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Mia bekommt ein verlockendes Angebot: Sie soll für eine kurze Zeit die Verlobte von Julian spielen, dem Cousin ihrer besten Freundin. Denn sein Vater - ein starrköpfiger und verbitterter Patriarch - will ihm die Firmenleitung erst übergeben, wenn Julian endlich sein Partyleben aufgegeben hat. Trotz Skrupel willigt Mia schließlich ein. Bei der ersten Begegnung muss sie sich eingestehen, dass Julian unglaublich sexy ist: Sie verliebt sich sofort in ihn. Vertraut mit ihm zu wirken, fällt ihr allerdings schwerer als gedacht, weil es für ihn tatsächlich nur ein Geschäft ist. Als sie das Schauspiel endlich hinter sich hat, ist sie sichtlich erleichtert. Dann bittet Julian sie jedoch, für ein Wochenende erneut in die Rolle zu schlüpfen. Mia kann nicht widerstehen und sagt zu. Sie erleben eine Zeit voller Leidenschaft, und sie ist sich sicher, dass auch Julian mehr für sie empfindet - danach meldet er sich aber nicht mehr bei ihr. Mia ist zutiefst enttäuscht. Kann sie sich so in einem Menschen irren? Wieso zieht Julian sich immer wieder zurück?
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Seitenzahl: 137
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Ein heißer Deal
In der nächsten Folge
„Shadows of Love“ sind in sich abgeschlossene erotische Liebesgeschichten von unterschiedlichen Autoren. Die Folgen erscheinen monatlich als Romanheft und eBook.
Mia bekommt ein verlockendes Angebot: Sie soll für eine kurze Zeit die Verlobte von Julian spielen, dem Cousin ihrer besten Freundin. Denn sein Vater – ein starrköpfiger und verbitterter Patriarch – will ihm die Firmenleitung erst übergeben, wenn Julian endlich sein Partyleben aufgegeben hat. Trotz Skrupel willigt Mia schließlich ein. Bei der ersten Begegnung muss sie sich eingestehen, dass Julian unglaublich sexy ist: Sie verliebt sich sofort in ihn. Vertraut mit ihm zu wirken, fällt ihr allerdings schwerer als gedacht, weil es für ihn tatsächlich nur ein Geschäft ist. Als sie das Schauspiel endlich hinter sich hat, ist sie sichtlich erleichtert. Dann bittet Julian sie jedoch, für ein Wochenende erneut in die Rolle zu schlüpfen. Mia kann nicht widerstehen und sagt zu. Sie erleben eine Zeit voller Leidenschaft, und sie ist sich sicher, dass auch Julian mehr für sie empfindet – danach meldet er sich aber nicht mehr bei ihr. Mia ist zutiefst enttäuscht. Kann sie sich so in einem Menschen irren? Wieso zieht Julian sich immer wieder zurück?
Lara Hill wurde in England geboren. Nach dem Studium arbeitete sie als Übersetzerin. Als sie mit ihrem Mann nach Deutschland übersiedelte, begann sie mit dem Schreiben. Die Liebesgeschichten in ihren soft-erotischen, sinnlich geschriebenen Romanen siedelt sie gern in all den Ländern an, die sie bereist hat. Lara Hill lebt heute mit ihrer Familie und zwei Hunden in München.
Digitale Originalausgabe
»be« - Das eBook-Imprint von Bastei Entertainment.
Copyright © 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln
Titelgestaltung: Jeannine Schmelzer unter Verwendung der folgenden Motive: © shutterstock/Svyatoslava Vladzimirska
E-Book-Erstellung: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-3298-8
www.be-ebooks.de
www.lesejury.de
»Hi, ich bin’s. Störe ich?« Die stets fröhlich klingende Stimme meiner Freundin Lilly dringt an mein Ohr, ein wenig zu laut, wie ich finde. Wie immer, wenn Lilly etwas Wichtiges zu verkünden hat.
»Ich muss gleich zur Uni«, antworte ich.
Ich stehe tatsächlich schon in meiner Wohnungstür. Um diese Uhrzeit herrscht in München Rushhour.
»So früh?« Lilly gähnt ausgiebig, was mir verrät, dass sie wahrscheinlich gerade erst aufgestanden ist.
Lilly von Stetten, die verwöhnte Tochter einer vermögenden Münchner Unternehmerfamilie studiert nur zum Zeitvertreib. Bei mir sieht das etwas anders aus. Mir kann es gar nicht schnell genug gehen, endlich mein Examen in der Tasche zu haben. Das ist mir schon manchen Einsatz wert.
»Was gibt es denn?«, erkundige ich mich, während ich mit den Füßen nach meinen Sneakern angele.
»Ich habe einen Semesterferienjob für dich«, entgegnet Lilly mit erhobener Stimme, die mich in der Bewegung innehalten lässt. »Du suchst doch einen, oder?«
Einen Semesterferienjob, ja, den ich kann ich gut gebrauchen. Meine Ersparnisse, mit denen ich mein Studium finanziere, gehen langsam zur Neige.
»Was für ein Job?«, frage ich nun neugierig.
»Du musst nur ein paarmal die Verlobte meines Vetters spielen. Julian Lauterbach, du weißt schon.«
Ich blinzele in den Flurspiegel und sehe eine hochgewachsene blonde Frau mit langem Haar, der gerade die grauen Augen aus dem Kopf zu fallen drohen.
»Was soll ich?« Ich muss lachen. »Spinnst du?«
»Nein, im Ernst. Julian hat ein Riesenproblem. Er braucht eine Verlobte. Kurzfristig und nur für vier oder sechs Wochen vielleicht, und auch nur als Begleitung bei den Besuchen bei seinem Vater.«
Ich fühle mich, als wäre ich gerade vor die Flurwand gelaufen. Ein schneller Blick auf meine Armbanduhr beruhigt mich, dass ich noch ein paar Minuten habe, bevor ich dann wirklich losmuss. Ich höre, wie meine Freundin geräuschvoll durchatmet. Dann fährt sie mit bedeutungsschwerer Stimme fort:
»Also … Mein Onkel Cornelius, der Bruder meiner Mutter, Julians Vater, ist ein richtiger Kotzbrocken. Tut mir leid, aber das trifft es am besten. Er macht meinem Vetter das Leben total schwer.« Lilly verstummt, um ihre Worte wirken zu lassen. Das kenne ich von ihr. Heute Morgen macht es mich nervös.
»Weiter«, fordere ich sie auf. »Ich muss zur Uni.«
»Okay, also …« Wieder eine Kunstpause. »Onkel Cornelius, dieser starrköpfige verbitterte Patriarch will Julian die Leitung über sein Pharmaunternehmen erst dann übergeben, wenn mein Cousin sein Lotterleben, wie er es nennt,aufgegeben hat und eine verbindliche Beziehung eingegangen ist.«
Ich schließe kurz die Augen und schüttele den Kopf, bevor ich erwidere:
»Verzeih Lilly, aber einen Typen, der jede Nacht um die Häuser zieht und die Frauen wechselt wie andere ihre Hemden, halte ich für den Chef eines alteingesessenen erfolgreichen Unternehmens auch für ziemlich ungeeignet. Wenn du mich fragst, fehlt es deinem Vetter an der nötigen Reife für diese Position.«
»Du kennst Julian doch gar nicht«, erwidert Lilly jetzt empört.
»Du hast mir aber schon einiges über ihn erzählt«, kontere ich, eigentlich viel zu engagiert. Was geht mich Lillys Vetter an? Das Thema Männer ist sowieso seit Jahren für mich erledigt. Dennoch fahre ich unerbittlich fort: »Wenn man wie dein Vetter nach durchzechter Nacht erst mittags ins Büro kommt, hat man die Hälfte des Tages ja schon mal verpasst. Ich kann gut verstehen, dass sein Vater ihm die Firmenleitung nicht übergeben will.«
Lilly schweigt am anderen Ende der Leitung. Dieses Mal ist es keine Kunstpause. Ich bin mir sicher, dass sie gerade überlegt, ob sie ihr Anliegen an mich, für Julian Lauterbach die Verlobte zu spielen, doch lieber zurückziehen soll. Natürlich nicht, ohne beleidigt zu sein.
»Vielleicht habe ich Julian dir gegenüber auch ein bisschen übertrieben dargestellt«, meldet sie sich jetzt wieder mit versöhnlich klingender Stimme. »Klar, er genießt sein Leben, aber seinen Beruf nimmt er sehr ernst. Überhaupt ist er im Grunde genommen ein sehr ernsthafter Mensch. Ich habe ihn echt lieb. Ich habe ihn immer als den großen Bruder empfunden, den ich nie hatte.« Kunstpause. »Julian tut mir total leid. Er leidet immer stärker unter dem Druck seines Vaters. Onkel Cornelius kontrolliert und bevormundet ihn ständig. Er ist der Überzeugung, dass der Chef eines so großen Unternehmens ein solides Privatleben führen sollte, wegen seines guten Rufes in der Geschäftswelt und so. Du weißt schon, Ehefrau, wenigstens zwei Kinderchen und einen festen Platz sonntagmorgens in der Kirche. Da Julian sich ein solches Leben aber nicht vorstellen kann, habe ich mir überlegt, dass es Onkel Cornelius vielleicht schon reichen könnte, wenn Julian sich verlobt. Normalerweise führt eine Verlobung ja zur Hochzeit. Wenn mein Onkel sieht, dass sein Sohn Heiratsabsichten hat, würde er ihm wahrscheinlich endlich die Firmenleitung anvertrauen und sich aus der Firma zurückziehen. Inzwischen ist er nämlich, wie meine Mutter sagt, der stressigen Aufgabe gesundheitlich gar nicht mehr gewachsen. Und Julian ist sowieso der rechtmäßige Erbe. Er hat keine Geschwister. Eine solche Lösung wäre für Vater und Sohn also gleichermaßen sinnvoll, und keiner käme dabei zu Schaden.«
Ich habe meiner Freundin zugehört, mit gemischten Gefühlen. Natürlich kann ich mich in Julian Lauterbachs Rolle hineinversetzen, der bei der Ausübung seines Jobs ständig unter der Fuchtel seines Vaters steht. Aber vielleicht ist der lebenshungrige Sohnemann auch tatsächlich noch nicht reif genug für eine so verantwortungsvolle Aufgabe. Soll ich jetzt etwa indirekt dafür sorgen, dass das alteingesessene Pharmaunternehmen in den nächsten Jahren Konkurs anmelden muss? Und Cornelius Lauterbach deshalb womöglich vor Aufregung an Herzversagen stirbt? Niemals.
Ich atme tief durch. »Nein, Lilly, ich werde durch meine Rolle als Verlobte deinen Onkel nicht indirekt beeinflussen, etwas zu tun, was sein Verantwortungsgefühl nicht zulässt. Er wird schon wissen, warum er die Firma noch nicht in Julians Hände gibt. Außerdem wird dein Vetter unter seinen vielen Gespielinnen bestimmt eine finden, die diese Funktion für ein paar Wochen gerne übernehmen wird.«
Ich höre Lilly bitter auflachen. »Julians Gespielinnen … Keine von ihnen könnte halbwegs glaubwürdig seine Verlobte abgeben. Mein Onkel ist ja nicht blöd. Außerdem stellt er sich eine Schwiegertochter vor, die in die Familie passt. Du bist klug, hast Stil, siehst super aus, besitzt sehr viel Herz, und obendrein studierst du Pharmazie. Onkel Cornelius würde dich mit offenen Armen in der Familie aufnehmen und Julian dankbar sein, dass er endlich einmal eine passende Frau angeschleppt hat.«
»Dann ist das Ganze ja noch schlimmer!«, rufe ich entsetzt aus. »Ich kann doch nicht dabei mitmachen, einen alten Mann derart irrezuleiten, um seinem Sohn Vorteile zu verschaffen.«
»Hallo? Jetzt reg dich mal wieder ab«, sagt Lilly hörbar pikiert. »Du tust ja gerade so, als würde ich dich bitten, Onkel Cornelius um die Ecke zu bringen. Du würdest doch beiden helfen. Vater und Sohn. Mein Onkel ist schwer herzkrank. Der ständige Streit mit Julian, der sich natürlich nichts mehr von ihm sagen lassen will und sogar inzwischen mit dem Gedanken spielt, aus der Firma auszuscheiden, ist seiner Gesundheit nicht gerade zuträglich.« Ein lauter Seufzer, und dann: »Bitte, denk doch mal in Ruhe darüber nach«, fährt meine Freundin nun etwas ruhiger fort. »Julian würde sich die Sache etwas kosten lassen. Sehr viel sogar.« Sie nennt mir eine Summe, die mich fast umhaut. »Dann könntest du in den Semesterferien an deiner Doktorarbeit weiterschreiben, statt jeden Tag jobben zu gehen«, beendet sie schließlich ihr Plädoyer.
Ich presse die Lippen fest aufeinander. Ich gehöre nicht zu den Menschen, die sich kaufen lassen. Auch nicht zu denen, die anderen schaden, um dadurch einen Vorteil für sich zu erzielen. Natürlich ist Lillys Angebot durchaus verlockend in Anbetracht meiner finanziellen Situation. Neben meinen moralischen Skrupeln kommt jedoch hinzu, dass mir dieser Julian Lauterbach höchst unsympathisch ist. Ich kenne ihn nicht persönlich, aber solch unheimlich attraktive, charmante, vom Leben verwöhnte und vermögende junge Männer sind mir grundsätzlich ein Gräuel. Für mich muss ein Mann Anziehungskraft haben, Ernsthaftigkeit besitzen, einen intelligenten Humor, Männlichkeit, Bodenständigkeit und sich seine Position in der Gesellschaft erkämpft und nicht ererbt haben. Mein Traummann kocht abends mit mir, statt mich in Nobelrestaurants auszuführen; er treibt Sport, statt sich auf Golfplätzen zu tummeln; er liest ein gutes Buch, sieht sich einen guten Film an oder spielt mit mir Scrabble statt abends um die Häuser zu ziehen und Frauen flachzulegen. Könnte ich mit meiner Aversion gegen Julian Lauterbach überhaupt Lillys Erwartungen erfüllen?
»Mia, bitte …« Die einschmeichelnde Stimme meiner Freundin dringt aus dem Hörer. »Die Idee, Julians Verlobte zu spielen, war meine. Julian fand sie zuerst auch nicht so gut. Er ist wirklich nicht so, wie du denkst. Letztendlich konnte ich ihn aber überzeugen, dass dies für ihn und seinen Vater das Beste ist. Lass dir doch mal alles in Ruhe durch den Kopf gehen. Ich versichere dir, dass du niemandem schaden wirst. Das will ich doch auch nicht. Mein Onkel kann ja nichts dafür, dass er so ist. Das sagt zumindest meine Mutter. Onkel Cornelius hat es nicht leicht gehabt. Seine Ehe war ein Flop. Julians Mutter muss eine richtige Zicke gewesen sein. Nach ihrem frühen Tod hat er dann seine große Liebe kennengelernt, aber da war Julian erst sechs Jahre alt und hat diese Frau abgelehnt. Mein Onkel hat dann auf sein Glück verzichtet und nur noch für seinen Sohn und sein Unternehmen gelebt, obwohl er damals ja auch noch jung war.« Kunstpause.
Ich muss lächeln.
»Warum studierst du eigentlich Kunst?«, frage ich. »Du solltest zur juristischen Fakultät wechseln.«
Ich höre Lilly lachen, dieses herzerfrischende und laute Lachen, das so typisch für sie ist.
»Klingt die Verteidigung meines Mandanten in deinen Ohren denn zumindest ein klein bisschen plausibel?«
»Na ja«, muss ich in gedehntem Ton zugeben.
»Und vergiss nicht, ich finde, es ist durchaus ein sehr verführerisches Angebot. Finanziell, meine ich.«
»Okay, das Gericht wird sich jetzt erst einmal zur Beratung zurückziehen«, führe ich das Wortspiel weiter. »Ich melde mich bei dir, aber jetzt muss ich los.«
♡♡♡
Ja, ich habe mich zur Beratung zurückgezogen, zu der mit meinem Gewissen und meinem Bankkonto. Und ja, ich bin gerade auf dem Weg, Julian Lauterbach zur ersten Lagebesprechung zu treffen.
Gestern Abend kurz vor zwanzig Uhr, nachdem ich Lilly meine Zusage gegeben habe, rief Julian bei mir an. Es war ein kurzes Telefonat in geschäftlich klingendem Ton. Es dauerte noch nicht einmal eine Minute. Er schlug mir als Treffpunkt ein Biergartenlokal an der Isar vor, etwas außerhalb der Stadt, was mich – ich gebe es zu – ein wenig überraschte, oder sogar enttäuschte. Keines der zurzeit angesagten hippen Bistros auf der Maximilianstraße, kein cooler Nobelitaliener in Bogenhausen? Das hätte eher zu dem Julian Lauterbach gepasst, wie ich ihn mir vorstelle.
Während ich die Münchner City hinter mir lasse, spannt sich über meiner Heimatstadt ein weißblauer Himmel. Seit heute Morgen herrscht Föhn, jener schmeichelnd warme Fallwind aus den Alpen, der die Menschen auf eine wunderliche Weise anrührt und sie verwirrt oder gar verzaubert. So hat meine Großmutter immer gesagt. Nun gut, die meteorologische Lage an diesem Tag interessiert mich weit weniger als die Frage, wie das Gespräch mit Lillys Vetterverlaufen wird. Dass es ein rein geschäftliches Gespräch werden wird, gibt allein schon die Situation vor. Es geht um einen Deal. Dienstleistung gegen Geld, wobei die Dienstleistung schon eine recht spezielle ist. Deshalb ja auch die beachtliche Geldsumme.
»Du musst nicht mit ihm ins Bett gehen«, hat mich Lilly heute Morgen in treuherzigem Ton beruhigt. »Ich glaube, du bist auch gar nicht sein Typ.« Ich muss sagen, dass ihre Worte mich ein ganz klein wenig geärgert haben. Bisher habe ich nämlich die Erfahrung gemacht, bei den Männern ganz gut anzukommen, selbst bei denen, die vielleicht eher auf kleine, rundliche dunkelhaarige Frauen stehen. Okay, sage ich mir, nachdem ich den Stadtverkehr hinter mir gelassen habe, Julian Lauterbach ist nach den bisherigen Beschreibungen seiner Cousine ja auch nicht mein Typ. Absolut nicht. Und bis ins Bett ist es bei mir bislang sowieso nur selten gekommen, sehr viel seltener, als es für eine Frau von siebenundzwanzig Jahren normal ist.
Ich atme tief durch und gebe Gas. Mit der Alpenkette vor Augen, die der Föhn zum Greifen nahe bringt, steuere ich meinem Ziel, dem Biergarten am Isarufer, entgegen. Ich fahre durch kleine Dörfer mit behäbigen Bauernhöfen und Kirchen, aus deren Schiffen die für Bayern so typischen Zwiebeltürme ragen. Neben der Straße erstrecken sich Felder und Wiesen, auf denen braun und weiß gescheckte Kühe weiden. Irgendwann fordert mich die freundliche Frauenstimme meines Navis auf, rechts in die Wiesen abzubiegen. Vor mir sehe ich das Lokal liegen. Mein Herzschlag beschleunigt sich, je näher ich dem Parkplatz komme, auf dem ich mit Julian Lauterbach verabredet bin. Immerhin bin ich in einer sehr ungewöhnlichen Mission unterwegs: Ich soll die Verlobte eines mir völlig fremden Mannes spielen.
Dem geschäftlichen Termin angemessen trage ich heute Abend ausnahmsweise ein Kleid. Ein zeitloses cremefarbenes Etuikleid mit sandfarbenen Ballerinas. Das Haar habe ich aufgesteckt, was mich sachlich-nüchterner aussehen lässt, als wenn mir die Locken ums Gesicht hängen. Eine Sonnenbrille mit honigfarbenem Gestell sowie eine Handtasche aus naturfarbenem Leder komplettieren mein Outfit.
Auf geht’s, feuere ich mich an, als ich aus meinem Wagen steige. Ich schließe die Tür und sehe mich auf dem Parkplatz um, mit ziemlich flatternden Nerven, wie ich mir eingestehen muss. Julian fährt ein weißes Auto. Das Kennzeichen hat er mir gestern am Telefon genannt, wie ich ihm meines, damit wir uns gegenseitig überhaupt erkennen können. Auf dem Parkplatz stehen viele Autos, die einem zukünftigen Firmenoberhaupt angemessen wären, aber nicht das von ihm beschriebene, ebenso wenig irgendein Mann, der auf mich warten würde. Dabei haben wir jetzt Punkt neunzehn Uhr. Ich bin pünktlich. Okay, vielleicht verspätet sich Herr Lauterbach ja oder sitzt sogar schon im Biergarten. Was nun? Unschlüssig bleibe ich zunächst an meinem Wagen stehen. Ich weiß nur, dass Julian groß und schlank ist und schwarzes Haar hat. Und sehr attraktiv ist,wie Lilly mir heute Mittag noch am Telefon versichert hat, wobei Attraktivität ja wirklich reine Geschmacksache ist. Allein aufgrund dieser Merkmale werde ich meinen Geschäftspartner in dem Gartenlokal, in dem jeder Tisch besetzt ist, wohl kaum ausmachen können.
Ratlos knabbere ich auf meiner Lippe herum, mache mir dann jedoch umgehend bewusst, dass ich dadurch nur meinen neuen apricotfarbenen Lippenstift ruiniere.
Und wenn Julian gar nicht auftaucht? Dieser Gedanke schießt mir ganz plötzlich durch den Kopf. Ein Mann wie er ist vielleicht unzuverlässig, was womöglich auch einer der Gründe dafür ist, dass sein alter Herr ihm die Firmenleitung nicht übertragen will.
Wieder schaue ich mich um und komme mir dabei ziemlich blöd vor. Weit und breit ist kein sehr attraktiver,