt einen viel zu heißen Schluck Kaffee.

»Jetzt geh endlich und hol für euch beide frische Semmeln«, trägt Kristin ihm auf und nimmt Butter und Marmelade aus dem Kühlschrank, »ich muss zur Arbeit.«

»Du solltest endlich aufhören zu arbeiten, du bist offiziell im Mutterschutz. Warum kommen die nicht ohne dich zurecht?«

Kristin winkt ab, sie haben das oft genug diskutiert in den letzten Tagen. Moritz sieht zu Raffael, der am Tisch sitzt, vor dem leeren Teller. Er lässt die beiden ungern allein in der Wohnung. Rasch geht er hinüber zu Kristin, zieht sie an sich und drückt ihr einen Kuss auf den Mund, streicht über den Bauch. Er ist sich sicher, dass das Lächeln von Raffael jetzt leicht spöttisch ist.

Draußen ist die Luft überraschend kühl, er fröstelt. Über das Kopfsteinpflaster klappern die Lieferwagen, überall öffnen sich die Haustüren, müde Menschen schlüpfen heraus. Der Bäcker ist nur wenige Schritte entfernt, vorbei am Blumenladen und der Bank. Während Moritz den Blick wandern lässt über die Häuser der Halleiner Altstadt mit ihren berühmten, hochgezogenen Fassaden und den flach geneigten Grabendächern, denkt er noch einmal an das Pfarrhaus, an den Altpapiercontainer. Daran, wie gut es war, ein Kind zu sein. Mit einem leichten, wendigen Körper und ohne das Gewicht einer Sorge durch das Schlupfloch im Zaun zu passen, durch den Wald zu jagen ohne ein Ziel. Erst jetzt, da er längst kein Kind mehr ist, weiß er die Freiheit zu schätzen, die er damals hatte. Ohne zu zögern, würde er zurückgehen in jene Jahre der silbernen Leichtigkeit.

Vom Bäcker nimmt er Semmeln und zwei Nussschnecken mit, weil er weiß, dass Raffael die gern isst. Oder früher gern gegessen hat. Den erwachsenen Raffael kennt er nicht. Sechzehn Jahre sind, wenn man Mitte dreißig ist, eine lange Zeit. Fast sein halbes Leben.

»Hallo?«, ruft Moritz, als er die Wohnungstür öffnet.

»Hej«, schallt es aus der Küche zurück, und Erleichterung durchflutet ihn. Im Flur Raffaels Schuhe. Er stellt seine daneben.

»Ich hab Nussschnecken mitgebracht«, sagt er.

»Geil«, antwortet Raffael.

Moritz geht in die Küche und setzt sich zu ihm an den Tisch. Sie haben keine Eile. Dieser ganze Tag, den sie zu zweit verbringen werden, liegt vor ihnen.

»Hast du gewusst«, fragt Raffael und legt das süße Gebäck auf einen Teller, »dass es den Gruß per Handschlag seit dem Mittelalter gibt? Damit hat man gezeigt, dass man keine Waffe führt.«

JOHANNA

2017

Raf ist fort. Der Regen spült in der Nacht die Scheiße von den Straßen, die Zeitungen schreien: Blut. Der Richter und seine Frau sind tot, Florenz ist in Aufruhr, wickelt sich in den Skandal, rätselt und tuschelt. Jo ist mittendrin. Schon oft ist Raf verschwunden, ist gegangen ohne ein Wort, und geblieben ist nur der Gestank ihrer Angst. Aber noch nie sind Leute dabei gestorben. Im Logbuch steht:

und wenn er sie umgebracht hat

und wenn er die Stille

und wenn ich nie wieder