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Anna kann es nicht glauben: Nach unzähligen Absagen ergattert sie endlich einen Job als Innenarchitektin - und dann gleich bei einer namhaften Werft in Portugal. Sofort sagt sie zu und reist nach Lissabon.
Dort angekommen trifft sie schon bald auf ihren neuen Chef Ramon Carvalho. Der geheimnisvolle Südländer schlägt sie sofort in seinen Bann. Ohne zu überlegen sagt Anna deshalb auch zu, als Ramon sie zum Essen einlädt. Während des Dinners kommen sie sich schnell näher, doch nach einer Nacht voller Leidenschaft und Hingabe verlässt der geheimnisvolle Portugiese die Wohnung so abrupt, dass Anna die Welt nicht mehr versteht. Dann tauchen im Netz obendrein noch Bilder von Ramon mit einer anderen Frau auf und stürzen Anna in tiefe Verzweiflung: Hat er etwa bloß mit ihr gespielt?
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Seitenzahl: 144
Cover
Über diese Folge
Über die Autorin
Titel
Impressum
Heiße Nacht in Lissabon
In der nächsten Folge
„Shadows of Love“ sind in sich abgeschlossene erotische Liebesgeschichten von unterschiedlichen Autoren. Die Folgen erscheinen monatlich als Romanheft und eBook.
Anna kann es nicht glauben: Nach unzähligen Absagen ergattert sie endlich einen Job als Innenarchitektin – und dann gleich bei einer namhaften Werft in Portugal. Sofort sagt sie zu und reist nach Lissabon.
Dort angekommen trifft sie schon bald auf ihren neuen Chef Ramon Carvalho. Der geheimnisvolle Südländer schlägt sie sofort in seinen Bann. Ohne zu überlegen sagt Anna deshalb auch zu, als Ramon sie zum Essen einlädt. Während des Dinners kommen sie sich schnell näher, doch nach einer Nacht voller Leidenschaft und Hingabe verlässt der geheimnisvolle Portugiese die Wohnung so abrupt, dass Anna die Welt nicht mehr versteht. Dann tauchen im Netz obendrein noch Bilder von Ramon mit einer anderen Frau auf und stürzen Anna in tiefe Verzweiflung: Hat er etwa bloß mit ihr gespielt?
Lara Hill wurde in England geboren. Nach dem Studium arbeitete sie als Übersetzerin. Als sie mit ihrem Mann nach Deutschland übersiedelte, begann sie mit dem Schreiben. Die Liebesgeschichten in ihren soft-erotischen, sinnlich geschriebenen Romanen siedelt sie gern in all den Ländern an, die sie bereist hat. Lara Hill lebt heute mit ihrer Familie und zwei Hunden in München.
Digitale Originalausgabe
»be« – Das eBook-Imprint von Bastei Entertainment.
Copyright © 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln
Titelgestaltung: Jeannine Schmelzer unter Verwendung der folgenden Motive: © Svyatoslava Vladzimirska/shutterstock
eBook-Erstellung: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-4564-3
www.be-ebooks.de
www.lesejury.de
Heute scheint zum ersten Mal seit Wochen wieder einmal die Sonne. An diesem Morgen hat mich jedoch nicht das schöne Wetter nach draußen gelockt. Vielmehr haben mich in der Nacht wieder einmal meine Existenzängste so sehr umgetrieben, dass ich in meinem kleinen Apartment kaum mehr atmen konnte. Ich weiß nicht mehr weiter – und das will etwas heißen. Meine etwa fünfzig Bewerbungsschreiben wurden abgelehnt. Dass man dabei irgendwann den Mut verliert, ist doch normal, oder? Warum machst du keine solide Ausbildung bei der Stadt oder wirst Lehrerin?,höre ich meine Eltern gerade wieder einmal fragen, während ich hier ziellos an der Elbe entlangspaziere. Innenarchitektin … Ihr verständnisloses Kopfschütteln sehe ich heute noch vor mir. Obwohl ich natürlich wusste, dass die Aussichten in diesem Beruf nicht gerade rosig sein würden, habe ich mich dennoch für die Verwirklichung meines Traums entschieden – und meinen Master sogar mit der besten Note gemacht. Und trotzdem finde ich keinen Job zu einem Gehalt, von dem man leben kann.
In all diese Gedanken versunken, gehe ich ratlos weiter, allein mit nur ein paar Frühsportlern und begleitet vom Geschrei der Möwen, in das sich irgendwann ein anderes Geräusch mischt – das schrille Klingeln meines Handys. Wer ruft mich denn an einem Sonntag so früh an?
Maja ruft an, beantwortet mir ein Blick aufs Display die Frage.
Maja? Normalerweise liegt meine Freundin zu dieser Stunde noch im Bett. Wahrscheinlich ist sie gerade erst nach Hause gekommen und hat mal wieder einen supertollen Typen kennengelernt, von dem sie mir unbedingt erzählen muss. Ich seufze in mich hinein. Oh nein, eigentlich bin ich jetzt überhaupt nicht in der Stimmung, mir ihre Schwärmereien anzuhören.
Ich gehe weiter, jedoch mit wachsender Unruhe im Herzen. Das Klingeln hört nicht auf. Es klingt geradezu alarmierend. Ob Maja etwas passiert ist?
»Ja?« Ich höre, wie besorgt ich klinge.
»Na, endlich.« Meine Freundin lacht ihr unbeschwertes Lachen. »Habe ich dich geweckt?«
»Nein.« Ich horche in die Leitung, warte auf eine Erklärung für diesen frühen Anruf.
»Du, ich muss dir etwas erzählen. Ich habe gestern auf dem Junggesellinnenabschied jemanden kennengelernt.«
Dachte ich’s mir doch!
»Also, hör zu: Ich habe eine tolle Frau kennengelernt«, fährt Maja mit der für sie so typischen Begeisterung fort. »Ich habe ihr von dir erzählt. Sie will was für dich tun.«
Mit einem Mal bin ich hellwach, geradezu elektrisiert. Maja ist Journalistin beim Hamburger Tageblatt und hat eine natürliche Begabung für’s Netzwerken. »Was will sie für mich tun?«
»Sagt dir der Name Hansen&Hansen was?«
Klar. Hansen&Hansen ist eine der größten Werften im Hamburger Hafen.
»Sibylle ist die Privatsekretärin von Cornelius Hansen«, fährt meine Freundin aufgedreht fort, ohne meine Antwort abzuwarten. »Hansen sucht einen Innenarchitekten. Oder eine Architektin. Sibylle wird dich Anfang der Woche anrufen.«
Ich schlucke, spüre mein Herz plötzlich im Hals schlagen. »Moment mal …«
»Ja, du hast richtig gehört.« Ein zufriedenes Lachen dringt an mein Ohr. »Ich glaube, dieses Mal könnte es etwas werden.«
»Aber die Werft baut doch Containerschiffe«, werfe ich irritiert ein. »Wozu brauchen die …«
Maja zögert zwei, drei Atemlängen lang. Dann sagt sie entschieden: »Sibylle kann dir mehr sagen. Und jetzt muss ich erst mal schlafen. Ich bin nämlich gerade erst nach Hause gekommen. Mach’s gut, Liebes, und ruf mich an.«
Nach dem Klicken in der Leitung ist mir zumute, als wäre gerade eine Sturmflut über mich hinweggefegt. Innenarchitektin bei Hansen&Hansen? Eigentlich unglaublich. Warum sollte mich eine so große, namhafte Werft einstellen? Zumal ich inzwischen weiß, dass in meinem Beruf – selbst mit dem besten Abschluss – ohne Referenzen überhaupt nichts geht.
In meinem Kopf wirbeln die Gedanken durcheinander. Ich schaue auf die Elbe, auf deren Wellen die Sonne abertausend Lichter tanzen lässt. Zur Beruhigung atme ich ein paarmal tief durch – und beginne zu lächeln. Zum ersten Mal rieche ich den Duft des Frühlings, der Zeit des Aufbruchs und Neubeginns. Hatte ich mir bis eben noch das triste Einheitswetter der vergangenen Wochen zurückgewünscht, das so gut zu meiner Stimmung passte, fasse ich jetzt neuen Mut. Vielleicht ist ja die Leichtigkeit, die dieser Morgen versprüht, tatsächlich ein gutes Omen für meine Zukunft.
♡♡♡
Ich kenne Cornelius Hansen nur von Bildern aus der Zeitung. Aus der Nähe wirkt er noch imposanter. Groß und breit, volles, weißes Haar, klare Gesichtszüge. An seinem dunkelblauen Blazer steckt das Bundesverdienstkreuz. Während wir einen festen Händedruck tauschen, scheinen seine steingrauen Augen mich zu durchleuchten. Ich halte seinem Blick stand und bin mir ziemlich sicher, dass sein erster Eindruck von mir nicht allzu negativ ist.
»Sie haben also portugiesische Wurzeln«, stellt Cornelius Hansen nun als Erstes völlig unvermittelt in den Raum, nachdem wir in den englischen Klubsesseln Platz genommen haben.
Mit Sicherheit sieht er mir an, dass mich dieser Einstieg irritiert.
»Meine Großmutter stammte aus Portugal«, erwidere ich steif nach kurzem Zögern, gebe mir dann jedoch einen Ruck und frage mit meinem schönsten Lächeln: »Ist das für eine mögliche Anstellung von Bedeutung?«
Er erwidert mein Lächeln. »Sprechen Sie Portugiesisch?«
»Ein bisschen. Englisch beherrsche ich besser«, füge ich rasch hinzu.
»Ich habe mir Ihre Unterlagen angesehen«, fährt Hansen nun in wohlgefälligem Ton fort. »Sie passen ins Bild. Ich suche eine Innenarchitektin für unser Zweitwerk in Lissabon, eine kleine Werft, in der wir Motorjachten bauen. Sie wird von meinem Neffen geleitet, meinem Nachfolger in spe. Vor einem Monat haben wir einen Betrieb für den Innenausbau unserer Boote aufgekauft. Ihre Aufgaben dort unten würden die Kundenberatung und die Konzeption des Innenausbaus der Jachten umfassen.«
Portugal? Ich spüre, wie mein Mund ganz trocken wird.
»Stellt es für Sie eine Schwierigkeit dar, nach Portugal zu gehen?«
Diese Frage kann ich so schnell gar nicht beantworten. Ich weiß nur, dass ich endlich in meinem Beruf arbeiten will. Ich habe weder Mann noch Kinder. Meine Eltern sind noch jung genug, um ohne mich auszukommen, und meine Großmutter hat mir durch ihre Geschichten ihre Heimat innerlich nahegebracht. Also, eigentlich nicht, aber …
Cornelius Hansen lächelt mich an. »Vielleicht kann ich Ihnen Ihre Entscheidung erleichtern, wenn ich Ihnen das Gehalt nenne, zu dem Sie bei uns anfangen würden.«
Er nennt mir eine Summe, die mir den Atem nimmt.
»Nach einer dreimonatigen Einarbeitungszeit verhandeln wir neu.«
Mein Herz pocht jetzt so laut, dass ich befürchte, er könnte es hören. »Bis wann muss ich mich entscheiden?«
»Bis gestern«, lautet die Antwort. »Die Kunden meines Neffen warten bereits auf Sie.«
Hallo? Was gibt es da noch zu überlegen?
Ich rücke auf die Sitzkante, drücke den Rücken durch und sage in fast feierlichem Ton: »Ich nehme Ihr Angebot gerne an.«
♡♡♡
Drei Tage nach diesem Gespräch lande ich auf dem Flughafen Humberto Delgado. Ein Taxi fährt mich zu meinem Ziel – dem Büro der Hansen Werft, das von Senhora Carvalho geleitet wird, Cornelius Hansens Schwester. Es liegt in der Baixa,der Unterstadt Lissabons. Der Fahrer hält vor einem Haus mit prachtvoller Fliesenfassade. Escritório Carvalho&Hansen lese ich auf einer goldenen Tafel neben der kunstvoll geschnitzten Eingangstür. Mein Herz beginnt schneller zu schlagen. Was erwartet mich hier?
Ein paar pochende Herzschläge später bekomme ich die Antwort auf meine Frage. Ich stehe einer Frau von etwa Mitte fünfzig gegenüber, die Anmut und Herzlichkeit ausstrahlt.
»Ich freue mich sehr, dass Sie da sind«, begrüßt mich Claudia Carvalho in besten Hamburger Hochdeutsch. Anders als ihr Bruder hat sie braune Augen, die mich mit so viel Wärme ansehen, dass ich mich in ihrer Gegenwart sofort wohl und angenommen fühle. »Mein Bruder hat mir natürlich schon von Ihnen erzählt«, spricht sie mit ihrer melodisch klingenden Stimme weiter. »Ich heiße Sie von Herzen in unserem kleinen Team willkommen und freue mich auf unsere Zusammenarbeit.«
Wie ich in den nächsten Minuten erfahre, besteht das kleine Team außer ihr noch aus zwei jungen Frauen, die mir ebenfalls auf den ersten Blick sympathisch sind. Die beiden sprechen nur wenig Deutsch, aber das macht mir nichts aus. Ich freue mich sogar darauf, meine Portugiesischkenntnisse hier ein wenig auffrischen zu können.
»Alle Schreibarbeiten können Sie an Joana weiterreichen«, erklärt Senhora Carvalho mir. »Carlota ist für die Buchhaltung zuständig. Und nun zeige ich Ihnen Ihr Büro.«
Noch während sie spricht, höre ich hinter mir ein Geräusch. Die schwere Eingangstür quietscht leise. Ich sehe, wie der Blick der Senhora an mir vorbeigleitet und ihr Gesicht den Bruchteil einer Sekunde später aufleuchtet. Rein instinktiv drehe mich um – und stehe einem Mann in einem ölverschmierten Overall gegenüber. Nicht etwa seine Arbeitskleidung, die so gar nicht in die elegante Atmosphäre des Empfangsraums passt, verwirrt mich, vielmehr ist es die Aura, die diesen Mann umgibt. Er strahlt Kraft, Ruhe und Selbstbewusstsein aus, ohne arrogant zu wirken. Und Sinnlichkeit. Abgesehen davon ist er der attraktivste Mann, dem ich je begegnet bin. Schwarze Locken, die ihm etwas Verwegenes geben, männliche Züge wie gemeißelt, weich geschwungene Lippen. Tiefbraune Augen sehen mich an. Mein Gegenüber scheint ähnlich überrascht zu sein wie ich. Unsere Blicke halten einander fest. Die süße Frühlingsluft, die durch die offen stehenden Fenster der Empfangshalle weht, ist plötzlich voller Schwingungen.
»Darf ich vorstellen?«, höre ich Claudia Carvalho nach einer gefühlten Ewigkeit sagen. »Mein Sohn Ramon Carvalho, der Leiter der Werft – Anna Brink, unsere Innenarchitektin aus Hamburg.«
»Herzlich willkommen in Lissabon.« Ramon Carvalho lächelt mich an und reicht mir die Hand. Ich sage auch irgendetwas, ergreife seine große, angenehm warme Hand und lächele zurück. Ich lese in diesen Männeraugen ganz deutlich, dass ihnen gefällt, was sie gerade sehen. Ganz tief tauchen sie in meine ein. Unsere Blicke wollen sich gar nicht mehr loslassen, unsere Hände auch nicht. Hilfe! Was passiert denn hier gerade? Mein Blut beginnt, schneller durch meine Adern zu fließen. Mein Pulsschlag beschleunigt sich. Um diesen höchst beunruhigenden Regungen zu entkommen, löse ich ganz schnell meine Hand aus der dieses faszinierenden Mannes und trete einen Schritt zurück.
»Ich bin in zehn Minuten für dich da«, sagt Claudia Carvalho jetzt mit herzlichem Lächeln zu ihrem Sohn.
»Kein Problem.« Ramon Carvalho wendet sich an mich. »Ich möchte Ihnen gern eine Jacht zeigen, deren Innenausbau unsere Schreinerei gestaltet hat – bevor wir ihn übernommen haben.« Seine schöne tiefe Stimme klingt geschäftsmäßig. »Sagen wir übermorgen um fünfzehn Uhr in der Werft?«
Die Glut in seinen Augen, die ich mir vielleicht auch nur eingebildet habe, ist erloschen. Jäh wird mir bewusst, dass da ja mein Chef vor mir steht, und umgehend signalisiert mir mein Verstand: Vorsicht!
»Ich werde da sein«, erwidere ich und bemühe mich um ein freundlich-geschäftsmäßiges Lächeln.
»Bis übermorgen.« Ramon hebt die Hand und sagt zu seiner Mutter: »Ich warte in deinem Büro.«
»Lass dir von Joana einen Kakao machen.« Claudia Carvalho legt den Arm um meine Mitte. »Kommen Sie!«
Sie führt mich in einen Gang mit mehreren Türen. Ob sie die Spannung gerade auch gespürt hat? Bestimmt. Dennoch lässt sie sich nichts anmerken.
Meinen neuen Arbeitsplatz nehme ich wie durch eine Milchglasscheibe wahr: ein perfekt eingerichtetes Büro, mit großen Fenstern zu einem begrünten Innenhof hinaus und gemütlicher Sitzecke.
»Ihr Arbeitsvertrag beginnt am Montag. Sie haben also noch vier Tage Zeit, um sich zu akklimatisieren. Für morgen habe ich für Sie einen Termin in unserer Schreinerei vereinbart. Sie liegt außerhalb der Stadt.« Sie sieht mich an, die dunklen Brauen leicht hochgezogen, als wäre sie sich nicht ganz sicher, ob ich ihre Worte überhaupt mitbekomme.
»Ja, natürlich«, beeile ich mich zu sagen.
Dann lächelt sie wieder, ein wenig erleichtert, wie mir scheint. »Ihnen steht unser Firmenwagen zur Verfügung, natürlich auch für private Fahrten.« Sie öffnet eine der Schubladen meines riesigen Schreibtisches, nimmt einen Schlüsselbund heraus und reicht ihn mir. »Mein Bruder hat mich gebeten, Ihnen eines unserer Apartments in der Oberstadt zum Wohnen anzubieten. Selbstverständlich mietfrei. Und der große Schlüssel hier ist für das Büro«, schließt sie. Dann lächelt Senhora Carvalho mich aufmunternd an und legt mir in einer mütterlichen Geste einen Arm um die Schultern. »Ich wünsche Ihnen einen guten Start.«
Als ich das Escritório verlasse, entdecke ich ein weißes Porschecabriolet unweit des Büros und bin mir fast sicher, dass es Ramon Carvalho gehört. Immer noch fühle ich mich seltsam erregt. Erst als ich wieder im Taxi sitze, entspanne ich mich ein wenig. Wir fahren vorbei an prächtigen Kolonialbauten, blau gekachelten Fassaden und malerischen Plätzen, die der Stadt tatsächlich den unwiderstehlichen Charme vergangener Zeiten geben, von dem meine Großmutter mir immer vorgeschwärmt hat. Das Apartment liegt in einem komfortabel wirkenden Gebäude am Nordrand des Stadtviertels Bairro Alto, nahe dem botanischen Garten. Es ist sehr ansprechend eingerichtet: ein Schlafsofa mit weißer Webdecke, ein antiker Schrank aus Walnussholz, Tisch, Stühle, eine kleine Kochzeile, auf deren Theke eine Espressomaschine, eine Schale mit Orangen und eine Flasche Portwein stehen. Ja, hier kann ich mich erst einmal wohlfühlen.
Nachdem ich meine Sachen eingeräumt habe, trete ich hinaus auf den kleinen Balkon. Der unverstellte Blick über die ocker- und pastellfarbenen Häuser, weißen Kirchturmspitzen und Kuppeln hinweg bis hinunter zum Tejo ist faszinierend. Das ist also Lissabon, die weiße Stadt auf den Hügeln, die Stadt des Lichts, wie sie in Reiseführern genannt wird. Mein Blick wandert nach rechts, in die Richtung, in der der Hafen liegt – und die Hansen Werft. Und wieder muss ich an Ramon Carvalho denken. Seine Stimme klingt noch wie ein Echo in mir nach. Unglaublich, aber wahr: Seine erotische Ausstrahlung hat mich schlichtweg umgehauen. Okay, vielleicht habe ich auf dem Gebiet der körperlichen Liebe ein wenig Nachholbedarf und bin deshalb so empfänglich dafür. Meine einzige langjährige Beziehung war mehr durch ein freundschaftliches Miteinander geprägt als durch leidenschaftlichen Sex. Was laut Thomas an mir lag. Das mag sogar sein. Thomas hat mich jedoch als Mann auch einfach nicht angemacht. Nach ihm habe ich immer wieder irgendwelche Typen kennengelernt, aber ständig wechselnde Affären sind nie meine Sache gewesen. Anders dagegen Maja. Sie sieht die Liebe als Spiel und braucht regelmäßig aufregenden Sex.
Maja … Ihr allein habe ich es zu verdanken, dass ich jetzt hier stehe. Aus einem Anflug von Dankbarkeit und Sehnsucht heraus gehe ich zurück ins Zimmer, schenke mir ein Glas Portwein ein und rufe sie an.
»Das wurde aber auch Zeit«, höre ich sie sagen. »Und? Wie läuft es da unten?«
Ich berichte ihr von meinen ersten Eindrücken.
»Klingt ja alles super. Hast du schon jemanden kennengelernt?«
Jetzt aber … Ich muss lachen. »Entschuldige, ich bin gerade erst gelandet.«
»Du wirst sehen, das wird nicht lange dauern. Und es wird ja auch mal Zeit, dass sich in deinem Liebesleben etwas tut. Du bist genau der Typ, auf den Südländer stehen. Lange blonde Haare, lange Beine, weibliche Figur und ein Gesicht …«
Ihre Komplimente sind völlig übertrieben und machen mich verlegen. Von meinen beruflichen Fähigkeiten bin ich fest überzeugt, aber dass ich eine so tolle Frau sein soll …?
»Wie ist denn der Neffe?« Bilde ich mir das nur ein, oder klingt meine Freundin tatsächlich lauernd?
Ich beiße mir auf die Lippe. »Ganz nett. Sympathisch.«
»Untertreibst du da nicht ein bisschen?«, fragt da meine Freundin.
»Wieso?«
»Ich habe mal ein bisschen in unserem Archiv herumgestöbert. Ramon Carvalho war vergangenes Jahr beim Firmenjubiläum der Hansen-Werft. Dieser Mann ist ein super Typ. Zumindest optisch. Und er erbt irgendwann mal das gesamte Vermögen seines Onkels. Ist er solo?«
»Also bitte … Vergiss es! Ramon Carvalho und seine Mutter sind meine Vorgesetzten.«
»Die meisten Paare lernen sich am Arbeitsplatz kennen.«
Ich muss lachen. »Also wirklich, Maja, ich will hier endlich meinen Beruf ausüben, will zeigen, was ich kann. Ich bin nicht auf Männerjagd.«
»Gerade Portugiesen sollen im Bett sehr leidenschaftlich sein. Habe ich irgendwo mal gelesen.«
Oh Mann! »Maja, bitte …«
»Okay, okay, ich bin ja schon still. Übrigens, ich habe Sven wiedergesehen …«, wechselt meine beste Freundin endlich das Thema.
Gerettet! Erleichtert atme ich auf.
♡♡♡