Stürmische Zeiten in Svanholmen - Jeanine Krock - E-Book

Stürmische Zeiten in Svanholmen E-Book

Jeanine Krock

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Beschreibung

Zwei Welten, eine Liebe.
Lena lebt mit Hund Clooney in ihrem bunten Campingbus, doch die junge Ärztin ringt insgeheim mit einer schwierigen Entscheidung. Auf dem Rückweg nach Svanholmen begegnet sie einem unverschämt attraktiven Biker, dessen raue Ausstrahlung sie magisch anzieht. Was sie nicht ahnt: Ihre Wege sollen sich schon bald erneut kreuzen.
Dem freiheitsliebenden Sin gefällt es überhaupt nicht, seine Verletzungen nach einem lebensbedrohlichen Angriff ausgerechnet auf der sommerlichen Ferieninsel Svanholmen auskurieren zu müssen. Einziger Lichtblick ist die schlagfertige Lena, deren loyale und lebensbejahende Art ihn fasziniert und dazu herausfordert, sie in sein Bett zu locken.
Als er endlich seine wahren Gefühle für die unkonventionelle Ärztin erkennt, muss sich Sin fragen, ob ihre Herzen weit und die Liebe stark genug sein können, um alle Gegensätze zwischen ihren so unterschiedlichen Welten zu überbrücken.
Stürmische Zeiten in Svanholmen« erzählt die prickelnde Geschichte einer besonderen Liebe, die Brücken bauen und neue Horizonte eröffnen kann.
Für alle, die sich auf Different Worlds, Bad Boy meets Hippie Girl, Loveable Bad Boy freuen

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STÜRMISCHE ZEITEN IN SVANHOLMEN

INSELLIEBE IN DEN SCHÄREN

BUCH ZWEI

JEANINE KROCK

INHALT

Stürmische Zeiten in Svanholmen

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Epilog

Die Autorin

Rechtliches usw.

Impressum

Danke

Namensliste

Leseempfehlungen

Literaturverzeichnis

STÜRMISCHE ZEITEN IN SVANHOLMEN

VORWORT

Am Ende des Buchs habe ich eine Namensliste und ein kurzes Glossar zusammengestellt.

Der Soundtrack zum Buch

Stories Untold

Ohne zu spoilern, möchte ich vorsorglich darauf hinweisen, dass man in diesem Roman auf Figuren trifft, die in der Vergangenheit mit Gewalt und Verlust konfrontiert waren. Wenn du dir unsicher bist, ob du »Stürmische Zeiten in Svanholmen« lesen möchtest, findest du in der Namensliste am Ende des Buches unter »Edvard« einen weiteren Hinweis. Du kannst mich aber auch gern jederzeit fragen. Kontakt

Es gibt Sex. Keine Gebrauchsanleitung zum Nachturnen, aber es wird schon klar, worauf es hinausläuft, bevor die Kamera abblendet. Ach, und na ja, die Sprache des Helden ist nicht immer respektvoll. Er ist eben ein Bad Boy. Lena dagegen – nun, du wirst sie ja kennenlernen …

* * *

DIE STORY

Lena lebt mit ihrem Hund Clooney in ihrem bunten Campingbus, doch die junge Ärztin ringt insgeheim mit einer schwierigen Entscheidung. Auf dem Rückweg nach Svanholmen begegnet sie einem unverschämt attraktiven Biker, dessen raue Ausstrahlung sie magisch anzieht. Was sie nicht ahnt: Ihre Wege sollen sich schon bald erneut kreuzen.

Dem freiheitsliebenden Sin gefällt es überhaupt nicht, nach einem lebensbedrohlichen Angriff auf ihn im sommerlichen Svanholmen festzusitzen, wo ihm sein Boss zu allem Überfluss auch noch zwei Bodyguards zur Seite gestellt hat. Einziger Lichtblick ist die schlagfertige Lena, deren loyale und lebensbejahende Art ihn fasziniert und dazu herausfordert, sie in sein Bett zu locken.

Als er endlich seine wahren Gefühle für Lena erkennt, muss sich Sin fragen, ob ihre Herzen weit und die Liebe stark genug sein können, um alle Gegensätze zwischen ihren so unterschiedlichen Welten zu überbrücken.

»Stürmische Zeiten in Svanholmen« erzählt die prickelnde Geschichte einer besonderen Liebe, die Brücken bauen und neue Horizonte eröffnen kann.

Für alle, die sich auf Different Worlds, Bad Boy meets Hippie Girl & Loveable Bad Boy freuen.

WO LIEGT SVANHOLMEN?

Die Inseln Svanholmen und Jyderup sind bedauerlicherweise auf den meisten Landkarten nicht zu finden. Hier aber schon:

KAPITEL1

Lena

Mit Kaffee und einer Tüte Proviant in der Hand trat Lena aus dem Shop der Raststätte und blinzelte geblendet ins Sonnenlicht. Ein lauter Knall ließ sie zusammenfahren, der Kaffeebecher entglitt ihr, und jemand stieß einen heftigen Fluch aus.

»Ach du liebes bisschen. Entschuldigung!« Hastig ging sie in die Hocke und griff nach dem Becher, der zwischen zwei staubige Stiefel gerollt war, als eine dunkle Stimme über ihr erklang. »Was soll das werden, Süße?«

Lena spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg, und sprang auf. »Wonach sieht es denn …« Weiter kam sie nicht, sein Anblick verschlug ihr die Sprache. Der Mann, mit dem sie vor dem Eingang der Raststätte beinahe zusammengestoßen wäre, war fast einen Kopf größer und sah mit einem unverschämten Grinsen auf sie herab.

Zu schweren Stiefeln und einer tiefsitzenden Jeans, die schon bessere Tage gesehen hatte, trug er eine Lederweste, auf der mehrere Aufnäher zu sehen waren. Nomad stand auf der einen Seite und Vile Vikings über dem Herzen. Tattoos schlängelten sich von seinen Handrücken die muskulösen Arme entlang bis zum Hals hinauf. Sein Tanktop zierte unter einem kunstvoll gestalteten nordischen Symbol ein hässlich nasser Kaffeefleck.

»Es tut mir leid. Wie kann ich das wiedergutmachen?«

Der Mann setzte die verspiegelte Aviator-Sonnenbrille ab und musterte sie eingehend. Er war kaum älter als sie, hatte hohe Wangenknochen und einen wachen Blick, der bis auf den Grund ihrer Seele zu tauchen schien. Sein wissendes Schmunzeln ließ sie erneut erröten wie ein Schulmädchen.

»Bist du sicher, Baby? Ich hätte da eine Idee …«

Hastig machte sie einen Schritt zurück, und nun lachte er richtig.

»Vergiss es«, sagte er und drückte die Tür zur Raststätte auf.

Natürlich sah sie ihm nach. Er hatte diesen unnachahmlich lässigen, leicht wiegenden Gang, wie er typisch war für Biker, und der den Blick auf seinen knackigen Hintern und die kräftigen langen Beine lenkte.

Vielleicht hätte ich sein Angebot annehmen sollen, dachte sie frustriert und ging hinüber zu der kleinen Baumgruppe, unter der ihr bunt bemalter Camper stand. Ein altes Auto tuckerte an ihr vorbei in Richtung Tankstelle, und es knallte wieder. Eine Fehlzündung.

Clooney ließ seinen großen Kopf hechelnd aus dem Fenster hängen und sah ihr erwartungsvoll entgegen.

»Rück rüber, oder willst du fahren?«, fragte sie lachend und warf ihm einen Hundekeks zu. Sofort zog er sich auf den Beifahrersitz zurück. Sie hatte Clooney zusammen mit dem Haus auf Svanholmen geerbt und es nicht übers Herz bringen können, ihn im Tierheim zu lassen. Die Mitarbeiterinnen dort waren froh, als sie ihn abholte und erzählten, dass die meisten Menschen keinen dunklen Hund wollten, schon gar nicht, wenn er einem Wolf ähnelte und täglich riesige Portionen verschlang.

Sie kletterte in den Wagen, schaltete die Klimaanlage ein und fuhr los. Nicht weit vom Eingang zur Raststätte kam ihr ein dunkler Van entgegen. Er parkte direkt neben einem schweren Motorrad, dessen schwarz lackierter Tank im Sonnenlicht glänzte. Von dem attraktiven Nomad war leider nichts zu sehen.

Bald darauf geriet sie in einen Stau, und ihre Chance, rechtzeitig die Spätfähre nach Svanholmen zu erreichen, schmolz dahin. Kurzentschlossen rief sie die Adresse eines kleinen Sees im Navi auf, an dem sie früher schon einmal übernachtet hatte, und verließ bald darauf die Hauptstraße.

Nach einer Viertelstunde hatte sie ihr Ziel erreicht, stellte den Motor aus und atmete tief durch. Normalerweise suchte sie sich kleine Campingplätze zum Übernachten, das war sicherer. Aber Clooney war dort nicht gern gesehen, weil er anschlug, sobald jemand ihrem Camper zu nahe kam.

Jetzt musste er allerdings vor die Tür, und Lena wollte mit ihm hinunter zum See gehen, um dort ein paar Fotos zu machen. Die Temperaturen hier im Wald waren angenehm, und es gab reichlich Blaubeeren, die sie unterwegs pflückte und in eine mitgebrachte Dose füllte. Es war ganz schön anstrengend, den Wildwechseln zu folgen, aber nach der langen Fahrt tat ihr der Spaziergang gut.

Zuerst war Clooney, die Nase auf dem Boden, aufgeregt hin- und hergelaufen. Jetzt trabte er vor ihr her und sah sich immer wieder nach ihr um, bis er auf einmal in der Bewegung erstarrte und den Kopf hob.

»Was ist?« Da hörte sie es auch. Ein Fahrzeug näherte sich, es fuhr schnell. Sie pfiff Clooney heran, er sprang neben ihr auf einen umgefallenen Baumstamm, sie setzte sich dazu und legte ihm den Arm um die Schultern. »Nicht bellen, hörst du?«, raunte sie ihm zu, und er schnaufte, als hätte er sie verstanden. Durch das Geäst sah sie einen dunklen Van auf dem Waldweg vorbeifahren. Er war zu weit weg, um Genaueres oder gar die Insassen zu erkennen. Sie hoffte inbrünstig, dass diese Leute nicht ihren verborgenen Stellplatz am See zum Ziel hatten. Das Motorengeräusch entfernte sich schnell, und Lena wollte schon wieder aufstehen, als Stimmen laut wurden. Es klang, als würde jemand beschimpft werden, aber sie konnte nichts verstehen. Dann war Ruhe. Gespenstisch. Nicht mal ein Vogel war noch zu hören, nur das helle Sirren der Mücken an ihrem Ohr und der Wind oben in den Baumwipfeln. Beunruhigt zog sie sich mit Clooney hinter ein Gestrüpp zurück.

Urplötzlich zerriss ein Schuss die Stille, ihm folgte ein Fluch. Ihr Hund wirkte hochkonzentriert. Er hob den Kopf und nahm Witterung auf. Beruhigend legte sie ihm eine Hand in den Nacken, er bebte vor Anspannung am ganzen Körper. War das sein Jagdhunderbe?

Erneut war ein Schuss zu hören, ihm folgten drei weitere. Doch diesmal hallten sie über das Wasser. Hundebellen folgte ihnen, und Clooney knurrte leise.

Jäger, dachte sie. Auf der anderen Seite des Sees. Weiter vorn auf dem Weg wurde eine Autotür zugeschlagen, ein Motor heulte auf. Gleich darauf raste der Wagen zurück zur Hauptstraße. Sie griff nach ihrer Kamera, aber da war er schon hinter den Bäumen verschwunden.

Ihre Knie zitterten, als sie sich erhob und dem Wildwechsel weiter folgte, der parallel zum Waldweg verlief, bis der Hund so unvermittelt losstürzte, dass ihr die Leine entglitt.

»Clooney!« Sie rannte ihm hinterher und fluchte, als sie sah, warum er stehen geblieben war. Etwas Dunkles lag da in den Blaubeeren.

»Sauerei, die haben ihren Müll hier abgeladen«, schimpfte sie. Doch dann kam der Hund angesprungen und stupste ihre Hand mit der Schnauze an, als wollte er ihr sagen Komm, sieh dir das an!, und lief wieder zurück. Etwas stimmte nicht, und sie folgte ihm. Clooney winselte leise. Lena keuchte erschrocken auf, als sie die regungslose Gestalt vor sich liegen sah.

Nach dem ersten Schreck aber riss sie sich zusammen und wechselte in den Profi-Modus. »Hallo?«, fragte sie ruhig. »Kann ich helfen?«

Sie bekam keine Antwort und hatte auch nicht damit gerechnet. Ihr war bewusst, dass es gefährlich sein könnte, näher zu gehen. Als Notärztin im Rettungswagen hatte sie es mehr als einmal erlebt, wie zunächst hilflos wirkende Personen gewalttätig wurden. Trotz des Risikos konnte sie nicht anders, als einem Verletzten zu helfen, deshalb ging sie in die Hocke und streckte die Hand aus, um den Puls des Mannes zu fühlen. Er lebte, aber er blutete aus Wunden am Kopf und am Arm. Das Gesicht war von Schlägen stark geschwollen, doch sie erkannte seine Kleidung wieder. Vor ihr lag der Biker. Er stöhnte, als sie ihm behutsam die dunklen Haare aus der Stirn strich.

Blitzschnell überlegte sie. Es gab nur eine Möglichkeit, zu helfen. Sie musste ihren Wagen holen und ihn hineinbugsieren. »Ich bin gleich wieder zurück«, sagte sie um einen zuversichtlichen Tonfall bemüht. Dem Hund befahl sie, sich neben ihn zu legen, und zu ihrer Verwunderung gehorchte er sofort. Lena rannte los. Sie war eine gute Läuferin, aber die Sorge trieb sie an, und ihre Lunge brannte, als sie mit zitternden Händen den Camper aufschloss und hineinsprang.

Wieder zurück, riss sie die seitliche Schiebetür auf und eilte zu dem Biker. »Alles wird gut, ich bin Ärztin und werde dir helfen.«

Er versuchte, den Kopf zu heben.

»Ich muss dich abtasten, ob etwas gebrochen ist«, sagte sie und ließ sich neben ihm auf die Knie sinken.

»Rippen«, stöhnte er kaum hörbar. Sein Kiefer schien heil geblieben zu sein, aber die Nase würde man richten müssen.

Lena versorgte ihn so sorgfältig, wie es unter diesen Umständen möglich war. Die Kopfwunden bluteten danach weniger stark, und der Druckverband am Arm tat ebenfalls seine Wirkung. »Mein Camper steht drei Meter von hier. Ich weiß nicht, wie ich dich da hineinbekommen soll.« Es waren acht oder zehn Meter, aber darauf kam es jetzt nicht an. Einen Verletzten zu bewegen, war ohnehin riskant, doch ihr blieb nichts anderes übrig.

»Ich stehe auf.« Er verzog das Gesicht. Tatsächlich gelang es ihm, sich mit ihrer Hilfe aufzusetzen, dann drehte er sich, ging auf die Knie und zog sich an einem umgestürzten Baumstamm hoch. Behutsam nahm sie seinen unverletzten Arm, den sie sich um die Schultern legte. Schritt für Schritt kamen sie voran, bis der Mann sich schwer atmend gegen ihren Van lehnte. Er war schneeweiß im Gesicht und knirschte mit den Zähnen, aber versuchte dennoch, seine Weste auszuziehen. Sie wollte sich gar nicht vorstellen, welche Schmerzen er litt.

»Warte, ich helfe dir.« Sie wusste von Begegnungen in der Notaufnahme, dass solche Leute eigen mit diesem Kleidungsstück waren, und fügte hinzu: »Ich pass’ schon auf, dass du das Ding nicht komplett vollblutest.«

Er grunzte etwas Unverständliches, ließ sich aber helfen. Als das erledigt war, warf sie die Weste nach hinten in den Wagen. Was nun? Auf das erhöhte Bett im Heck würde er es nicht schaffen, und offen gestanden, hatte sie auch keine Lust darauf, anschließend die Matratzen auszutauschen. Die Wunde am Arm blutete wieder stärker.

Der Mann nahm ihr die Entscheidung ab, er ließ sich schwer auf die Fußmatte am Eingang fallen, dort rollte er sich zur Seite. Hilflos sah sie ihm dabei zu. Ihr Camper war kein Krankentransporter. Sie ergriff seine Beine. Schließlich lag er zusammengekrümmt am Boden und offenbarte den Blick auf ein leeres Rückenholster. Vor dem Überfall hatte er also eine Waffe getragen. Die Furcht ließ sie erstarren. Doch dann schüttelte Lena den Kopf. Sie war Ärztin und hatte gelobt, jedem Kranken zu helfen. Das würde sie auch jetzt tun, koste es, was es wolle.

Weil es nichts anderes gab, angelte sie ein Kissen aus Clooneys Körbchen und schob es ihm unter den Kopf. Er schloss die Augen und streckte stöhnend die langen Beine aus. Erleichtert kniete sie sich neben ihn und fühlte erneut seinen Puls. Das Herz schlug kräftig genug, und sein Atem beruhigte sich nach der großen Anstrengung allmählich. Behutsam zog sie dem Mann die schweren Silberringe von den Fingern, löste das Armband mit dem doppelten Rabenkopfverschluss und legte alles in eine Schublade, damit nichts verloren ging. Es grenzte an ein Wunder, dass die blutigen Finger dafür nicht längst zu stark angeschwollen waren. Danach schnappte sie sich ihre Erste-Hilfe-Tasche und stoppte erneut den Blutfluss. Diese Verletzung würde sie im Auge behalten müssen. Aber immerhin hatte er keine Schusswunde, wie sie es zuerst befürchtet hatte. Wohin seine Peiniger auch immer geschossen haben mochten, ihr Opfer hatten sie nicht getroffen.

Nach einer gefühlten Ewigkeit richtete sie sich schweißgebadet auf und breitete die ultraleichte Wärmedecke über ihn aus. »Das muss genügen. Ich bringe dich jetzt ins Krankenhaus.«

»Nein!« Mit schmerzverzerrtem Gesicht versuchte er, sich aufzurichten. Sein Blick hatte etwas so Wildes an sich, dass sie zusammenzuckte. »Kein Krankenhaus!« Stöhnend sank er zurück aufs Kissen, seine Lippen bewegten sich, und sie glaubte, ein Bitte zu hören.

Lena schloss die Schiebetür, legte Clooney das Sicherheitsgeschirr an und ließ ihn auf der Beifahrerseite einsteigen, bevor sie selbst hinter das Steuer kletterte und losfuhr.

Dieser Mann war nicht der Erste, den sie nach einer brutalen Schlägerei wieder zusammengeflickt hatte. Er gehörte offensichtlich einer kriminellen Gruppe an und hatte offenbar Gründe, nicht ins Krankenhaus zu wollen. Möglicherweise wollte er aber nur verhindern, dass die Angreifer von seiner Rettung erfuhren. Als sie darüber nachdachte, was geschehen wäre, hätten die Jäger sich nicht auf der anderen Seite des Sees befunden und geschossen, wurde ihr übel. Aus Angst davor, entdeckt zu werden, waren die Verbrecher geflohen. Es kümmerte sie nicht, dass er sterben würde. Womöglich hatten sie von Anfang an geplant, ihn umzubringen. Jemanden in diesem Zustand im Wald abzulegen, bedeutete dessen sicheren Tod. Die Jäger waren seine Rettung gewesen, er wäre vermutlich dennoch gestorben, hätte Clooney ihn nicht gefunden.

Also kein Krankenhaus. Auf jeden Fall aber musste er geröntgt werden. Und sei es, um auszuschließen, dass die gebrochenen Rippen seine Lunge perforierten, von weiteren inneren Verletzungen einmal abgesehen. Es gab nur eine Möglichkeit, und die gefiel ihr überhaupt nicht.

KAPITEL2

Lena

Markus meldete sich nach dem fünften Klingeln. »Schätzchen …«, sagte er mit einem schwer zu interpretierenden Unterton. »Hast du mich vermisst?«

Sie unterdrückte eine bissige Bemerkung. »Ich brauche deine Hilfe.«

»Wobei?«, fragte er misstrauisch.

»In meinem Auto liegt ein Verletzter. Er muss geröntgt und versorgt werden.«

»Dann bring ihn ins Krankenhaus, die arbeiten da auch am Wochenende.«

»Das geht nicht.«

»Hast du versucht, jemanden zu überfahren?« Er lachte leise.

»Markus, bitte!«

»Na gut. Wo bist du?«

»Keine Ahnung, aber das Navi sagt, dass ich in einer halben Stunde an deinem Ärztezentrum sein kann. Es ist wirklich wichtig! Ich habe Angst, dass er mir wegstirbt.«

»Meinetwegen. Wir treffen uns dort. Park’ hinter dem Haus.«

Er wartete mit verschränkten Armen in der Hintertür auf sie. Dann ging alles schnell. Sie hatten schon immer gut zusammengearbeitet. Wenig später lag der Verletzte mit einer ordentlichen Portion Schmerzmittel in den Adern im Behandlungsraum ausgestreckt vor dem CT.

»Ach du Scheiße, der Kerl ist ein Rocker.«

»Hätte ich ihn deshalb etwa im Wald liegen lassen sollen?«

»Natürlich nicht. Aber solche Leute bedeuten immer Ärger, und wir wissen beide, wohin das führt.« Markus hatte ihm die Schuhe ausgezogen und machte sich jetzt an der Schnalle des Gürtels zu schaffen.

»Nicht immer sieht man den Leuten an, was in ihnen steckt«, sagte sie und zog an einem schweren Stiefel.

»Ich schon. Wer hat dir gleich gesagt, dass dein Ex ein Mistkerl ist?«

Dieses Gespräch hatten sie so oft geführt. Er hatte Edvard von Anfang an nicht gemocht. Aber auch Markus hatte nicht vorhersehen können, in was sie damals hineingeraten würde. »Ja, hast du«, sagte sie und bemühte sich, die Bilder aus der Vergangenheit zurückzudrängen. Was zählte, war die Gegenwart. Vor ihnen lag ein verletzter Mensch, ihm musste geholfen werden. Alles andere war für den Moment unwichtig.

»Bei der Hose kannst du mir helfen«, sagte sie und ließ den zweiten Stiefel fallen.

Der Mann auf dem Tisch vor ihnen gab einen unwilligen Laut von sich, und sie beugte sich vor, um ihn mit professionell freundlicher Stimme zu beruhigen. »Wir können dich nicht mit all dem Metall röntgen. Keine Sorge, du bist nicht der erste Typ, den ich in Unterwäsche sehe.«

Markus pfiff leise durch die Zähne. »Aber die wenigsten …«

… sind dermaßen gut in Form, vervollständigte Lena seinen Gedanken für sich. Warnend sah sie Markus an: »Er ist ein Patient!«

»Schon gut, Schätzchen. Den Rest mache ich allein.« Er scheuchte sie in den Nebenraum, um die Computer hochzufahren. Nachdem das erledigt war, sah sie durch die Fenster in den hell erleuchteten Behandlungsraum. Markus betätigte einige Schalter, und über die Gegensprechanlagen hörte sie ihn sagen: »Auf geht’s durchs große Sternentor, mein Freund. Wir sind gleich nebenan hinter der Scheibe da und können dich auch hören, falls etwas sein sollte.«

Markus kam zu ihr. Wenig später betrachteten sie gemeinsam die Aufnahmen am Bildschirm.

Lena seufzte erleichtert, als keine Schädelverletzungen zu erkennen waren. Die Rippen waren nur angeknackst, und das nicht zum ersten Mal, wie es aussah. Die Nase würden sie ihm richten müssen.

»Ich habe schon schlimmere Verletzungen nach Schlägereien gesehen«, sagte Markus.

»Sieh dir mal seine Hände an, er hat sich mächtig gewehrt.« Skeptisch sah sie auf die Aufnahmen des linken Unterarms. »Die Ulnafraktur müssen wir auch richten.«

»Na dann, auf geht’s.« Markus legte einen Port und schloss ihn an eine Infusionslösung an. Freundschaftlich klopfte er ihr auf die Schulter. »Nun erzähl mal, wo hast du den denn aufgegabelt und was hast du mit seinem Bike gemacht?«

Während sie sich gemeinsam um ihren Patienten kümmerten, erzählte sie in Stichworten, was passiert war.

»Bist du sicher, dass dich niemand gesehen hat?«

Er zog die Gummihandschuhe aus und betrachtete Lena besorgt.

»Eigentlich schon. Sie hätten mich doch nicht einfach laufen lassen.« Als sie die Worte aussprach, wurde ihr zum ersten Mal die Ungeheuerlichkeit der gesamten Situation bewusst. »Ich glaube, ich muss mich hinsetzen.«

»Du brauchst einen Schnaps.« Markus ging hinaus und kehrte wenig später mit einer Flasche teuren Whiskys zurück. Er füllte zwei Gläser und reichte ihr eins davon.

Lena trank einen kleinen Schluck und spürte sofort, wie die goldgelbe Flüssigkeit einem Feuer gleich ihre Speiseröhre hinablief. Sie hustete und stellte das Glas ab. »Was mache ich denn nun mit ihm?«

»Gib ihn bei seinen Brüdern ab. Dem Tattoo nach gehört er zu den Vile Vikings. Soweit ich weiß, haben die hier in der Nähe ein Clubhaus.«

»Ich gebe ihn nirgends ab, ohne zu wissen, ob er dort sicher ist. Der Mann ist ein Nomade.«

»Wie kommst du denn darauf?«

»Wir sind uns an einer Raststätte begegnet. Es stand auf seiner Weste.« Als Markus sie fragend ansah, sagte sie verlegen: »Ich habe ihm versehentlich Kaffee aufs T-Shirt gekippt. Er – er fand es nicht schlimm«, fügte sie hinzu.

»Das ist ja wohl die lahmste Anmache, die ich je gehört habe.« Markus lachte dröhnend. »Dann weißt du doch, was du tun musst. Nimm deinen Rocker mit nach Hause und pflege ihn gesund. Ich bin sicher, er wird dir dankbar sein.« Belustigt machte er mit den Fingern eine Geste, die für Anführungsstriche stehen sollte.

»Du bist so ein Idiot!«

»Aber ein nützlicher, gib es zu.«

Sie rieb sich mit beiden Händen übers Gesicht. »Du bist ein Freund. Danke. Komm, lass uns aufräumen.«

»Ach, Schätzchen, für dich doch immer. Ich mach das hier schon, sorg du dafür, dass dir nichts passiert, okay?«

»Ich habe doch Clooney.«

Sie säuberte den Camper und legte Decken aus, Markus zog dem Patienten derweil eines seiner eigenen T-Shirts an und dazu eine verwaschene Cargo-Hose. »Du willst doch sicher keinen nackten Mann durch die Gegend kutschieren«, sagte er grinsend und reichte ihr eine Tüte mit den Sachen des sedierten Bikers und Schmerzmittel für die nächsten Tage, nachdem sie den Mann sicher untergebracht hatten.

»Wie erklärst du das Fehlen des Opiats?«, fragte sie besorgt.

»Mir wird schon was einfallen. Mach dir darüber keine Gedanken. Und … Lena?«

»Ja?«

»Ich bin froh, dass du nicht mehr sauer auf mich bist.«

»Ich war nie sauer auf dich. Es war … Eine schwierige Phase.« In der befand sie sich noch immer, aber um das zu erklären, fehlte ihr jetzt die Zeit.

»Okay. Wie auch immer. Halt mich auf dem Laufenden, wie es mit euch weitergeht, ja?«

»Es gibt kein euch!«

»Schon klar, Schätzchen. Melde dich, wenn du zu Hause bist.«

Es gab auch kein Zuhause. »Mach ich«, sagte sie leise und lenkte den Camping-Van zurück auf die Straße. Es war kurz nach Mitternacht, und wenn sie zwischendurch tankte und eine Erholungspause einlegte, wäre sie nachher pünktlich in Jyderup, um mit der Morgenfähre nach Svanholmen überzusetzen.

KAPITEL3

Sin

Sin war auf dem Weg zu dem einzigen Verwandten gewesen, an dem ihm jemals etwas gelegen hatte. Sein Onkel Holger war Hubschrauberpilot, besaß eine Custom Made Road King und lebte an der Küste. Er hatte Sin praktisch großgezogen und dabei mehr von ihm erwartet, als dass er sich einem Rocker-Club anschließen würde. Sie sahen sich selten, einmal war Holger dafür sogar rüber in die Staaten gekommen, wo Sin studierte und für eine Software-Schmiede gearbeitet hatte, an der die Vile Vikings in Kalifornien Anteile besaßen. Er hätte in Sacramento bleiben können, aber Sin war ein Nomade und hatte kein Interesse daran, sich mit einer Old Lady irgendwo niederzulassen und kleine Biker-Babys zu produzieren.

Als Nomad hatte er Europa und Nordamerika durchkreuzt. Frost, sein Präsident in Schweden, hatte ihn schließlich zurückgerufen, weil es Ärger mit anderen MCs und Gangs gab. Sin war dem Ruf gefolgt, aber er blieb ein Nomade und der Kulturschock nach seiner Rückkehr war groß. Also hatte er sich auf sein Bike geschwungen. Holger würde ihm zuhören, ohne zu werten, und er würde verstehen, wie er sich fühlte.

Unglaublich! Die Frau hatte ihm tatsächlich heißen Kaffee über den Bauch gekippt. Als sie vor ihm kniete, vergaß er den ohnehin milden Schmerz. Die kurz geschnittenen blonden Haare ließen sie wie ein Kobold aussehen und als sie nervös, aber mit einem ganz schön frechen Spruch wieder aufstand, waren es zuerst ihre Augen, die ihn aus dem Konzept brachten. Ein so strahlendes Blau hatte er selten gesehen. Der Rest war auch nicht zu verachten. Wie lange war es nochmal her, dass er Sex gehabt hatte?

Sie checkte ihn ab. Das taten die meisten Frauen, denen er begegnete. Aber der störrische Zug, der ihre vollen Lippen auf einmal schmaler erscheinen ließ, bedeutete, dass sie nicht zu denen gehörte, die es ihm leicht machten. Es würde Zeit kosten, sie zu überzeugen, und es würde ihm Spaß machen, ihren Widerstand behutsam schmelzen zu lassen. Aber nicht hier und nicht heute.

»Vergiss es, Baby.«

Selbst schuld. Er stieß die Tür zur Raststätte auf. Innen blieb er stehen, drehte sich um und beobachtete, wie sie zu einem blumenbemalten Camper-Van ging, aus dem ihr ein Riesenköter entgegenhechelte.

Verrücktes Hippie-Girl, dachte er amüsiert. Nichts für jemanden wie ihn. Wobei Girl es nicht traf. Sie wirkte zwar mädchenhaft, doch sie war unzweifelhaft eine Frau, etwas jünger als er. Aber erwachsen genug, um in ungerufen auftauchenden Fantasien eine Rolle zu spielen. Im besten Alter, dachte er bedauernd und rückte seine Kronjuwelen zurecht. Verdammt, das tat weh.

Noch immer in Gedanken kehrte Sin eine Viertelstunde später zu seinem Bike zurück. Die Softail Fat Boy war in einer Werkstatt seiner Brüder in Sacramento nach Sins Wünschen zusammengeschraubt worden, und er hatte ein kleines Vermögen dafür bezahlt, sie legal nach Schweden zu bringen.

Es gab wenig, wofür er etwas Besonderes empfand. Seine Harley gehörte dazu. Die Schöne stand unberührt im Schatten eines dunklen Vans. Doch als er näher kam, prickelte es in seinem Nacken. Sin langte unauffällig nach hinten in den Hosenbund, um die Waffe zu entsichern, die dort unter der Kutte in einem speziell angefertigten Holster steckte.

Danach ging alles sehr schnell. Drei Männer stürzten sich aus dem Van. Der Elektroschocker machte ihn für kurze Zeit bewegungsunfähig, und als er wieder zu sich kam, schlug und trat einer der Kerle wütend auf ihn ein, während ein anderer Sin mit eisernem Griff umklammert hielt. In einem fairen Kampf hätte er gute Chancen gehabt, sich gegen den Angreifer zu verteidigen. Aber in der Enge des fahrenden Vans war jede Gegenwehr aussichtslos. Seine einzige Möglichkeit, das hier zu überleben, war, sich zu Boden sinken zu lassen und eine Ohnmacht vorzutäuschen. Ein kräftiger Tritt ließ seine Rippen splittern, dann hörte er jemanden sagen: »Lass es gut sein!«

Die folgende Fahrt war die reinste Folter. Sin biss sich auf die Lippen, um keinen verräterischen Schmerzenslaut von sich zu geben.

»Verdammt, du hast ihn totgeschlagen, Idiot! Das war nicht abgemacht.« Es schien einen Streit zu geben, doch dann sagte der gleiche Mann: »Bieg da rechts ab, wir müssen ihn loswerden, sonst haben wir die Vikings am Hals.«

Das Nächste, woran er sich erinnerte, war der Wolf, der ihn hungrig anstarrte. Sin rührte sich nicht, womöglich war er bereits in Walhalla angekommen. Dass es im Jenseits nach Hund riechen würde, damit hatte er nicht gerechnet. Und sollten nicht während des Übertritts in die magische Dimension alle Wunden eines Kämpfers geheilt werden? In seinen Knochen breitete sich eisige Kälte aus, er zitterte am ganzen Leib. Als sich Dunkelheit über ihn legte, hieß er sie willkommen.

Morgenröte begrüßte ihn, Möwen kreischten, und bald darauf schwankte der Boden unter ihm. Sin hörte Stimmen, Gelächter, litt unsägliche Schmerzen. Eine kühle Hand strich ihm über die Stirn, er driftete erneut davon, bis ein Engel ihn berührte.

»Guten Morgen. Du musst mir helfen, allein kriege ich dich niemals ins Haus.«

Das Hippiemädchen? Er stützte sich auf ihre schmalen Schultern und ließ sich von ihr führen.

KAPITEL4

Lena

Unterwegs sah sie immer wieder über die Schulter in den Camper, um nach dem Verletzten zu sehen. Sie hatte ihm ihre Smartwatch umgelegt, um regelmäßig seinen Puls überprüfen zu können. Irgendwann fielen ihr beinahe die Augen zu. Lena hielt an der nächsten Raststätte, um den Wagen vollzutanken. Dabei nahm sie eine der Tabletten ein, die sie noch aus ihrer Zeit als Chirurgin in der Notaufnahme besaß. Sie hatte gehofft, dass sie diese nie wieder brauchen würde. Die restliche Fahrt verlief in einem unangenehmen Farbrausch höchster Aufmerksamkeit. Unterwegs buchte sie eine Passage nach Svanholmen und stellte dabei fest, dass die Fähre sonntags erst um acht Uhr abfuhr.

Kurz vor sechs erreichte sie den Anleger. Lena parkte den Camper an der Hafenmole und zog den Autoschlüssel ab. Das Morgenlicht war herrlich, es würde ein schöner Tag werden. Pflichtschuldig ging sie mit einem widerstrebenden Clooney zum nächsten Baum und wartete, bis der Hund sein Bein hob. Danach sah sie nach dem namenlosen Patienten, dessen gleichmäßiger Atem sie beruhigte. Hier konnte sie im Augenblick nicht mehr tun. Lena kletterte behutsam über ihn hinweg in ihr Bett und stellte sich den Wecker auf Viertel vor acht. Sie schlief sofort ein.

Ein Klopfen ließ sie aufschrecken.

»Lena? Wir legen gleich ab!«

Sie streckte sich verschlafen und öffnete die hinteren Türen. »Hej, Timo. Danke, dass du mich geweckt hast.«

»Dafür nicht.« Der junge Mann grinste. »Hart gefeiert, was?«

»So in der Art«, sagte sie, hopste aus dem Wagen und verschloss ihn eilig, damit Timo ihren Passagier nicht sah. »Wie spät ist es?«

»Fünf vor.«

»Oh, shit! Ich bin gleich da.«

Barfuß, in Shorts und T-Shirt, rannte sie nach vorn, riss die Fahrertür auf und fuhr kurz darauf auf die Fähre.

Wenige Minuten später legten sie ab. Timo tauchte mit zwei Bechern Kaffee auf. »Werde erst mal wach, Frau Doktor!«

»Danke, den kann ich gut gebrauchen. Was macht der Bauch?«

Vor wenigen Wochen hatte Timo einen Blinddarmdurchbruch erlitten. Für den Transport in die nächstgelegene Klinik war es zu spät und Lena, die sich zufällig zum Vorstellungsgespräch im Medizinzentrum von Jyderup aufhielt, hatte ihn kurzerhand operiert. Seither war sie seine Heldin und fuhr, sofern Platz war, kostenlos auf der Fähre mit.

Ihr Patient war dennoch genau genommen ein blinder Passagier. Nachdem Timo sich verabschiedet hatte, ging sie nach hinten, löste den Schlauch vom Port und knotete das Band auf, mit dem die Infusion mit dem Schmerzmittel an einer Schublade festgebunden war. Der Biker wurde langsam wach und beobachtete jede ihrer Bewegungen aus zusammengekniffenen Augen. Doch so lange er nicht durch wildes Geschrei auf sich aufmerksam machte, würde ihn niemand bemerken. »Dein Zustand ist stabil. Ich gehe einen Moment an die frische Luft, Clooney passt so lange auf dich auf«, sagte sie beruhigend und kletterte wieder nach vorn, um auszusteigen und aufs obere Deck zu gehen, wo Hunde leider nicht erlaubt waren. Die klare Luft tat ihr gut. Gedankenverloren stützte sie sich auf die Reling, trank den immer noch heißen Kaffee in kleinen Schlucken und sah übers Meer. Warum, zum Teufel, nahm sie den Mann mit nach Svanholmen?

»Hippiemädchen.« Seine Stimme klang rau, als hätte er lange nicht mehr gesprochen. Sie hatten ihr Ziel erreicht. Nun lag eine schwierige Aufgabe vor ihr. »Guten Morgen. Du musst mir helfen, allein kriege ich dich nicht ins Haus.« Der große Mann brummte etwas, das wie ein Fluch klang. Doch er stemmte sich mit dem weniger verletzten Arm hoch, bis er an die Seitentür ihres Campers gelehnt saß. Sie ließ ihm Zeit, zu verschnaufen, half ihm dann auf die Beine und führte ihn über die Terrasse ins Schlafzimmer. Dort stand das einzige Bett und darin war ihr Vater gestorben. Lena hatte sich bisher nicht aufraffen können, den Raum zu entrümpeln. Sie war sich ja nicht einmal sicher, ob sie hierbleiben wollte.

Müde stellte sie Wasser und ein Glas auf den altmodischen Nachttisch, legte Schmerztabletten dazu und wies auf eine schmale Tür. »Da ist das Bad. Wenn du mich brauchen solltest, ich bin draußen.

---ENDE DER LESEPROBE---