Ein fast perfektes Spiel, Die Schatten von Nizza & Die unbekannte Dritte - Rolf Palm - E-Book
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Ein fast perfektes Spiel, Die Schatten von Nizza & Die unbekannte Dritte E-Book

Rolf Palm

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Beschreibung

Eiskalter Mord und finstere Intrige an der Côte d’Azur – drei Krimi-Highlights in einem Sammelband. EIN FAST PERFEKTES SPIEL: In der High Society der Côte d’Azur hält Oskar dem Millionär Martin Somerset die Schmarotzer vom Leib – außer natürlich die Frauen. So trifft er das gerissene Partygirl Nadine, die ihm einen Job vorschlägt: Gemeinsam die Reichen von Monte Carlo um ihr Vermögen zu erleichtern. Doch ihr Erfolg ist nicht nur der Polizei, sondern bald auch der Mafia ein Dorn im Auge … DIE SCHATTEN VON NIZZA: Damien Pomelli erhält einen Anruf – kurz darauf ist der Anrufer tot und Pomelli gerät in das Visier der Polizei. Die Spur des Täters führt ihn zurück in dunkle Nächte und Ereignisse, die er verzweifelt zu vergessen sucht. In einem rasanten Katz-und-Maus-Spiel müssen Pomelli und Kommissar Vidal zusammenarbeiten, um einen Täter zu überführen, der vor nichts zurückschreckt … DIE UNBEKANNTE DRITTE: Als eine Deutsche in der Provence erschossen wird, muss Berliner Kommissarin Florence Labelle die französischen Kollegen in den Ermittlungen unterstützen. Zu den Hauptverdächtigen zählt ausgerechnet die Nichte des französischen Präsidenten – doch sie hatte nicht als einzige ein Motiv. Die Tote hatte viele Geheimnisse und eine dunkle Vergangenheit ... Drei fesselnde Frankreichkrimis für Fans von Jean-Luc Bannalec und Pierre Martin.

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Über dieses Buch:

EIN FAST PERFEKTES SPIEL: In der High Society der Côte d’Azur hält Oskar dem Millionär Martin Somerset die Schmarotzer vom Leib – außer natürlich die Frauen. So trifft er das gerissene Partygirl Nadine, die ihm einen Job vorschlägt: Gemeinsam die Reichen von Monte Carlo um ihr Vermögen zu erleichtern. Doch ihr Erfolg ist nicht nur der Polizei, sondern bald auch der Mafia ein Dorn im Auge …

DIE SCHATTEN VON NIZZA: Damien Pomelli erhält einen Anruf – kurz darauf ist der Anrufer tot und Pomelli gerät in das Visier der Polizei. Die Spur des Täters führt ihn zurück in dunkle Nächte und Ereignisse, die er verzweifelt zu vergessen sucht. In einem rasanten Katz-und-Maus-Spiel müssen Pomelli und Kommissar Vidal zusammenarbeiten, um einen Täter zu überführen, der vor nichts zurückschreckt …

DIE UNBEKANNTE DRITTE: Als eine Deutsche in der Provence erschossen wird, muss Berliner Kommissarin Florence Labelle die französischen Kollegen in den Ermittlungen unterstützen. Zu den Hauptverdächtigen zählt ausgerechnet die Nichte des französischen Präsidenten – doch sie hatte nicht als einzige ein Motiv. Die Tote hatte viele Geheimnisse und eine dunkle Vergangenheit ...

Über die AutorInnen:

Eine Übersicht über die Autorinnen und Autoren finden Sie am Ende dieses eBooks.

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Sammelband-Originalausgabe Juli 2024

Copyright © der Sammelband-Originalausgabe 2024 dotbooks GmbH, München

Eine Übersicht über die Copyrights der einzelnen Romane, die im Sammelband enthalten sind, finden Sie am Ende dieses eBooks.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: dotbooks GmbH, München

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (fe)

ISBN 978-3-98952-371-5

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dotbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, einem Unternehmen der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt: www.egmont.com/support-children-and-young-people. Danke, dass Sie mit dem Kauf dieses eBooks dazu beitragen!

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Rolf Palm, Michelle Cordier und Alexandra von Grote

Ein fast perfektes Spiel, Die Schatten von Nizza & Die unbekannte Dritte

Drei Frankreich-Krimis in einem eBook

dotbooks.

Rolf PalmEin fast perfektes Spiel – Ein Monte-Carlo Krimi

Oskar hat einen interessanten Beruf: An der Côte d’Azur hält er dem schüchternen Millionär Martin Somerset die Schmarotzer vom Leib – außer natürlich, es sind hübschen Models und Starlets. Eigentlich ein Traumjob, aber dann lernt er Nadine kennen, so gerissen wie schön. Der Playboy und das Partygirl schließen einen Pakt: Gemeinsam und mit allerhand Tricks wollen sie an das Geld der besseren Gesellschaft von Monte Carlo kommen. Man lebt ja nicht von Champagner und Austern allein! Doch ihr Erfolg ist nicht nur der Polizei, sondern bald auch der Mafia ein Dorn im Auge …

Kapitel 1Zwei tote Killer verraten ein Geheimnis

Der große Blonde mit dem offenen Hemd und dem Goldkettchen über der sonnengebräunten Brust packte den kurzsichtigen Herrn im Smoking an den samtenen Jackenrevers.

»Was dir fehlt, Martin, ist eine richtige Frau!« schrie Oskar. »Nicht wieder so eine von diesen Pißnelken, die sich albern kichernd auf deiner Yacht vernaschen lassen, bloß weil du sie alle mit Champagner vollaufen läßt!«

»Ich muß doch bitten, Oskar!« flüsterte Martin Somerset und blickte sich nervös um. Von der Terrasse des Hôtel de Paris, gleich neben dem marmorweiß angestrahlten Spielcasino, wehten ein paar Geigenklänge in den Park herüber und verloren sich zwischen den plätschernden Springbrunnen unter den hohen, uralten Palmen und den exotischen Luftwurzelbäumen.

»Was du wirklich brauchst«, fuhr Oskar ungerührt fort, »ist eine Frau, die dich so liebt, wie du bist.«

»Ach, Oskar …« sagte Martin und ließ den Kopf über seiner diamantbesetzten Smokingschleife hängen. Auf der Casinoterrasse spielten sie jetzt: »Was kann der Sigismund dafür, daß er so schön ist!« Oder so was Ähnliches.

»Eine Frau«, verfügte Oskar streng, »die vielleicht sogar ein paar Ideen hat, wie man all dein Geld endlich einmal vernünftig investiert.«

»Solche Frauen«, sagte Martin Somerset trotzig und versuchte mal wieder ebenso hochnäsig wie erfolglos, den genußfreudigen Mann von Welt zu spielen, »haben meistens keinen Busen und eine Nickelbrille auf der Nase.« Er ließ Oskar stehen und stapfte aufs Casino zu.

»Aber deine Filmsternchen und deine Fotomodelle!« rief Oskar wütend hinter ihm her. »Die nur mit dir ins Bett steigen, weil sie bei dir Kaviar löffelweise kriegen! Die machen dich glücklich?« Er holte neben Somerset auf. »Ach, Martin! Was bist du doch für ein armer Mensch!«

Somerset ließ Oskar stehen und stieg zwischen einem Rolls- Royce und einem De Tomaso Pantera die Freitreppe zum Casino hoch. Vom Hôtel de Paris torkelte ein großer Trunkenbold heran, der auf Dean Martin machte und links und rechts von zwei langhaarigen Wuschelblonden gestützt wurde, die beide wie Farah Fawcett- Major aus Drei Engel für Charlie aussahen. Der Trunkenbold grölte »Everybody loves somebody sometimes« vor sich hin, denn das spielte die Musik jetzt auf der Hotelterrasse.

Eine Kompanie Touristen entquoll einem Transeuropa-Bus (mit eingebauter Toilette) aus Wanne-Eickel, und ein paar füllige Muttchen hoben ihre Blitzlichtkameras und knipsten den Dean-Martin- Darsteller – offenbar Abonnentinnen der Zeitschrift Frau mit Seele, die zu einem Wettbewerb »Amateure schießen Prominente« aufgerufen hatte.

»Lieber noch eine Kiste Champagner als eine ganze Wanne Eickel!« rülpste der Dean Martin in die Objektive, woraufhin ein Tourist im Netzhemd abwinkte: »Schade um den Film – oder meint ihr vielleicht, der spricht auch im Privatleben mit deutscher Synchronstimme?«

Oskar drängte sich durch die Touristen und fand Somerset erst im großen Speisesaal des Casinos wieder. Der junge Millionär war immer noch erregt. Er legte Oskar die Hände auf die Schultern. Er schluckte heftig. »Hör zu, ich will dir etwas sagen. Aber nur dieses eine Mal. Und danach nie wieder. Du mußt es auch gleich wieder vergessen.«

»Machst du’s aber spannend!« sagte Oskar und starrte verlegen in die kurzsichtigen Augen in dem blassen Igelgesicht, das nun rot angelaufen war. »Also, was ist dein sehnlichster Wunsch im Leben?«

»Oskar – ich möchte so sein wie du. So aussehen wie du, so wirken wie du, soviel Talent zum Glücklichsein haben wie du.«

Oskar erstarrte. »Mensch, Martin!« lachte er. »Wenn das meine Mutter wüßte! Die hat nämlich nur ein kleines Milchgeschäft in Köln-Nippes. Aber nun sag ich dir, was mein sehnlichster Wunsch im Leben ist, Martin.«

»Kriegst du denn nicht alles, was du willst?« fragte Martin.

»Nee, mein Lieber. So viel Geld, wie du hast – das krieg ich nie!«

»Siehst du!« Martin hob den Zeigefinger wie ein Lehrer. »Deshalb müssen wir zwei auch Zusammenhalten. Ich mit meinem Geld und du mit deinem Charme – wir sind das ideale Gespann. Zusammen erobern wir alle Frauen der Welt!«

»Wenn du meinst, daß das für dich gut ist«, sagte Oskar und schüttelte den Kopf, »dann bitte!«

In diesem Augenblick sahen sie Nadine. Die hochgewachsene, elegante Frau mit den langen schwarzen Haaren und dem teuren Schmuck stand an einem Spieltisch schräg neben einem Herrn mit beginnender Stirnglatze, der unruhig auf seinem Stuhl hin und her rutschte. Vor ihm lag ein halbes Dutzend Zettel mit Tabellen, Ausrechnungen und komplizierten Gleichungen – aber nur noch ein Jeton zu 1000 Francs. Die Frau blickte, den Mund zu einem ironischen Lächeln verzogen, auf ihn herab.

»Was für ein Weib!« flüsterte Martin Somerset. Wie so viele Männer mit Minderwertigkeitskomplexen fühlte er sich von einer souveränen, überlegenen, beherrschenden Frau sofort geheimnisvoll angezogen. »Kennst du sie?«

Oskar schüttelte den Kopf. »Nie gesehen. Aber den Mann kenne ich. Das ist Hubert Bellac, ein berühmter Systemspieler. In Deauville hat er einmal die Bank gesprengt. In Campione hat er Spielverbot. Wegen Bandenspiel. Gewinnt gigantisch, verliert maßlos.«

Bellac setzte seinen letzten Jeton auf Rot. Es kam Schwarz. Bellac stand auf. Er führte die schöne Frau ein paar Schritte zur Seite. Nun standen die beiden unmittelbar hinter Oskar und Martin.

»Gib mir deine Kette«, flüsterte Bellac. »An der Bar sitzt Morgan, der zahlt mir bestimmt 10000 Francs dafür.«

»Ich denke nicht daran!« sagte die Frau.

»Wenn ich nicht weiterspiele, können wir nicht mal das Hotel bezahlen. Und die Rechnung ist seit drei Tagen fällig.«

Die Frau zuckte nur die Schultern und wandte sich zum Gehen.

Bellac riß sie am Arm herum. »Deinen ganzen Schmuck hast du von mir!« zischte er. »Also gib schon her!«

Die Frau machte sich mit einer gelangweilten Geste von Bellacs Hand frei. »Geschenkt ist geschenkt«, sagte sie lächelnd. »Nichts geht mehr.«

»Gib mir wenigstens Geld für eine Flugkarte nach Paris!« Bellac verlegte sich jetzt aufs Betteln.

»Warum fährst du nicht per Anhalter?« Sie sah ihn mitleidlos aus ihren großen grünen Augen an.

»Als ich im Gewinnen war, bist du mir nachgelaufen wie ein Hündchen!« stieß Bellac hervor. »Aber jetzt …«

»Jetzt bist du ein Verlierer«, sagte die Frau. »Ich finde Verlierer erbärmlich.« Dann ließ sie ihn einfach stehen.

Oskar und Martin sahen sich vielsagend an. »Mann, ist das ein kaltes Biest«, stöhnte Oskar.

Martin hatte dem Wortwechsel nur eines entnommen: Die Frau war jetzt frei und suchte offensichtlich dringend einen neuen Begleiter. Die Faszination, die von ihr ausging, machte ihn völlig kritiklos. »Die schnappen wir uns jetzt«, sagte Martin. »Mach dich ran, Oskar. Ich stelle inzwischen ein paar Weichen …«

Oskar folgte der Frau zur Bar. Er setzte sich neben sie. Er spürte die Blicke einiger Neugieriger. Er wußte, was sie dachten: Wird der hübsche Blonde mit den breiten Schultern es schaffen, die schwarze Tigerin zu zähmen – oder ist er nur ein neues Opfer, das sich fressen lassen will? Aber das war ihm egal.

»Ich heiße Oskar und trinke Champagner«, eröffnete er das Spiel. »Und was ist mit Ihnen?«

»Ich heiße Nadine und trinke mit«, sagte sie. Ihr Lächeln traf ihn in die Magengrube wie ein Schweißbrenner. Das Grün in ihren Augen schimmerte jetzt tief und geheimnisvoll. Ihre sinnlichen Lippen waren feucht und versprachen heiße Nächte. Zynismus, Kälte, Überlegenheit – alles war verweht. War das noch die Frau von vorhin? Oskar spürte, wie sich ihre Netze um ihn legten, und er fühlte sich wohl darin. Sie redeten Belangloses und wußten beide, daß sie sich in Gedanken schon umarmten.

»Ich bin müde«, sagte Nadine. »Ich möchte jetzt gehen.«

»Ich begleite Sie zum Hotel«, sagte Oskar und stand auf. Er half ihr vom Barhocker und hielt ihren Körper einen Augenblick lang fest in seinen starken Armen.

»Gehen wir nun?« hörte er sie plötzlich sagen. Er wachte auf. Er hatte nicht gemerkt, daß aus dem Augenblick eine kleine Ewigkeit geworden war. Ein paar Leute an der Bar sahen sich bedeutungsvoll an und grinsten schon.

In der Hotelhalle, vor dem Empfang, zögerte Nadine. »Ich weiß nicht …« begann sie.

Oskar grinste. »Ich weiß alles«, sagte er. Ein paar Sekunden lang genoß er Nadines Unsicherheit. Nun hat sie Angst vor der Hotelrechnung, dachte er. Wie hübsch, daß auch solch eine Frau einmal ihre Selbstsicherheit verlieren kann. Das macht sie sehr liebenswert. Man müßte ihr viel öfter Angst machen.

»Vielleicht …« nahm sie einen neuen Anlauf.

Der Portier kam auf sie zu. Nadines Augen wurden schmal. »Ihr Schlüssel, Madame de Stainville«, sagte der Portier. »Sie haben jetzt 412. Das ständige Appartement von Mister Somerset. Wir haben Ihre Sachen schon dorthin gebracht.«

»Aber …« Nadine machte große Augen.

»Ach ja«, sagte der Portier. »Die Quittung über die Restsumme für das Zimmer, das Sie bisher hatten. Bitteschön. Monsieur Bellac hat sein Gepäck bereits abgeholt. Mister Somerset hat alles geregelt. Weiterhin angenehmen Aufenthalt, Madame.«

Nadine sah Oskar lauernd an. »Ich dachte, Sie heißen Oskar? Wer ist Somerset?«

»Das erkläre ich Ihnen später«, lachte er, nahm sie beim Arm und trat mit ihr in den Lift.

Da sie schon im Aufzug wie reißende Tiere übereinander herfielen, kam Oskar in dieser Nacht nicht mehr dazu, ihr etwas zu erklären.

Das war allerdings ein Fehler.

»Wann kommt sie?« fragte Martin, als Oskar – kurz bevor hinter dem Cap St. Martin die Sonne rotglühend aus dem Meer stieg – die Yacht betrat. Martin stand an der Reling. Er war die ganze Nacht aufgeblieben. In den Hollywoodschaukeln und den Deckstühlen schmusten noch einige Pärchen, die von der Party am Vorabend übriggeblieben waren.

»Vielleicht heute abend«, sagte Oskar ausweichend. Dann log er tapfer weiter: »Sie war in schlechter Stimmung. Sie hat mir ihr ganzes Schicksal erzählt. Sie leidet sehr unter der Trennung von Bellac. Man muß ihr Zeit lassen.«

Martin sah ihn durchdringend an. »Als Seelentröster kenn ich dich eigentlich weniger«, sagte er.

»Ich arbeite eben mit allen Mitteln«, lachte Oskar. Er spürte, daß sein Lachen einen falschen Klang hatte. Mein Gott, dachte er, ich kann lügen, ohne rot zu werden. Aber Martin ist wirklich ein armes Schwein, jetzt hau sogar ich ihn in die Pfanne. »Deine Idee, Bellacs Rechnung zu bezahlen und Nadine dein Luxusappartement zu geben, hat Wunder gewirkt«, sagte er. »Wirklich ein Wunder.«

Dann wandte er sich schnell ab, ging in seine Kabine und kippte noch einen vierstöckigen Whisky, bevor er sich ausgepowert schlafen legte.

Am nächsten Abend passierte es dann. Martin Somerset war mit seinem Riesengefolge von Schmarotzern und Trittbrettfahrern, mit seinen Partygirls und Urlaubsabenteuerinnen ins Le Pirat gezogen. Eigentlich nur ein Strandrestaurant, ist Le Pirat mit seinen Strauchhütten, seinen offenen Grillfeuern und seinen von Tisch zu Tisch durch den Park ziehenden Musikanten ein Lieblingsspielplatz des Jet-sets an der Riviera. Oskar wußte, daß Martin dieses Fest eigentlich nur für Nadine gab. Deshalb hielt er sich auch, so gut es ging, von Nadine fern.

Es ging aber nicht so gut. Wenn er mit anderen Mädchen tanzte, holte sie ihn weg. Wenn er mit anderen Cliquen trank, setzte sie sich ihm auf den Schoß. Als er zum Strand lief und in die Bucht hinausschwamm, riß sie sich die Kleider vom Leib und sprang splitternackt hinter ihm her. Martin hatte kaum eine Chance. Sie sah Martin überhaupt nicht.

Und dann kam, was kommen mußte. Oskar sah Nadine in einer Hollywoodschaukel sitzen – und Martin saß neben ihr. Oskar schlich heran und verbarg sich hinter einem riesigen Kakteenstrauch. Durch das Gelächter und die Musik drangen ihre Stimmen zu ihm hin.

»Ich hab mich noch nie darum gekümmert, wer meine Appartements bezahlt«, hörte er Nadine lachen.

»Aber ich habe Sie eingeladen, weil ich rettungslos in Sie verliebt bin.« Das war jetzt Martins Stimme. Ziemlich gepreßt und fiebrig, wie es Oskar schien. Er macht wieder alles falsch, der arme Junge, dachte Oskar. Warum muß er auch zu einer Frau wie Nadine gleich von Liebe reden.

»Pech für Sie«, lachte Nadine. »Mein Typ sind Sie überhaupt nicht.«

»Vielleicht gewöhnen Sie sich noch an mich«, sagte Martin hoffnungsvoll. »Sie können mein Appartement haben, solange Sie wollen. Bis Sie sich an mich gewöhnt haben.«

»Solange das Wetter schön ist, will ich’s gern versuchen«, sagte Nadine kokett.

»Dann zeigen Sie mir jetzt einmal ihre Brüste«, sagte Martin und verschluckte sich dabei fast. Oskar hielt die Luft an.

»Und dann?«

»Nichts. Nur mal zum Anschauen. Mehr will ich gar nicht.«

Nicht zu fassen, dachte Oskar hinter seinem Kakteenstrauch. Der Junge hat aber auch überhaupt nichts von mir gelernt.

»Das ist mir zu wenig«, sagte Nadine. »Eine Frau wie mich kriegt man entweder ganz oder gar nicht.«

»Aber ich möchte doch nur …« Martin war von rührender Naivität.

»Im Augenblick langweilen Sie mich entsetzlich«, sagte Nadine und stand auf. »Versuchen Sie doch mal, ob Sie mich kriegen!« Sie lief ihm durch den Park von Le Pirat davon, zu den Parkplätzen, wo die Rolls-Royce, die Cadillacs und die schnellen, offenen Sportwagen standen.

»Nadine! Nadine!« rief Martin flehend hinter ihr. Dann begann auch er zu laufen.

Oskar schnitt ihm den Weg ab. Bevor er noch ein Wort sagen konnte, drückte Martin ihm ein paar Autoschlüssel in die Hand. »Schnell! Sie haut ab! Hol sie ein! Nimm den Maserati!«

Nadine hatte inzwischen einen offenen Triumph gefunden, in dem die Schlüssel steckten. Mit quietschenden Reifen raste sie davon. Oskar warf den Maserati an und fetzte hinter ihr her.

Mit halsbrecherischer Geschwindigkeit brauste Nadine nach Monte Carlo hinein, schleuderte um das Rondell vorm Casino, als wäre sie im »Grand Prix«-Rennen, preschte zum Hafen hinunter und auf der anderen Seite wieder zum Fürstentum hinaus. Oskar gab Gas, daß die Polizisten hinter ihm her pfiffen, kümmerte sich aber nicht darum, weil er wußte, daß die monegassische Polizei außerhalb des anderthalb Quadratkilometer großen Fürstentums keine Amtsbefugnisse hatte.

Hinter dem Cap d’Ail holte er Nadine fast ein. Aber auf der schmalen, gewundenen Küstenstraße hatte sie es mit dem kleineren Wagen leichter. Beaulieu war um diese Nachtstunde fast menschenleer. Von den dunklen Häuserwänden dröhnte das Auspuffecho auf ihn zurück. Als sich vor Villefranche die Straße noch mehr verengte, spürte Oskar den Schweiß in Strömen über seine Schulter rinnen. Das Mädel ist wahnsinnig, dachte er. Wenn uns jemand entgegenkommt, sind wir alle im Eimer. Dann drückte er das Gaspedal voll durch.

Der Lichtschein des entgegenkommenden Wagens riß die steilen Felswände auf der rechten Straßenseite nur für den Bruchteil einer Sekunde aus dem Dunkel. Nadines Bremslichter zuckten grell auf. Aber dann war die Straße vor Nadines Wagen plötzlich wieder ganz leer.

Oskar schleuderte mit kreischenden Bremsen an Nadines Triumph heran. Dreißig Zentimeter hinter ihr kam er zum Stehen. Mit schlotternden Knien stieg er aus. Als er neben dem Triumph stand, mußte er sich an der Windschutzscheibe festhalten. Nadine starrte ihm mit totenbleichem Gesicht entgegen.

»Wie geht’s?« fragte er.

»Sie sind weg«, sagte sie. »Einfach verschwunden. Sie haben mich ganz kurz gestreift, es hat ein bißchen geknirscht, und als ich hinter mich sah, war niemand mehr da.«

Oskar blickte in die Richtung, aus der er gekommen war. Wortlos ging er die Straße zurück. Dann sah er es. Die Bremsspuren führten nach rechts hinaus. Da unten aber waren der felsige Strand und das Meer.

Nadine stand neben ihm. »Hier über die Leitplanke?« fragte sie. Ihre Stimme war kühl wie meistens.

Oskar nickte. »Er liegt auf dem Dach. Ein amerikanischer Wagen.«

Sie gingen zurück, stellten die Wagen ein Stück weiter am Straßenrand ab und suchten sich eine Stelle, wo man zum Strand hinunterklettern konnte.

Als sie vor dem abgestürzten Mustang standen, sahen sie, daß zwei Männer darin lagen, die sich nicht mehr rührten.

»Leuchte mir mal mit der Taschenlampe«, sagte er zu Nadine. Mit einem Stein schlug er ein paar steckengebliebene Glasscherben aus den Fenstern, dann zwängte er sich ins Wageninnere. Er griff den Männern nach den Händen, aber da ging kein Puls mehr. Er faßte ihnen in die Jackentaschen und holte bei dem einen einen dicken Briefumschlag heraus. Das fühlte sich nach Geld an. Er reichte Nadine den Umschlag hinaus. »Zähl mal nach«, sagte er.

Dann weckten zwei längliche Koffer seine Neugier. Er zog sie aus dem Wrack heraus und öffnete die Schlösser. Nadine leuchtete mit der Lampe hinein.

»Gewehre«, sagte Nadine.

»Das seh ich auch«, gab Oskar zurück, »aber was ist das?«

Da waren noch zwei längliche Etuis. Er öffnete auch sie, und dann stieg ein beklemmender Verdacht in ihm hoch. »Zielfernrohre. Gewehre und Zielfernrohre und …«

»… und 10000 Dollar«, sagte Nadine, die inzwischen mit dem Zählen fertig war.

»Wenn wir in einem Kriminalfilm wären«, überlegte Oskar, »würde ich sagen: zwei Berufskiller, die ein Attentat vorhatten.«

»Wir sind in einem Kriminalfilm«, sagte Nadine schroff. »Und das ist unser Glück. Wenn wir jetzt richtig handeln, merkt niemand; daß wir an dem Unfall schuld sind. Killern weint keiner eine Träne nach.«

»Ob sie wirklich jemanden umbringen wollten?« sagte Oskar und tauchte wieder ins Wrack. Diesmal kam er mit zwei Pässen und einem Notizbuch hervor.

»Amerikanische Pässe«, erkannte Nadine. »Und dieses Notizbuch …« Sie leuchtete die Seiten ab. Plötzlich schrie sie auf: »Frank d’Arcy! Das ist der reiche Waffenhändler, der in Monte Carlo lebt! Hier steht alles über ihn drin! Wie er aussieht, was er trinkt, wo er täglich hingeht, alle seine Lebensgewohnheiten – Mensch, Oskar, hinter dem also waren sie her! Das ist eine Menge Geld wert. D’Arcy wiegt uns dafür mit Gold auf!«

»Laß bloß die Finger davon«, sagte Oskar. »An so was verbrennt man sich die Nasenspitze.«

»Hast du Angst, Bübchen?« Nadines Augen funkelten gefährlich. »Stell dir doch nur mal vor …«

»Ich stell mir nur vor, daß wir hier so schnell wie möglich abhauen!« fuhr Oskar dazwischen.

»Aber die Gewehre und die Pässe nehmen wir mit. Je schwieriger die beiden zu identifizieren sind, um so sicherer sind wir.«

»Und der Wagen?«

»Da gibt es eigentlich nur eine Möglichkeit«, sagte Nadine langsam. »Hol die Reservekanister aus unseren Wagen.«

In den Zeitungen stand am übernächsten Tag, daß aus ungeklärten Gründen ein Wagen von der Fahrbahn abgekommen und beim Aufschlag auf das felsige Ufer in Brand geraten wäre. Und die beiden Insassen hätten bis jetzt noch nicht identifiziert werden können. In den Wochen danach hieß es immer mal wieder, daß der rätselhafte Unfall weiter ungeklärt bliebe, da bei der Polizei keine brauchbaren Vermißtenmeldungen eingegangen seien. Allmählich geriet der Vorfall in Vergessenheit.

»Und ich sage dir, wir hätten doch diesen Mister d’Arcy anzapfen sollen. Der hätte uns bestimmt ein paar tausend Dollar für den Tip gegeben. Die könnten wir jetzt gut gebrauchen!«

Nadine lag nackt auf dem Balkon ihres Hotelzimmers und ließ sich von Oskar einölen. Sie schnurrte unter seinen Händen wie eine Katze.

»Bloß weil du gestern wieder alles verspielt hast«, sagte Oskar und begann, die Innenseiten ihrer Oberschenkel zu bearbeiten.

»Was meinst du, was der Kerl gesagt hätte? Vielen Dank für den Hinweis, aber da die Killer tot sind, besteht wohl keine Gefahr mehr. Nadine, eine Warnung vor einer Gefahr, die nicht mehr besteht, ist überhaupt nichts wert.«

»Wir könnten so tun, als bestünde die Gefahr immer noch«, spann Nadine weiter und begann, ihre Hüften zu bewegen.

»D’Arcy ist mir einfach zu gefährlich. Das ist eine Branche, in der niemand lange lebt. Mit solchen Leuten will ich nicht in die Mühle geraten.«

»Dann«, sagte Nadine und spreizte unter Oskars Griffen langsam die Schenkel, »dann warnen wir eben einfach jemanden, der nicht so gefährlichen Umgang hat.«

»Warnen? Wovor?« Oskar hielt verständnislos inne.

»Mach weiter und nimm noch mal tüchtig Öl«, sagte Nadine. »Wir warnen Leute vor Attentaten, Überfällen, Entführungen, was weiß ich. Und lassen uns hoch dafür bezahlen. Ein todsicheres Geschäft. Kein Risiko, keine Unkosten. Und Opfer gibt’s in Monte Carlo genug.«

»Also, ich weiß nicht«, zögerte Oskar.

Aber Nadine war schon Feuer und Flamme. »Wir machen eine Liste. Zuerst nehmen wir den Spielzeugmillionär Dumont, der hat eine minderjährige Geliebte, und wenn man behauptet, sie solle entführt werden, zahlt der alles. Dann nehmen wir die alte Zementmillionärswitwe Rougemont, die hat einen Enkel, der geht immer auf Rauschgiftparties. Wir behaupten, er soll dort entführt werden, und vor dem Skandal hat die Alte mehr Angst als vor der Entführung selbst. Ach, Oskar, wir werden reich, wir machen Millionen! Millionen! Millionen!«

Geld, das hatte Oskar schon lange gemerkt, wirkte auf Nadine immer so erregend wie ein Aphrodisiakum. Die Aussicht auf Millionen machte Nadine jetzt richtig scharf. Sie warf sich auf den Rücken und flüsterte: »Und nun einmal von vorne bitte, Oskar. Aber Öl brauchst du jetzt nicht mehr …«

Kapitel 2Das Phantom schlägt unheimlich zu

Das Kanönchen machte »bum«. Ein graues Rauchwölkchen hüllte die Artilleristen ein. Die Bleikugel surrte über die Eisenbahnlinien hinweg. Auf dem Turm der Burg gegenüber verloren die Verteidiger ihr Gleichgewicht. Mitsamt ihrem Fahnenträger stürzten sie über die Zinnen. Scheppernd prallten sie zwischen den Pfannen und Töpfen der Küche am Fuß der Burg auf.

»Volltreffer!« schrie Gaston Dumont und schlug sich auf die fetten Schenkel. Er lachte, daß alle Fettfalten seiner 250 Pfund Lebendgewicht zitterten. Er lachte, bis sein rundes Apfelgesicht rot anlief und das Champagnerglas in der anderen Hand überschwappte.

»Ist das nicht alles herrlich echt!« schrie Gaston. »Noch eine Flasche Champagner! Jean, wo bleibst du? Champagner!«

Mit einer tiefen Verbeugung und einer neuen Flasche näherte sich der Butler seinem Herrn.

Wenn Gaston Dumont zwischen seinen Eisenbahnen, Bleisoldaten, Puppenküchen und Pipipuppen auf dem Boden saß, war er glücklich. Gaston Dumont war einer der größten Spielzeugfabrikanten Europas. Er war nicht nur 250 Pfund, sondern auch 250 Millionen schwer. Die Kanonen, die wirklich schießen konnten, und Puppen, die echte Tränen weinen und richtig die Windeln naß machen konnten, würden der Schlager der nächsten Spielzeugmesse von Paris sein. Und wenn die Buben und Mädchen so viel Spaß daran haben würden, wie an diesem Abend das Kind in dem beschwipsten Mann Gaston Dumont, dann waren neue Millionenumsätze sicher.

Dumont hielt das Champagnerglas hoch. Der Butler schenkte ein. Da klingelte das Telefon.

Butler Jean griff nach dem goldenen Apparat, der neben dem Stellwerk der elektrischen Eisenbahn stand.

»Ein Herr, der seinen Namen nicht nennen will«, sagte der Butler. »Aber es sei eine Sache von Leben und Tod.«

Dumont war gut gelaunt. »Geben Sie schon her«, sagte er und riß dem Butler den Hörer aus der Hand.

Butler Jean hielt die Schnur hoch, damit die elektrische Eisenbahn hindernisfrei ihre Runden weiterdrehen konnte.

»Was fällt Ihnen ein, mit vollem Mund zu reden!« krähte Dumont in den Apparat. Die goldene Muschel lief matt an unter seinem alkoholisierten Atem.

»Reine Vorsichtsmaßnahme«, sagte eine von belegten Brötchen belegte Stimme. »Damit Sie mich niemals wiedererkennen. Es geht um Leben und Tod. Genauer gesagt, um das Leben von Mademoiselle Gallifet.«

Dumont schluckte. Wer zum Teufel war der Unbekannte, der den Namen seiner heimlichen Geliebten kannte, die zwar nur halb so alt wie seine Tochter war, aber doppelt soviel Busen hatte?

»Mein Name«, sagte der Unbekannte vollmundig kauend, »tut nichts zur Sache. Ich habe zufällig von einem Komplott erfahren, das gegen Mademoiselle Gallifet gerichtet ist. Genauer gesagt: gegen Sie. Man will Mireille entführen. Dann will man Sie erpressen. Man rechnet sich aus, daß Sie jeden Preis zahlen. Denn Sie wollen ja sicher verhindern, daß die Öffentlichkeit erfährt, wie Sie Ihre Frau mit einem minderjährigen Nüttchen betrügen. Schon deshalb, weil Frankreichs anständige Mütter dann ihren Kindern kein Dumont- Spielzeug mehr kaufen würden.«

»Sind Sie …« Dumont stieß heftig auf. Die Flasche Champagner, die er schon intus hatte, meldete sich, mit Magensäure angereichert, zurück. »Sind Sie der Entführer?«

Dumont hörte, wie der Unbekannte ein knackiges Stück Brot abbiß. »Was essen Sie da?« sagte er tonlos.

»Weißbrot mit Kaviar«, sagte murmelnd der Unbekannte. »Den Kaviar gewissermaßen auf Vorschuß. Denn ich denke mir, daß Ihnen die Warnung eine Menge wert ist.«

»Schalten Sie doch die verdammte Eisenbahn aus!« schrie Monsieur Gaston.

»Wie bitte?« sagte der Unbekannte.

»Ich meine den Butler«, keuchte Dumont.

Der Butler machte sich am Schaltpult zu schaffen. Er drückte die falschen Hebel. Die Eisenbahnen jagten mit überhöhter Geschwindigkeit über das Schienennetz. Auf der Kreuzung krachten sie ineinander. Die Wagen purzelten in die Artilleriestellung und in die Puppenküche.

»Eine Katastrophe!« stöhnte Dumont. »Das wird Tote geben.«

»Sie können es verhindern«, sagte der Unbekannte. »Ich bin bereit, Ihnen den Entführungsplan zu enthüllen. Aber nur, wenn das Honorar angemessen ist.«

»Was soll ich denn tun?« jammerte Dumont.

»Es ist ganz einfach«, sagte der Butler. »Entweder heben wir die entgleisten Wagen mit dem Kran wieder auf die Schienen – oder aber ich mache es mit der Hand.« Der Butler begann, seine weißen Handschuhe auszuziehen.

»Idiot!« schrie Dumont.

»So lasse ich nicht mit mir reden«, sagte der Unbekannte.

»Entschuldigen Sie«, rülpste Dumont kleinlaut. »Ich bin ruiniert. Nennen Sie ihren Preis.«

»Die 100 Francs Gehaltserhöhung, um die ich Monsieur zu bitten bereits vor drei Monaten die Ehre hatte«, sagte der Butler, als er, auf den Knien liegend, die Lokomotive zurück auf die Schienen stellte.

»Hundert?« schrie Dumont. Er hob das rechte Bein, was ihm im Sitzen schwerfiel, und trat seinen Butler in den Hintern. »Einen Tritt in den Arsch sind Sie wert!«

»Ich verstehe Ihre Erregung«, sagte der Unbekannte. »Also sagen wir achtzig. Aber das ist mein letztes Angebot. Achtzigtausend.«

»Sie ruinieren mich!« schniefte Dumont. »Und wie soll ich das zahlen?«

»Aber Monsieur sind doch so reich!« sagte der Butler und rieb sich den Hintern.

»Aber Monsieur sind doch so reich«, sagte der Unbekannte.

»Mein ganzes Geld gehört meiner Frau!« sagte der Millionär. »Wußten Sie das nicht?« Das Blut schoß ihm zurück in den Kopf, er spürte seinen dritten Herzinfarkt herannahen.

»Soll ich mich also an Ihre Frau wenden?« fragte der Butler und setzte die Eisenbahn wieder in Marsch.

»Soll ich mich also an Ihre Frau wenden?« sagte der Unbekannte und schob hörbar einen Bissen Kaviarbrot nach.

»Kaviar auf meine Kosten«, sagte Dumont bitter.

»Monsieur sind zu gnädig«, sagte der Butler. »Ich eile in die Küche.«

»Verschwinden Sie endlich«, stöhnte Dumont.

»Wie Sie wollen«, sagte der Unbekannte. »Aber dann haben Sie die Folgen zu tragen.«

»Nun gut«, flüsterte Dumont.

Der Butler richtete sich langsam auf und bewegte sich rückwärts auf die Tür zu. »Vom nächsten Ersten an.«

»Das ist ja schon morgen«, sagte Dumont. Seine Stimme war nur noch ein Röcheln. Die Tür schloß sich hinter dem Butler.

»Ja, morgen«, sagte der Unbekannte. »Morgen legen Sie das Bargeld in kleine Plastikröhrchen, wie Sie sie zur Nachfüllung Ihrer Pipipuppen benutzen. Diese Plastikröhrchen mengen Sie in ein Kilo Gehacktes. Und das Ganze legen Sie vor das Portal Ihres Parks. Acht Röhrchen zu je zwanzigmal 500 Francs.«

»Eine seltsame Methode«, sagte Dumont.

»Aber praktisch«, sagte der Unbekannte. »Wenn Sie sich an meine Anweisungen halten, gibt es weder Entführung noch Skandal.«

»Achtzigtausend! Was mich dieses Mädchen schon alles gekostet hat!«

»Ihr Problem, Monsieur Dumont!« sagte die schmatzende Stimme am Telefon fröhlich. »Au revoir!« Und dann machte es nur noch »klick« in Gaston Dumonts goldenem Telefon.

Der Spielzeugmillionär erhob sich schwerfällig. Schwankend stand er auf seinen kurzen, dicken Beinen. Wut quoll in ihm hoch. Sein Mondgesicht mit dreifachem Doppelkinn nahm jetzt – sei es durch die Anstrengung des Sicherhebens, sei es aufgrund des Telefonats – die purpurrote Farbe des Kunstblutes an, das sonst seine Plastiksoldaten nach Verwundungen in der Schlacht verloren.

»Mist!« schrie er und trat mit seinen Tausend-Francs-Krokomaßschuhen nach der elektrischen Eisenbahn. Das Stellwerk versprühte Funken, noch ein paar Züge entgleisten. »Verdammter Mist!« schrie er mit dem nächsten Tritt. Die Artilleriestellung löste sich in Einzelteile auf. »Mist!« Die Burg sank in Trümmer. »Mist!« Die lebensechten Plastikpuppen zersplitterten. »Mama! Mama! Mama!« schrie es um Dumont herum, als er zwischen seinen grellbunten Katalogen zusammensank. »Mama!« schrie jetzt auch er. Dann weinte er bitterlich.

Am nächsten Abend, wie schon seit zehn Tagen, führte kurz nach Einbruch der Dunkelheit ein unauffälliger, in Grau gekleideter Herr seinen Schäferhund namens Napoleon Gassi. Das Casino von Monte Carlo, von hundert Scheinwerfern angestrahlt, lag weiß im grellen Lichterglanz. Der Mann ging durch den Casinopark unter den hundertjährigen Palmen zur Avenue Princess Grace hinunter. Der Hund, wie seit einer Woche, zehn Schritte vor ihm. Alle fünfzig Meter blieb Napoleon stehen und verschlang ein Stückchen Fleisch, einen Knochen, so wie er es seit einer Woche gewohnt war, immer an den üblichen Stellen. Immer dort, wo die Komplicen des grauen Herrn sie deponiert hatten. Der Hund fieberte dem dritten Villenportal nach der Einmündung der Avenue des Spelugues entgegen. Dort, das wußte Napoleon, lag stets der größte Leckerbissen. Auch an diesem Abend wurde er nicht enttäuscht. Fröhlich jaulend machte er sich über das Kilo Gehacktes her. In seiner Gier bemerkte er nicht, daß er auch acht kleine Plastikröhrchen in sich hineinschlang. Und schon raste er zur Place de la Crémaillère hinauf. Hier begann die längst stillgelegte Strecke der alten Zahnradbahn zu dem Dörfchen La Turbie, das sich dreihundert Meter hoch über der Bucht von Monte Carlo erhebt und bei – zweibeinigen – Touristen wegen seines zweitausend Jahre alten Augustusdenkmals berühmt ist.

Der Mann, der den Hund begleitete, sah befriedigt zu, wie das Tier mit hängender Zunge die zugewachsene Zahnradschneise hinaufhechelte. Sein Teil des Jobs war erfüllt. Frohgemut drehte er sich um und lenkte seine Schritte gemächlich in die Tip-Top-Bar, die sich dadurch auszeichnet, daß sie Tag und Nacht geöffnet ist.

»Champagner und Austern wie immer?« fragte der im 24-Stunden-Dienst ergraute Barkellner.

»Wie immer«, sagte der Mann und schlürfte wenig später genüßlich seine Schalentiere.

Napoleon japste derweil die alte Zahnradstrecke hoch. Auf halbem Weg hielt ihm sein Frauchen einen herrlich duftenden Knochen entgegen. Frauchen ließ ihrem Hündchen Zeit, das Gebiß fest ums Dessert zu schlagen. Derweil legte sie Napoleon das Halsband und die Leine an. Mit sanftem Zug, aber zielbewußtem Ziehen schleppte sie das Hundevieh hinter sich her. Nach einigen Umwegen erreichten Frauchen und Hündchen den hellerleuchteten Casinoplatz und damit das Hôtel de Paris.

Am nächsten Morgen gegen acht machte Napoleon wie gewohnt sein Häufchen auf dem seewärts gelegenen Balkon vor der Suite Nummer 412. Gespannt sah Frauchen der Verrichtung zu. Herrchen, selbstverständlich Gummihandschuhe über den gepflegten Fingern, klaubte nacheinander die acht Plastikröhrchen auf. Sorgsam badete er die Beutebehälter im Bidet in einer Lösung aus Leitungswasser und Chanel Nr. 5. Dann setzte er einen Nußknacker an die Behältnisse an und entnahm einem jeden zwanzig Fünfhundert-Francs Scheine. Dem letzten war ein Zettel beigefügt. »Dieses Geld stinkt aber doch!« stand darauf. Der Herr des Hundes spülte den Zettel mit den Plastikröhrchen durch die Toilette.

Nachmittags betrat Frauchen mit dem Hund an der Leine im Hafen von Nizza das Fährschiff nach Korsika. An Bord ließ sie den Hund laufen und ging zurück an Land. Acht Stunden später lief der Schäferhund sehnsuchtsvoll und herrenlos durch die Straßen von Ajaccio hinter einem Trupp Neckermann-Touristen her, die sich mitleidsvoll und unverzüglich seiner annahmen.

Um diese Zeit lagen Herrchen und Frauchen auf ihren Liegestühlen auf dem Privatstrand vom Hôtel de Paris in Monte Carlo und gaben Gaston Dumonts Geld für Kaviarbrötchen aus. Dumonts Geliebte raste noch in der gleichen Stunde mit ihrem MG- Sportflitzer über die Küstenstraße zum Flughafen von Nizza, um den bösen Entführern zu entgehen.

Und wenn das Hündchen nicht gestorben ist, dann streunt es noch heute in Ajaccio und trauert den goldenen Zeiten nach, wo es jeden Abend vor der Dumont-Villa in Monte Carlo zwei Pfund Gehacktes gab, die ihm leicht und lecker über die Zunge gingen, wenn sie ihm auch beim letztenmal etwas schwer im Magen lagen …

Marie-Antoinette de Rougemont hatte soeben die einschlägigen Cremes in ihr Gesicht geworfen, die für Damen ihres fortgeschrittenen Alters den Rückweg zur ewigen Jugend offenhalten, als aus dem Weingeränk seitlich des Badezimmerfensters im ersten Stock ihrer Villa an der Avenue Prince Rainier eine eigentlich nicht unsympathische Männerstimme ihre Aufwartung machte.

»Madame de Rougemont?« sagte die Stimme mit leicht nordischem Akzent. Madame de Rougemont, Witwe eines Zementfabrikanten aus Menilmontant bei Paris, fühlte sich angenehm an die Zeit erinnert, da sie einem schmucken deutschen Leutnant Herz und Unschuld überlassen hatte – was sie später mit einem unehelichen Sohn und von Widerständlern kurzgeschorenen Haaren büßen mußte –, und beugte sich weit aus dem Badezimmer.

»Drehen Sie sich um, und hören Sie mir gut zu«, sagte die Stimme in den Weinranken an der Hauswand neben ihr.

Marie-Antoinette, auf deren Gesichtshaut die Creme nun beinhart wurde und zu jucken begann, drehte gehorsam dem Fenster den Rücken zu. Ihr linkes Auge begann zu zucken. Dort bröckelte der Crememörtel dann auch zuerst ab.

»Ich will Ihnen nichts Böses«, sagte die Stimme aus den Weinranken. »Ich bin gekommen, um Sie zu warnen. Da ich selbst in Gefahr bin, darf ich mich Ihnen nicht zeigen. Ich hoffe, Sie verstehen das. Wenn Sie es verstehen, Madame, nicken Sie bitte.«

Madame de Rougemont nickte. Die weiße Kruste auf ihrer linken Backe löste sich und zerplatzte auf dem Marmorfußboden.

»Das Leben Ihres Enkels und der gute Ruf Ihrer Familie sind in Gefahr«, sprach die Stimme in der Hauswand weiter. »Ich warne Sie, weil ich mich Ihnen und Ihrer Familie verbunden fühle.«

Marie-Antoinette wurde es heiß unter ihrem Sechshundert-Dollar-Mandarin-Bademantel. So heiß, daß nun auch der Cremebelag auf ihrer rechten Backe schmolz.

»Ihr Enkel, Madame, dieser siebzehnjährige Trottel, den Sie so abgöttisch lieben und der dem Familiennamen nur Schande einbringen wird, soll nämlich entführt werden.«

»Mein Gott«, stöhnte Marie-Antoinette de Rougemont. »Ich habe schon immer das Schlimmste befürchtet!«

»Nun passiert es also«, bestätigte die Stimme. »Aber Sie verstehen, Madame, daß ich Sie nicht ohne Gegenleistung warnen kann. Der Preis beträgt 50000 Francs. Ist Ihnen das zu hoch?«

»Nein, nein«, sagte die Millionärswitwe. »Keineswegs.«

»Also 100000 Francs«, sagte die Stimme.

»Alles, was Sie wollen!« schrie Marie-Antoinette auf. »Nur verhüten Sie die Katastrophe.«

»Nun gut, Madame, weil Sie es sind. 120000. Aber das ist mein letztes Angebot.«

»Was soll ich tun?« flüsterte Madame de Rougemont.

»Morgen abend um Mitternacht«, sagte der Mann neben dem Fenster, »sitzen Sie im Casino am zweiten Spieltisch vom Eingang. Auf der rechten Seite an der Ecke. Neben sich, neben dem linken Ellbogen, bauen Sie ein Türmchen aus sechs Jetons zu je 20000 Francs auf. Plötzlich werden die Spielmarken verschwunden sein. Statt dessen finden Sie dann einen Zettel vor, auf dem der Entführungsplan beschrieben ist. Sie haben dann noch Zeit genug, Gegenmaßnahmen zu treffen. Haben Sie verstanden? Mitternacht, zweiter Tisch, sechs Jetons zu je 20000.«

»Ich habe verstanden«, sagte die alte Dame. Dann versagten die Knie ihr den Dienst. Sie konnte sich gerade noch am Waschbecken festhalten. Sie starrte einem Gesicht entgegen, das um weitere fünfzig Jahre gealtert war – was ihr hundertzwanzig gab – und in dem noch einige wenige Cremereste wie letzte Spuren einer Clownsmaske hafteten. Dann brach sie zusammen. Das dumpfe Geräusch, als der Mann aus den Weinranken sich in die Nelkenbeete fallen ließ, hörte sie nicht mehr.

Im Hafen von Monte Carlo schaukelte sanft die Luxusyacht »Prince Hamlet«. Bunte Girlanden zogen sich vom Bug zum Mast empor und dann wieder hinab zum Achtersteven. Griechische Gitarren verströmten erregend romantische Musik. Es war eine große Yacht, und auf der Tanzfläche hinter der Brücke drängten sich dreißig Paare hautnah aneinander. Aber zwischen der »Atlantis« des griechischen Reeders Niarchos, die gut hundertsechzig Meter lang ist, und der nur wenig kleineren Jacht »Christina« des seligen Herrn Onassis wirkte sie winzig. Immerhin, neben der »Kalizma« von Liz Taylor konnte sie sich gerade noch sehen lassen.

Auf der Brücke der »Prince Hamlet« stand der englische Playboy Martin Somerset und sog tief die süßlich duftende Nachtluft ein. Martin Somerset sah durch seine Kontaktlinsen tief dem jungen Mann vor ihm in die Augen. »Oskar«, sagte er, »mein lieber Freund Oskar, ist das nicht ein herrlicher Abend?«

Oskar, blond und muskulös, gut einen Kopf größer als der Schiffsherr, ließ seinen Blick über das ergreifende Panorama schweifen. Da war der Fürstenpalast der Grimaldis, der im Scheinwerferlicht grell ockerfarben erstrahlte und wo hinter den leuchtenden Fenstern im Turm nun sicher eine schöne Prinzessin ihre Gutenachtgebetchen sprach. Da waren die Hochhäuser und die Villen, die sich terrassenförmig die Bucht hinaufzogen. Rechts, auf einer Felsnase, glänzte der Zuckerbäckerpalast des Spielcasinos in die Nacht. Weit weg auf hoher See zogen die winzigen Lichter ferner Schiffe ihre nächtliche Bahn den Horizont entlang. Ach ja, es war schön hier – viel schöner als in der feuchten Souterrainwohnung in Köln-Nippes, die Oskar Bittner verlassen hatte, um die große, bunte, weite Welt kennenzulernen.

»Was kochst du mir morgen?« fragte Martin Somerset. »Koch mir was Schönes.«

»Ich könnte Langusten vom Markt holen«, sagte Oskar.

»Ach nein«, sagte Martin Somerset und blinzelte in die Nacht. »Sauerkraut! Mach mir ein schönes deutsches Sauerkraut.«

Oskar schauderte. »Na klar, Martin, wenn du das willst. Aber du könntest dir was Besseres leisten.«

»Ich weiß«, seufzte der Playboy. »Wenn’s nach meinem Geld ginge, könnte ich mir weiß Gott was anderes leisten. Aber du siehst ja, wie es zugeht. Schau nur auf die Tanzfläche.«

Oskar blickte hinab. Nadine tanzte schon wieder mit dem italienischen Autofabrikantensohn. Er hatte seine Hände unverschämt auf Nadines üppige Hüften gelegt, sie hielt ihre Hand in seinem Nacken und kraulte seine Locken. Nadine war ein Biest.

Martin Somerset seufzte. »Da verschwende ich nun ein Vermögen auf diese Frau, aber wem krault sie nun die Locken? Ihm!«

»Du solltest dir die Haare länger wachsen lassen«, sagte Oskar. »Dann hättest du auch Locken zum Kraulen.«

Martin Somerset beugte seinen Igelkopf vor, legte sein Gesicht in die Hände und ließ die Kontaktlinsen herausfallen. Sorgsam wienerte er sie an seinem Halstuch blank. »Aber Nadine muß doch merken, daß ich ihr mit meinem Geld alles bieten kann, was ihr Herz begehrt. Warum zeigt sie mir die kalte Schulter?«

»Nadine liebt den Nervenkitzel«, sagte Oskar, »das Abenteuer, die Sensation. Du solltest wenigstens einen Revolver in der Hose tragen, Martin. Das würde sie erregen.«

Martin begann umständlich, die Kontaktlinsen wieder unter seine Augenlider zu klemmen. »Aber was soll denn ein Revolver nützen?«

Oskar wandte sich ab, um sein Grinsen zu verbergen. Martin Somerset war ein lieber Kerl, und wenn er einen Narren an einem gefressen hatte, konnte man alles von ihm haben. Da er verzweifelt nach Freundschaft suchte wie ein Baby nach seinem Schnuller, lebten alle seine Freunde in Saus und Braus. Nur war leider niemand bereit, für Martin den Schnuller zu spielen. Selbst Oskar hatte es schwer, all die Mädchen aufzureißen, in die Martin sich verknallte. Es war wirklich zu dumm. Die Mädchen verknallten sich immer in Oskar. Sie fanden es prima, daß Oskar so einen reichen Freund wie Martin hatte – aber so ein Mädchen zu Martin hinüberzuschieben, war eine Heidenarbeit. Nadine war das beste Beispiel dafür.

Nadine ließ ihren italienischen Autografen plötzlich stehen, winkte zur Brücke hinauf und tänzelte über die Gangway ans Ufer.

»Nadine geht«, sagte Martin. »Wie’s scheint, will sie nicht mal was von dem Italiener wissen.«

»Nadine ist ein Tiger«, sagte Oskar. »Niemand kann sie halten. Wie ich sie kenne, wird sie sich gleich am Strand mit einem Fischer verlustieren.«

»Ja, du kennst sie«, sagte Somerset. »Du kennst überhaupt die Frauen. Ich beneide dich. Was nützen mir meine Millionen, wenn man sich nicht mit Frauen auskennt?«

Nadine verschwand zwischen den Autos, die am Kai geparkt waren. Ein Porschemotor kreischte auf. Dann war Nadine verschwunden.

»Ich schau mal, ob ich was anderes für dich aufreißen kann«, sagte Oskar und stieg schnell von der Brücke herunter.

»Du bist mein einziger Freund«, seufzte Martin. »Willst du einen Schluck Milch?«

Oskar winkte »nein«, ohne sich umzudrehen. Die Zeit drängte jetzt. Es war fast Mitternacht, und Nadine war schon weggefahren.

An der Bordbar sah Oskar die fünf Japaner, die Martin Somersets Ehrengäste waren, weil Somerset von ihnen eine Schiffsladung Sekundenzeiger gekauft hatte, die er mit Gewinn an Schweizer Uhrenfabriken weiterexportierte.

Die fünf Japaner standen eng zusammen, wie Japaner immer im Ausland stehen. Oskar wechselte ein paar Worte mit ihnen, dann schnatterten sie alle begeistert.

Zehn Minuten später stand Oskar mit den Japanern im Spielcasino. An der rechten Ecke des zweiten Spieltisches von rechts. Dicht drängten sich Spieler und Neugierige an den Tischen. Erregtes Stimmengemurmel ringsum, dazwischen die Ansagen der Croupiers. Eine prickelnde Atmosphäre. Fasziniert blickten die Japaner auf die hüpfende Elfenbeinkugel in der langsam rotierenden Rouletteschüssel. Hinter Oskar saß eine vornehme alte Dame mit kostbarem Schmuck, die links von ihrem Ellbogen ein kleines Türmchen, bestehend aus sechs viereckigen Jetons zu je 20000 Francs, aufgebaut hatte. Merkwürdigerweise setzte sie nur hier und da ziemlich lustlos ein Zwanzig-Francs-Stück auf Rot oder Schwarz.

Oskar erklärte seinen japanischen Freunden die unbestechliche Perfektion des Kugellagers, auf dem sich die Rouletteschüssel drehte. Aufmerksam hingen die Japaner an seinen Lippen.

Eine alte Dame mit grellbuntem Kleid und einem frivol überschminkten Mund unter einem gigantischen Wagenradhut bahnte sich mit krächzender Stimme einen Weg durch die Menge. Rechts von der alten Dame mit dem Zwanzigtausender-Türmchen beugte sie sich über das grüne Tuch. Mit aristokratischer Geste und abgespreiztem kleinen Finger schob sie dem Croupier fünf Hunderterjetons zu. »Bitter scheen, setzen Sie für mich«, krächzte sie. Mit ihrer langen goldenen Zigarettenspitze zeigte sie, wohin.

»Sehr wohl, Fürstin Dostojewsky«, sagte der Croupier.

»Ah, Sie kennen mich aus St. Petersburg?« sagte sie. Der junge vorlaute Croupier errötete. Und alle lachten. Dann zückte sie eine lange schmale russische Zigarette aus ihrem perlenbesetzten Etui und schob sie sich in die Elfenbeinspitze.

»Rien ne va plus!« rief der Chefcroupier.

»Verzeihung, Exzellenz«, spielte die exzentrische Alte ihre Rolle weiter und wandte sich an Madame de Rougemont. »Aber könnten Sie mir Feuer geben, von Frau zu Frau?«

Blitzschnell flogen ihr Feuerzeuge aus allen Richtungen entgegen. »Tut mir leid«, lächelte sie den übereifrigen Kavalieren zu. »Aber eine Fürstin Dostojewsky fängt nicht Feuer von fremden Männern!«

Die Japaner glotzten mit offenen Mündern. Die Croupiers verbissen sich das Grinsen. Die Herren mit den Feuerzeugen verbeugten sich. Nervös nestelte Marie-Antoinette de Rougemont ihr Dunhill aus dem Täschchen. Zitternd reichte sie der Fürstin die Flamme.

»Der Zar wird es Ihnen danken«, sagte die Fürstin mit tiefem Ernst.

»Zero!« sagte der Chefcroupier. Enttäuschung am ganzen Spieltisch. Alle Einsätze gingen an die Bank. Auf die Null hatten nur wenige gesetzt. Gierig rafften die Rechen der Croupiers das kleine Vermögen vom Tisch.

Entsetzt blickte Marie-Antoinette links neben sich. Das Türmchen mit den sechs Zwanzigtausenderjetons war verschwunden. Nur ein Briefumschlag lag jetzt da. Mit flatternden Lidern blickte sie sich um. Die angebliche Fürstin war auch nirgendwo zu sehen. Aber die hatte ja auf der anderen Seite gestanden. Wohin sie auch blickte, starrten ihr jetzt nur noch grinsende japanische Gesichter entgegen.

»Bitte das Spiel zu machen«, rief der Chefcroupier.

Das Phantom von Monte Carlo hatte wieder einmal zugeschlagen.

Oskar sah sich vorsichtig um, als er im vierten Stock des Hôtel de Paris aus dem Lift trat. Die teppichbelegten Gänge waren menschenleer. Um diese Zeit befanden sich die meisten wohlbetuchten Gäste, die mindestens 250 Mark für ein Zimmer bezahlen, gegenüber im Spielcasino, das durch einen unterirdischen Gang mit dem Hotel verbunden ist.

Hastig sprang Oskar auf die Tür von Nummer 412 zu. Ohne anzuklopfen, drückte er die Klinke hinunter. Die Dame, die vor dem großen Spiegel stand, wiegte sich in einem Walzerrhythmus, den nur sie allein hörte. Das lange, paillettenbesetzte Kleid schwang anmutig um ihre langen Beine. Keß blinzelte sie ihm unter ihrem breitrandigen Blumenhut zu und sog dabei mit der Koketterie der Jahrhundertwende an ihrer langen goldenen Zigarettenspitze. Das frivole Gebaren und der Schwung der aufreizenden Hüften stimmte zwar nicht ganz mit den weißen Greisinnenhaaren überein, aber sonst war es schon ein recht reizvolles Bild.

»Gestatten die Fürstin Dostojewsky, daß sich ihr glühendster Anbeter ihr zu Füßen wirft?« sagte Oskar mit heiserer Stimme.

Aufgeschreckt fuhr die seltsame alte Dame herum. »Mein Gott, Oskar, wie kannst du mich so erschrecken! Ich habe dich nicht eintreten hören!«

»Du warst mal wieder so tief in die Anbetung deiner eigenen Schönheit versunken, daß du die Welt um dich herum vergessen hast«, sagte Oskar mit leichter Ironie. »Du bist wirklich die eitelste Frau, die ich je gesehen habe«, fuhr er fort. »Sogar in deine Maskerade als alte Vettel bist du noch verliebt.«

Sie legte die Zigarettenspitze auf den Frisiertisch und nahm behutsam ihren Hut ab. »Der Croupier hat mich immerhin mit ›Fürstin Dostojewsky‹ angeredet«, sagte sie patzig.

»Ein gebildeter Mensch«, frotzelte Oskar. Er war viel zu gut gelaunt, um auf ihr Schmollen einzugehen. »Wahrscheinlich hat er Dostojewskis Roman ›Der Spielen‹ gelesen. Darin kommt so eine alte Ziege vor, die das ganze Familienvermögen verjubelt und trotzdem immer weiter die Vornehme spielt. Das wird er wohl gemeint haben.«

»So ein Flegel!« Sie stampfte mit dem Fuß auf. »Morgen werde ich ihm meine Meinung sagen!«

»Das wirst du hübsch bleiben lassen«, lächelte Oskar und nahm sie mit allmählich wachsender Erregung in die Arme. »Er könnte sonst auf die Idee kommen, wer die ›Fürstin Dostojewsky‹ wirklich ist.« Er strich ihr ein paar weißhaarige Strähnen aus der Stirn und küßte sie. »Das aber kannst du doch unmöglich wollen, meine liebste Nadine!«

Nadine riß sich die Perücke mit den Greisinnenlocken vom Kopf und schüttelte ihr langes, schwarzes Haar frei. »Sag mir lieber, ob du die Jetons hast!«

Oskar griff in die Tasche und warf die sechs Spielmarken zu je 20000 auf den Frisiertisch. »Es war ganz einfach«, grinste er. »Du hast Madame de Rougemont mit deinem Zigarettentrick so fabelhaft abgelenkt, daß sie wahrscheinlich immer noch meint, die Japaner hätten ihr die Jetons geklaut.«

Nadine griff gierig nach den Elfenbeinplättchen. »120000 Francs!« keuchte sie. Ihr Blick war fast starr. »Ich kann es kaum glauben.« Zärtlich ließ sie ihre Finger über das Spielgeld gleiten. »Und so einfach war das alles! Ach, Oskar, du bist fabelhaft!«

Sie umarmte ihn mit gieriger Zärtlichkeit. Oskar preßte seine Lippen auf ihren üppigen Mund. Einen Augenblick lang warnte ihn noch eine heimliche Stimme in seinem Gehirn, daß die Beute wohl Nadine viel stärker erregte als der Mann in ihren Armen, aber dann überließ er sich rettungslos dem elektrisierenden Kontakt ihrer Zunge. Als er mit ihr aufs Bett stürzte, hielt sie die Jetons immer noch in der Hand.

»Küß mich«, stöhnte sie, »küß mich wild und hart. Mach mich fertig, daß ich alles um mich herum vergesse. Komm, Liebster, komm zu mir …«

Als Oskar aus seinem roten Rausch erwachte, lag Nadine, immer noch heftig atmend, unter ihm. Sie hielt ihre Augen geschlossen und ihren Mund halb offen. Sein Blick fiel auf ihre linke Hand, mit der sie ihre zitternde Brust bedeckte. Behutsam, um sie in ihrem Nachtraum nicht zu stören, löste er sich von ihr. Er nahm ihre Hand von ihrer nackten Brust, öffnete nacheinander die Finger, die sich immer noch zusammenkrampften, und löste den letzten Jeton, den sie im Liebesrausch nicht verloren hatte, aus ihrem Griff. Dann öffnete er Nadines Hutschachtel, hob den doppelten Boden heraus und legte die Spielmarken zu den 80000 Francs, die er schon dem Spielzeugmillionär abgenommen hatte.

»Macht zusammen 200000 Francs«, sagte er leise. »Noch drei-, viermal muß das ›Phantom von Monte Carl‹ zuschlagen, dann kann sich Oskar Bittner den Traum seines Lebens erfüllen – ein Feinschmeckerlokal an der Riviera …«

»Mein süßer kleiner Spinner«, reckte sich Nadine auf ihrem Bett. »Und was wird, wenn man die beiden Leichen identifiziert?«

Wie Oskar da so nackt in Nadines Zimmer stand, mit der himmelblauen Hutschachtel vorm Bauch, sah er aus wie ein Kaninchen, das beim Ostereierklauen ertappt worden ist. Die Hutschachtel mit den 200000 Francs aus seinen Beutezügen brannte plötzlich heiß in seinen Händen. Er warf das Ding auf Nadines Frisiertisch zu der Perücke, der langen Zigarettenspitze und den Schminktöpfen, mit denen sich Nadine zuvor in eine exzentrische Greisin verwandelt hatte.

»Warum hast du das jetzt gesagt?« flüsterte er. Seine Stimme war heiser, voller Angst und Entsetzen.

Nadine richtete sich in den zerwühlten Kissen auf, in denen sie sich eben noch mit Oskar leidenschaftlich geliebt hatte. Strich sich mit ihren schlanken, gierigen Fingern die schwarzen Haarsträhnen aus dem Gesicht und lachte. Sie lachte ihn aus.

Oskar warf sich über sie, krallte seine Finger in ihre Schultern, daß plötzlich rote Feuermale auf ihrer glatten, sonnengebräunten Haut aufsprangen, und rüttelte sie grob. »Das hättest du nicht sagen dürfen!« schrie er verzweifelt. Dann brach er zusammen. Er warf sich über ihre nackten, vom Liebeskampf noch heiß verschwitzten Schenkel und schluchzte bitterlich.

Einen Augenblick lang hatte Nadine Mitleid mit dem Häufchen Elend in ihrem Schoß und streichelte dem jammernden Hündchen über das drahtig-blonde, widerborstige Haar. Dann aber überlegte sie es sich anders. »Sei nicht albern«, sagte sie kühl und stieß ihn von sich. »Du hast mir weh getan. Ich werde mich morgen nicht in die Sonne legen können.«

Oskar zog die Nase hoch und stand auf. Bedrückt sammelte er seine Sachen vom Boden auf, wo er sie vorhin verstreut hatte, als er mit Nadine ins Bett gestürzt war. »Du hättest das nicht sagen dürfen«, murmelte er immer wieder. »Du hättest das nicht sagen dürfen.«

»Wie kann ein Kerl mit einer Größe von einsachtzig und deinen Muskelpaketen nur ein solches Kind sein!« gähnte Nadine und angelte nach den Zigaretten auf dem Nachttisch. »Natürlich muß ich dich ab und zu an die zwei unidentifizierten Leichen neben der Küstenstraße erinnern. Du könntest sonst vergessen, woher unser plötzlicher Reichtum stammt. Unter Umständen könntest du sogar vergessen, daß wir Komplicen sind. Daß wir auf Gedeih und Verderb zusammen in der Sache drinstecken. Auf jeden Fall könntest du sonst vergessen, vorsichtig zu sein und auf Anzeichen von Gefahr zu achten.«

Oskars Finger zitterten, als er sich sein buntes Cardin-Hemd zuknöpfte. »Ich wollte es vergessen«, sagte er dumpf. »Es war ein gräßlicher Anblick. Wie die beiden da mit zerschmetterten Köpfen in den Trümmern ihres Wagens lagen. Und das Blut. Überall das Blut. Das muß man vergessen. Sonst wird man wahnsinnig.«

Nadine blies ungerührt Rauchringe aus ihren geschürzten, üppigsinnlichen Lippen. »Zieh dir endlich deine Hose an«, sagte sie. »Ein jammernder Mann mit nacktem Unterkörper ist kein ermutigender Anblick für eine Frau.«

Gehorsam wie ein geprügelter Schuljunge stieg er in seine enge Hose. »Du bist ein grausames Weib«, stöhnte er. »Früher hätte man so was wie dich mit all deiner Schönheit als Hexe verbrannt.«

Nadine drückte die halbgerauchte Zigarette im Aschenbecher aus, als töte sie ein Insekt. Sie stand auf und ging nackt mit schlenkernden Hüften ins Bad.

»Nur die schönsten Frauen sind als Hexen verbrannt worden«, kicherte sie. »Nur schöne Frauen sind vom Teufel besessen. Denn der Teufel hat Geschmack.« Von der Badezimmertür her machte sie eine obszöne Geste. »Aber ich möchte schon gern wissen, welcher Teufel mich geritten hat, als ich mich mit dir auf dieses Abenteuer einließ!«

Sie knallte die Tür hinter sich zu, drehte die heiße Dusche an und hüllte sich in eine Dampfwolke.

Oskar trat auf den Balkon und blickte in die sanfte Nacht von Monte Carlo hinaus. Am klaren Mittelmeerhimmel flimmerten Millionen Sterne. Der Vollmond zog eine lange, mattsilberne Bahn über das spiegelglatte Meer. Von der Freitreppe vor dem weiß angestrahlten Zuckerbäckerbau des Spielcasinos mit seiner Schnörkelfassade und seinen romantisch-kitschigen Türmchen klang fröhliches Lachen zu ihm herauf. Glückliche Gewinner? Sorglose Verlierer? Warum würde er, mit all seinem Geld in der Hutschachtel, nie mehr unbeschwert lachen können? War es das wert? Er schauderte trotz der süßlich duftenden Wärme der Sommernacht.

»Lucky« Palermo schlug seinem Adjutanten das Whiskyglas aus der Hand. »Mama mia!« schrie der kleine, drahtige Sizilianer, dem man seine sechzig Jahre nicht ansah. Mit federnden Schritten rannte er in dem auf englisch-antik eingerichteten Salon seiner Münchner Villa auf und ab. »Was seid ihr für Menschen? Hundesöhne! Flöhe von Hundesöhnen! Früher hätte man Leute wie euch nicht einmal in den Kindergarten der Mafia eingelassen! Wenn das der große Pate in New York erfährt …!«

Der junge Mann mit der altmodischen Presley-Tolle sah seinen Boss mit eingezogenem Kopf an. Er hielt es für sicherer, nichts zu sagen.

Palermo nahm seinen großen Monolog wieder auf. »Was muß ich hier lesen?« Er fuchtelte mit einer Zeitung vor Peppinos Gesicht herum. »Hier steht: ›Frank d’Arcy spendet Geld für ein neues Waisenhaus!‹ Ich frage dich: Wieso kann d’Arcy Geld spenden? Haben wir nicht vor vier Wochen beschlossen, daß d’Arcy sterben muß? Ist das nicht ein Befehl des Paten?«

Peppino hob ratlos die Hände. »Aber Signore, kein Mensch weiß, wo Buggsy Carbone und Stinky Fiorello geblieben sind! Der Erdboden hat sie verschluckt!«

»Und meine 10000 Dollar Vorschuß auch!« schrie Palermo. »Hör zu, Peppino! Du kriegst heraus, was passiert ist – oder du kriegst mein schönes altes sizilianisches Stiletto zwischen die Rippen!«

Kapitel 3Der »Pate« ist unwirsch, und ein Ölscheich muß bluten

Salvatore Palermo stand mit dem Feldstecher vor den Augen am Mansardenfenster seiner Villa im Münchner Prominentenviertel Grünwald. Seit Stunden gab er sich seiner Lieblingsbeschäftigung hin. Er schaute den Nachbarn in den Garten. Um es genau zu sagen: seiner Nachbarin ins Paradiesgärtlein. Dolly Holly, der Superstar der deutschen Sexreportfilme, lag mal wieder mit drei Kolleginnen spreizbeinig auf der Terrasse und ließ sich von der Sommersonne das offene Geheimnis ihrer erregenden Darstellungskunst bescheinen.

Palermo versuchte eben, den Feldstecher auf die Schärfe einzustellen, die seinem erotischen Hochgefühl entsprach, was mit einer Hand in der Hosentasche nicht ganz einfach war als das Telefon klingelte.

»Signore Palermo! Il telefono!« schrie Peppino, der Adjutant, vom Parterre durchs ganze Haus. Salvatore, in Fachkreisen »Lucky« genannt, stieß einen Fluch seiner sizilianischen Heimat aus und riß sich vom fesselnden Anblick der sonnenbadenden Pornovenus los. Im Büro hielt Peppino ihm schon mit respektvoller Geste den Telefonhörer entgegen. »Der Pate persönlich!« flüsterte Peppino.

»Mein Respekt, ehrwürdiger Pate!« sprach Lucky in die Muschel. Er wagte nicht, sich hinzusetzen.

»Mein lieber Neffe Lucky!« kam die sonore Stimme des obersten Mafiafürsten von New York aus über den Draht. »Lebst du gerne?«

»Aber ja doch, lieber Pate!« nickte Lucky eifrig.

»Du lebst gerne in München?«

»Si! Si!«

»Und du weißt auch, daß du weder nach Amerika noch nach Italien zurückkehren kannst, weil du überall wegen deiner kriminellen Vergangenheit gesucht wirst?«

»Si! Si!«

»Und du glaubst auch nicht, daß ich dir nur deshalb 5000 Dollar monatlich zahle, damit du lediglich diesen lächerlichen Mafiaring unter den italienischen Gastarbeitern in Deutschland beaufsichtigst?«

»Aber der Dollar fällt doch dauernd«, wagte Lucky einzuwenden.

»Lucky, hier spricht der Pate!« tadelte der Pate. Und fuhr mit unveränderter Stimme fort: »Du weißt doch, daß dieser Frank d’Arcy nach wie vor die Waffengeschäfte unserer Organisation stört. Und du weißt auch, daß ich seit drei Wochen vergeblich auf die Nachricht vom plötzlichen Ableben des Mister d’Arcy warte.«

»Ich weiß es.«

»Und zu guter Letzt weißt du auch noch, was wir mit Leuten machen, die einen wichtigen Job verpatzen?«

»Ich weiß es«, sagte Lucky. Auf seiner Stirn begann die Narbe von der Schußwunde, die er sich bei einem Gangstergefecht in Chicago als Gorilla von Al Capone eingefangen hatte, heftig zu tuckern.

»Du weißt also, daß du gar keine andere Chance hast, als befehlsgemäß saubere Arbeit zu liefern?«

»Ich weiß es!« Luckys Stimme war nur noch ein gequältes Röcheln.

»Kompliment, mein lieber Neffe«, sagte der Pate. »Du scheinst ja allwissend zu sein.« Gleich darauf war die Leitung tot.

Lucky warf den Hörer auf die Gabel, als hätte er sich die Finger verbrannt. Er packte Peppino an seinem knallbunten Halstuch. »Idiot!« schrie er. »Willst du uns alle ruinieren! Warum hast du noch kein Gespräch nach Marseille angemeldet?«

»Der Anschluß war doch besetzt!« stöhnte Peppino unter dem immer noch stahlharten Griff des Sechzigjährigen.

»In Marseille?« tobte Lucky.

»Nein, hier!« stotterte Peppino und zeigte auf das Telefon, das Lucky eben eingehängt hatte.

»O heilige Madonna von Syracusa!« stöhnte Palermo und warf die Hände vors Gesicht. »Mit was für einem Hohlkopf von Adjutanten hat der Himmel mich geschlagen! Sofort schaffst du mir Marseille an den Apparat! Mit Gustave, der Fettleber, will ich sprechen!«

Peppino vollbrachte nach etlichen Anläufen die geistige Glanzleistung, alle zwölf Ziffern der Direktwahl in der richtigen Reihenfolge zu wählen. Lucky lief derweil fluchend und betend im Zimmer auf und ab. Endlich konnte Peppino ihm strahlend den Hörer reichen.

»Ihr schnapstriefenden Hafenratten!« schrie Lucky gleich ins Telefon. »Wißt ihr endlich, wo Buggsy Carbone und Stinky Fiorello geblieben sind?«

Gustave, der schon seine erste halbe Flasche Calvados geschluckt hatte, rülpste erst mal. Dann sagte er: »In der Zeitung stand was von einem rätselhaften Autounfall mit zwei unidentifizierbar verbrannten Leichen. Vielleicht gibt’s da einen Zusammenhang. Aber von den Gewehren, die Carbone und Fiorello bei sich hatten, findet sich offenbar keine Spur.«

»Da stimmt doch was nicht!« schrie Lucky. »Hör zu. Fahr sofort nach Monte Carlo. Nimm Moko, ›das Messer‹, und Arsène, den ›Galgenstrick‹, mit. Ihr drei müßt so schnell wie möglich rausfinden, wer unsere beiden Killer umgelegt hat. Um jeden Preis!«

»Und wenn wir’s dann wissen?«

»Na was schon? Den Namen will ich erst erfahren, wenn ich ihn schwarz auf weiß in der Zeitung als Todesanzeige lese.«

»Okay, Lucky. Wir fahren sofort los. Ich trink nur erst noch einen Kaffee und geh unter die Dusche.«

»Seit wann gibt’s in Marseille eine Dusche?« höhnte Lucky. Aber Gustave hatte schon aufgelegt.

Nachdenklich sah Lucky seinen Adjutanten an. »Aber das größte Problem bleibt immer noch offen, Peppino. Wo krieg ich jetzt bloß einen neuen Killer her …?«

Die schneeweiße Luxusyacht »Yasmina« schaukelte auf dem blauen Meer zwischen Korsika und der Côte d’Azur. Scheich Achmed Ben Abdullah genoß seine Kreuzfahrt fern von den Bohrtürmen seiner Wüstenheimat.

Er war mit einer berühmten amerikanischen Opernsängerin verheiratet, der zwischen Tokio und Bayreuth das Publikum zu Füßen lag. Ihre beiden Kinder waren die Lieblinge aller Frauenzeitungen. Scheich Achmeds Großvater, König Ali vom Ölscheichtum Bekkar, hatte ihn mit einer wichtigen handelspolitischen Mission in London beauftragt. Aber im Augenblick waren Scheich Achmeds Gedanken weder bei Frau und Kind noch bei der Politik.