Ein Apartment auf dem Uranus - Paul B. Preciado - E-Book

Ein Apartment auf dem Uranus E-Book

Paul B. Preciado

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Beschreibung

Es war Karl Heinrich Ulrichs, der 1864 der »Liebe, die ihren Namen nicht zu nennen wagt«, erstmals einen Namen gab: Inspiriert vom griechischen Gott Uranos, bezeichnete er gleichgeschlechtliches Begehren als Uranismus. Mit dem Begriff forderte er als einer der Ersten überhaupt öffentlich das Recht ein, anders zu lieben.

Auf Ulrichs Spuren träumt Paul Preciado von einem Apartment auf dem Uranus, einem Ort fern der irdischen Kategorisierungen und Festlegungen, einem Ort der sexuellen Dissidenz. Preciados in diesem Band versammelte Texte verdichten sich zu der Erzählung eines Übergangs: einer durch die Einnahme von Testosteron angestoßenen Transformation des eigenen Körpers und der eigenen Identität – von Beatriz zu Paul. Zugleich dokumentieren und analysieren sie die im Wandel begriffenen politischen Verhältnisse. Von den Protesten im krisengebeutelten Athen über die verzweifelte Situation der Flüchtlinge auf den griechischen Inseln bis hin zur Unabhängigkeitsbewegung in Katalonien begleitet Preciado Kämpfe um Würde und Autonomie.

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Seitenzahl: 355

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Titel

Paul B. Preciado

Ein Apartment auf dem Uranus

Chroniken eines Übergangs

Mit einem Vorwort von Virginie Despentes

Aus dem Französischen von Stefan Lorenzer

Suhrkamp

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Die Originalausgabe dieses Buches erschien 2019 unter dem Titel Un appartement sur Uranus. Chroniques de la traverséebei Éditions Bernard Grasset (Paris).Die Essays zur Coronakrise wurden zusätzlich in diesen Band aufgenommen. Der erste erschien unter dem Titel »La conjuration des losers« am 27. März 2020 in Libération,der zweite am 28. März unter dem Titel »Aprendiendo del virus« in der spanischen Tageszeitung El País.

eBook Suhrkamp Verlag Berlin 2020

Der vorliegende Text folgt der 2 Auflage, 2022.

© Suhrkamp Verlag Berlin 2020Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung, des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile.Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form(durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

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Umschlag gestaltet nach einem Konzeptvon Willy Fleckhaus: Rolf Staudt

eISBN 978-3-518-76554-8

www.suhrkamp.de

Widmung

Für Itziarthe broad sunthe loved shore.

Übersicht

Cover

Titel

Impressum

Widmung

Inhalt

Informationen zum Buch

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Widmung

Inhalt

Vorwort

Einleitung

Ein Apartment auf dem Uranus

Chroniken des Übergangs

2013

Wir sagen Revolution

Wer verteidigt das queere Kind?

Politisch unterstützte Fortpflanzung

Candy Crush Rehab

Die Äffinnen der Republik

Nekropolitik auf französische Art

Frauenrecht auf (Sex-)Arbeit

2014

Den Gebärmutterstreik ausrufen

Die Kugel

Onfray in völliger Geschlechterverwirrung

Liebe im Anthropozän

Vergesslicher Feminismus

Marcos forever

Die Statistik, stärker als die Liebe

Attraktion des Bruchs

Der Feminismus ist kein Humanismus

»Snuff«-Souveränität

Der Mut, man selbst zu sein

2015

Transkatalonien

Pedro Lemebel, Deine Seele wird nie aufgeben

Der heilige Valentin ist ein Drecksack

Das neoliberale Museum

Nekropolitik

Die Ajayus rufen

Chemische Kondome

Die Reise ist meine Geliebte

Volk der Herumtreiber

In den Armen der Rodina Mat

Eine andere Stimme

Dein Rollstuhl macht mich an

Beirut mon amour

Eine Stadt lieben

Wen wärmen die griechischen Schulden?

2016

Eine Schule für Alan

Vergessen wir die Vorstellung, etwas Besonderes zu sein

Etymologien

Hommage an die unbekannte Amme

Reise ans Ende des Bettes

Schlaflose Nacht

Die neue Katastrophe Kleinasiens

Transit-Identität

Mein Körper existiert nicht

Reise nach Lesbos

Vornamen: Paul Beatriz, Antrag 34/2016

Mein Transkörper ist ein leeres Haus

Glück ist für Marx politische Emanzipation

Der Ort, der dich willkommen heißt

Die Zerstörung war meine Beatriz

Athens Teen Spirit

Pack Deine Sachen

2017

Unsere Bildschirme schauen sich an

Vom Buchdruck zum Fleischdruck

Der Hintern der Geschichte

San Francisco, »Amerikas Klitoris«

Die vaterlandslose Ausstellung

Ich möchte leben

Unsere Bisons

Intersexizid

Der Süden existiert nicht

Tweety hat ein Rendezvous mit der Geschichte

Mein Volk ist das Volk der Niedriggeborenen

Demokraten gegen die Demokratie

Körper, die sich bewegen

Feierlichkeiten

Ich will keinen Präsidenten

2018

Der Sohn

Brief eines Transmannes an das Ancien Régime der Sexualität

Postskriptum (2020)

Die Verschwörung der Verlierer

Vom Virus lernen

Immunität und Grenzpolitik

Biopolitik im pharmapornografischen Zeitalter

Das weiche Gefängnis: Willkommen in Ihrer persönlichen Telerepublik

Unterwerfung oder Mutation

Fußnoten

Informationen zum Buch

Vorwort

Paul,

als Du mich gefragt hast, ob ich dieses Vorwort schreiben würde, waren wir in Deinem Apartment im Zentrum von Paris. Die Orte, an denen Du Dich einrichtest, sehen immer aus wie Klosterzellen. Schreibtisch, Computer, ein paar Notizhefte, das Bett mit dem Bücherstapel daneben. Bei Dir zu sein, ohne bei mir zu sein, ist immer noch seltsam – mit niemandem habe ich in meinem Leben mehr Zeit verbracht als mit Dir. Und das Gefühl des fremd gewordenen Vertrautseins bleibt mir ein Rätsel, irgendetwas zwischen Lust und Schmerz, das beides zugleich ist. Es muss Nostalgie sein.

Du hast mich gefragt, ob ich dieses Vorwort schreiben würde, und ich habe ohne nachzudenken Ja gesagt. Als Du mit den Kolumnen anfingst, lebten wir zusammen, und nach der Trennung hast Du mir weiterhin Deine Texte geschickt, damit ich Dein Französisch Korrektur lese. Wir wissen beide, dass sie das bei Libération sehr gut selbst erledigen könnten, aber es ist eine Weise, die Verbindung nicht abreißen zu lassen. Und für mich eine Weise, weiterhin in Deinen Worten zu leben, den Faden Deines Denkens nicht zu verlieren.

Ich weiß, wie Du schreibst. Du kennst keine Schreibblockaden. Ich wäre gar nicht imstande, eine solche Kolumne zu schreiben, weil ich jedes Mal eine Woche in schierer Angst verbrächte. Gerade habe ich so eine Woche hinter mir, weil es mir nicht gelingen wollte, mit dem Schreiben dieses Vorworts anzufangen. Ich dachte mir zunächst, dass es etwa 5000 Zeichen lang sein sollte, so lang wie Deine Artikel, und hatte mir auch einen Plan zurechtgelegt. Aber wie es mit Blockaden nun einmal ist: Selbst wenn man weiß, was man schreiben will, und am Schreibtisch ausharrt – es kommt nichts. Der Plan, den ich im Kopf hatte, begann in etwa so: »An dem Tag, da ich dieses Vorwort schreibe, warst Du bei der Polizei, um Anzeige zu erstatten, weil sie Dir Morddrohungen an die Tür gesprüht haben, die gleichen Drohungen und Beleidigungen, die in derselben Nacht auf die Tür des LGBT-Zentrums in Barcelona geschmiert wurden. ›Komme vom Revier‹, schreibst Du auf Whatsapp, ›mit zusammengebissenen Zähnen, mir ist kalt bis auf die Knochen, ich geh nicht gern zur Polizei.‹ Aber Du warst mehr als einmal dort, seit wir uns kennen, immer wegen Morddrohungen. Beim ersten Mal habe ich Dir gesagt, vergiss es einfach. Wenn sie Dir schreiben, wie sie Dich umbringen werden, dann, weil sie nicht die Absicht haben, es zu tun. Kurz darauf wurde in Madrid einem schwulen Aktivisten, der Morddrohungen erhalten hatte, die Kehle durchgeschnitten, als er das Haus verließ. Er überlebte bloß, weil sie ihn für tot hielten und liegen ließen. Danach hast Du zum ersten Mal Anzeige erstattet. Und den Polizisten ausführlich erzählt, was sie über queere Mikropolitiken wissen sollten. Das ist Dein Ding, den Leuten Geschichten zu erzählen, die sie sich nicht hätten träumen lassen, und sie davon zu überzeugen, dass es gut wäre, wenn sie wahr würden.

An dem Tag, da ich dieses Vorwort schreibe, hat der brasilianische Abgeordnete Jean Wyllys angekündigt, sein Land zu verlassen, weil er um sein Leben fürchtet. Der junge Bilal Hassani soll für Frankreich beim Eurovision Song Contest antreten und ist einer Flut homophober Beschimpfungen ausgesetzt.

Als Du begonnen hast, Deine Kolumnen für Libération zu schreiben, waren die Mainstream-Medien gerade dabei, mit beunruhigender Hingabe die Demonstrationen gegen die Homo-Ehe zu unterstützen. Tag für Tag rührten sie die Werbetrommel. Der Intoleranz das Wort erteilen, das Recht heterosexueller Fundamentalisten auf ihre Hassrede verteidigen – was könnte dringlicher sein? Das war das Signal, wir haben es alle gehört, mit dem ein Jahrzehnt der Toleranz zu Ende ging. Damals hast Du Dich Beto genannt und noch kein Testosteron genommen, aber man sprach von Dir im Maskulinum, wie Du es wolltest. Die Biokerle, die Cismänner, hast Du »die Behaarten« genannt und mich damit zum Lachen gebracht. Inzwischen käme auf der Straße kein Mensch mehr auf die Idee, sich mit einem »Pardon, Madame« aus der Verlegenheit zu retten, nachdem er Dich mit »Monsieur« angesprochen hat. Heute bist Du trans, und was mich am meisten verwirrt, wenn wir zusammen durch die Stadt laufen, ist nicht, dass Männer jetzt unbefangener mit Dir sprechen, sondern dass die Frauen sich nicht mehr wie früher verhalten. Sie himmeln Dich an. Vorher wussten Heterofrauen nicht so recht, was sie von diesem femininen Kerl, diesem maskulinen Mädchen halten sollten, sie fühlten sich in Deiner Gegenwart nicht wirklich wohl. Heute bewundern sie Dich. Ob sie mit dem Hund draußen sind oder Käse verkaufen oder im Restaurant bedienen – Frauen finden Gefallen an Dir und sie lassen es Dich wissen, wie Frauen das tun, indem sie Dich ungefragt mit kleinen Aufmerksamkeiten überhäufen. Du sagst, es sei seltsam, ein Mann zu werden, während man noch die Erinnerung an die Unterdrückung im Kopf hat, und außerdem würde ich übertreiben, sie würden Dich gar nicht beachten. Das bringt mich zum Lachen.

Deine Artikel bilden jetzt, da sie versammelt sind, eine geschlossene Skyline. Ich erinnere mich an jeden einzelnen Text und den Augenblick, als er veröffentlicht wurde, aber sie vom ersten bis zum letzten in einem Stück zu entdecken, ist eine Überraschung. Eine sehr gelungene Überraschung. Mehrere Geschichten entspinnen sich, im Wechsel, gegeneinander versetzt. In einer Spirale, hätte Roland Barthes gesagt, die immer wieder, aber nie auf derselben Ebene um dieselben Themen kreist. Es ist ein Buch geworden, das sich von Deinen anderen, autobiografischeren, leichter zugänglichen Büchern abhebt und zugleich an Deinen Testo Junkie erinnert, der mehrere Fäden ineinanderflicht. Du hast das Buch einen »Zopf« genannt, und ein Zopf, ein Geflecht ist auch diese Sammlung. Es gibt einen Handlungsstrang, der uns zwei betrifft – unsere Trennung und die Jahre danach. Und andere Stränge, die sich verflechten, um ein neues Muster zu bilden. Da ist die Geschichte vom Ende der westlichen Demokratien, in der die Finanzwelt entdeckt, dass sie sich sehr gut mit autoritären Regimen verträgt, ja autoritäre Regime vorzieht, weil Menschen noch besser konsumieren, wenn ihre Hände gefesselt sind. Da ist die Geschichte der Flüchtlinge, in Lager gepfercht, auf dem Meer umgekommen, ihrer Not überlassen in Städten, in denen Überfluss herrscht und die sich christlich nennen. Und ich weiß, dass Du Parallelen zwischen ihrer und Deiner Lage nicht ziehst, weil Du an der linken Pose Gefallen findest, sondern weil Du, das gegen Ende der Franco-Zeit geborene Kind und der Transmann, der Du heute bist, zu ihnen gehörst. Weil Du weißt, dass Du stets einer von ihnen sein wirst, dass die Not, wie Calaferte sagt, »nie eine Frage der Kraft ist«, dass man durch keine moralische oder mentale Kraft, durch kein Verdienst gegen sie gefeit ist. Sie kommt über Dich wie ein umgekippter Lastwagen, sie erfasst und erdrückt Dich. Und Du vergisst es nicht.

Und natürlich ist diese Sammlung auch die Geschichte Deiner Transition, Deiner Transitionen. Sie handelt nicht von einem Übergang von einem Punkt zum anderen, sondern vom Umherwandern, der Irrfahrt, dem Dazwischen als Lebensort. Von einer stetigen Transformation, ohne feste Identität und festgeschriebene Tätigkeit, ohne Adresse, ohne Land. Du nennst dieses Buch Ein Apartment auf dem Uranus, und auf der Erde hast Du keine Wohnung, nur die Schlüssel zu einer Unterkunft in Paris, wie Du zwei Jahre lang die Schlüssel zu einem Apartment in Athen hattest. Du ziehst nicht ein. Du bist nicht daran interessiert, Dich niederzulassen. Du hältst am Dauerstatus des blinden Passagiers, des undokumentierten Einwanderers fest. Du änderst Deinen Namen in Deinen Ausweispapieren, und wenn Du Dich Paul nennst, um die Grenze zu überschreiten, dann hast Du, wie Du in Libérationschreibst, nicht die leiseste Absicht, die Männlichkeit als neues Geschlecht anzunehmen, nein, Du willst ein utopisches Geschlecht.

Es ist, als sei das Mögliche zum Kerker geworden und Du zum Ausbrecher. Du schreibst zwischen den vorgezeichneten Möglichkeiten, und indem Du das tust, erschließt Du ein anderes Mögliches. Du hast mir etwas Wesentliches beigebracht: keine Politik ohne Enthusiasmus. Wenn man Politik ohne Enthusiasmus macht, ist man rechts. Und er ist ansteckend, der Enthusiasmus, mit dem Du Politik machst, ohne die geringste Feindseligkeit gegen jene, die Dir den Tod wünschen, sondern nur im Bewusstsein der Drohung, die sie für Dich, die sie für uns bedeuten. Für Feindseligkeit hast Du nicht die Zeit und für Wut nicht den Charakter. Stattdessen lässt Du Welten von den Rändern her entstehen, und verblüffend an Dir ist diese Fähigkeit, Dir stets etwas anderes vorzustellen. Als gleite alle Propaganda an Dir ab, als sei Dein Blick systematisch darauf angelegt, Selbstverständlichkeiten zu erschüttern. Es ist Deine Arroganz, die sexy ist, diese heitere Arroganz, die es Dir erlaubt, anderswo, in den Zwischenräumen zu denken, den Uranus bewohnen zu wollen und in einer Sprache zu schreiben, die nicht die Deine ist, bevor Du Vorträge in nochmal einer anderen Sprache hältst. Von einer Sprache zur anderen, einem Thema zum anderen, einer Stadt zur anderen, einem Geschlecht zum anderen – Dein Zuhause sind die Übergänge, und ich möchte dieses Zuhause nie ganz verlassen, möchte nie Deine Zwischen-Sprache vergessen, Deine Crossroad-Sprache, Deine Sprache in Transition.

So weit der Plan, den ich im Kopf hatte. Aber ich will schließen, indem ich von einer Obsession spreche, die alle autokratischen Regime, extrem rechte wie religiöse oder kommunistische, miteinander teilen. Sie alle sind besessen davon, über queere Körper, die Körper der Schlampen, Transkörper, die Körper hors la loi, die gesetzlosen Körper herzufallen. Als hätten wir Öl und alle mächtigen Regimes wollten dieses Öl in ihren Besitz bringen, als wollten sie uns deshalb vertreiben, uns daran hindern, unser Land zu bestellen. Als verfügten wir über gewaltige undefinierbare Bodenschätze. Wenn sich die Welt so für einen interessiert, fragt man sich schließlich, ob man nicht etwas Seltenes und Kostbares an sich hat – wie sonst ließe sich erklären, dass alle Bewegungen, die der Freiheit den Tod wünschen, so genau wissen wollen, was wir mit unseren Identitäten, unseren Leben, unseren Körpern in unseren Schlafzimmern anfangen?

Und zum ersten Mal, seit wir uns kennen, bin ich optimistischer als Du. Ich stelle mir vor, dass die Kinder, die nach 2000 geboren sind, sich für diesen Blödsinn nicht mehr einspannen lassen – und ich weiß nicht, ob mein Optimismus von einem Schrecken herrührt, der so groß ist, dass ich mich weigere, mich ihm zu stellen, oder ob meine Einschätzung zutrifft oder ob es sich am Ende nur um eine Verbürgerlichung handelt und ich mir sagen muss, dass alles so weitergehen wird wie bisher, weil ich dabei zu viel zu gewinnen habe. Ich habe keine Ahnung. Aber zum ersten Mal in meinem Leben ist da dieses Gefühl, dass wir dem letzten Gefecht der traditionellen, mörderischen, gewalttätigen, missbräuchlichen Männlichkeit beiwohnen. Dass es das letzte Mal ist, dass wir sie johlen hören und sie uns auf den Straßen umbringen, um der Jämmerlichkeit zu entrinnen, in der ihr Denken gefangen ist. Ich glaube, die nach 2000 geborenen Kinder werden begreifen, dass es mit dieser maskulinistischen oder, mit Deinem Wort, »technopatriarchalen« Ordnung nicht weitergehen kann, wenn nicht alle sterben und alles verlieren sollen.

Ich glaube, diese Kinder werden Deine Texte lesen, sie werden verstehen, was Du vorschlägst, und Lust auf Dich haben. Lust auf Dein Denken, Deinen Horizont, Deine Räume. Du schreibst für eine Zeit, die noch nicht angebrochen ist. Du schreibst an Kinder, die noch nicht geboren sind und die ihrerseits in diesem stetigen Übergang leben werden, der das Leben ausmacht.

Und ich wünsche dem Leser, der in Dein Buch eintritt, alle Lust der Welt. Willkommen bei Paul B. Preciado – Sie steigen in eine Kapsel, und Sie werden nicht unversehrt wieder herauskommen, aber seien Sie unbesorgt, es ist keine Gewalt im Spiel. Allerdings wird jeder von Ihnen beim Lesen dieser Seiten irgendwann merken, dass er auf dem Kopf steht, und die Schwerkraft wird bloß noch eine ferne Erinnerung sein. Sie werden anderswo sein. Und wenn Sie aus der Lektüre wieder hinaustreten, werden Sie wissen, dass es diesen Raum gibt und er Ihnen offensteht. Es ist dieser Raum, in dem Sie etwas ganz anderes werden können als das, was man Ihnen erlaubt hatte, sich vorzustellen.

Virginie Despentes

Einleitung

Ein Apartment auf dem Uranus

Mit den Jahren habe ich gelernt, Träume als integralen Bestandteil des Lebens zu betrachten. Es gibt Träume, die wegen ihrer sinnlichen Intensität, ihres Realismus oder gerade wegen der Abwesenheit jedes Realismus mit dem gleichen Recht in eine Autobiografie gehören wie wirklich erlebte Geschehnisse. Das Leben beginnt und vollendet sich im Unbewussten, die Handlungen, die wir wachen Auges vollziehen, sind nur Inseln in einem Archipel der Träume. Keine Existenz lässt sich in ihrem Glück oder ihrem Wahnsinn ganz wiedergeben, ohne den Traumerfahrungen Rechnung zu tragen. Das ist die Umkehrung der Maxime des Calderón de la Barca: Wo dieser forderte, man müsse das Leben als Traum betrachten, gilt es zu begreifen, dass auch Träume eine Form des Lebens sind. Mit den Ägyptern zu glauben, Träume seien kosmische Kanäle, durch welche die Seelen unserer Vorfahren mit uns in Verbindung treten, ist so merkwürdig wie die Annahme von Neurowissenschaftlern, Träume entstünden im Cut-and-paste-Verfahren aus Elementen, die, vom Gehirn im Wachzustand erlebt, in der REM-Phase des Schlafs zurückkehren, während unsere Augen sich unter den Lidern bewegen, als ob sie etwas erblickten. Sie sind geschlossen, sie schlafen und hören doch nicht auf zu sehen. Daher ist es angemessener zu sagen, die menschliche Psyche erschaffe und bearbeite unablässig die Wirklichkeit, manchmal im Wachen, manchmal im Traum.

Mein Wachleben in den letzten Monaten war, mit einer euphemistischen katalanischen Wendung, »gut, wenn wir nicht ins Detail gehen«, mein Traumleben aber hatte die Kraft eines Romans von Ursula Le Guin. In einem der letzten Träume sprach ich mit der Künstlerin Dominique Gonzalez-Foerster über mein Problem der geografischen Entortung: Nach jahrelangem Nomadendasein fällt es mir schwer, mich für den Ort zu entscheiden, an dem ich in dieser Welt leben soll. Während dieses Gesprächs sahen wir die Planeten sanft im Orbit kreisen, als wären wir zwei Riesenkinder und das Sonnensystem ein Mobile von Calder. Im Augenblick, sagte ich ihr, hätte ich auf jedem Planeten ein Apartment gemietet, um dem Entscheidungskonflikt auszuweichen, ich bliebe aber auf keinem länger als einen Monat, und diese Situation sei ökonomisch und emotional untragbar. Dominique war in meinem Traum Expertin für außerirdisches Immobilienmanagement, wahrscheinlich weil sie das Projekt »Exotourisme« ins Leben gerufen hat. »An deiner Stelle nähme ich ein Apartment auf dem Mars und würde einen Außenposten auf dem Saturn behalten«, erklärte sie mir ganz pragmatisch, »aber das Apartment auf dem Uranus solltest Du aufgeben. Das ist viel zu weit weg.«

Als ich wieder aufwache, verfüge ich über keine nennenswerten astronomischen Kenntnisse und habe nicht die leiseste Vorstellung von der Position der Planeten im Sonnensystem oder ihrem Abstand zueinander. Aber ich rufe den Wikipedia-Eintrag zum Uranus auf. Tatsächlich zählt er zu den Planeten, die am weitesten von der Erde entfernt sind. Nur Neptun und Pluto sowie die Zwergplaneten Haumea, Makemake und Eris sind noch weiter weg. Wie ich lese, war Uranus der erste mit einem Teleskop entdeckte Planet. Acht Jahre vor der Französischen Revolution hatte ihn der Astronom und Musiker Wilhelm Herschel bei klarem Himmel vom Garten seines Hauses in der New King Street in Bath aus mit einem selbstgebauten Fernglas beobachtet, am 13. März 1781. Herschel, der noch nicht wusste, ob er es mit einem Riesenstern oder einem Kometen ohne Schweif zu tun hatte, taufte ihn auf den Namen »Georgium Sidus«, »Georges Gestirn«, um den König über den Verlust der britischen Kolonien in Amerika hinwegzutrösten. England hatte einen Kontinent verloren, der König einen Himmelskörper gewonnen. Herschel aber bekam dank Uranus eine großzügige königliche Jahrespension in Höhe von zweihundert Pfund. Wegen Uranus gab er die Musik auf, verließ Bath, wo er Kapellmeister gewesen war, und zog nach Windsor, damit sich der König durch einen Blick durchs Teleskop jederzeit seiner neuen Eroberung versichern konnte. Wegen Uranus, so heißt es, wurde Herschel verrückt. Den Rest seines Lebens verbrachte er damit, das größte Teleskop des 18. Jahrhunderts zu bauen, das die Engländer »das Ungetüm« nannten. Und wegen Uranus sollte er nie mehr Oboe spielen. Er starb mit 84, mit exakt so vielen Jahren, wie Uranus braucht, um die Sonne zu umrunden. Der Tubus seines Teleskops soll einen so gewaltigen Durchmesser besessen haben, dass die Familie ihn bei Trauerfeiern als Speisesaal nutzte.

Uranus ist, was Physiker einen Gasriesen nennen. Aus Eis, Methan und Ammoniak bestehend, ist er der kälteste Planet des Sonnensystems, auf seiner Oberfläche können Windgeschwindigkeiten von über 900 Stundenkilometern herrschen. Kurzum: Man kann nicht behaupten, die Lebensbedingungen seien günstig. Dominique hatte recht: Das Apartment auf dem Uranus sollte ich aufgeben.

Aber der Traum funktioniert wie ein Virus. Seit jener Nacht wird der Wunsch, ein Apartment auf dem Uranus zu haben, auch im Wachzustand immer stärker, und mehr und mehr bin ich davon überzeugt, dass ich genau dort leben möchte.

War der Uranus in meinem Traum eine Art Utopie, bezeichnete das Wort ouranós bei den alten Griechen das feste Dach der Welt, den äußersten Rand des Himmelsgewölbes. In zahlreichen griechischen Beschwörungsriten gilt der ouranós als Haus der Götter. In der Mythologie wiederum ist Uranos der von Gaia, der Erde, ohne fremdes Zutun, ohne Befruchtung oder Begattung, geborene Sohn. Die griechische Mythologie ist eine Art Retro-Science-Fiction-Saga, in der Technologien der Reproduktion und Transformation der Körper, die im 20. und 21. Jahrhundert auf den Plan treten, im Do-it-yourself-Modus vorweggenommen sind. Und sie ist auch eine kitschige Fernsehserie, deren Personal sich einer unausdenklichen Fülle gesetzloser Beziehungen hingibt. So vermählt sich Gaia mit ihrem Sohn Uranos, einem Gott, der häufig inmitten eines Sternennebels dargestellt wird, wie eine Art Tom of Finland, der mit anderen muskelbepackten Typen in einem Techno-Club auf dem Olymp tanzt. Aus den inzestuösen und letztlich nicht sonderlich heterosexuellen Beziehungen zwischen Himmel und Erde entsteht die erste Generation der Titanen, unter ihnen Okeanos, das Wasser, Kronos, die Zeit, oder Mnemosyne, das Gedächtnis … Uranos ist zugleich Sohn der Erde und Vater aller anderen. Was genau sein Problem war, ist nicht wirklich bekannt, aber ob er seine Kinder im Bauch der Gaia gefangen hielt oder sie bei der Geburt in den Tartarus warf – die Wahrheit ist, dass er kein guter Vater war. Gaia hat denn auch eines ihrer Kinder dazu gebracht, ihn einer empfängnisverhütenden Operation zu unterziehen. Auf Giorgio Vasaris Darstellung im Palazzo Vecchio in Florenz ist Kronos zu sehen, wie er Uranos mit einer Sense entmannt. Aphrodite, die Göttin der Liebe, wird aus den amputierten Geschlechtsorganen des Uranos geboren – was den Gedanken nahelegt, die Liebe entstehe aus der Abtrennung der Genitalien vom Körper, aus der Verschiebung und Externalisierung der genitalen Kraft.

Es ist diese Form der nichtheterosexuellen Empfängnis, wie sie in Platons Gastmahl erwähnt wird, die den deutschen Juristen Karl Heinrich Ulrichs zu dem Begriff »Uranismus« inspirieren sollte, der das meint, was er die Liebesbeziehungen des »dritten Geschlechts« nennt. Um zu erklären, weshalb Männer sich von anderen Männern angezogen fühlen, halbiert Ulrichs, im Anschluss an Platon, die Subjektivität. Er trennt Seele und Körper und entwirft eine Kombinatorik von Seelen und Körpern, die es ihm erlaubt, Anerkennung der Würde derer zu fordern, die mit ihrer Liebe gegen das Gesetz verstoßen. Die Abspaltung der Seele vom Körper reproduziert in der Sphäre der Erfahrung die binäre Epistemologie der Geschlechterdifferenz: Es gibt nur zwei Optionen. Die »Urninge« sind, so Ulrichs, keine Kranken oder Kriminellen. Sie sind weibliche Seelen, die, gefangen in männlichen Körpern, von männlichen Seelen angezogen werden.

Das war nicht die schlechteste Idee, um eine Form der Liebe zu rechtfertigen, für die man damals in England oder in Preußen an den Galgen kommen konnte, die heute noch in 68 Ländern illegal ist und wegen der in elf dieser Länder, etwa in Nigeria und Pakistan, im Iran oder in Katar, die Todesstrafe verhängt werden kann, eine Form der Liebe, die in den meisten westlichen Demokratien ein verbreitetes Motiv für familiäre, soziale und polizeiliche Gewalt darstellt.

Ulrichs gibt diese Erklärung nicht als Jurist oder Wissenschaftler ab. Er spricht in der ersten Person Singular. Er sagt nicht »Es gibt Urninge«, sondern »Ich bin ein Urning«. Er erklärt es auf Lateinisch, am 29. August 1867, nachdem man ihn zu einer Haftstrafe verurteilt und seine Bücher verboten hat, auf dem Deutschen Juristentag, vor fünfhundert Zuhörern, darunter Abgeordnete und ein bayerischer Prinz – für ein Bekenntnis dieser Art ein ideales Publikum. Bis dahin hat Ulrichs sich hinter dem Pseudonym »Numa Numantius« versteckt. Von diesem Tag an spricht er jedoch in seinem eigenen Namen. Er wagt es, den Namen seines Vaters zu beflecken. Seinem Tagebuch vertraut er an, welche Angst er hatte. Noch kurz vor seinem Auftritt auf der Bühne des großen Saales des Münchener Odeons habe er daran gedacht, Reißaus zu nehmen und nie zurückzukommen. Aber mit einem Mal habe er sich der Sätze des Schweizer Schriftstellers Heinrich Hössli entsonnen, der Jahre zuvor (wenn auch nicht in seinem eigenen Namen) die Sodomiten verteidigt hatte:

»Zwei Wege hatte ich vor mir«, so Hössli,

schreiben und mich aller Verfolgung aussetzen, oder: nicht schreiben und mit solcher Schuld hinabgehen ins ernste Grab aus dieser Welt […]. [Ich bin] auch schon im Begriff und in Versuchung gestanden, diese Schrift aufzugeben. […] [U]und ich fragte und sah wieder vor mir, was wir aus ihnen gemacht hätten – unsere Erwürgten – die todten Hingerichteten – und die lebendigen Hingerichteten und die noch nicht gebornen Hingerichteten und die unseligen Mütter an den Wiegen der schuldlos Verdammten, die Richter und Erzieher mit verbundenen Augen – und der Todtengräber zuletzt den Sargdeckel über meine Nase schiebend … dann faßte mich wieder siegend die Macht der Menschenliebe und der Wahrheit mit ihrer ganzen Gewalt an, und ich suchte, dachte und schrieb wieder fort, und wendete sorglos, selbstvergessend meine Augen vorsätzlich ab von allen denen, die dafür, wie ich wohl weiß, an meinem Verderben arbeiten. […] [A]lsdann habe ich menschlicher Weise durchaus keine Wahl mehr zwischen reden und schweigen […].

Ulrichs berichtet in seinem Tagebuch, dass die Juristen und Abgeordneten im Odeon wie eine aufgebrachte Menge riefen: »Schluss! Schluss!« Aber er berichtet auch, dass andere Stimmen laut wurden: »Nein, nein! Fortfahren! Fortfahren!« Im allgemeinen Tumult verlässt der Präsident des Juristentags den Saal. Ein paar Abgeordnete bleiben. Die Stimme von Ulrichs bebt. Sie hören zu.

Aber was heißt sprechen für die, denen der Zugang zu Vernunft und Wissen verwehrt wird, was heißt es für uns, die wir als Geisteskranke betrachtet werden? Mit welcher Stimme können wir sprechen? Können der Jaguar oder der Cyborg uns ihre Stimme leihen? Sprechen heißt, die Sprache des Übergangs, der Überquerung erfinden, die Stimme auf eine interstellare Reise schicken, unsere Differenz in die Sprache der Norm übersetzen, während wir insgeheim fortfahren, uns in einem fremdartigen Kauderwelsch zu üben, das das Gesetz nicht versteht.

Ulrichs war also der erste europäische Bürger, der öffentlich erklärte, auf dem Uranus wohnen zu wollen. Der erste Geisteskranke und Sexualstraftäter, der das Wort ergriff, um die Kategorien anzuprangern, die ihn als sexuell gestört und kriminell gebrandmarkt hatten. Er sagte nicht: »Ich bin kein Sodomit.« Im Gegenteil, er verteidigte das Recht, Sodomie unter Männern zu praktizieren, er rief zu einer Neuordnung der Zeichensysteme auf, zu einer Änderung der politischen Rituale, in denen eine soziale Anerkennung definiert wird, die darüber entscheidet, ob ein Körper als gesund oder krank, legal oder illegal gilt. Er erfand eine neue Sprache und eine neue Äußerungsszene. In jedem Wort, das Ulrichs vom Uranus aus an die in München versammelten Juristen richtete, hallt die von der binären Epistemologie des Abendlands produzierte Gewalt wider. Das ganze Universum in zwei Hälften geteilt und nur in zwei Hälften. Alles hat in diesem Erkenntnissystem eine Vorder- und eine Rückseite. Wir sind Mensch oder Tier, Mann oder Frau, Lebende oder Tote, Kolonialherren oder Kolonisierte, Organismen oder Maschinen. Wir sind von der Norm gespalten. Zweigeteilt und gezwungen, auf der einen oder auf der anderen Seite des Schnitts zu bleiben. Was wir Subjektivität nennen, ist bloß die von dieser Fraktur, von dieser Wunde hinterlassene Narbe, unter der die Vielfalt dessen verborgen liegt, was wir hätten sein können. Diese Narbe ist es, auf die man das Eigentum, die Familie, das ererbte Vermögen gegründet hat. Diese Narbe ist es, auf die man den Eigennamen schreibt, sie ist es, von der aus die Geschlechteridentität definiert wird.

Am 6. Mai 1868 schickte Karl Maria Kertbeny, Aktivist und Verteidiger der Rechte sexueller Minderheiten, Ulrichs einen handschriftlichen Brief, in dem er das Wort »Homosexuelle« für die erfindet, die sein Freund »Urninge« genannt hatte. Gegen das in Preußen erlassene Gesetz wider die Unzucht vertritt er die Überzeugung, sexuelle Handlungen zwischen Personen gleichen Geschlechts seien so »natürlich« wie die Praktiken derer, die er, und auch dieses Wort fällt hier zum ersten Mal, »Heterosexuelle« nennt. Für Kertbeny sind Homosexualität und Heterosexualität nur zwei natürliche Weisen, zu lieben. Aber die Vertreter des Gesetzes und der Medizin werden die Homosexualität am Ende des 19. Jahrhunderts als Krankheit, als Abweichung, als Verbrechen rekodifizieren.

Ich spreche nicht von Geschichte. Ich spreche zu Ihnen von Ihrem, von meinem heutigen Leben. Während der Terminus »Uranismus« irgendwo in den Archiven der Literatur verloren ging, sollten Kertbenys Begriffe im Laufe des 20. Jahrhunderts zu echten biopolitischen Techniken der Lenkung von Sexualität und Fortpflanzung werden. Das geht so weit, dass die meisten von Ihnen fortfahren, sie zu gebrauchen, um sich auf die eigene Identität zu beziehen, als handele es sich um deskriptive Begriffe. Homosexualität wird im Westen bis 1975 in psychiatrischen Handbüchern als psychosexuelle Erkrankung geführt. Sie bleibt ein Zentralbegriff nicht bloß des Diskurses der klinischen Psychologie, sondern auch der politischen Sprachen westlicher Demokratien.

Nachdem der Begriff der Homosexualität aus den psychiatrischen Handbüchern verschwunden ist, sind unter den Begriffen der Intersexualität und Transsexualität neue Krankheitsbilder aufgetaucht, gegen welche die Medizin, die Pharmakologie und das Gesetz Heilmittel aufbieten. Jeder Körper, der in einem westlichen Krankenhaus zur Welt kommt, wird geprüft und den Verfahren zur Ermittlung der geschlechtlichen Identität unterzogen, wie sie in den fünfziger Jahren in den Vereinigten Staaten von John Money, John und Joan Hampson eingeführt wurden. Weist der Körper des Säuglings nicht die von der Geschlechterdifferenz vorgesehenen Merkmale auf, kommt eine Batterie von Maßnahmen des sexual reassignment, der »Geschlechtsneuzuweisung« zum Einsatz. Entsprechend wird ein Körper in den meisten westlichen Staaten wissenschaftlich und politisch nur dann als Teil der Gesellschaft anerkannt, wenn man ihm entweder das männliche oder das weibliche Geschlecht zuweisen kann. Transsexualität und Intersexualität werden nicht etwa als Symptome einer mangelnden Passung des politisch-visuellen Systems der Geschlechterdifferenz an die Komplexität des Lebens, sondern als psychosomatische Störungen verstanden.

Wie können Sie, wie können wir ein ganzes System der Sichtbarkeit, der Repräsentation, des Rechts auf Souveränität und politische Anerkennung anhand solcher Kategorien organisieren? Glauben Sie wirklich, dass Sie Frauen oder Männer, Homo- oder Heterosexuelle, Inter- oder Transsexuelle sind? Beunruhigen Sie diese Unterscheidungen? Haben Sie Vertrauen in sie? Hängt Ihre Identität als Mensch von ihnen ab? Sollten Sie ein Beben in der Brust spüren, wenn Sie eines dieser Wörter hören, unterdrücken Sie es nicht. Das ist nur die Vielfalt des Kosmos, die sich einen Weg durch Ihre Kehle bahnen will, als sei diese Herschels Fernrohr.

Lassen Sie mich Ihnen sagen, dass es Homosexualität und Heterosexualität nur innerhalb einer binären und hierarchischen Taxonomie gibt, der es darum zu tun ist, die Herrschaft des Paterfamilias über die Reproduktion des Lebens zu sichern. Homosexualität, Heterosexualität, Intersexualität und Transsexualität gibt es nicht jenseits einer kolonialistischen und kapitalistischen Epistemologie, die bestimmte sexuelle Reproduktionspraktiken als Strategie des Bevölkerungsmanagements, der Reproduktion der Arbeit, aber auch der konsumierenden Bevölkerung privilegiert. Es ist das Kapital, das sich reproduziert, nicht das Leben. Jene Kategorien sind die von der Macht festgeschriebene Karte, nicht das Gebiet des Lebens. Wenn es aber Homosexualität und Heterosexualität, Intersexualität und Transsexualität nicht gibt, wer sind wir dann? Wie lieben wir? Malen wir es uns aus.

Dann kehrt mein Traum wieder, und ich begreife, dass mein Transsein eine neue Form des Uranismus ist. Ich bin kein Mann, keine Frau, nicht heterosexuell, nicht homosexuell, nicht bisexuell. Ich bin ein Dissident des Geschlecht/Geschlecht-Systems. Ich bin die Vielfalt des Kosmos, gefangen in einem binären politischen und epistemologischen Regime, und ich stehe vor Ihnen und schreie. Ich bin ein Uranist, eingepfercht in die Schranken des technowissenschaftlichen Kapitalismus.

Wie Ulrichs bringe ich keine Neuigkeiten von den Rändern, ich bringe Ihnen ein Stück vom Horizont. Ich komme mit Nachrichten vom Uranus, der weder das Reich Gottes noch die Kloake ist. Ganz im Gegenteil. Man hat mir bei Geburt ein weibliches Geschlecht zugewiesen. Man hat mir gesagt, ich sei lesbisch. Ich habe beschlossen, mir regelmäßig Dosen von Testosteron zu verabreichen. Ich habe nie gedacht, ich sei ein Mann. Ich habe nie gedacht, ich sei eine Frau. Ich war mehrere. Ich habe mich nicht als transsexuell verstanden. Ich wollte mit dem Testosteron experimentieren. Ich mag seine Viskosität, die Unvorhersehbarkeit der Veränderungen, die es hervorruft, die Intensität der Empfindungen, die sich achtundvierzig Stunden nach der Einnahme einstellen. Und, bei regelmäßiger Einnahme, seine Fähigkeit, die Identität zu zerschlagen, organische Schichten des Körpers hervortreten zu lassen, die andernfalls unsichtbar geblieben wären. Entscheidend sind, wie auch sonst, die Maßeinheiten: Dosierung, Einnahmehäufigkeit, Regelmäßigkeit. Ich wollte verkennbar werden. Ich habe mir nicht von den medizinischen Institutionen Testosteron als Hormontherapie verschreiben lassen, um eine »Genderdysphorie« oder eine »Geschlechtsidentitätsstörung« zu behandeln. Ich wollte mit dem Testosteron funktionieren, mit seiner Hilfe die Intensität meines Begehrens freisetzen, meine Gesichter vervielfältigen, indem ich meine Subjektivität verwandle, einen Körper herstellen, der eine revolutionäre Maschine ist. Ich habe die Maske der Weiblichkeit abgelegt, die mir die Gesellschaft aufs Gesicht geheftet hatte, so dass schließlich meine Ausweisdokumente lächerlich, obsolet geworden sind. Dann, ohne anderen Ausweg, habe ich eingewilligt, mich als Transsexueller auszuweisen, als »Geisteskranker«, um vom medizinisch-bürokratischen System als menschlicher lebender Körper anerkannt zu werden. Ich habe den Namen, den ich trage, mit meinem Körper bezahlt.

Mit dem Entschluss, meine Subjektivität mithilfe des Testosterons zu konstruieren wie der Schamane die seine mithilfe der Pflanzen, nehme ich die Negativität meiner Zeit auf mich, eine Negativität, die zu repräsentieren ich genötigt bin und gegen die ich nur von jener paradoxen Verkörperung aus ankämpfen kann, die es bedeutet, im 21. Jahrhundert ein Transmann zu sein, ein Feminist mit dem Namen eines Mannes in der #MeToo-Bewegung, ein zum Konsumenten der pharmapornografischen Industrie gewordener Häretiker des heteropatriarchalen Systems. In ein und demselben Augenblick bildet meine Existenz als Transmann den Gipfelpunkt des Ancien Régime der Sexualität und den Anfang seines Zusammenbruchs, die Klimax seines normativen Ausgreifens und die Ankündigung einer zukünftigen Proliferation.

Ich bin gekommen, um das Wort an Sie zu richten, an Sie, an die Toten und an die, die leben, als seien sie bereits tot. Vor allem aber bin ich gekommen, um zu den verfemten und unschuldigen Kindern zu sprechen, die erst noch geboren werden. Wir Uranisten sind die Überlebenden eines politischen Versuchs der systematischen Kindstötung: Wir haben den Versuch überlebt, in uns, die wir noch nicht erwachsen waren und uns nicht verteidigen konnten, die radikale Vielfalt des Lebens und das Verlangen abzutöten, den Namen aller Dinge zu ändern. Bist du gestorben? Werden sie morgen geboren? Ich gratuliere Ihnen, nachträglich oder im Voraus.

Ich bringe Ihnen Neuigkeiten vom Übergang. Haben Sie keine Angst, regen Sie sich nicht auf, ich bin nicht gekommen, um irgendwelche morbiden Geschichten zu erzählen. Ich bin nicht gekommen, um Ihnen zu sagen, was ein Transsexueller ist oder wie man sein Geschlecht wechselt oder in welchem Moment eine Transition gut oder schlecht ist. Denn nichts davon wäre wahr, nicht wahrer als der Strahl der Nachmittagssonne, der auf irgendeinen Fleck des Planeten fällt und sich verändert, je nachdem, von welchem Ort aus man ihn betrachtet. Nicht wahrer als die Behauptung, die langsame Umlaufbahn, die Uranus um die Sonne beschreibt, sei gelb. Ich kann Ihnen weder sagen, was alles passiert, wenn man Testosteron nimmt, noch, was es in Ihrem Körper bewirken würde. Machen Sie sich die Mühe, sich selbst die nötigen Erkenntnisdosen zu verabreichen, so viele, wie Ihre Risikobereitschaft zulässt.

Ich bin nicht deshalb gekommen. Wie meine indigene Mutter, der Schriftsteller Pedro Lemebel, sagte: Ich weiß nicht, warum ich gekommen bin, aber ich bin da. In diesem Apartment auf dem Uranus mit Blick auf die Gärten Athens. Und ich werde eine Weile bleiben. An der Kreuzung. Weil die Kreuzung der einzige Ort ist, den es gibt. Es gibt keine zwei gegenüberliegenden Ufer. Wir stehen stets an der Wegkreuzung. Und es ist diese Kreuzung, von der aus ich mich an Sie wende, als Monstrum, das die Sprache der Menschen gelernt hat.

Ich brauche nicht mehr, wie Ulrichs, zu behaupten, ich sei eine männliche Seele, gefangen im Körper einer Frau. Ich habe keinen Körper und keine Seele. Ich habe ein Apartment auf dem Uranus, was mich gewiss von den meisten Erdenbürgern weit entfernt, aber nicht so weit, dass Sie mich nicht besuchen kommen könnten. Und sei es auch nur im Traum.

Chroniken des Übergangs

Wenn dieses Buch im Zeichen des Uranus geschrieben ist, dann weil es eine Reihe von Chroniken des Übergangs enthält. Diese Texte wurden hauptsächlich an Flughäfen und in Hotelzimmern geschrieben, für die französische Zeitung Libération, zwischen 2013 und Anfang 2018. Als ich mit dem Schreiben dieser Kolumnen begann, hieß ich noch Beatriz, und obwohl ich als queere Lesbe eine Dissidentin war, blieb meine gesellschaftliche und rechtliche Stellung die einer Frau. Und ich beende dieses Buch, noch immer mitten auf der Kreuzung, indem ich es mit meinem neuen Namen signiere, bewaffnet mit einem neuen Ausweisdokument, in dem mein rechtliches Geschlecht als männlich angegeben wird. Die chronologische Reihenfolge, in der die Kolumnen verfasst wurden, habe ich (mit einer Ausnahme) beibehalten, weil sie auch der Chronologie der Geschlechts- und Gendertransformation, dem Bericht vom Übergang entspricht. In diesem Sinne haben diese Kolumnen mindestens zwei Autoren. Diese Dissonanz macht auf zugespitzte Weise die Aufteilung des Autors in eine Vielzahl von Stimmen sichtbar, die den Übergang vollziehen – ein Phänomen, das in jeder Schreibarbeit steckt, für gewöhnlich aber von der Einheit des Autorennamens verdeckt wird.

Ich gehe so weit, zu sagen, dass es die Übergangsprozesse sind, die uns die globale politische Transformation, mit der wir konfrontiert sind, besser verstehen lassen. Wechsel des Geschlechts und Migration sind zwei Praktiken, die, indem sie die politische und rechtliche Architektur des patriarchalen Kolonialismus, der Geschlechterdifferenz und die rassifizierte Hierarchie infrage stellen, einen lebenden menschlichen Körper den Grenzen der Staatsbürgerschaft, ja dessen überantworten, was wir als Menschheit verstehen. Jenseits geografischer, sprachlicher, körperlicher Verschiebungen ist es die radikale Transformation nicht allein des Reisenden, sondern auch der menschlichen Gemeinschaft, die ihn aufnimmt oder zurückweist, was beide Reisen kennzeichnet. Das Ancien Régime der politischen, sexuellen und rassifizierten Hierarchien kriminalisiert alle Übergangspraktiken. Aber jedes Mal, wenn der Übergang möglich ist, zeichnet sich der Grundriss einer neuen Gesellschaft ab, mit neuen Formen der Produktion und Reproduktion des Lebens.

Der Übergang begann 2004, als ich beschloss, mir erstmals niedrige Dosen Testosteron zu verabreichen. Dann habe ich beim Durchqueren eines namenlosen Raums zwischen dem Weiblichen und dem Männlichen, zwischen der lesbischen Maskulinität und der Dragking-Weiblichkeit über mehrere Jahre die Erfahrung gemacht, eine Position einzunehmen, die heute »gender fluid« genannt wird. Das Fließende der aufeinander folgenden Inkarnationen prallte auf den sozialen Widerstand, der sich dagegen richtet, die Existenz eines Körpers außerhalb der Geschlechterbinarität zu akzeptieren. Ich bastelte an dieser »Fluidität« herum wie ein Gender-Alchimist, indem ich mir eine Testosteronmenge verabreichte, die man als Schwellendosis bezeichnet, weil sie noch nicht zur Proliferation »männlicher sekundärer Geschlechtsmerkmale« führt. Diese Kolumnen beginnen irgendwo auf dieser Schwelle.

Paradoxerweise habe ich mich von der Fluidität abgewandt, weil ich den Wechsel wollte. Der Übergang wurde zum Laboratorium dieser Transformation. Die Entscheidung dafür, das »Geschlecht zu wechseln«, geht zwangsläufig mit dem einher, was Édouard Glissant ein »Zittern« oder »Beben« nennt. Der Übergang ist der Ort der Ungewissheit, des Unselbstverständlichen, der Befremdung. Er ist keine Schwäche, sondern eine Stärke. Im September 2014 habe ich in der New Yorker Audre-Lorde-Klinik, einer der wenigen Einrichtungen weltweit, die von Transaktivisten geleitet werden, begonnen, mich medizinisch-psychiatrischen Maßnahmen zur Geschlechtsumwandlung zu unterziehen. »Geschlechtsumwandlung« ist nicht, wie die Hüter des Ancien Régime der Sexualität es wollen, der Sprung in die Psychose. Aber sie ist auch nicht, wie die neue neoliberale Verwaltung der Geschlechterdifferenz behauptet, eine schlichte medizinische und rechtliche Prozedur, die sich in der Pubertät abschließen lässt, um zu völliger Normalität und Unauffälligkeit zu führen. In einer Gesellschaft, die vom wissenschaftlich-merkantilen Axiom der Geschlechterbinarität beherrscht wird, in der das soziale Leben wie die Arbeits-, Gefühls-, Wirtschafts-, Verwaltungssphäre nach Maßgabe der Unterscheidungen von Männlichkeit und Weiblichkeit, Heterosexualität oder Homosexualität aufgeteilt ist, schließt ein Prozess des Genderwechsels das Überqueren einer Grenze ein, die mit den rassifizierten zu den gewaltsamsten politischen Grenzen zählt, die von der Menschheit ersonnen wurden. Sie zu überqueren heißt, gleichzeitig eine unendlich hohe vertikale Mauer zu überwinden und auf einer in die Luft gezeichneten Linie zu laufen. Solange das heteropatriarchale Regime der Geschlechterdifferenz die Wissenschaftsreligion des Westens ist, werden Wechsel des Geschlechts immer häretische Akte bleiben. Mit der Erhöhung der Testosterondosis wurden die Veränderungen intensiver. Die Gesichtsbehaarung ist nur eine Kleinigkeit verglichen mit dem Bruch, den die Veränderung der Stimme in der sozialen Anerkennung zeitigt. Das Testosteron verändert die Dicke der Stimmbänder, der Muskeln, deren Modifikation den Ton und die Lage der Stimme verwandelt. Der Reisende zwischen den Geschlechtern erfährt die Veränderung seiner Stimme als Besessenheit, als eine Art Bauchrednerei, die ihn zwingt, sich mit dem Unbekannten zu identifizieren. Diese Mutation gehört zum Schönsten, was ich je erlebt habe. Trans sein heißt, einen Prozess der inneren »Kreolisierung« herbeizusehnen, es heißt zu akzeptieren, dass es nur kraft der Veränderung, der Mutation, der Métissage gelingen kann, man selbst zu sein. Die Stimme, die das Testosteron aus meiner Kehle hervorkommen lässt, ist nicht die eines Mannes, es ist die Stimme des Übergangs. Die Stimme, die in mir bebt, ist die Stimme der Grenze. »Wir verstehen die Welt besser, wenn wir mit ihr beben, denn die Welt bebt in alle Richtungen.«

Mit dem Stimmwechsel kam der Namenswechsel. Einen Moment lang habe ich mir gewünscht, einfach meinen weiblichen Vornamen als männlichen zu behandeln. Ich wollte mich weiterhin Beatriz nennen und den grammatischen Regeln gemäß mit männlichen Pronomen und Adjektiven bedacht werden. Aber diese grammatikalische Verwindung war noch schwieriger zu bewerkstelligen als die körperliche Genderfluidität. Also beschloss ich, nach einem männlichen Vornamen zu suchen.

Im Mai 2014 hat Subcomandante Marcos in einem offenen Brief aus der zapatistischen Gemeinde La Realidad den Tod von Marcos verkündet, der als Name ohne Gesicht erfunden worden war, um dem revolutionären Prozess in Chiapas eine Stimme zu geben. Im selben Brief erklärte der Subcomandante, sich künftig nicht mehr Marcos zu nennen, sondern den Namen Galeano anzunehmen, in Erinnerung an den im Mai 2014 ermordeten José Luis Solís López, genannt Galeano. Das hat mich auf den Gedanken gebracht, mich Marcos zu nennen. Ich wollte diesen Namen wie eine zapatistische Maske tragen, die mein Gesicht und meinen Nachnamen verdeckt. Marcos war ein Mittel, meinen alten Namen zu deprivatisieren, mein Gesicht zu kollektivieren. Mein Entschluss wurde von lateinamerikanischen Aktivisten in den