Dunkle Schatten über Dorset - Regina Shadow - E-Book

Dunkle Schatten über Dorset E-Book

Regina Shadow

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Beschreibung

Es ist der ganz besondere Liebesroman, der unter die Haut geht. Alles ist zugleich so unheimlich und so romantisch wie nirgendwo sonst. Werwölfe, Geisterladies, Spukschlösser, Hexen, Vampire und andere unfassbare Gestalten und Erscheinungen ziehen uns wie magisch in ihren Bann. Moonlight Romance bietet wohlige Schaudergefühle mit Gänsehauteffekt, geeignet, begeisternd für alle, deren Herz für Spannung, Spuk und Liebe schlägt. Immer wieder stellt sich die bange Frage: Gibt es für diese Phänomene eine natürliche Erklärung? Oder haben wir es wirklich mit Geistern und Gespenstern zu tun? Die Antworten darauf sind von Roman zu Roman unterschiedlich, manchmal auch mehrdeutig. Eben das macht die Lektüre so fantastisch... »Wir kriegen dich, Susan. Wir kriegen alle!« Sie glaubte, leise flüsternde Stimmen zu hören, die durch das Fenster nach innen drangen. Sie versuchte wegzuhören, das unangenehme Gemurmel einfach zu ignorieren. Als ein besonders heller Blitz den Raum in bläuliches Weiß tauchte, hätte sie das Glas beinahe fallen lassen. Sofort danach nahm sie einen gewaltigen Schluck und schüttelte sich ausgiebig. Sie trank selten, und alleine die Tatsache, dass sie sich nun ein großes Glas genehmigte, verriet, wie verängstigt sie war. Dann warf sie einen Blick aus dem Fenster. Sie schrie, und das Glas fiel diesmal tatsächlich zu Boden. Ihr wurde kalt. Eiskalt. Von draußen starrte ihr ein eingefallenes, bleifarbenes Gesicht entgegen. Die Augen waren klein, schwarz, und obwohl sie tief in den dunklen Höhlen lagen, spürte Susan den Blick auf sich ruhen wie einen Scheinwerferstrahl aus Finsternis. Wasser lief in wilden Strömen über das moribunde Gesicht. Susan hörte auf zu schreien. Sie schluchzte nur noch. Und das Murmeln wurde lauter. Angus Mullen spannte die Pferde aus. Sein Tagwerk war getan und vor ihm erstreckte sich das Feld dem Niederwald und damit der Dämmerung entgegen. Erleichtert wischte er sich die hohe Stirn mit einem schmutzigen Leinentuch trocken.

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Moonlight Romance – 40 –

Dunkle Schatten über Dorset

Elisabeth schaut dem Tod ins Antlitz

Regina Shadow

»Wir kriegen dich, Susan. Wir kriegen alle!« Sie glaubte, leise flüsternde Stimmen zu hören, die durch das Fenster nach innen drangen. Sie versuchte wegzuhören, das unangenehme Gemurmel einfach zu ignorieren. Als ein besonders heller Blitz den Raum in bläuliches Weiß tauchte, hätte sie das Glas beinahe fallen lassen. Sofort danach nahm sie einen gewaltigen Schluck und schüttelte sich ausgiebig. Sie trank selten, und alleine die Tatsache, dass sie sich nun ein großes Glas genehmigte, verriet, wie verängstigt sie war. Dann warf sie einen Blick aus dem Fenster. Sie schrie, und das Glas fiel diesmal tatsächlich zu Boden. Ihr wurde kalt. Eiskalt. Von draußen starrte ihr ein eingefallenes, bleifarbenes Gesicht entgegen. Die Augen waren klein, schwarz, und obwohl sie tief in den dunklen Höhlen lagen, spürte Susan den Blick auf sich ruhen wie einen Scheinwerferstrahl aus Finsternis. Wasser lief in wilden Strömen über das moribunde Gesicht. Susan hörte auf zu schreien. Sie schluchzte nur noch. Und das Murmeln wurde lauter.

Vor langer Zeit …

Angus Mullen spannte die Pferde aus. Sein Tagwerk war getan und vor ihm erstreckte sich das Feld dem Niederwald und damit der Dämmerung entgegen. Erleichtert wischte er sich die hohe Stirn mit einem schmutzigen Leinentuch trocken. Zwar waren die Tage kühler, als in den Jahren zuvor, doch harte Arbeit genügte vollständig, um einen Mann zum Schwitzen zu bringen. Angus war ein fleißiger Mann. Es gab niemanden, der dies bestritten hätte. Nicht einmal seine Feinde und deren gab einige! Denn Angus ging aus Überzeugung keinem Streit aus dem Weg, und wenn es nottat, dann sorgte er selbst für einen.

Er stieß ein tiefes Grunzen aus und prüfte das Joch.

Direkt vor ihm lag eine Stelle, an der der Boden anders war. Grobkörniger. Das Erdreich kam ihm sogar ein wenig spröde vor, wie alte, trockene Haut.

»Verdammich!«, fluchte der Bauer. Obwohl er keinen wirklichen Grund dafür hatte, war ihm diese Stelle unheimlich.

Hier hatte sich ein »Tor« erhoben. Einer der sonderbaren Hügel, die man in dieser Gegend häufiger fand. Einer der gebildeten Kerle, die vor drei Jahren hier gewesen waren, hatte das Ding einen »Tumulus« genannt, und gemeint, der auf Angus Feld stamme wohl aus der Steinzeit. Eine absonderliche Art von Grab. Nichts, was einem Christenmenschen gefallen hätte. Ob Steinzeit oder Gegenwart – Angus war all das gleichgültig. Ihm war nur daran gelegen, sein Feld ohne Probleme bestellen zu können und der »Tor« war ihm im Wege. Also hatte er ihn beseitigt! Allein die Erinnerung brachte ihn bereits wieder zum Schwitzen. Das Ding war kleiner gewesen, als viele andere, doch ihm hatte es genügend Scherereien eingebracht. Die Erde und die Steine wegzuschaffen, war eine Anstrengung gewesen, an die er sich ungern erinnerte, obwohl es bereits ein Jahr her war. Alles, was er gefunden hatte, war eine Holzkiste. Eine Truhe oder Schrank. Angus war es einerlei, denn das Ding war leer gewesen. Keine Schätze, kein Gold, nicht einmal vergrabene Schnapsflaschen. Einfach nichts. Er hatte das vermaledeite Ding zur Seite geschafft und am nächsten Tag war es dann verschwunden. Sehr zu seiner Freude, denn diese Mühe blieb ihm erspart.

»Gabbygammies!«, brummte er wütend. »Dass ich nicht lache! Alles Idioten! Hab’ nie nich’ was gesehen nich’!«

Tatsächlich war ihm während der Arbeiten mulmig zumute gewesen, denn die Geschichten kannte er selbstverständlich. Doch die Gabbygammies hatten sich nicht blicken lassen, noch hatte er sie plappern hören. »Kindergeschwätz!«, knurrte er und spuckte zu Boden.

Der Legende nach trieben rings um den »Tor« die Gabbygammies ihr Unwesen. Geister, Dämonen, die man niemals zu Gesicht bekam. Die man nur reden hörte, wie sie in einer unbekannten Sprache vor sich hinschnatterten.

Angus hatte nichts gehört. Natürlich nicht. Er war ein vierschrötiger Kerl und hatte keine Angst. Darüber hinaus verfügte er nicht einmal über Spuren von Fantasie. Er war, im Gegensatz zu all den anderen, sogar für die üblichen Schauergeschichten, die man sich erzählte, vollkommen unempfänglich. Für ihn war nur das vorhanden, was er sehen und berühren konnte. Außer Geld hatte er kaum Interessen. Nicht einmal seine Frau, die diesen Mangel an Aufmerksamkeit durchaus begrüßte.

»Gabbygammies! Blödsinn, kindischer!«

Er nahm die Feldflasche und tat einen gewaltigen Zug. Der Gin brannte sich in einem feurigen Faden die Kehle und Speiseröhre hinab in den Magen. Angus schüttelte sich.

»Aaaaah! Gut!«, keuchte er.

»Abberbledeehn gemochhhhhhh …!«

Angus erstarrte.

»Was …?«

»Okonerrem gebruuuuumpft!«, sagte die Stimme.

Angus sah sich misstrauisch um. Er konnte kaum glauben, dass jemand sich traute, ihm einen Streich zu spielen. Dass sich das jemand getraut hatte, lag lange zurück. Sie zugeschwollenen Augen und die blauen Flecken waren längst wieder verheilt und jeder hatte die Lektion begriffen.

»Mach keinen Scheiß mit Angus Mullen!«

Eine einfache Botschaft. Beim besten Willen konnte er niemanden sehen, der für diesen Schwachsinn verantwortlich war: Er war alleine, bis auf die zwei dampfenden, abgearbeiteten Ackergäule, denen Angus ein solch heiteres Gemüt nicht zutraute.

»Hedomm gebreeeelt!«, äußerte die Stimme entschieden und sie schien direkt neben Angus linkem Ohr aus der Luft zu kommen. »Seköö mabbrommff!«

Der Bauer schlug um sich, als wolle er eine dicke Schmeißfliege aus der Luft fischen, doch selbstverständlich war da nichts, was er hätte treffen können.

Er gab ein wütendes Schnauben von sich, das dem Betreffenden nichts Gutes verhieß.

»Zeig dich!«, brüllte er und der dicke Kopf auf dem noch dickeren Hals lief rot an. Speichel flog umher.

»Humpff jedokkelmöh!«, sagte die Stimme empört und diesmal von der anderen Seite.

Angus bemerkte nicht einmal, dass seine zwei Gäule, egal wie müde und erschöpft sie waren, es vorzogen, durchzugehen. In diesem Augenblick war ihm alles egal. Er fühlte sich auf den Arm genommen. Veralbert und zum Narren gehalten. Nichts auf dieser Welt war ihm mehr zuwider!

Er stampfte auf den Boden auf, wie der wütende Schuljunge, der er vor langer Zeit einmal für ein gutes halbes Jahr gewesen war. Der Kopf ruckte hin und her. Sein Körper stand gebeugt und gespannt da, als rechne er mit einem Kampf: egal mit wem!

Nach wie vor hörte er die leise Stimme. Eine Zweite gesellte sich dazu. Dann eine Dritte. Bald waren es viele. Angus hörte sie flüstern. Plappern. Rings um sich. Überall.

Und irgendwann waren die Stimmen in seinem Kopf.

Angus drehte sich um die eigene Achse, wie einer der Kinderkreisel, die er so gerne zertrat, wenn einer davon in seinem Weg lag. Die Augen hatte er aufgerissen, sein Blick war starr, als blicke er auf einen Punkt, der unglaublich weit entfernt lag. Sein Mund bildete sinnlose Worte, die nicht einmal er selbst verstand. Irgendwann setzte er sich dann in Bewegung und ging ins Dorf zurück. Dort sorgte sein Erscheinen für Entsetzen.

Angus Mullen starb einen Tag später, was niemanden wunderte. Denn sein Aussehen hatte es jedem verraten, der Augen im Kopf hatte.

Ein sinnvolles Wort sagte er nicht mehr.

*

Shaftsbury, Dorset, »Gold Hill«

Vor Kurzem

Die »Gold Hill« führte wie eine steile Treppe bergab. Niemand, der bei klarem Verstand war, wäre auf den Gedanken gekommen, dies eine »Straße« zu nennen, obwohl sie, genau betrachtet, exakt dies war.

Samuel Dobson räusperte sich und ließ suchend den Blick schweifen. Das musste es sein! Das schmale, graue Haus auf der anderen Straßenseite. Die Tür stand offen und der groß gewachsene Mann setzte sich in Bewegung. Er war ständig auf der Suche nach Gelegenheiten, günstig Nachlässe aufzukaufen. Hier war er durch eine kleine Anzeige aufmerksam geworden, und obwohl er sich nicht sehr viel davon versprach, konnte er nicht widerstehen. Er hatte seinen kleinen Lieferwagen oben am »Gold Hill Museum« abgestellt. Ein bisschen Platz stand noch zur Verfügung; vielleicht für einen hübschen Nachtschrank oder eine Kommode. Zudem hatte er alle Termine abgearbeitet und der Tag war längst nicht vorbei. Müßiggang war ihm zuwider und so stapfte er in seiner typischen Art auf die gegenüberliegende Straßenseite: wie eine uralte, gewaltig unter Dampf stehende Lokomotive.

Der Eingang war schmal und die Tür wirkte so alt, als habe man sie bereits zur Zeit Wilhelm des Eroberers benutzt.

»Jemand zu Hause?«, rief er und dämpfte seine Stimme, so gut es eben ging.

Pietätlos zu erscheinen war der beste Weg, Gelegenheiten zu versäumen. Er war aus Schaden klug geworden. Heutzutage konnte er leise reden, auch wenn es seinem Naturell keineswegs entsprach. In der Dunkelheit des schmalen Flurs regte sich etwas. Ein schmales, graues Männlein kam ihm entgegen.

Er zog die Mütze vom Kopf.

»Samuel Dobson ist mein Name!«, stellte er sich vor.

»Jaja …«, die Stimme des Männchens war dünn und vibrierte, als stünde er unter Strom. »Aber was wollen Sie hier?«

Seine Bewegungen waren fahrig, abgehackt, beinahe wie bei einer Marionette, die von einem sehr schlechten Puppenspieler gelenkt wird.

»Ich bin auf der Suche nach Nachlässen, wenn Sie verstehen, was ich meine. Ich kaufe Dinge, die ansonsten im Müll landen würden. Ich restauriere auch, wenn das nötig ist. Was glauben Sie: Haben Sie etwas, das für mich von Interesse sein könnte?« Das Marionettenmännchen stand starr und steif und beobachtete Dobson mit einem Blick, der etwas Raubvogelähnliches hatte.

»Hmmmmm«, machte es, »etwas, das von Interesse sein könnte …?«

Ein Lächeln erschien auf den rasiermesserscharfen Lippen, das verschlagen sein mochte. »Und Sie bezahlen dafür …?«

»Selbstverständlich!«, sagte Dobson. »Es darf nur nicht zu teuer sein! Auch für mich muss es sich irgendwie rechnen, verstehen Sie?« Das Männchen winkte großzügig: »Aber natürlich!«

Dann machte es eine einladende Geste und bat Dobson, ihm zu folgen.

»Kommen Sie. Ich denke, ich habe wirklich etwas für Sie. Es wird Ihnen gefallen, da bin ich ganz sicher …«

Samuel Dobson folgte dem kleinen, grauen Männchen eine steile Treppe hinunter. Und auf einmal wünschte er sich, ihm wäre diese Angelegenheit durch die Lappen gegangen …

*

Dorset, vor Shaftsbury

»Fran, du bist eine Nervensäge!« Elisabeth McLeods Stimme klang ungeduldig. »Verrätst du mir jetzt bitte endlich, warum ich durch ganz England Richtung Dorset fahre, und das bei diesem Wetter?«

Fran McKenzie, ihres Zeichens klein, schwarz- und kurzhaarig und Buchhändlerin zog den Kopf zwischen die entzückenden Schultern.

»Wir sind ja bald da!« »Soll das jetzt eine Antwort sein?«, erkundigte sich Elisabeth unwirsch und bog Richtung Shaftsbury ein. »Ich könnte ja verstehen, wenn du die Kathedrale würdest anschauen wollen; oder vielleicht Stonehenge besuchen, aber ich weiß … nichts! Gar nichts. Absolut nichts! Ich hab’ von dir nur diesen blöden Namen bekommen: Ashmore. Und das war’s schon! Was sollen wir denn dort?«

Fran bekam wieder etwas Oberwasser. Üblicherweise war sie nicht gerade für ihre Verschwiegenheit bekannt und sie neigte dazu, jede Neuigkeit, derer sie habhaft wurde, sofort weiter zu verbreiten. Doch auf dieser Fahrt hatte sie hauptsächlich geschwiegen. Die eine oder andere dunkle Andeutung, zu mehr hatte sie sich nicht bereitgefunden. Nur ein Name war ihr entschlüpft, eher unabsichtlich: Gerard Gillespie. Um wen es sich dabei handelte, war Elisabeth nicht ganz klar geworden, zumal Fran danach völlig verstummt war. Der Unbekannte schien ihr irgendeinen Tipp gegeben zu haben – worauf immer sich das beziehen mochte.

Die Fahrt von Ullapool im Norden Schottlands hierher nach Dorset hatte bereits über zehn Stunden gedauert. Sie hatten in Bristol haltgemacht und sogar dort übernachtet, doch Fran hatte kein Wort über den Sinn der Reise oder ihre Absicht verlauten lassen.

Shaftsbury kam in Sicht, und damit näherten sie sich dem Ziel: Ashmore, ein kleiner Ort, weiter südlich gelegen. Eigentlich eher ein Weiler, als ein Dorf und das war der nächste Punkt, den Elisabeth irritierend fand. Fran war alles andere als ein Landei, und obwohl Ullapool ganz und gar keine Großstadt war, blickte sie mit einer gewissen Herablassung auf die »Dörfler«. Dass Fran sich ausgerechnet Ashmore ausgesucht hatte, wo sich Fuchs und Hase nicht nur »Gute Nacht« sagten, sondern sogar ein Bier zusammen tranken, fand sie reichlich verdächtig. Fran schien das zu bemerken.

»Was ist?«, fragte sie in einem aggressiven Tonfall.

Elisabeth grinste innerlich. Blieb äußerlich allerdings beherrscht und ruhig.

»Warum, sagtest du, muss ich dich unbedingt hierher fahren?«

Fran zog eine Schnute. Wahrscheinlich, um sich etwas Zeit zu verschaffen. Dann blickte sie über den Rand ihrer Hornbrille.

»Weil ich dich drum gebeten habe, liebste Freundin!« »Ah! Ein guter Grund. Der einzige Grund, der zählt!«

Fran nickte erleichtert. Doch Elisabeth fuhr fort. »Und geschickterweise der einzige Grund, der mir nichts verrät! Ich kenn’ dich, Fran McKenzie! Und ich weiß genau, dass du irgendwas im Schilde führst, das mir nicht gefallen wird. Nur wird’s dann zu spät sein. Wir sind nämlich fast am Ziel deiner Wünsche!« Fran war beleidigt. »Als ob ich dich irgendwann mal in Schwierigkeiten gebracht hätte! In aller Regel tust du das selbst und ich muss dich dann wieder rausboxen!« Sie schnaubte, wahrscheinlich, um ihre Gefährlichkeit zu unterstreichen. Elisabeth hingegen musste lachen.

»Was denn?«, Fran fühlte sich nicht ernst genommen. »Stimmt’s etwa nicht?«

»Du als Boxerin! Ha. Ultraleichtfliegengewichtsunterklasse, oder?«

»Das ist so … unfair! Ich bin zwar klein, aber furchtbar gemein!« Elisabeth wischte sich eine Lachträne aus dem Augenwinkel und überholte einen uralten, verrosteten Rover, der scheinbar aus der Bronzezeit übrig geblieben war.

»Stimmt genau. Du führst gute Freundinnen blindlings in die Irre und verleitest sie zu völlig sinnlosen Fahrten durchs ganze Land! Herrgott nochmal, Fran, zum Ende hin werden das beinahe zwölf Stunden Autofahrt gewesen sein! Und dabei hab ich den Verkehrsstau bei Bath nicht mal mit eingerechnet. Du musst zugeben, dass das ein bisschen mehr ist, als ein »kleiner Abstecher«!«

Fran zog erneut den Kopf zwischen die Schultern und schaffte es mit Mühe, nicht schuldbewusst auszusehen.

»Naja … ich hab vielleicht ein bisschen untertrieben!« »Ha. Ein bisschen untertrieben. Dann ist es momentan »fast wieder Sommer«! Im September.« »Willst du damit andeuten, ich hätte gelogen?«

Elisabeth verzog den Mund. Es war sinnlos. »Wie kommst du denn auf die Idee?«

Fran entspannte sich und lehnte sich zurück. »Na also. Ist doch alles ganz locker! Ich beteilige mich ja am Benzin!« Elisabeths Stimme klang boshaft. »Tja … wie groß dein Anteil sein wird, das kommt ganz drauf an, wie sinnvoll diese Fahrt sein wird. Aus meiner Sicht!« Fran sah sie beunruhigt an.

»Äh … du meinst …?«

Elisabeth brummte. »Genau das meine ich. Du glaubst doch nicht, dass ich das Benzin bezahle, wenn ich zum Ergebnis komme, dass du mich völlig sinnlos in der Gegend herumgescheucht hast?«

Frans Gesicht nahm einen trotzigen Ausdruck an. »Na gut. Du bist ein ganz gemeiner Kapitalist und Materialist, Elisabeth McLeod, weißt du das?«

Elisabeth gab ihr Recht. »Ja. Tu ich! Und wenn du Glück hast, verlange ich keine Entlohnung auf der Basis eines Taxi-Tarifes!«

Fran sagte nichts mehr. Doch auch sie schien sich nun nach dem Ende der Fahrt zu sehnen. Eine halbe Stunde später durchquerten sie Shaftsbury und näherten sich endlich ihrem Bestimmungsort.

Ashmore.

*

Ashmore

Susan O´Neill starrte irritiert auf das Schild, das noch immer an einem der Holzpfosten stand, die die Scheune stützten. »Samuel Dobson. Du bist derart unzuverlässig, dass man dich als Wettermoderator verwenden könnte!« Die hagere Frau kannte den Nachlasshändler seit Langem. Er war, was seine Professionalität anging, durchaus vertrauenswürdig, doch privat war das nur mit Einschränkungen der Fall. Man konnte sich nie völlig sicher sein, ob er das, was er zugesichert hatte, auch tat. Zumindest nicht zu dem Zeitpunkt, mit dem man rechnete. Das Schild für den großen Antiquitätenmarkt hatte er auf jeden Fall nicht angebracht und Susan wusste, dass dies nun an ihr hängenbleiben würde.

»Alter Schnarchzapfen!«, grollte sie leise, allerdings nicht übermäßig böse. Dann nahm sie das große Pappschild, das Dobson mehr schlecht als recht an einen alten Zaunpfosten genagelt hatte, und zog es hinter sich her, auf ihren Van zu. Selbstverständlich würde sie das schwere Ding nicht zum Weiher tragen. Sie wuchtete es in den Wagen hinein und setzte sich hinters Steuer. Dann fuhr sie los. Als sie die Straße beinahe erreicht hatte, die Richtung Salisbury führte, sah sie einen Mann an einer niedrigen Mauer stehen, den sie im ersten Augenblick für Samuel Dobson hielt. Doch dann schüttelte sie den Kopf.

»Das kann er nicht gewesen sein! Niemals! Unser Dobson ist der Inbegriff von Kraft und Leben …«

Sie hatte sich geirrt. Kein Mensch kann von einem Tag zum nächsten vollständig verfallen. Das war unmöglich, obwohl zwischen Leben und Tod vieles geschah, was ein Mensch nicht verstand.

»Obwohl … er trug genau diesen karierten Anzug, den Dobson immer trägt, wenn er unterwegs ist!«, murmelte sie. »Schon tausendmal hab ich ihm gesagt, er soll sich endlich was Neues, Schickes zulegen. Aber gegen diesen Mann ist ein Traditionalist ja geradezu fortschrittlich.«