Ein Sommer in Svanholmen - Jeanine Krock - E-Book

Ein Sommer in Svanholmen E-Book

Jeanine Krock

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Beschreibung

Das Glück wartet über dem Meer ...
Flora Murray reist auf die idyllische Ostsee-Insel Svanholmen, um ihre beste Freundin zu besuchen und über ihre Zukunft nachzudenken. Dort begegnet sie dem attraktiven Meeresbiologen Nils Skarsgård, der die Schweinswale in der Ostsee erforscht. Schon bald spüren beide, dass sie etwas Besonderes verbindet. Doch Nils zögert, seinen Gefühlen nachzugeben. Denn die Liebe hat zurzeit keinen Platz im Leben des engagierten Wissenschaftlers. Als sich für die lebensbejahende Flora eine überraschende Zukunftsperspektive auf Svanholmen ergibt, wird ihre Liebe auf eine harte Probe gestellt.
Eine sommerlich heitere Geschichte über die Kraft der Liebe, Neuanfänge und die Suche nach dem Glück.
Für alle, die sich auf Holiday Romance und Slow Burn Love freuen.

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EIN SOMMER IN SVANHOLMEN

INSELLIEBE IN DEN SCHÄREN

BUCH EINS

JEANINE KROCK

INHALT

Sommer in Svanholmen

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Die Autorin

Rechtliches usw.

Impressum

Danke

Leseempfehlungen

Literaturverzeichnis

SOMMER IN SVANHOLMEN

Svanholmen Band 1

Flora Murray hat nach ihrem Studium in Neuseeland gearbeitet. Nun ist sie zurück und steht vor der vielleicht wichtigsten Entscheidung ihres Lebens: Soll sie in den Familienbetrieb in Bonny Bridge einsteigen und ihre Brüder als Marketing Expertin dabei unterstützen, den beschaulichen schottischen Ort aus dem Dornröschenschlaf zu erwecken, oder sollte sie ihrer großen Leidenschaft nachgehen und etwas ganz anderes wagen, selbst wenn sie damit ihre Liebsten enttäuschen würde?

Wer den Murray-Clan in »Schottische Weihnacht in Bonny Bridge« lieben gelernt hat, darf sich auf ein unterhaltsames Wiedersehen mit den eigenwilligen Brüdern freuen.

Nils Skarsgård arbeitet als Meeresbiologe in den Schwedischen Schären, wo er sich besonders mit der Entwicklung der Schweinswale befasst. Er liebt Svanholmen von Kindesbeinen an und genießt das entspannte Leben im charmanten Strandhaus der Familie.

Floras offene Art verzaubert ihn, doch er ist schüchtern und schlechte Erfahrungen haben ihn vorsichtig werden lassen. Dass er ausgerechnet jetzt das Angebot erhält, vor der kanadischen Küste die ganz großen Meeressäuger zu erforschen, verkompliziert sein Leben unerwartet und stellt ihn vor die Frage: Was ist wirklich wichtig im Leben?

Eine sommerlich heitere Geschichte über die Kraft der Liebe, Neuanfänge und die Suche nach dem Glück.

WO LIEGT SVANHOLMEN?

Die Inseln Svanholmen und Jyderup sind bedauerlicherweise auf den meisten Landkarten nicht zu finden. Hier aber schon:

KAPITEL1

Flora

Svanholmen war die vielleicht schönste Schäreninsel in der gesamten Ostsee.

Ganz sicher aber die am schlechtesten zu erreichende, dachte Flora, als eine Windböe ihr Regentropfen ins Gesicht blies, die sich wie Nadelstiche anfühlten. Ein Wetter wie dieses hätte sie auch zu Hause in Schottland erleben können. Doch Ana hatte so überzeugend von der bezaubernden Insel geschwärmt, auf der sie schon den zweiten Sommer jobbte, dass Flora spontan einen Flug und den Mietwagen gebucht hatte, der nun am Hafen von Jyderup stand. Was Ana nicht erwähnt hatte, war, dass Svanholmens neue Brücke, die beide Inseln verband, gesperrt war. Vielleicht hatte sie dieses Detail auch absichtlich verschwiegen, denn sie wusste, dass Flora seekrank wurde, sobald sie nur daran dachte, ein Boot zu besteigen. Besonders bei schlechtem Wetter. Dennoch stand sie jetzt hier, klammerte sich mit eiskalten Händen an die Reling und hielt vergebens nach dem Horizont Ausschau. Da war nichts, der Himmel verlief sich im Grau des Meeres und die Sonne war, falls es sie überhaupt noch gab, hinter dicken Wolkenbergen verborgen.

»Sie müssen einfach nur einen festen Punkt fixieren, dann wird Ihnen nicht übel«, hatte der Steward behauptet. Eine Tablette gegen Seekrankheit? Sowas habe man nicht an Bord.

Am Salondeck saßen die Reisenden dicht gedrängt, einige sahen mindestens so blass aus, wie sie sich fühlte, und Flora war sofort wieder hinausgegangen. Um sich abzulenken, beobachtete sie einen Mann eine Etage tiefer auf der Ladefläche. Er redete seinen drei Schafen gut zu, die starr vor Furcht in einem Käfig standen und ganz sicher ihrer Ankunft ebenso sehnsüchtig entgegenblickten wie Flora.

Sie warf einen Blick auf die Uhr. Noch eine Viertelstunde bis zur geplanten Ankunft. Dann musste die Küste, deren Konturen hinter dem Regenvorhang langsam deutlicher wurden, zu Svanholmen gehören. Ihre Stimmung hob sich. Ana würde überrascht sein, dass sie schließlich doch ihrer Einladung gefolgt war.

Mit Interesse beobachtete Flora das Anlegemanöver der Fähre direkt neben einem Fischerboot, bis die Leinen festgemacht wurden und sich die Klappe öffnete, über die man an Land gelangte. In der Bucht regnete es weniger heftig und am Kai des kleinen Hafens wurden die Reisenden bereits erwartet. Eine Pferdekutsche rollte heran, Transporträder standen bereit, um das Gepäck der Passagiere aufzunehmen, und während Flora ihren Rucksack aufsetzte, um von Bord zu gehen, fuhr sogar ein Trecker mit Anhänger vor, der höchstwahrscheinlich die Schafe in ihr neues Zuhause bringen sollte. Karren beladen mit Waren wurden die Rampe hinunter über den Steg zu einem Unterstand geschoben und es wurde ihr klar, dass die Hauptaufgabe der Fähre darin bestand, Lebensmittel und alle Dinge des täglichen Bedarfs zu transportieren. Die Bewohner von Svanholmen warteten sicherlich sehnsüchtig darauf, ihre nach einer Schiffskollision eingestürzte Brücke wieder benutzen zu können.

An Land sah sie sich suchend um. Etwas abseits lag links eine kleine Werft mit Lagerhalle, in der das hölzerne Gerippe eines Bootes zu sehen war. Direkt am Steg stand ein schlichtes Gebäude. Der Regen hatte alle Farbe verschluckt und sogar das bei Sonnenlicht gewiss kräftige Rot der gegenüberliegenden Skattebjörn Rederi wirkte matt. Der Unterstand daneben ähnelte einer Bushaltestelle mit Sitzbank, Fahrplänen und einer großen Landkarte. Darauf steuerte sie nun zu.

»Hej, kann ich dir helfen?«, fragte eine Frau über die Schulter, während sie einen Karton auf die Ladefläche ihres Autos wuchtete.

»Danke, ich suche das Café Svansjön«, versuchte sich Flora in den wenigen Brocken Schwedisch, an die sie sich noch aus einem lange zurückliegenden Sprachkurs erinnerte, und setzte ihre Kapuze ab.

Die Frau wechselte in ein nahezu akzentfreies Englisch und zeigte auf einen Hügel. »Das ist da oben.« Neugierig sah sie Flora an. »Bist du eine Freundin von Ana?«

Flora nickte und stellte sich vor. »Sie weiß aber nicht, dass ich komme.«

»Oh, das ist eine schöne Überraschung. Du musst die Flora aus Schottland sein. Sie hat mir schon viel von dir erzählt.« Die Frau reichte ihr die Hand. »Ich bin Suse. Ich arbeite bei Ana in der Küche und hole unsere Bestellung ab. Soll ich dich mit raufnehmen?«

Flora, der noch etwas flau im Magen war, bedankte sich. »Ich würde lieber ein Stück laufen, die Überfahrt war ein wenig – rau.«

Suse grinste verständnisvoll. »Siehst du den Weg dort drüben? Er führt zum Yachthafen, auf halber Strecke geht es rechts zum Café hinauf.«

KAPITEL2

Flora

Flora blieb stehen, um zu verschnaufen und sich umzusehen. Die schmale Zufahrt, die sie hinaufgegangen war, hatte sie auf die Rückseite des himmelblauen Gebäudes geführt, wo hinter einem Tor der Wirtschaftshof lag. Nun stand sie auf der Aussichtsterrasse vor dem Café, die zusammen wie ein Adlernest auf dem Felsen thronten. Der Blick, den man von hier oben bei schönem Wetter haben würde, musste sensationell sein. Das Meer lag ihr zu Füßen, am Horizont waren kleine Inseln zu erahnen. Links führte eine Holztreppe vom Yachthafen hinauf. Der Duft von Farbe stieg ihr in die Nase und am weiß lackierten Geländer klebten regennasse Schilder, die vor frischer Farbe warnten. Unten dümpelten Segelboote aufgeregt an ihren Liegeplätzen und das Klappern der Leinen im Wind war bis hier oben zu hören, Möwenrufe gellten durch die Luft. Am Hang dahinter lag Svanholmen, der Ort, der den gleichen Namen trug wie die Insel. Dicht um die Kirche drängten sich rot oder in anderen fröhlichen Farben gestrichene Häuser. Als sie auf der anderen Seite der Terrasse hinunterblickte, konnte sie die Fähre bereits wieder ablegen sehen. Drei Mal täglich, morgens, mittags und abends fuhr sie Svanholmen an. Flora war mit der Abendfähre gekommen, und noch hatten die Sommerferien nicht begonnen, in denen es laut Fahrplan eine vierte, eine Mitternachtsanfahrt geben sollte. Es führte also heute kein Weg mehr zurück und etwas verspätet fragte sie sich, ob es nicht klüger gewesen wäre, ihre Ankunft vorher anzukündigen.

Egal, nun bin ich da. Flora atmete tief durch und drehte sich zum Haus um. Es wirkte schmuck mit den weißen Fensterrahmen, und genauso einladend, wie ihre Freundin es beschrieben hatte. Sie drückte die Türklinke hinunter und betrat das Café. Leise Musik begrüßte sie und Stimmengemurmel von Gästen, die trotz des schlechten Wetters hierher gefunden hatten. Sie nahm die Mütze ab und sah sich um.

»Flora? Ich glaube, ich habe eine Erscheinung.« Ana stellte ein Tablett mit leeren Gläsern ab und kam auf sie zugelaufen. »Ich fasse es nicht, du bist wirklich gekommen!«

Die Freundinnen umarmten sich herzlich, und Flora spürte, wie die Anspannung von ihr abfiel. »Es war eine spontane Entscheidung. Ich hätte dich vorwarnen sollen.«

»Das ist doch kein Problem, ich freue mich so, dich zu sehen. Du hast eine neue Frisur! Wann ist denn das passiert?«

Flora strich sich durch den ungewohnt leichten Schopf. »Gefällt es dir nicht?«

»Doch, doch. Es ist nur ganz anders und ich war immer so neidisch auf deine schönen dunklen Haare.«

»Sag nicht, sie sind während der Überfahrt grau geworden?« Flora tat erschrocken. Sie sahen sich einen Augenblick schweigend an und lachten dann gemeinsam los.

Fast ihr gesamtes Leben hatte sie lange Haare gehabt. Die Entscheidung, den Friseursalon aufzusuchen, entsprang einer Laune und sie war sich keineswegs sicher, dass sie es nicht noch bereuen würde. Vor ihrem Abflug hatte sie eine Nacht in Edinburgh verbracht, um alte Freunde wiederzutreffen. Am nächsten Tag war noch Zeit, bevor sie zum Flughafen fahren musste, und sie war durch die Stadt gebummelt. Bei dem superschicken Friseur auf der Royal Mile entdeckte sie ein Schild, auf dem für die Spende langer Haare an eine Krebsstation geworben wurde. Im Gegenzug bekam die Spenderin einen kostenlosen Schnitt. Flora fand die Initiative großartig und ließ sich kurzentschlossen eine neue Frisur schneiden.

Bewundernd sagte Ana: »Was für eine fabelhafte Aktion! Es sieht super aus, wirklich. Nur der lange Pony ist ein bisschen ungewohnt«, sie zupfte an ihren eigenen Haaren, die vorn auch bis zum Nasenrücken reichten, aber im Gegensatz zu Floras dichtem Schopf wie helles Feenhaar wirkten und ihr in leichten Wellen auf die Schultern fielen. »Mit dem stufigen Schnitt sieht man die Lichtreflexe viel besser. Ach, komm. Wir setzen uns da drüben hin und du kannst mir alles erzählen. Bestimmt hast du Hunger. Was möchtest du trinken? Du siehst verfroren aus und ganz nass, warte, ich helfe dir …«

Flora musste grinsen. So kannte sie die lebhafte Freundin. Ana konnte reden, ohne Luft zu holen. »Du hast mir gefehlt«, sagte sie und stellte den Rucksack ab, bevor sie sich aus ihrer Regenkleidung schälte.

Ana lief los, um Tee aufzubrühen. Flora setzte sich auf einen bequemen Stuhl am Fenster und sah sich um. Sie hatte Fotos des kleinen Cafés gesehen, aber seither schien Ana eine Menge verändert zu haben. Der helle Holzboden wirkte ebenso frisch gescheuert, wie die Tischplatten. Alles andere war weiß lackiert, die Wände über den Holzpaneelen in einem blassen Erdton pudrig gestrichen, und auf dem Tresen standen Glasvitrinen, in denen an geschäftigen Tagen bestimmt Torten und anderes Gebäck präsentiert wurde.

Während die Terrasse recht groß war, zählte sie hier im Inneren nur fünf Tische, was sie daran erinnerte, dass das CaféSchwanensee, das war die Übersetzung des Namens, in der Wintersaison geschlossen hatte.

Ana kehrte zurück und stellte Teegeschirr auf den Tisch, dazu eine Platte mit kleinen zu Dreiecken geschnittenen Sandwiches, wie man sie bei ihnen zu Hause zur Teatime servierte. »Entschuldige, aber bei so einem Wetter wie heute schließen wir um acht. Deshalb bleibt die Küche kalt.«

Floras Magen hatte sich von der Überfahrt erholt und beim Anblick der appetitlichen Schnittchen verspürte sie Hunger. Sie nahm sich eins und biss hinein. »Mhm, das schmeckt gut! Ich habe deine Köchin am Hafen getroffen. Sie scheint sehr nett zu sein.«

»Ohne Suse wäre ich aufgeschmissen.« Ana seufzte. »Ich wünschte, ich könnte sie auch im Winter beschäftigen.«

»Dann willst du hierbleiben?«

»Der Besitzer meint, es rechne sich nicht.« Sie zuckte mit den Schultern.

»Dir würde die Sonne fehlen.«

»Das kann waar zijn.«

Floras Freundin liebte es, Wörter zu erfinden oder aus anderen Sprachen einzuflechten. Sie war zwar in Schottland geboren, aber ihr Vater wohnte schon lange in den Niederlanden und sie hatte abwechselnd bei ihm und bei ihrer Mutter in London gelebt. Vielleicht war das der Grund dafür, dass sie es nie lange an einem Ort aushielt.

Ana schenkte Tee ein und sagte dabei: »Aber jetzt zu dir: Wie kommt es, dass du hier so plötzlich auftauchst? Ich dachte, du steigst in euren Familienbetrieb ein.«

»Ich weiß nicht. Alle sind sich so sicher, dass es eine gute Idee ist, Bonny Bridge zu einem Ferienort zu machen. Sie haben großartige Ideen, aber das ist es auch nicht. Connor ist verliebt. Er hat nur noch Augen für seine neue Freundin. Love overloaded, wenn du mich fragst«, platzte es aus ihr heraus.

»Dann bist du noch nicht über Brian hinweg?«

»Wie denn? Er hat mich von einem Tag auf den anderen abserviert und mir nicht mal gesagt, warum!«

»Das ist schon krass. Da schenkt er dir einen Ring, und am nächsten Tag schickt er eine Nachricht, dass alles vorbei ist.« Ana schüttelte den Kopf. »Du weißt, ich mochte ihn nicht besonders, aber dass er so ein Ghosting-Typ ist, hätte ich nicht gedacht.«

Still beobachtete Flora die dicken Regentropfen, die an der Fensterscheibe hinab rannen. Nein, sie würde Brian nicht mehr nachweinen. Das hatte sie sich fest vorgenommen. Um ihn endgültig zu vergessen, war sie hergekommen. Aber vor allem, um darüber nachzudenken, wie es mit ihrem Leben weitergehen sollte. Nach dem Jahr in Neuseeland hatte ihr Heimatdorf in den schottischen Highlands so provinziell gewirkt. Schlimmer aber war, dass ihre Zukunft schon festgelegt zu sein schien. Es hatte ihr auf einmal nicht mehr die Sicherheit gegeben, die es ihr ermöglicht hatte, das Studium durchzuhalten. Nun aber fühlte sie sich eingeschränkt, vor allem jedoch verspürte sie keine Lust, ihrer perfekt organisierten Schwägerin Charlotte als Handlanger zu dienen.

»Ich will ihn vergessen, aber das ist es nicht nur«, sagte sie schließlich und versuchte, Ana ihre Gefühle zu erklären. »Ich liebe meine Familie, aber sie kann manchmal ziemlich überwältigend sein und ich fürchte, ich habe mich von meinem großen Bruder zu einem Studium drängen lassen, das nicht zu mir passt. Damals wusste ich nicht, was ich wollte und dachte, es wäre eine gute Idee. Und als ich gemerkt habe, dass mir Marketing nicht liegt, war es zu spät. Schließlich hat er alles bezahlt.«

»Ich erinnere mich. Du warst nicht glücklich, aber du hast doch einen guten Abschluss gemacht.«

Flora lächelte. »Geht so. Ich wollte ihn nicht enttäuschen.«

»Und jetzt weißt du, was du willst?«

Sie griff nach einem zweiten Sandwich. »Nein, aber ich weiß, was ich nicht will, schätze ich.«

»Das ist ja schon mal ein Anfang«, sagte Ana lachend und stand auf. »Da will jemand zahlen, wir reden gleich weiter …«

Wenig später waren sie allein, nur Suse wirtschaftete noch in der Küche. Sie hatte zwischendurch den Kopf durch die Tür gesteckt und verkündet, dass morgen ein sonniger Tag werden sollte. Auf den zu erwartenden Gästeansturm wollte sie vorbereitet sein. Flora half ihrer Freundin, den Gastraum aufzuräumen, die Tische abzuwischen und die Stühle hochzustellen. Nachdem die Theke geputzt war, sagte Ana ungewohnt ernst: »Ich freue mich riesig, dass du hier bist. Aber es gibt ein Problem. Ich musste aus meinem Apartment raus und wohne jetzt hier im Haus. Für mich ist das total praktisch, aber es ist leider ein sehr kleines Zimmer.«

»Oh!« Flora sah sich schon auf der Ofenbank nächtigen. Sie hätte doch vorher anrufen und ihre Reisepläne mitteilen sollen. Inzwischen war es kurz nach acht, und wenn es hier eine Zimmervermittlung oder etwas Ähnliches gab, dann hatte die garantiert längst geschlossen.

»Keine Sorge, ich habe dir vorhin gleich ein schönes Zimmer organisiert. Mit eigenem Bad und die Küche darfst du mitbenutzen. Die Miete ist total günstig und du kannst so lange bleiben, wie du willst. Allerdings steht das Haus in Väststranden, also nicht direkt im Dorf. Dafür hast du den schönsten Strand der gesamten Ostsee direkt vor der Tür und morgen leihe ich dir meinen Roller, damit du unabhängig bist.« Ana sah auf die Uhr. »Ich bringe dich schnell hin, nachher habe ich noch Chorprobe. Weißt du was, lass uns doch morgen zusammen frühstücken. Ich hole dich ab, sagen wir um Neun?«

Etwas überwältigt von der Entwicklung nickte Flora zustimmend und wenig später saß sie neben ihrer Freundin in deren klapprigem Transporter, der über eine schmale Landstraße rumpelte.

»Viel Verkehr ist hier ja nicht«, sagte sie, als ihnen ein Radfahrer entgegenkam.

»Wir wollen, dass Svanholmen autofrei wird.«

»Wir?«

Ana lachte. »Na ja, es gibt hier so eine Initiative. Viele Ferienhausbesitzer sind natürlich dagegen.«

»Und deshalb fährst du privat einen Roller?«

»Genau. Der ist elektrisch. Du kannst ihn am Kirchplatz kostenlos laden und Nils hat bestimmt auch nichts dagegen.«

»Nils?«

»Dein Vermieter.« Ana sprach schnell weiter. »Er ist heute Abend nicht da, aber hat mir verraten, wo der Zweitschlüssel liegt.« Sie zögerte kurz. »Er ist ein bisschen speziell … Nicht gefährlich oder so. Wie ich den Mooie man kenne, wirst du ihn kaum zu Gesicht bekommen, der hängt ständig bei seinen Fischen ab oder beobachtet Vögel«, fügte sie hastig hinzu.

Diese Bemerkung fand Flora etwas beunruhigend. Doch bevor sie fragen konnte, was ein Mooie man eigentlich sein sollte, bogen sie in eine Einfahrt ein und hielten.

»Hier ist es. Warte, ich hole den Schlüssel.« Sie stiegen aus und gingen zu einem Holzhaus, wie man es sich beim Gedanken an Skandinavien vorstellte. Mit weißen Fensterrahmen und einer überdachten Veranda, die Flora an ihre Kinderbücher denken ließ. Pippi Langstrumpf hatte in so einem Haus gewohnt und es hätte sie nicht überrascht, wenn gleich ein Pferd um die Ecke gekommen wäre.

»Hier ist er!« Ihre Freundin schloss die Haustür auf und knipste Licht an, sie durchquerten eine geräumige, ziemlich unordentliche Küche und Flora folgte Ana den Gang entlang. »Das Bad«, sagte Ana und stieß eine Tür auf. »Gleich gegenüber ist dein Zimmer. Siehst du?«

Der Raum war überraschend hübsch eingerichtet, ein bisschen altmodisch, aber ohne Rüschen, eher im skandinavisch schlichten Stil. Es war alles da, was man brauchte: Die Kommode kannte sie aus dem bekannten schwedischen Möbelhaus. Eine Kleiderstange war an Tauen befestigt, die von der Decke hingen, und vor einem der beiden Fenster stand ein schmaler, weiß lackierter Schreibtisch mit passendem Stuhl. Nicht zuletzt fiel ihr das erfreulich breite Bett ins Auge. In der Luft hing ein Hauch von Bienenwachs und Lavendel. Flora fühlte sich sofort wohl.

»Hab ich’s nicht gesagt? Hübsch, oder?«

»Du warst schon mal hier, schätze ich.« Sie stellte den schweren Rucksack auf den Boden.

»Einmal. Im letzten Jahr wurde hier irgendein Jubiläum gefeiert und wir haben das Catering geliefert«, sagte Ana und schlug sich gleich darauf mit der flachen Hand vor den Kopf. »Gut, dass du gefragt hast. Suse hat dir ja eine Picknick-Tasche gepackt! Kommst du rasch noch mit raus? Ich muss dann auch los«, fügte sie entschuldigend hinzu.

Flora sah dem Wagen hinterher, bis die Rücklichter zwischen den Fichten verschwunden waren. Es hatte aufgehört zu regnen, aber die Wolken hingen tief und der kalte Wind fuhr ihr in die Kleidung, sodass sie fröstelnd die Hände aneinander rieb und hineinging.

Die Küche sah aus, als wäre jemand nach einem schnellen Frühstück eilig aufgebrochen. Man konnte dem Mann - wie hieß er noch gleich, Nils? – keinen Vorwurf machen, er hatte nicht gewusst, dass er heute Besuch bekommen würde. Sie überlegte kurz und entschloss sich, aufzuräumen.

Nachdem das Geschirr gespült und der Tisch abgewischt worden war, sah sie sich um. Schon besser. Wenn sie etwas nicht mochte, dann waren es schmutzige Küchen. Damit hatte sie während ihres Studiums reichlich Bekanntschaft gemacht. Der Kühlschrank erinnerte sie ebenfalls an jene Zeit, bis auf eine Dose Bier und eine Tube mit Fischcreme enthielt er so gut wie nichts. Damals hatte sie sich ein winziges Apartment mit zwei Kommilitoninnen und zeitweise wechselnden Bettgefährten und -gefährtinnen geteilt. Einen Typen hatte sie erwischt, wie er ihren gemeinsamen Kühlschrank mit dem Argument ausräumte, Flora hätte doch sicher Geld genug, um nochmal einkaufen zu gehen. Das hatte sie keineswegs, aber genügend Wut im Bauch, um ihm die Tasche, die ohnehin einer ihrer Freundinnen gehörte, nebst Inhalt wieder abzunehmen. Daran musste sie denken, als sie die Picknick-Tasche der Köchin öffnete und darin nicht nur mehr von den leckeren Mini-Sandwiches fand, sondern auch eine Schüssel mit Suppe und eine Flasche Weißwein.

Rasch ging sie in ihr Zimmer, um sich etwas Bequemeres anzuziehen. Das Bett war frisch bezogen und stellte sich als die Quelle des Lavendeldufts heraus, den sie vorhin wahrgenommen hatte. Flora gähnte und kehrte in die Küche zurück. Während die Suppe auf dem Herd köchelte, suchte sie Korkenzieher, Besteck und Geschirr zusammen. Als ihr dabei ein Tablett in die Hände fiel, belud sie es kurzerhand und trug das Abendessen in ihr Zimmer. Inzwischen war es dunkel geworden, und obwohl sie in einem verwinkelten schottischen Schloss aufgewachsen war, empfand sie es nun doch ein wenig beunruhigend, so ganz allein in einem fremden Strandhaus zu sitzen. Das Tablett stellte sie auf dem schmalen Schreibtisch ab, zog die Gardinen zu und verriegelte nach kurzem Zögern die Zimmertür. Nachher würde sie zwar noch mal ins Bad gehen müssen, aber so ängstlich war sie nun auch wieder nicht, um freiwillig auf das Zähneputzen zu verzichten.

Sie verzichtete jedoch darauf, ihre Nachrichten zu überprüfen. Flora war spontan nach Svanholmen aufgebrochen. So spontan, dass sie ihrer Familie nur einen Zettel schrieb: Sie würde eine Freundin in Edinburgh besuchen und sich in den nächsten Tagen melden. Was ihre älteren Brüder davon hielten, konnte sie sich denken. Die drei behandelten sie immer noch wie ein kleines Mädchen, das man vor den Gefahren der Welt beschützen musste.

KAPITEL3

Flora

Das Erste, was sie beim Aufwachen hörte, war munteres Vogelgezwitscher. Als Flora unter ihren halb geöffneten Lidern hervorblinzelte, fiel ihr ein Sonnenstrahl direkt ins Auge und reizte sie zum Niesen. Rasch zog sie die Bettdecke bis zum Kinn und kuschelte sich in ihr weiches Nest aus Kissen und einer Fleecedecke. Am frühen Morgen hatte sie das Fenster auf Kipp gestellt und nun wehte eine kühle Brise den unverwechselbaren Geruch des nahegelegenen Meeres herein. Der Vogel war weitergeflogen und sie hörte deutlich das gleichmäßige Rauschen der Wellen. Sie griff nach dem Handy, zog es unter die Decke und öffnete die Wetter-App. Es war kurz vor acht Uhr und Suse behielt recht. Es wurde ein sonniger Tag vorausgesagt.

Flora gähnte und schlug widerstrebend die Decke beiseite, als ihr die Frühstücksverabredung mit Ana wieder einfiel. Sie hatte sich angewöhnt, den Tag mit Yoga zu beginnen, und weil sie auch in Neuseeland auf beschränktem Raum gewohnt hatte, waren nun Übungen im Bett zu ihrer täglichen Routine geworden. Ihr Bruder Anthony hatte einen Lachanfall bekommen, als er sie dabei überraschte. Doch sogar der sportlichste der Murray-Geschwister musste zugeben, dass man auch auf diese Weise erfrischt in den Tag starten konnte.

Ganz in sich versunken, wurde sie von einem Geräusch aus der Konzentration gerissen, das wie das Scheppern eines umgefallenen Blecheimers klang und Flora daran erinnerte, dass sie sich allein und weitestgehend ohne Nachbarschaft in einem fremden Haus befand.

Alarmiert stieg sie aus dem Bett. Es schepperte erneut. Vorsichtig schob sie die Gardine beiseite, um nicht gesehen zu werden, falls da draußen ein Unhold am Werk sein sollte. Das war natürlich albern. Wahrscheinlich turnte nur eine Katze herum, aber weil sie mit drei älteren Brüdern aufgewachsen war, von denen mindestens einer eine Menge Blödsinn im Kopf hatte, war sie beinahe automatisch auf der Hut.

Zunächst bemerkte sie nichts Auffälliges, sofern man davon absah, dass blaues Meer hinter den weit auseinanderstehenden hochstämmigen Kiefern glitzerte. Landeinwärts befanden sich ein Schuppen und eine Garage neben dem Haus und dazwischen – ein nackter Mann! Er stand abgewandt von ihr und streckte die Arme nach oben, was Flora erlaubte, das Muskelspiel auf seinem Rücken zu bewundern. Sie kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können. Der Mann besaß eine einwandfreie Schwimmerfigur – lange Beine, breite Schultern und schmale Hüften mit einem kleinen, runden … War sie wirklich gerade dabei, einem fremden Typen derart schamlos auf den Hintern zu starren? Schnell ließ sie den Vorhang zufallen. Aber was tat er da draußen? Nach kurzem Kampf mit ihrem moralischen Kompass linste sie nochmal hinaus und wurde Zeugin, wie sich ein Schwall Wasser über ihn ergoss. Er schüttelte sich prustend, hob erneut die Arme, um sich das Wasser aus den Haaren zu streichen, und machte Anstalten, sich umzudrehen, zweifellos, um nach dem Handtuch zu greifen, das an einem Haken unter dem Vordach der Hütte hing.

Nein, das war wirklich zu intim, und außerdem erinnerte sie das Duschwasser, das nun in einer schmalen Rinne Richtung Meer plätscherte, an eigene Bedürfnisse. Nicht ohne Bedauern gab sie ihren Beobachtungsposten hastig auf und lief ins Bad.

Als Flora ins Zimmer zurückkehrte, hörte sie draußen eine Autotür klappen und kurz darauf entfernte sich leises Motorengeräusch über die Zufahrt, bis wieder Stille einkehrte.

Liebe Güte! War das womöglich ihr Vermieter? Hatte Ana nicht behauptet, der Mann sei alt? Sie versuchte, sich an das gestrige Gespräch zu erinnern. Die Freundin hatte Fischfang erwähnt und davon gesprochen, dass der Hausbesitzer Vögel beobachtete. Nach einem angelnden Ornithologen hatte der heiße Typ nicht ausgesehen. Aber was wusste sie schon von schwedischen Gebräuchen?

Schnell machte sie sich zurecht. Gleich würde ihre Freundin sie zum Frühstück in Svanholmen abholen.

Die Küche wirkte unverändert, als sie hindurch zur Haustür ging. Der Schlüssel steckte auch noch und hing nicht bei den anderen am Board daneben. Ihr Vermieter war offenbar heute Nacht nicht nach Hause gekommen. Das warf die Frage auf, wen sie beim morgendlichen Duschbad beobachtet hatte.

Vielleicht kommt er ja morgen wieder, dachte sie hoffnungsvoll und nahm sich vor, den Wecker ausnahmsweise auf sieben Uhr zu stellen. Freiwillig stand Flora nur früh auf, wenn es sich nicht vermeiden ließ. Aber was wäre ein besserer Grund, von vertrauten Pfaden abzuweichen, als die Aussicht auf – nun ja, eine wohlgefällige Aussicht?

Schmunzelnd zog sie die Tür hinter sich zu, schloss ab und steckte den Schlüssel in ihr Portemonnaie, um ihn nicht zu verlieren. Auf der Veranda blieb sie kurz stehen und atmete die würzige Meeresluft tief ein. Sie streckte sich wohlig und lief danach beglückt die Stufen hinunter.

---ENDE DER LESEPROBE---