Effizientes Karate für Ü50 - Rüdiger Janson - E-Book

Effizientes Karate für Ü50 E-Book

Rüdiger Janson

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Beschreibung

Mit diesem Buch gehen wir gemeinsam zurück zu den Wurzeln des Shotokan-Karate. Somit aber auch zu den Wurzeln einiger anderer Stilrichtungen. Denn damals wurde ein effizientes Karate unterrichtet, das nicht irgendwelchen dominierend sportlichen Kriterien unterlegen war. Dort liegt der Weg zu einer effizienten Selbstverteidigung die jeder erlernen kann; egal wie alt man ist. Es gibt diesen ersten Band, und es wird auch einen zweiten Band geben. Der Titel des zweiten Bandes lautet dann: Zurück zu den Wurzeln des Karate-Do. Gehen Sie mit mir auf Schatzsuche! Denn die Karate-Schatzinsel kennen Sie alle.

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Inhalt

Vorwort

Welches Karate ist besser?

Was uns bewusst sein muss

Der eigene Gedanke?

Nicht kopieren, sondern reagieren..

Es gibt keine abgeschlossene Blocktechnik.

Kreisbewegungen im Karate

Jetzt noch etwas zur Hüfte.

Was ist Bunkai

Selbstverteidigung

Keine Illusion! Die Sache ist ernst.

Das „Drei-Stufen-Lernsystem“.

Gibt es Trockenübungen im Karate?

Was ist Kumite?

Das 3-A-Karate

Kata und Kampf

Regel Nummer 19

Heian Shodan – Pinan Nidan

Das ist der Plan.

Angriff und Abwehr, Meotode, Morote Waza

Was ist „Shuto-Uke“?

Heian Shodan – Pinan Nidan Schlusswort.

Heian Nidan – Pinan Shodan

Techniken und ihre Risiken

Morote-Uchi-Uke.

Schrittfolge, Embusen

Heian Nidan – Pinan Shodan Schlusswort

Heian Sandan – Pinan Sandan

Etwas wichtiges über die späten Nachkriegsänderungen

Heian Yondan - Pinan Yodan

Gedan Juji-Uke- Kreuz-Abwehr

Wir nehmen Wado Ryu und Shito Ryu mit hinzu.

Kakiwake-Uke

Fazit Heian Yondan

Heian Godan – Pinan Godan

Kagi-Zuki

Der Schmied und sein Werkzeug.

Jodan Juji-Uke

Manji-Uke – Manji-Kamae

Fazit Heian - Pinan

Die Wanderer auf dem falschen Weg.

Die unterschiedlichen Sichtweisen

Ein paar wichtiger Regeln.

Tekki Shodan – Naihanchi Shodan

Nami gaeshi

Empi – Okinawa-Wanshu

Kakushi Zuki

Torite-uke

Die Warnung vor den „Japan-Kata“

Wo hat Funakoshi diese Techniken her?

Fazit – Enpi/Wanshu

Bassai Dai - Passai

Wir ändern unsere Taktik

Sagurite no Kamae

Fazit Bassai Dai

Jion

Extra Ausholbewegungen im Shotokan

Die Veränderungen von Okinawa zu Funakoshi

Fazit Jion

Hikite und Kamae

Kaputtverbesserte Kata

Kanku Dai - Kushanku

Jigotai-dachi

Die himmlische Bewegung in der Kanku Dai

Snake Creeps Down

Fertigbauteile und Textbausteine.

Wann beherrscht man eine Kata?

Der ursprüngliche Gedanke einer Kata-Technikkombination.

Hangetsu - Seisan

Wo sind die Vitalpunkte?

Pentimenti-Karate

Was ist Bunkai Teil 2

Was sind Chinkuchi und Muchimi?

Eine Kata ist KEIN Kampf gegen mehrere Gegner.

Techniken ohne Quellenangabe

Ein Flugzeug braucht eine Landebahn.

Funktionsweisen, Bewegungsprinzip oder nur Choreographie

Hangetsu Fazit

Nijushiho – Niseishi, Niseshi

Weg vom „Maschinellen Karate“.

Die Freiheit der Techniken in den Kata.

Hasami Uke aus der Kata Nijushiho.

Und immer wieder: Der unpassend neuzeitliche Yoko-Geri.

Hieroglyphen, Schriftzeichen oder Bilderschriftzeichen

Dem „Neuen“ eine Chance geben.

Das Chamäleon der Kampfkunst.

Mawashi uke

Blockade mit doppeltem Effekt

Fazit Nijushiho

Und nun noch ein paar Worte zum Schluss.

Anhang

Danksagung

Informationsquellen:

Literatur

Internet:

Ihr anderen werdet sicherer immerdar. Ich werde fragender von Jahr zu Jahr.

Christian Morgenstern (1871 - 1914), deutscher Schriftsteller, Dramaturg, Journalist und Übersetzer

Quelle: aphorismen.de

Vorwort

Man nennt euch Ü50, Jukuren, Senioren/innen, ältere Menschen, Späteinsteiger oder auch „ältere Generation“. Es geht aber auch um alle Breitensportler. Das ist zwar ein Thema für Ü50, es umfasst aber Techniken für alle Menschen die lernen wollen wie man sich effizient verteidigen kann, wenn man kein Athlet ist.

Ich nenne sie in diesem Buch aber generell alle „Ü50“

Aber wie auch immer man euch nennt; ihr habt ein Recht auf ein angepasstes Karate, das euch in die Lage versetzt euch genau so wirksam zu verteidigen, wie ein Athlet.

Dann sind auch Menschen angesprochen, die ihre Füße nicht in Kopfhöhe hoch bekommen. Das wäre nur eine Frage des Trainings, sagen Leute die das nicht nachvollziehen können. Nicht jeder Körper ist gleich.

Wenn das so wäre, dann würde jeder halbwegs gesunde Mensch die 100 Meter in 10,0 Sekunden laufen, 2 Meter hoch und 8 Meter weit springen.

Und genau darum geht es hier. Viele Menschen haben ein körperliches Handicap oder zählen schlichtweg zu den etwas schwächeren Menschen. Aber trotzdem haben Sie ein Recht auf ein angepasstes Karate.

All diese Menschen werden hier ein Karate-Do kennenlernen, das auf den Spuren des Okinawa-Te wandelt. Denn nicht jeder ist imstande Karate so anzuwenden, wie ein junger athletischer Wettkämpfer.

Aber erst einmal eines vorweg: Es geht nicht ohne Sensei und auch nicht ohne Karateverein oder Karateschule. Dieses Buch macht niemanden Zuhause im Lesesessel zum Kampfkunstmeister. Aber es wird ein Konzept beschrieben, das man im Verein nutzen kann. Darum reicht es nicht, wenn Sie dieses Buch nur lesen; Sie müssen damit arbeiten. Und zwar Zuhause am PC, wie auch im Dojo.

Wenn man mit den Athleten nicht so richtig mithalten kann, muss man halt technisch vielseitiger werden.

Und genau darum geht es hier. Wir wollen einiges neu sortieren. Es gibt Ü50, die schon lange Karate betreiben, und es gibt auch Neueinsteiger. Für alle diese Leute zählt, dass man nicht mehr so herum springen kann wie früher.

Wir werden uns also überlegen müssen, was für uns „Ü50 Karateka“ wichtiger geworden ist.

Ist es wichtiger für die Ü50 Generation, dass man die Prüfungsurkunden und Farbgürtel den Enkeln und Kindern zeigt? Oder ist es besser wenn man Techniken präsentiert, die sie weitaus mehr beeindrucken. Eine gut gezeigte Technik imponiert den Angehörigen, Freunde und Kritiker mehr, als irgendein gelber Gürtel. Sie müssen sich also fragen was Priorität für sie hat. Natürlich werden Sie Prüfungen ablegen. Die Frage ist nur:

Werden Sie das gleiche Prüfungsprogramm machen wie die

jungen Athleten

? Wobei man ihnen entweder das Gleiche abverlangt, oder im günstigeren Fall ein „

Altersauge

“ zudrückt?

Oder werden Sie ein Karate präsentieren, dass Sie auch im „Ü50-Alter“ können, und welches kein „

zugedrücktes Auge

“ erfordert?

Es geht in diesem Buch natürlich um die zweite Option. Und Sie werden sich dabei wesentlich besser fühlen.

Und darum machen wir mit unseren Kata eine Reise zurück zu den Wurzeln des Shotokan-Karate. Wie reisen zurück zum Okinawa-Te.

Bevor man über den Tellerrand schaut, muss man wissen was auf dem eigenen Teller drauf liegt.

Welches Karate ist besser?

Wenn in diesem Buch Vergleiche gezogen werden zwischen den einzelnen Stilrichtungen oder einigen unterschiedlichen Lehren von Meistern die man noch als „Nachfolger von Stilrichtungsgründer“ zählen kann, dann bezieht sich das auf unser Ü50-Ziel.

Es soll hier nicht darum gehen, welches Karate besser oder schlechter ist. Es soll darum gehen, was jeder für sich selbst herausziehen kann. Es kommt auf das jeweilige Verständnis des Karate an. Es kommt darauf an wie es jeder für sich selbst versteht, umsetzt und nutzen kann.

Man fragt auch nicht, welches Schach besser ist; das russische Schach oder das amerikanische Schach oder das deutsche Schach.

Welcher Fußball ist besser? All das könnte man fragen.

Wenn man die etwas mehr als dreißig Kata betrachtet, die wir üben, wird man erkennen, dass sie im Wesentlichen lediglich Variationen von nur einer Handvoll sind.

Gichin Funakoshi, Zitat aus dem Buch Karate-Do Nyumon.

Nur wenn man das wirklich verstanden hat, kann man mit Kata richtig umgehen. Hat man das nicht verstanden, läuft man im Irrgarten herum. Und genau darum geht es in diesem Buch.

Man muss erkennen, dass durch ein Wertungs- und Schönheitsdenken, das Kata-Training in eine völlig falsche Richtung läuft. Es wird gewertet und geplant wie beim Tanzsport, Eiskunstlauf, Synchronschwimmen, Turmspringen, Dressurreiten und Turnen.

Es ist wie das Schreiben mit einem Kugelschreiber. Nicht der Kugelschreiber ist schuld, wenn die Schrift schlecht ist. Es liegt an ihnen, wie Sie schreiben. Und das ist auch beim Karate so.

Nicht Karate ist schuld, wenn nach dem Einführen des Okinawa-Karate nach Japan einiges anders gelaufen ist. Sie hatten damals angefangen Kata zu sammeln wie Briefmarken. Was in Okinawa undenkbar war, war hier selbstverständlich. Schnell bei einem anderen Meister beim Nachmittagsbesuch eine Kata lernen und mitbringen ins eigene Dojo, und fertig.

So häuften sich die Kata im Shotokan, wie auch im Shito-Ryu, enorm an. Was man nicht erkannte war, dass durch den Wettbewerbsgedanken die Kata-Techniken millimetergenau festgelegt und benannt wurden; ihr Sinn aber immer mehr hinten anstehen musste. Das war die Ursache, dass man die Techniken zwar immer schöner, akrobatischer, extremer und genauer machte; aber den Bewegungsablauf und die Bewegungskoordination völlig vernachlässigte. Man erkannte durch diese extremen Vorgaben die Gemeinsamkeiten der Techniken nicht mehr. Da nützte auch Funakoshis Zitat nichts mehr; denn nur wenige verstanden noch, wie er das meinte. Dazu kam, dass die damalige „Japan-Generation“ damals nicht lange lernen, sondern möglichst schnell kämpfen wollte. So hat man ihr Interesse mit dem Erlernen immer neuer Kata, und einer Handvoll penibel festgelegter Techniken die man als „Grundtechniken“ einstufte, bei Laune gehalten. Das Graduierungssystem hat dann den Rest erledigt. Was dann noch folgte, war eine unglaubliche Hierarchie.

Ich möchte noch ein sehr bekanntes Zitat von Sokrates an den Anfang stellen:

„Wer glaubt etwas zu sein, hat aufgehört etwas zu werden.“ (Sokrates)

Quellen:

http://www.zitate-online.de/

http://zeitundgeister.de/sag-es-doch-mit-sokrates/

Wenn man das bedenkt, dann ist nicht das Werkzeug schuld, wenn der Handwerker am Bau pfuscht, sondern der Handwerker selbst. Also, Karate-Do ist und bleibt Karate-Do; wie auch immer man es nennt. Nur die Menschen die dieses Werkzeug nutzen, und auch den Umgang damit unterrichten, sind für ihre unterschiedlichen Werke verantwortlich.

Nicht das Schachspiel ist schuld, wenn jemand jedes Spiel verliert, sondern der Spieler selbst.

Und nun lasst uns ans Werk gehen!

Rüdiger Janson

Was uns bewusst sein muss

Nicht der Gürtel entscheidet ob man Karate kann; sondern das eigene Gefühl. Vorausgesetzt, man kann ehrlich zu sich selbst sein.

Eine kurze Klarstellung ist hier an dieser Stelle noch notwendig, bevor man weiter liest. Es gibt Karate-Stilrichtungen, die mehr „Okinawagebunden“ trainieren. Diese Stilrichtungen will ich von der folgenden Kritik einmal ausschließen. Denn dort trainiert man zum Beispiel auch mit Waffen. Und das ist gut so. Denn wer sich erfolgreich gegen Waffen verteidigen will, der sollte erst einmal selber wissen wie man damit umgeht. Leider hat man es im japanischen Karate (Beispiel Shotokan) nicht für nötig gehalten, dieses Wissen weiter zu vermitteln. Dieses Wissen wurde – wie einige Wurftechniken und andere speziellen Techniken – nicht weiter gegeben.

Eine der wichtigsten Fragen die hier gestellt wird ist, wo die Grundübung aufhört und die real funktionierende Technikfolge anfängt. Manchmal hat man den Eindruck, dass das viele Karatekas nicht (mehr) wissen.

Wenn man in einem Wettkampf einem Angriff im "Grundschul-Zwei-Takt-System" begegnen will, dann kann man sich gleich flach auf den Boden legen und hoffen, dass der Kampfrichter seine schützende Hand ausstreckt.

Klar, man sagt, dass das nur Grundübungen sind. Aber wo ist die real funktionierende Technikfolge? Der Weg der Kampfübungen, (Wettkampfübungen schließen wir hier einmal aus) zum Kampf, ist von einer tiefen Schlucht durchzogen. Da fehlt etwas. Darum hat man im Wettkampf ein eigenes Konzept entwickeln müssen.

Leider ist im heutigen „moderneren Japan-Karate“ (Beispiel Shotokan) alles zu sehr in Säulenunterteilt und getrennt. Es geht hier also darum, alles viel besser miteinander zu verbinden. Man muss die Mauern des Labyrinths einreißen. Denn nur dann kann man die gesamte Übersicht wieder finden.

Und es geht auch darum, dass wir in vielen Gürtelprüfungskonzepten alles nur anfangen, aber so gut wie nichts zu Ende bringen.

Wir müssen erst verstehen von was wir uns befreien müssen, um ein Karate zu trainieren das uns einen technisch vielfältigen Vorteil bringen kann. Und das ist nicht wenig. Man kann es in etwa mit dem Fahrradfahren vergleichen. Es wird Zeit, dass wir die Stützräder abschrauben und fahren lernen.

Man muss die Maßbänder, die Schablonen und die Winkelmesser auch mal weglegen können.

Wir bauen unser Ü50-Karate anders auf. Was man in der Vergangenheit permanent in Säulen getrennt hat, das werden wir sinnvoll miteinander verbinden.

Es geht auch darum, dass man zum Beispiel Bunkai nicht mehr teilweise so extrem bizarr aufputscht, sondern auch das mehr miteinander verbindet. Das bedeutet, dass man in den Kata möglichst wirksam einfache Selbstverteidigungstechniken sehen und vereinigen soll, statt wunderlicher Kombinationen, die sich eh keiner merken kann.

Worauf wir verzichten, ist das akrobatische Karate das in Japan, nach Gichin Funakoshi, entwickelt wurde. Worauf wir auch verzichten sind theatralische Kata-Bewegungen, die nach einer Tanzwertung aufgebaut sind. Darum werden wir am Anfang mehr die Pinan Kata, statt die Heian Kata nutzen. Das ist schon einmal ein erster Schritt, dass kein Prüfer ein Auge zudrücken muss, oder einen „akrobatischen Grund“ findet, einen Senior - oder ein Prüfling mit einem körperlichen Handicap - durchfallen zu lassen.

Erfahrung heißt gar nichts. Man kann seine Sache auch 35 Jahre schlecht machen.

Kurt Tucholsky, deutscher Schriftsteller (1890 - 1935)

Je mehr einer weiß, desto mehr bezweifelt er.

Voltaire (1694 - 1778), eigentlich François-Marie Arouet, französischer Philosoph der Aufklärung, Historiker und Geschichts-Schriftsteller / Quelle: aphorismen.de

Der eigene Gedanke?

Um besser zu verstehen was uns in diesem Buch erwartet, müssen wir uns auch mit einer Regel des Gichin Funakoshi beschäftigen.

Regel Nr. 5 von Gichin Funakoshi

Die Kunst des Geistes kommt vor der Kunst der Technik.

Oder anders bezeichnet:

Die Kunst der Technik ist ausgehend, von der Kunst des Geistes.

Wenn man sich mit den Schriftzeichen näher befasst, kommt man zu dieser Übersetzung.

Das bedeutet, dass der Körper lernen muss. Man muss dem Körper die Gelegenheit geben das auch lernen zu dürfen. Wenn der Körper aber dazu angetrieben wird zu kopieren, dann wird das nie etwas.

Man nimmt im Dojo den Schülern allzu oft das eigenständige Lernen und das eigenständige Denken ab.

Greif so an!

Wehre so ab!

Kontere so!

Gehe in diese Grundstellung!

Greife so an!

Hier ist die Technik vor dem Denken. Denn Denken muss niemand mehr. Es wurde uns abgenommen durch Vorschriften und Kommandos.

Nun wird man sagen, dass man zum Lernen und Üben eine Anweisung braucht. Ja klar; aber in erster Linie muss jeder eigenständig erforschen, wie er einem Angriff am besten begegnen kann, und wie er eine Technik spüren und selbst körperlich erlernen kann.

Oftmals werden den Schülern Kombinationen beigebracht, worin sich der Sensei wohl fühlt. Dann folgt noch der Rat, dass man seiner Technik vertrauen soll.

Weniger genau vorschreiben. Aber mehr selbst probieren lassen. Das wäre wichtig. Und das muss auch im Jukuren-Karate wichtig sein.

Nicht: „Mach es so oder so“!

Sondern: „Versuche dies und jenes“!

Der Sensei kann nur den Weg zeigen. Gehen muss ihn der Schüler selbst. Kommandos nehmen uns zu sehr das eigenständige Denken ab. Außerdem sind Kommandos nur militärisch ausgerichtet oder es handelt sich um Dressur.

Um Karate zu lernen, benötigen wir keine festgelegten Kommandos, sondern klare Beispiele, von denen man etwas eigenständig lernen kann.

Man lernt vom Nachmachen, bis man es selber machen kann. Und dann entwickelt man seinen eigenen Stil. Und das muss dann nicht genau so sein, wie es der Trainer vorgemacht hat. Vielleicht haben wir einen anderen Kampfstil besser verstanden und können andere Techniken besser nutzen, wie es uns vorgeschrieben wurde und wird. Warum soll ein Senior einen Shotokan-Yoko-Geri Jodan können, wenn es den in den Okinawa-Pinan Kata so gar nicht gab? Die Pinan-Version kann er besser.

Dann kommt noch oftmals der gut gemeinte Rat, dass man dann eben den Yoko-Geri nicht so hoch treten soll, dafür aber exakter und mit dem richtigen Hüfteinsatz. Wenn es nicht anders geht, dann eben auch in den „Gedan-Bereich“ hinein. Na toll, da haben wir ja wieder den „Altersbonus“. Und das nur, weil Gichin Funakoshis Sohn Yoshitaka damit angefangen hat.

Genau so ist es mit der „eigenen Reaktion“ auf etwas. Wir haben seit Geburt an – ja sogar seit der Entwicklung des Menschen – eine eigene Reaktion und eine eigene motorische Koordination entwickelt. Ein Leben reicht nicht aus, um diese eigenen Entwicklungen umzuerziehen. Darum muss es erlaubt sein, genau diese eigene Entwicklung jedes einzelnen Karatekas zu fördern, und nicht zu versuchen ihn durch „eigene Vorstellungen eines Sensei“ umzuerziehen. Das wird nicht funktionieren.

Die Kunst der Technik ist ausgehend, von der Kunst des Geistes

Und „der Geist“ braucht keine Befehle von außen. Der Geist reagiert eigenständig. Und der Geist reagiert schneller als der Verstand.

Nicht kopieren, sondern reagieren..

Wir haben unsere eingefahrenen und kompromisslosen Grundschul-Techniken. Im Kampf ist aber ein instinktives Handeln notwendig. Und diese Freiheiten geben wir unserem Training so gut wie nie. Wir trainieren uns eine Grundschule an, die jede kreative schnelle Reaktion des Körpers verhindert. Unser Körper hat das im Laufe der Jahre so gelernt; weil wir jahrelang nur Grundübungen gemacht haben.

Dieses stumpfsinnige Training sollte durch kreatives Eigenlernen des Körpers ersetzt werden.

„Das Gehirn hat keinen Dirigenten“. Zitat von Professor Wolfgang Schöllhorn, Bewegungswissenschaftler an der Uni Mainz.Quelle: VARIATION IST BESSER ALS WIEDERHOLUNG. WIE MAN DIE INSTINKTIVE INTELLIGENZ DES KORPERS NUTZT

Im Karate dirigieren wir dem Gehirn aber jahrelang unentwegt die Grundschultechniken vor.

Der Körper lernt also auch mit. Wir machen täglich Bewegungen, die wir ohne ausgearbeiteten Schablonen, Winkelmesser und Bandmaß, sehr gut können. Und je öfter wir das frei und ungezwungen machen, umso besser wird die Bewegung.

In der Handwerkerlehre lernt man auch, wie man mit Hammer und Meißel umgeht. Am Anfang schauen die Auszubildenden noch auf den Meißel wenn sie drauf schlagen. Dann aber erkennen sie, dass sie nicht auf den Meißel schauen sollen, sondern auf das Werkstück, das sie bearbeiten. Und siehe da, man schlägt plötzlich weniger daneben.

Ein kleines Experiment: Legen Sie einen Löffel auf den Tisch, neben einen Suppenteller! Und nun denken Sie darüber nach, wie sie den Löffel immer vom Tisch in die Hand genommen haben, um die Suppe löffeln zu können! Überlegen Sie genau wie sie das machten; wie Sie den Löffel richtig in die Finger-Position brachten. Wissen Sie genau, wie sie das machten? Können Sie ihre Fingerbewegungen genau beschreiben? Nein, Sie können es nicht; obwohl Sie es schon sehr oft gemacht haben. Das ist so, weil der Körper das von Kindheit an alleine gelernt hat.

Man muss also wissen was man macht, um es zu verstehen und zu verarbeiten. Dann erst kann der Körper lernen.

Der Körper ist nicht doof. Mehr Vertrauen in den Körper kann nicht schaden. Wenn man kein Vertrauen in sich selbst hat, dann muss man alles von Grund auf neu lernen und steuern. Und genau diese übertriebenen Vorgaben sind unser Problem.

Da streiten sich einige Karatekas, ob man sich in der Heian Yondan, nach dem Empi in die Handfläche, auf den Fersen nach vorne umdreht, oder auf den Ballen.

Wenn man das macht, dann sollte man sich nicht wundern, wenn so manche Bewegung etwas roboterhaft oder bescheuert aussieht.

An dieser Stelle muss man leider erwähnen, dass diese Verhaltensmuster etwas typisch Japanisches sind. In China war das genau anders herum. Da hat man Tiere imitiert, um sich von deren Bewegungsmuster geistig inspirieren zu lassen. In Okinawa war das dann eher etwas nüchterner, aber immer noch kam der Geist vor der Technik; und nicht umgekehrt, wie in Japan.

Die Kunst des Geistes, kommt vor der Kunst der Technik.

Die Bewegung muss irgendwann unbewusst sein.

Die Übung der Bewegung muss aber erst einmal bewusst trainiert werden. Das bedeutet, dass man wissen muss WAS man macht.

Das bedeutet, dass man sich beim Üben einer Kata den Angriff bewusst vorstellen muss, und die Technik bewusst trainieren muss. Aber nicht nach einer Schablone, sondern mehr nach dem bewussten Zweck der Übung. Alles andere artet irgendwann in einem „zeremoniellen Ballett-Karate“ aus. Und dazu, liebe Jukuren, seid ihr schon zu alt.

Wir müssen uns dabei wohl fühlen. Über diesen Weg muss das Optimum erreicht werden. Es nütz uns nichts, wenn der Trainer sich bei unserer Bewegung wohl fühlt; wir aber nicht.

Und dann kommt noch der Spruch, dass wir unserer Technik vertrauen sollen.

Oder, das diese, meist selbsterfundene Kombination und Bunkai, KARATE ist.

Oder, dass man das so auf einem Lehrgang bei einem großen Meister so gelernt hat.

Wie kann man einer aufgezwungenen und „nicht selbst erfahrenen“ Technik vertrauen?

Der „eigenen Reaktion“, sollte man im Training irgendwann mehr Freiraum lassen. Man sollte das auch später einmal unbewusst üben. Die Kata verändern wir nie. Den Techniken, die wir hieraus entnehmen und üben, müssen wir aber mehr Freiraum lassen.

Wir müssen also sehr viel mehr, sehr vielseitiger trainieren; statt dreißig Jahre lang den Zenkutsu-Dachi noch tiefer und noch angepasster einzuschleifen.

Dass der Körper ebenfalls lernt, geht mittlerweile in der Wissenschaft so weit, dass sogar die Mediziner darauf aufmerksam wurden. Man spricht sogar von Persönlichkeitsveränderungen nach einer Transplantation.

Es ist im Karate sehr wichtig, dass wir dem Körper gestatten selbst etwas zu lernen; und zwar vielseitig. Denn nur so können wir geschickter werden. Dazu müssen wir aber den Zweck einer Übung kennen; und nicht die Matrize.

Je vielseitiger wir trainieren, umso besser werden wir. Wir werden eher schlechter, wenn wir den Drill fixieren. In einigen Fällen führte diese monoton eingeschliffene Perfektion sogar zu Muskelzuckungen.

Wie wir vielseitig werden, und wie wir Kumite-Techniken neben Kata als Grundlage für dieses Buch nehmen, erfahren wir dann noch.

An dieser Stelle muss eine sehr unangenehme Wahrheit ausgesprochen werden. Und, obwohl das eventuell für Unbehagen sorgen mag, werde ich es hier jetzt raus lassen:

Wenn man jahrzehntelang immer das gleiche eingeschliffene „Schablonen-Karate“ trainiert – was vielleicht für Anfänger notwendig sein mag – dann verliert man irgendwann vollkommen den Sinn für das, was die „alten Okinawa-Te Meister“ mit „Schlachtfeld“ bezeichneten. Wir benennen es heute oftmals „Straße“.

Be Water my Friend! Zitat von Bruce Lee.

Wenn Du eine ehrliche Meinung willst, dann such sie nicht bei einem Schäfchen.

Es gibt keine abgeschlossene Blocktechnik.

Eine „Blocktechnik“ ist nur ein Hilfsmittel, um den eigentlichen Verteidigungsschlag anwenden zu können. Ich möchte die Bezeichnung „Blocktechnik“ ab hier möglichst vermeiden.

Denn verteidigen kann man sich nicht mit einer solchen „in sich abgeschlossenen Blocktechnik“; es sei denn man hat erst einmal keine andere Möglichkeit, weil der Angriff überraschend und unerwartet war, oder wenn der sogenannte Block auch gleichzeitig ein Angriff sein kann. Auch das gibt es.

Wir nutzen aber künftig mehr die Begriffe Abwehrtechnik, Kontrolltechnik oder Ausweichtechnik. Denn diese Techniken können nur ein Teile der eigentlichen Verteidigungstechnik sein. Und diese Verteidigungstechnik ist entweder ein Schlag, ein Tritt, oder z.B. ein Wurf. Denn erst wenn man sich zumindest einen entscheidenden Vorteil verschafft hat, kann man von einer abgeschlossenen Verteidigungstechnik sprechen. Wie es dann weiter geht, muss der Verteidiger sehr schnell selbst entscheiden. Gibt er dem Angreifer noch einen entscheidenden Rest, oder kann man sich schnell entfernen. Das ist immer von Situation zu Situation unterschiedlich.

Wir werden also in diesem Buch nur noch von diesen abgeschlossenen Einheiten sprechen. Dass solche abgeschlossene Einheiten auch eine „Dreier-Kombination“ nach vorne sein kann – was in den Kata einige Male vorkommt – das werden wir noch später behandeln.

Also: Ab hier gibt es keinen Block und Konter mehr. Vergessen Sie das. Es gibt nur noch die eine Verteidigungstechnik.

Wenn man also einen Angriff erst einmal blocken muss – was mir schon passiert ist – dann muss etwas sehr schnelles und entscheidendes folgen, was den Gegner in eine schlechte Position bringt, oder gar im Moment Kampfunfähig macht. Nur dann kann man von einer abgeschlossenen Verteidigungstechnik sprechen.

Hierzu ein Zitat von Gichin Funakoshi zur „Ten no Kata“.

(Karate-Do Nyumon)

Zu Beginn sollte man Abwehr und Gegenangriff als zwei getrennte Techniken ausführen. Damit wird gewährleistet, dass die Abwehrtechnik nicht vernachlässigt und der Gegenangriff stark und genau ausgeführt wird. Später müssen Abwehr und Gegenangriff eins werden.

Und dann dieses Zitat von Motobu Choki:

Verwende Techniken, die in einer Bewegung Angriff und Abwehr beinhalten. Verwende so oft es geht beidhändige Techniken zur Abwehr und zum Angriff.

Quellen: www.archive-de-2014.com/de/s/2014-09-07_4536544_8/Motobu-Choki/ …

Übertragen von Meister Nagamine Shoshin

https://www.motobu-ryu.org/

Darum geht es hier. Das werden wir hier behandeln.

Und nun noch etwas sehr wichtiges, bevor es wirklich losgehen kann. Kein langer und tiefer Angriff mehr. Kein Oi-Zuki im langen tiefen Zenkutsu-Dachi.

Alle Angriffe müssen der „realen Selbstverteidigung“ angepasst werden.

Was wir brauchen, ist kein Trainingspartner der sich nach vorgegebener Formel fallen lässt. Wir brauchen einen erfahrenen Kritiker als Partner. Nennen wir ihn: „Fritz“. Fritz ist kritisch. Wenn er nicht überzeugt ist, dass die Technik bei ihm zumindest eine kleine nutzbare Wirkung erzielt hätte, dann war das eben nichts.

(Natürlich wird das im Dojo erst einmal mit langsam angepassten Übungstempo trainiert)

Am besten man benutzt öfter mal lockere Straßenkleidung; damit man auch mal aus dem „Karate-Gi“ raus kommt. Denn die Straßenkleidung hilft enorm dabei, wenn man sich der realen Bedrohung und der realen Verteidigung anpassen will.

Und wenn man angreift, dann bleibt man nicht in tiefer Stellung stehen. Man lässt auch nicht den angreifenden Arm stehen, bis der Verteidiger mit seiner Übung fertig ist. Damit tue ich meinem Trainingspartner überhaupt keinen Gefallen, und das wird auch der kritische Fritz nicht tun.

Es gibt also in unserem Ü50-Karate keine Grundschulübungen, die so, im realen Kampf nicht funktionieren. Das ist deshalb so, weil jede Technik eine Grundschulversion hat, die zur Kampftauglichen Version ausgebaut werden muss. Und das am besten von Anfang an.

Zeigen Sie beim Üben dem Partner mit ihrer anderen Faust immer, dass er sich gerade einen Treffer mit der besagten anderen Hand eingefangen hätte, wenn er versuchen würde sich auf Grundschulart zu verteidigen. Niemand lässt die Faust an der Hüfte stehen. Nein, die Faust kommt im realen Kampf erst gar nicht dort hin. - Und wenn, dann nur für einen Bruchteil einer Sekunde - Man kann das ja langsam üben. Aber die Verteidigungstechnik (Abwehr und Angriff) muss sitzen. Alles andere ist eine gefährliche Illusion.

Grundschul-Kampfübungen funktionieren nur gegen Grundschul-Kampfübungen.

Wenn wir also hier weiter machen wollen, muss das klar sein. Und noch mal: Nehmen Sie die Hand aus der Hüfte!

Zitat: Es gibt keine Kombination, die mit einem Block endet! Genoske Higaki Quelle: Alfred Heubeck, “Der Bunkai Code“

Bevor wir wirklich anfangen können, sind noch ein paar Vorkenntnisse wichtig, die uns vielleicht noch nicht so aufgefallen sind, oder die wir nur glauben zu kennen.

Kreisbewegungen im Karate

Nun ist es noch wichtig, dass wir uns, bevor es wirklich losgehen kann, über ein paar Dinge im Klaren sind. Im Zweiten Band werden wir noch sehr viel intensiver darauf eingehen müssen. Es hat einige Jahre gedauert, bis mir das wirklich aufgefallen ist. Das Problem an solchen Dingen ist immer etwas paradox.

Erst wenn man etwas verstanden hat bemerkt man, dass man es vorher nicht verstanden hat. Vorher glaubte man, dass man es verstanden hat.

Und nun erklären Sie einmal einem intelligenten Menschen, der glaubt alles zu verstehen, dass er es eben nicht versteht. Eigentlich ist das unmöglich.

Nun gut, legen wir los.

Sie begegnen uns immer wieder, ob einhändig oder zweihändig. Die Rede ist von Kreisbewegungen im Karate. Die Kata „Kanku-Dai“ beginnt mit einer beidhändigen Kreisbewegung von innen nach außen, und endet mit einer beidhändigen Kreisbewegung von außen nach innen.

Man kann genau genommen alle Abwehrtechniken in diesen Kreisbewegungen finden. Man muss sie nur einmal langsam ergründen. Man kann sogar mit der Übung dieser Technik in der Heian Shodan anfangen. Dort ist sie nämlich auch enthalten; einhändig als „Technik 4“. Im Grunde genommen ist sie vorher auch schon genau so vorhanden. Denn der Gedan-Barai ist – in seiner gesamten Basis-Ausführung - genau das Gleiche, nur anders herum.

Wobei ich die Bezeichnung „Ausholbewegung“ nicht so mag. Es ist eigentlich keine Ausholbewegung. Es ist eben die gesamt mögliche Bewegung dieser Technik, im Sinne der Grundübung.

Dass man im Kampf diese Technik schneller macht und entsprechend, von der Bewegungsnotwendigkeit her anpasst, muss uns klar sein.

Solche Kreisbewegungen findet man in vielen Kata; auch beidhändig. Wenn man sich damit befasst erkennt man, dass oftmals (nicht immer) nicht etwa Kraft gegen Kraft mit Einrasten der Technik gemeint ist, sondern Umlenken, Ausweichen, die Kraft des Gegners nutzen. Die Technik empfangen und „ins Leere laufen lassen“.

Das ist ein wichtiges Grundwissen das wir brauchen, damit man überhaupt versteht, wo die Reise hin geht.

Oftmals übergeht man diese Kreis-Techniken. Man weiß nichts damit anzufangen. Dabei sind diese Kreisbewegungen die Grundbasis der Kampfkunst. Durch das zusätzliche Drehen der Hände kann man diese Techniken vielseitig erweitern. Und sie sind in sehr vielen Kata enthalten.

Wenn man einmal die Kata auf dieser Grundbasis betrachtet, ergeben sich sehr viele und sehr schöne technische Übungsmöglichkeiten.

„Weniger ist mehr“ sagt man, wenn man etwas mehr vom Karate versteht. Das bedeutet, dass die vielen Variationen alle eine Grundbasis haben.

Nein, ich meine nicht die Grundschule. Das ist etwas ganz anderes. Ich meine ein paar wenige Grundbewegungen, die als Grundlage für alle Techniken gelten.

Man sagt, dass man mit nur drei Grundfarben alle anderen Farben mischen kann. Im Karate sollte man genau diese wenigen „Grundfarben" kennen.

Und die Kreisbewegung ist eine davon.

Schlagen und Treten eine andere.

Und ausweichen eine dritte.

Die Grundfarben des Karate sollte man kennen, damit man gut mischen kann. Man muss nicht alle Farben kennen. Man muss nur gut mischen können.

Jetzt noch etwas zur Hüfte.

Dieses Thema liegt mir am Herzen.

Stellen Sie sich in normal aufrechter Stellung hin. Füße etwa schulterbreit auseinander. Die Füße bleiben stehen. Die Arme strecken Sie links und rechts aus. Sie können auch leichte Hanteln in die Hand nehmen. Nun drehen Sie – ohne die Füße vom Fleck zu bewegen – den Oberkörper links herum und rechts herum. Die Hüfte macht hier die wenigste Arbeit.

Nun stellen Sie sich in eine Tür und halten sie sich mit beiden Händen an der einen Seite des Türrahmens fest. Der Oberkörper steht still, aber die Hüfte kann trotzdem rotieren.

Aber es geht im Karate fast immer nur um die Hüfte, Hüfte, Hüfte; und immer wieder Hüfte.

Die Hüfte ist nur ein Bestandteil des Körpers. Die Arme hat der Liebe Gott aber an den Schultern angebracht. Ich kann aber die Hüfte bewegen, ohne die Schultern mitzunehmen.

Manchmal denke ich, unser Karate besteht nur aus „Hula Hoop“. Und das wirklich Wesentliche erkennt man nicht. Es geht immer um die richtig mögliche Körperarbeit in einer echten Kampfsituation. Diese ewige Hüftrotation kann einem aber auch wirklich so langsam auf den Wecker gehen.

Denn bei mir haben sich Beine und Oberkörper beschwert. Die meinten, dass immer nur die Hüfte hochgelobt würde, und ihre eigene Arbeit bei der Sache nicht genug - bis überhaupt nicht - gewürdigt werde. Oberkörper, Wirbelsäule und die Schultern meinten dann noch, wenn Sie ihre Mitarbeit einstellen würden, dann könnte die Hüfte so lange und so viel rotieren wie sie wolle; es würde nichts bringen. Dann meinten sie noch, dass die Hüfte, wegen dieser ständigen Beachtung, ziemlich eingebildet geworden wäre.

Zitat aus dem Buch „Die Meister des Karate und Kobudo“:

„Auch wenn er (Itosu Yasutsune) seine eigene Auffassung von Karate hatte, so überlieferte er doch Ideen seiner Lehrer, die er selbst nicht nutzte. So verwendete er für seine Techniken keine Hüftrotation, um die Wirkung zu erhöhen. Trotzdem lehrte er auch solche Methoden“.

Zitat Ende.

Der Körper braucht keinen Dirigent. Der kann das auch alleine lernen. (Wenn man ihn lässt)

Es geht in jeder Technik um den richtigen Körpereinsatz, der in einer wirklichen Kampfsituation machbar ist. Und dazu gehört die Bewegung des ganzen Körpers; Beine, Oberkörper und Schulter gehören da auch mit dazu. Die Hüfte ist nur ein Teil davon. Und das wusste sicher auch Itosu. Denn seine Schlagkraft war legendär.

Wir müssen jetzt noch einige andere Dinge klar sehen wenn wir anfangen wollen. Hierzu müssen wir kritisch in die Entwicklerjahre nach dem zweiten Weltkrieg schauen. Und wir müssen einige Fragen stellen, die vielen Leuten vielleicht unverständlich sind, oder die ihnen nicht gefallen werden. Aber neue Sichtweisen standen immer schon am Pranger.

Das Schlechteste was dem Karate nach dem zweiten Weltkrieg passieren konnte war, dass man alles in Säulen aufteilte. Der Schaden der daraus entstand, ist kaum noch gut zu machen.

Die Unterteilung in die so beliebten - und seit Jahrzehnten immer wieder erwähnten - Säulen des Karate, isoliert die einzelnen Trainingsbereiche in etwas jeweilig eigenständiges. Und das kann nicht funktionieren und auch nicht gut gehen. Im Training gehört alles zusammen, damit man am Ende zu einem vernünftigen Ergebnis kommen kann. Das wäre ja genau so, als ob man beim Kochen, die Zutaten und Gewürze getrennt zu sich nimmt.

Es wäre wesentlich sinnvoller gewesen, wenn man die Trainingsbereiche mehr miteinander verbunden hätte, als sie zu trennen und sie zu etwas eigenständigen zu machen.

Was ist Bunkai

Bunkai ist manchmal sehr bizarr. Dabei kann es so einfach sein. Je einfacher, desto besser. Alles wunderlich absonderlich seltsam Merkwürdige wollen wir hier erst einmal vergessen. Bevor man etwas „verkompliziert“ sollte man von allen Techniken die in den Kata vorkommen, die Basis (Grundschule) kennen und aber auch verstehen. Denn die Technik-Familien werden nur über die Grundschul-Basis miteinander verbunden. Bevor man sich also Techniken im Internet bei Ringern abguckt und für sein eigenes Kata-Bunkai verwenden will, sollte man erst einmal die eigene Karate-Grundtechnische Nutzungjeder Technik verstehen.

Und bitte!!! Wir sprechen hier nicht von der „BASIS“, die man allgemein im Karate versteht. Wir sprechen hier von einer anderen Basis. Nochmal: Jede Technik hat eine Basis. JEDE. Und diese Basis - die auch auf den gemeinsamen Bewegungsprinzipien besteht - verbindet einige Techniken miteinander.

Und da gibt es einen weiteren wichtigen Punkt.

Bunkai ist also eine Analyse der Kata. Gut. Und nun? Was machen wir damit?

Wir haben die Kata analysiert? Ja? Wirklich?

Nein, haben wir nicht. Denn wir müssen doch die Frage stellen, was Bunkai ist, und wo wir Bunkai im Kampf einordnen.

Ist Bunkai eine Art Selbstverteidigung?

Ist Bunkai eine Sammlung von Techniken die wir im Kampf einsetzen können?

Wir sollen die Kata analysieren. Wir sollen uns die vielen Bunkai-Versionen merken. Und wir sollen diese Bunkai-Versionen bei Bedarf einsetzen können.

Nein, das kann sich niemand merken. Ich habe in meinem ersten Buch schon beschrieben, dass wir, wenn wir die Bunkai-Versionen von nur einem Sensei bei 26 Kata zusammen rechnen, auf weit über 300 Bunkai-Versionen kommen; manchmal sogar mehr.

Und was hat Bunkai mit Kampf zu tun? Sind die Bunkai-Versionen nur Übungen, die man im Kampf anders anwenden muss? Funktionieren die überhaupt? Fragen um Fragen. Aber die sind nicht von mir. Diese Fragen werden ständig gestellt.

Die Antwort ist einfach: Bunkai ist die Grundversion jeder Technik in den Kata. Bunkai ist das „Basis-Verständnis“ der Kata-Techniken. Haben wir das verstanden, können wir damit vielseitiger am Partner arbeiten.

Bunkai bedeutet im Grunde genommen, dass man die Techniken nach mehreren Aufbaustufen trainiert, bis sie im Kampf anwendbar sind. Man braucht Bunkai, sonst weiß man nicht was man macht. Wer Werkzeuge im Keller hat, muss auch wissen wofür sie sind. Es sei denn, man sammelt sie um anzugeben.

Also man macht Kumite-Übungen. Und wie einfach und Einleuchtend das sein kann, das werden wir sehr bald ergründen. Aber dazu müssen uns die gemeinsamen Bewegungsprinzipien der Techniken bekannt sein. Auch das werden wir in diesem Buch ergründen.

Man muss aber immer von jeder Technik die Grundübung verstehen. Sonst werden hunderte von komplizierten Variationen erfunden, die sich niemand merken kann.

Im Straßenkampfkarate gibt es nur Kampf. Und Kampf ist Kumite. Wir nehmen die Kata und machen Kata-Kumite. Also Selbstverteidigung.

Und wir machen es nicht kompliziert. Manchmal ist „weniger“ mehr.

Nebenbei bemerkt: Man hat mir einmal gesagt, dass es keine Bunkai-VERSIONEN gibt. Es gäbe nur Bunkai. Also nach Japan fliegen, sich Bunkai zeigen lassen, und bloß nicht selber nachdenken. Na toll.

Selbstverteidigung

Was ist SV? Die vierte Säule des Karate? Nein, auch SV ist teilweise Kumite. Wer sich selbst verteidigen muss, der muss auch kämpfen können. Und wer Kämpfen muss, der macht im Karate eben Kumite.

Allerdings muss man hier etwas weiter greifen. Selbstverteidigung ist etwas umfangreicher.

Es gibt viele Karateka die glauben, dass es im Karate immer nur ums Kämpfen geht. Man sollte aber darüber nachdenken, wie man "ungeschoren" aus einer bedrohlichen Situation wieder raus kommt. Im Karate denkt man aber sehr oft nur, und ausschließlich, ans Gewinnen und ans Kämpfen.

Das Spektrum der SV ist aber weitaus größer, als das Spektrum des Kampfes. SV beinhaltet auch Kampf. Aber vor dem Kampf, gibt es bereits die SV.

Es ist eigentlich bitterschade, dass man das nicht immer versteht. Man sagt immer wieder: "Kata ist Kampf". (Das stimmt so nicht ganz. Aber das lernen wir noch.) Kata ist aber auch Selbstverteidigung. Das mag der Grund sein, dass man vieles was ich schreibe nicht versteht. Das tut mir dann leid. Ich sehe die Techniken halt mit anderen Augen.

Für mich gibt es mehrere Stufen in der SV.

Die sind: Selbstvertrauen, Gefahren vermeiden und abwenden, Zanshin, verteidigen, befreien, loslösen, entkommen, und dann, wenn es notwendig wird, "explodieren" und kämpfen.

Ich denke aber immer mit dem Blick, wie ich mich verteidigen kann. Ich denke nicht in erster Linie ans Gewinnen. Das ist auch die zwölfte Regel des Gichin Funakoshi.

Denke nicht an das Gewinnen, doch denke darüber nach, wie man nicht verliert.

Und aus der Sicht der SV gibt es Situationen in der Techniken funktionieren, die im Kampf etwas anders gemacht werden müssen.

Das Problem ist, dass das „normal eingefahrene Karate“ die Grenze von einem Selbstverteidigungsfall zum Kampf nie so richtig erörtert hat. Ein Kampf ist immer die letzte Option.

Bevor der Kampf beginnt, beginnt die Selbstverteidigung. SV beinhaltet Kampf, wenn es notwendig ist. Nun müssen sich viele Karatekas fragen wann für sie der Kampf beginnt, und ob sie ihn vermeiden können, und wollen.

Darum sehe ich viele Kata-Techniken etwas anders. Ich sehe sie aus der Sicht der SV, und nicht ausschließlich aus der Sicht des Kämpfers der den anderen sofort platt machen muss. Das gibt mir eine andere Sichtweise auf einige Techniken in den Kata.

Ich bin sehr bestürzt darüber, dass ich bei diesem Thema mit Karateka im Internet schon endlos grundlegende Diskussionen führen musste.

Was ist also Selbstverteidigung? Na alles; von der Deeskalation, bis zum Kampf. Kämpfen ist aber nur ein Teil des Karate. Es ist der größte Teil des Karate; aber eben nur ein Teil. Im weiten Vorfeld der SV gibt es Techniken, die im Kampf etwas anders gemacht werden müssen, als in der SV. Der Grund ist immer, das Verhalten des Gegners.

Regel 13 des Gichin Funakoshi. „Wandle dich abhängig vom Gegner.

Dass man im Karate nach SV sucht zeigt mir, dass man die Kata immer noch versucht zu analysieren. Was bis heute heraus kam, waren meist nur Theorien.

Keine Illusion! Die Sache ist ernst.

Selbstverteidigung für Ü50 oder für Frauen oder „Verhaltensweise für Kinder“, sind schwierige Themen. Manchmal werden solche oder ähnliche Kurse angeboten, die nicht immer das halten können was sie versprechen. Eine Hundertprozentige Selbstverteidigung gibt es nicht. Wer kämpft kann und wird wahrscheinlich dabei auch verletzt werden. Jeder Kampf dem man aus dem Weg gehen kann, ist daher ein gewonnener Kampf.

Mit Sicherheit kann man in ein paar Wochen Kurs keine "Black Widow" aufbauen.

Was soll man aber beachten, wenn ein solcher Kurs angeboten wird, und man teilnehmen will, oder wenn man sich als „Karateka Ü50“ mit solchen Büchern wie diesem befasst?