Durchgeschüttelt und auf den Kopf gestellt - Petra Lachinger - E-Book

Durchgeschüttelt und auf den Kopf gestellt E-Book

Petra Lachinger

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Beschreibung

Sucht man nach Autismus und Bedürfnissen findet man immer nur, dass Autisten "besondere" Bedürfnisse hätten. Mütter berichten über ihre "besonderen" Kinder und deren Bedürfnisse, aber keiner erklärt sie. Dieses "besonders"... Gemeint sind damit im Einzelnen Dinge wie Essen, Schlaf, mehr Aufmerksamkeit im Kindsalter, Hilfe zur Kommunikation und ähnliches. Autisten sind anders - das autistische Gehirn funktioniert anders. Dadurch benötigen Autisten bei manchen Dingen mehr Unterstützung. "Besonders" ist das alles aber nicht. Deswegen wechseln wir jetzt die Perspektive. Ich schüttle das Ganze für Sie kräftig durch und staple die Pyramide neu auf.

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Eine kleine Anmerkung:

Barrierefreies Schreiben ist alles andere als leicht für mich. Aber ich habe versucht, durch Schriftart, Schriftgröße, Zeilenabstand und auch durch das Nutzen einer geschlechtsneutralen Form dieses Buch für so viele wie möglich lesbar zu machen. Ebenso schreibe ich bei den Beispielen oft über Kinder, weil mir das leichter fällt. Diese Beispiele sind aber genauso auf Jugendliche und Erwachsene, männliche, weibliche und diverse Personen übertragbar.

Viel Spaß beim Lesen!

Inhaltsverzeichnis

Wer bin ich und warum mach ich das hier eigentlich?

Was ist Autismus?

Die Bedürfnispyramide nach Maslow - ein kleiner (sehr kleiner) Exkurs in die Psychologie

Stufe 1: Sicherheit

Stufe 2: Individuelle Bedürfnisse, Wertschätzung

Stufe 3: Physiologische Bedürfnisse

Stufe 4: Selbstverwirklichung

Stufe 5: Soziale Bedürfnisse

Wer bin ich und warum mache ich das hier eigentlich?

Ich bin Tochter, Schwester, Mutter, Ehefrau, Freundin, Kollegin, Vorgesetzte. Ich bin Erzieherin. Ich bin Autistin.

9 Nomen, um mich zu beschreiben. Aber das letzte wurde seit 2019 am wichtigsten für mich. Denn es beschreibt, wie ich bin, wie ich denke, wie ich fühle, was ich brauche, meine Persönlichkeit, mein Anders sein. Für mein Umfeld und mich selbst war ich 38 Jahre lang oftmals ein großes Rätsel.

Warum bist du so?

Warum kannst du nicht so wie die anderen sein?

Immer muss alles nach deiner Nase laufen!

(Schon mal ´ne Nase laufen sehen? Ich zumindest nicht!)

Warum versteht mich keiner?

Warum ecke ich ständig an?

Warum beschützt mich keiner?

Warum habe ich so andere Bedürfnisse als die anderen?

Nehmen andere die Welt so wahr, wie ich sie wahrnehme?

Seit Mai 2020 weiß ich es sicher: Nein, ich nehme die Welt nicht so wahr, wie es andere tun.

Denn:

Ich habe eine Autismus-Spektrum-Störung. Ich gehöre zu mindestens 1-2% der Menschheit, die sowohl eine andere Wahrnehmung als auch andere Bedürfnisse haben als der Rest der Menschheit.

Bin ich deswegen etwas Besonderes? Nein! Habe ich besondere Bedürfnisse? Nein!

Ja, aber warum schreibe ich das alles?

Weil man manchmal eine neue Sichtweise braucht, um Altbewährtes neu betrachten zu können.

Noch ein kleiner Hinweis. Ich schreibe hier vieles in der „Ich-Form“. Es ist meine Wahrnehmung und mein Erleben. Manche Autisten können einige dieser Erfahrungen teilen, manche wieder nicht. Das ist ok und das ist gut so. Das heißt aber nicht, dass meine oder deren Erfahrung jeweils falsch oder unberechtigt wäre.

Aber zuerst etwas Grundwissen:

Was ist Autismus?

Eine Autismus-Spektrum-Störung (ASS) ist eine angeborene, neurologische Behinderung oder auch eine tiefgreifende Entwicklungsstörung. Es wird eine starke genetische Komponente vermutet, gilt aber nicht als Erbkrankheit. Das eine auslösende Gen - es stehen mehrere unter Verdacht - konnte bisher nicht identifiziert werden. Eine ASS kann nicht erworben werden, weder durch Krankheit, noch durch einen Unfall, eine Verletzung, falsches Verhalten in der Schwangerschaft, falsche Erziehung, zu wenig Liebe und schon gar nicht durch Impfung.

Großangelegte Studien z.B. in Kopenhagen von 1999 bis 2010, mit mehr als 600.000 Kindern, konnten keinerlei Zusammenhang zur Masern-Mumps-Röteln Impfung herstellen. Diese Behauptung beruht nach wie vor auf einer einzigen fehlerhaften Studie und schadet der autistischen Gemeinschaft weiterhin sehr.

Im ICD-10 wurde noch in Frühkindlicher Autismus, Atypischer Autismus und dem Asperger-Syndrom unterteilt. Diese Unterscheidung wurden mit dem 2022 in Kraft getretenen ICD-11 aufgehoben und man spricht jetzt nur noch vom Spektrum, bzw. der Autismus-Spektrum-Störung.

Warum eigentlich?

Naja, es gibt nicht den Autismus, es ist eine Ansammlung von vielen Anzeichen, die von Autist zu Autist stärker, schwächer, dominierender oder gar nicht vorkommen können. Das Spektrum ist groß und bunt und alles andere als linear, weshalb es weder schwer noch leicht Betroffene gibt. Jeder hat seine Schwierigkeiten und auch seine Stärken bzw. Begabungen, die sich aus der Behinderung ergeben.

Kennst du einen Autisten, kennst du genau einen Autisten.

Gern gesagt, gern gehört, sagt eigentlich alles aus, verleitet aber gerne Fachkräfte und auch das Umfeld von Autisten zu Fehlern, denn uns Autisten verbindet schon sehr viel untereinander. Und je mehr ich mit anderen Autisten ins Gespräch kam und komme, umso mehr wurde und wird mir deutlich, was uns alle verbindet.

Was uns definitiv alle verbindet, ist die andere Wahrnehmung – die autistische Wahrnehmung:

Die Reizfilter eines Autisten funktionieren anders. Oft wird zuerst an eine Wahrnehmungsstörung gedacht. Hört man Wahrnehmungsstörung, denken viele, dass man schlecht oder eingeschränkt hört, sieht, riecht, schmeckt oder der Tastsinn beschädigt ist. Da muss etwas kaputt sein. Tatsächlich wird auch bei vielen Kindern zuerst eine Wahrnehmungsstörung (nicht selten eine auditive) diagnostiziert, bevor die Gesamtdiagnose Autismus-Spektrum-Störung fällt.

Autistische Wahrnehmung ist aber das genaue Gegenteil. Während nicht-autistische Menschen pro Sekunde ca. 60 - 70 Reize bewusst verarbeiten ist die autistische Wahrnehmung um ein Vielfaches höher. Schätzungen liegen beim 10- bis 100- fachen, was ein Autist in der gleichen Zeit verarbeiten muss.

Mein liebstes Beispiel für die unterschiedliche Wahrnehmung ist ein Baum:

Ein Nicht-Autist sieht einen Baum, vielleicht erkennt er noch ob Laub- oder Nadelbaum, welche Färbung er hat, ob sich die Blätter im Wind bewegen. Für mich selbst ist das ausgesprochen schwer vorstellbar, dass ein Baum nur ein Baum sein soll.

Ein Autist sieht einen Baum, vielleicht einen Ahorn (falls er die Baumart kennt). Jedes einzelne Blatt hat eine andere Färbung, einige haben defekte, veränderte Stellen. Eventuell ist da noch ein Tier oder gar viele Tiere, klein wie groß? Ach ja, da ist ein Nest im Baum, er erkennt möglicherweise an der Bauart, um welche Vogelart es sich dabei handeln muss. Er nimmt den Wind wahr, die Sonne, die Wärme, den Geruch des Baumes, den Geruch der Erde. Sieht die Rinde, riecht sie, sieht die Ameisen daran hochkrabbeln. Er hört den Wind, das Rascheln der Blätter, spürt und hört seinen eigenen Puls, fühlt seine Haare im Wind, schmeckt den Wald auf der Zunge.

Und das alles…immer! Nicht-autistische Menschen nehmen das alles natürlich auch wahr, manche auch im Detail, vor allem, wenn man darauf aufmerksam gemacht wird, aber sie können es rausfiltern, ausblenden, sich auf einzelne Dinge leichter konzentrieren oder es kommt gar nicht bei den zu verarbeitenden Reizen durch – es wird vorher ausgefiltert. Autisten können es nicht wegblenden und nur zu einem gewissen Maß ignorieren. Wir sehen, hören, riechen, schmecken und fühlen nicht besser oder schlechter. Autistisches Leben ist Leben in Ultra High Definition mit 7.1 Soundsystem und extra Bass!

Klingt anstrengend. Ist es oft auch. Aber es gibt auch Vorteile vom Leben in UHD. Kennen Sie diese Tests, bei denen man die Anzahl der Farben zählen soll, die es gibt? Ich kann alle sehen, manchmal sogar mehr. Oder Musik und auch Stimmen können so wunderbar sein. Sie müssen sich das wirklich so vorstellen, dass Sie, als nichtautistischer Mensch, einen alten Röhrenfernseher und wir einen 4k UHD TV mit Soundsystem haben. Ja und meistens ist es echt genial.

Wahrnehmung ist aber noch ein viel größeres Gebiet, als ich es hier im Kleinen darstelle. Aleksander Knauerhase erklärt in seinem Buch „Autismus mal anders“ autistische Wahrnehmung deutlich ausführlicher.

Aber diese ganzen Reize können auch viel zu viel sein. Wenn es zu viel wird, kann es zu einem Overload, einer Reizüberflutung kommen. Häufig zeigt sich dies durch einen Rückzug des Autisten in sich, einer Flucht aus der Situation raus, ein intuitives „sich - in – Sicherheit – bringen – wollen“, weg von den ganzen Reizen hin in eine kontrollierte, ruhige, sichere Umgebung. Das Gefühl ist alles andere als angenehm, bei mir fühlt es sich nach ohnmächtig werden, nach raus wollen an. Es fühlt sich einfach enorm beängstigend an. Ich werde nervös und fahrig, kann mich nicht mehr konzentrieren und scanne den Raum oder die Situation nach Fluchtmöglichkeiten. Jeder zusätzliche Reiz ist zu viel, jedes Geräusch, jeder Geruch, jede Berührung, jeder Sonnenstrahl ist dann einfach zu viel und wirklich schwer zu ertragen. Ein fast unstillbares Ruhebedürfnis kommt in einem hoch. Einige kneifen die Augen zu, andere halten sich die Ohren zu, wieder andere zeigen körperliche Symptome wie Kopf- oder Bauchschmerzen. Aber bei allen Autisten ist gleich, dass sie jetzt sofort eine Reizarmut herbeiführen wollen und müssen.

Kann diesem nicht nachgekommen werden, gibt es zwei Möglichkeiten, die danach passieren können:

Möglichkeit 1: der Meltdown – oder auch Fight or Flight!

Definitiv kann ich sagen, dass ein Meltdown mit sehr viel Abstand das Unangenehmste für uns und unser Umfeld ist. Ein Meltdown fühlt sich an, wie eine Explosion – ein Vulkanausbruch. Es ist aber keine direkte Aggression, auch wenn es auf den ersten Blick so erscheinen mag. Es ist pure Verzweiflung, die sich durch Schreien, Schlagen, Gegenstände werfen, selbstverletzendes Verhalten oder auch Weglaufen, Flucht nach draußen und andere unschöne Dinge zeigt. So unangenehm, wie es zu lesen ist, so unangenehm ist dieser Zustand für einen Autisten. Ich bekomme mit, was ich mache, fühle mich aber wie fremdgesteuert. Ich will niemanden verletzten, auch nicht mich selbst, oder etwas kaputt machen, aber leider passiert es manchmal. Ich fühle mich danach irrsinnig schlecht und kann es doch nicht verhindern. Zwischen Overload und Meltdown gibt es meiner Erfahrung nach einen „point of no return“. Ab diesem Punkt ist keine rationale Entscheidung oder Handlung mehr möglich, man reagiert nur noch - und zwar auf jeden einzelnen weiteren noch so kleinen Reiz. Ja, wirklich jeden. Und sei er noch so klein und unbedeutsam. Es ist der sprichwörtliche Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Da dieser Zustand oft als Aggression oder Wutanfall wahrgenommen und auch beschrieben wird, ist es sehr schwer das Tatsächliche zu beschreiben, ohne in die Schublade des Aggressors gesteckt zu werden.

Aber es gibt bedeutende Unterschiede. Ein Wutanfall ist immer zielgerichtet - gegen einen Menschen, ein Tier oder einen Gegenstand und nur selten gegen einen selbst. Ist das Ziel erreicht, kommt ein positives Gefühl, ein Siegesgefühl auf und der Wutanfall kann abrupt enden.

Ein Beispiel für echte Wut zu finden ist nicht leicht, aber wer einen wirklich wütenden Erwachsenen erlebt hat und wie schnell er kooperativ wird, sobald er seinen Willen durchgesetzt, hat kann den Unterschied erkennen.

Ein Meltdown hat weder eine Logik noch ein Ziel. Es ist pure Verzweiflung. Er kann nicht unterbrochen werden, der Druck muss sich abbauen und der autistische Mensch muss sich von allein beruhigen. Deswegen ist es alles andere als hilfreich, wenn man einen Autisten während eines Meltdown versucht anzusprechen oder Fragen zu stellen oder noch schlimmer festzuhalten. Einen Autisten im Meltdown festhalten zu wollen kann bei dem, der festhalten möchte zu Verletzungen führen. Denn Rücksicht nehmen kann selbst der friedliebendste Autist in dem Moment nicht mehr. Zudem kann es beim Autisten zu Traumata, physischen, wie auch psychischen Verletzungen kommen. Aus den USA, wo „Restraining“ (hier auch bekannt unter Festhaltetherapie), also Fixierung durch Körpereinsatz eines Erwachsenen oder Hilfsmitteln zur Fixierung, auch in Schulen oder zu Hause als absolut legitim gilt, gibt es leider mehrere Berichte über Kinder, die dadurch verstorben sind. Absicherung vor Gefahr, weil der Autist z.B. Gefahr läuft auf die Straße zu laufen, geht aber natürlich vor.

Beruhigt sich der Meltdown, setzt in der Regel ein starkes Gefühl der Scham, des Selbstzweifels und der Eigenverurteilung ein. Die meisten Autisten empfinden einen Meltdown als sehr erschöpfend, weshalb oft längere Ruhephasen mit viel Schlaf, Safefood (siehe unter Schutzausrüstung) und Reizarmut von Stunden bis Tagen folgen sollten. Es kann aber auch ein direkter Übergang in einen Shutdown erfolgen.

Möglichkeit 2: der Shutdown – ein Erstarren (Freeze) Ein Shutdown ist vergleichbar mit einem Systemabsturz eines Computers. Der Körper fährt sich selbst herunter. Manche werden mutistisch (Der Betroffene ist nicht mehr in der Lage zu sprechen, obwohl keinerlei organische Ursachen vorliegen. Es ist schlicht zu anstrengend gerade zu sprechen), andere kauern schweigend in einer Ecke, weinen oder zeigen gar keine Gefühlsregung mehr. Nur sehr schwer kann auf Ansprache oder ähnliches reagiert werden. Manche erscheinen wie erstarrt. Ein Einschlafen ist so gut wie nicht oder nur mit massivem Energieaufwand zu verhindern. Ein Shutdown kann von einigen Stunden bis hin zu mehreren Tagen dauern und ist mit dem Aufwachen aus dem Schlaf nicht zwingend überstanden. Ein Shutdown kann eine Folge eines Meltdown sein, kann aber auch direkt auf einen Overload folgen. Es ist das stärkste Gefühl einer Erschöpfung, dass ich je wahrgenommen habe. Das Einschlafen fühlt sich ähnlich wie eine einsetzende Narkose an. Und, was die meisten übersehen: Ein Shutdown kann in einen autistischen Burnout übergehen, wenn nicht tatsächlich für ausreichende Erholung gesorgt wird.

Diese drei Phasen der Reizüberflutung -Overload, Meltdown und Shutdown - sind zu einem gewissen Anteil von außen vermeidbar. Overloads gehören allerdings zum Leben eines Autisten dazu, sie können vollkommen ohne bewusste äußere Einflüsse geschehen. Helles Licht, Wärme, Wasser, ein Geräusch im Körper, lautes Grillenzirpen, Schneefall, eine Stelle am Körper, die juckt, starke Emotionen – all das kann theoretisch einen Overload herbeiführen. Aber auch sie lassen sich durch Berücksichtigung autistischer Bedürfnisse reduzieren, aber eben nicht vollkommen verhindern.

Autismus ist eine angeborene Behinderung und selbst bei absoluter Barrierefreiheit und perfekter Inklusion lebe ich noch immer mit meiner Wahrnehmung und muss noch immer damit klarkommen, dass gewisse Einschränkungen mit einer ASS einhergehen. Sollten Sie den verlockenden Gedanken haben, zu sagen: „Aber du bist doch gar nicht behindert, deine Umgebung behindert dich.“ Tun Sie es nicht, denn das ist, egal bei welcher Behinderung, immer falsch.

Im Rahmen meines Blogs entstand diese kleine Geschichte und ich denke, sie passt hier noch ganz gut, um Overload, Meltdown und Shutdown noch etwas klarer zu machen:

Die Geschichte vom überhitzten Kühler oder Overload mal anders

Es war einmal ein kleines Auto. Es war nicht das Flotteste und es hatte nicht so viele PS wie die meisten anderen, aber für den normalen Alltag funktionierte es perfekt - fast wie einstudiert. Es fuhr zur Arbeit, zum Einkaufen, ab und an mal auf Ausflüge und selbst sowas Stressiges, wie Stau oder Autobahn schaffte es meist noch ganz gut und nur ganz selten musste es mal zur Werkstatt.

Doch eines Tages hatte das Auto einen sehr stressigen Tag. Schon morgens zur Werkstatt, dann zur Arbeit, mittags einkaufen, wieder Arbeit, abends noch ins Autokino und eigentlich merkte das kleine Auto tagsüber schon, wie mehrmals sein Kühler heiß lief und es immer wieder versuchte mal kurz durchzuschnaufen. Vorsichtshalber klebte es die Motorkontrollleuchte ab, nicht dass noch eines der anderen Autos bemerkte, dass gerade etwas nicht stimmte.

Es wurde und wurde nicht besser, aber es musste ja noch nach Hause - komme was wolle. Es versuchte sich noch mit einem Schluck Kühlerflüssigkeit abzukühlen und kurzzeitig half das auch. Aber eigentlich wäre jetzt eine schöne kühle Garage und einfach schlafen toll - vielleicht noch ein Schluck seines Lieblingsmotoröls. Nur das ging grad nicht. Also: Zusammenreißen und ab auf die Autobahn!

Oh, nein, Stau! Wo kommen nur die ganzen Autos her? Warum sind das so viele? Und die kommen immer näher! Jetzt auch noch Blaulicht und Sirene. Das ist so grell und so laut! Wenn das kleine Auto doch Ohren hätte, um sich diese zuhalten zu können. Aber wenigstens stand es gerade still. Aber da waren noch immer die anderen Autos und zuhause war es auch noch nicht.

Und plötzlich ging es weiter - Vollgas! Nur noch heim! Um es herum noch mehr Motorengeheul, jeder wollte heim, es war spät, der Tag war voll, Blaulicht, Gewitter. Das kleine Auto schwitzte, ihm wurde heiß und kalt und komisch. Es wurde nervös und wollte hier weg und nicht noch einer zu nah an sich dran haben. Nein, bitte nicht! Geh weg! Lasst mich endlich alle in Ruhe! GEHT! BITTE! WEG!

Dann - ein Riesenknall! Der Kühler ist übergekocht und der Deckel abgeplatzt. Heißes Wasser spritzt heraus! Jeder, der zu nahekommt, läuft Gefahr verletzt zu werden. Jeder, sogar der kleine, liebe Abschleppwagen aus seiner Nachbarschaft, der das kleine Auto eigentlich nur in Sicherheit bringen will.