Ein sündiges Alibi - J.D. Robb - E-Book

Ein sündiges Alibi E-Book

J.D. Robb

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Beschreibung

Der 26. Fall von Eve Dallas – Gefahr ist ihr Beruf und Intuition ihre stärkste Waffe!

Der Tod des milliardenschweren Großindustriellen Thomas A. Anders scheint schnell aufgeklärt zu sein: Tödlicher Unfall im Rahmen misslungener außerehelicher Fesselspielchen. Doch warum finden sich bei dem Opfer Spuren von einem hochkonzentrierten Betäubungsmittel im Blut? War es womöglich doch ein grausam kalkulierter Mord? Mithilfe ihres Ehemanns Roarke und Detective Delia Peabody nimmt Eve Dallas sich des Falles an und ermittelt in der Familie des Opfers. Doch alle haben ein wasserdichtes Alibi. War der Tod des Firmengründers von »Anders Worldwide« tatsächlich nur ein Unfall?

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Seitenzahl: 709

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Buch

Als der Großindustrielle und Multimillionär Thomas A. Anders tot aufgefunden wird, steht die Ursache seines Todes schnell fest: Anders ist das Opfer eines Sexspiels geworden, bei dem er absichtlich stranguliert wurde, und daraufhin starb. Ein tragischer Unfall. Doch bei der Routineobduktion werden Spuren eines hochkonzentrierten Betäubungsmittels in seinem Blut gefunden. War es womöglich doch Mord? Lieutenant Eve Dallas vom NYPD wird auf den Fall angesetzt. Mit der Hilfe ihres Ehemannes Roarke und ihrer Kollegin Detective Delia Peabody nimmt Eve als erstes die Familie des Opfers genauer unter die Lupe. Doch sowohl die Witwe Ava als auch der Neffe und Vizechef von Anders‘ Großkonzern Anders Worldwide haben wasserdichte Alibis.

Dann wird eine weitere Leiche gefunden. Ein Mann ist von einer Prostituierten ermordet worden. Zunächst sieht es so aus, als ob die beiden Fälle nichts miteinander zu tun hätten, doch dann stößt Eve auf eine heiße Spur …

Autorin

J. D. Robb ist das Pseudonym der international höchst erfolgreichen Autorin Nora Roberts, einer der meistgelesenen Autorinnen der Welt.

Weiter Informationen finden Sie unter: www.blanvalet.de und www.jdrobb.com

Liste lieferbarer Titel

Rendezvous mit einem Mörder · Tödliche Küsse· Eine mörderische Hochzeit · Bis in den Tod · Der Kuss des Killers · Mord ist ihre Leidenschaft · Liebesnacht mit einem Mörder · Der Tod ist mein· Ein feuriger Verehrer· Spiel mit dem Mörder · Sündige Rache · Symphonie des Todes · Das Lächeln des Killers · Einladung zum Mord · Tödliche Unschuld · Der Hauch des Bösen · Das Herz des Mörders · Im Tod vereint · Tanz mit dem Tod· In den Armen der Nacht · Stich ins Herz · Stirb, Schätzchen, stirb · In Liebe und Tod · Sanft kommt der Tod · Mörderische Sehnsucht · Mörderspiele. Drei Fälle für Eve Dallas

Nora Roberts ist J. D. Robb

Ein gefährliches Geschenk

J.D.Robb

Ein sündiges

Alibi

Roman

Deutsch von Uta Hege

Die Originalausgabe erschien 2008

unter dem Titel »Strangers in Death« bei G. P. Putnam’s Sons,

a member of Penguin Group (USA) Inc., New York

1. Auflage

Taschenbuchausgabe August 2014 bei Blanvalet Verlag,

einem Unternehmen der

Verlagsgruppe Random House GmbH, München

Copyright © der Originalausgabe 2008 by Nora Roberts

Published by Arrangement with Eleanor Wilder

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarischen Agentur

Thomas Schlück GmbH, 30827 Garbsen.

Copyright © 2012 für die deutsche Ausgabe by

Blanvalet Verlag, in der Verlagsgruppe Random House, München

Umschlaggestaltung: © www.buerosued.de

Umschlagillustration: plainpicture/Tine Butter

Redaktion: Regine Kirtschig

LH ∙ Herstellung: sam

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

ISBN: 978-3-641-12559-2

www.blanvalet.de

Die Sünde hat viele Werkzeuge,

aber eine Lüge ist der Griff, der zu allen passt.

– Oliver Wendell Holmes

Man kann nicht an zwei Orten gleichzeitig sein.

– Sprichwort aus dem 17. Jahrhundert

1

Mord war weder voreingenommen noch bigott und beschränkte sich auch nicht auf eine spezielle gesellschaftliche Schicht. Auf die ihm eigene schadenfrohe, Tod und Unheil bringend überlegte Art stellte er sich für Rasse, Glaube, Geschlecht sowie sozialen Status blind. Dieser Gedanke ging Lieutenant Eve Dallas durch den Kopf, als sie im luxuriösen Schlafgemach des kürzlich verschiedenen Thomas A. Anders stand.

Erst gestern Abend hatte sie den Mord an einer zwanzigjährigen Frau hereinbekommen und aufgeklärt, die gewürgt, geschlagen und am Schluss aus dem Fenster ihrer Bude im neunten Stock geworfen worden war.

Einer Bude, deren Miete wöchentlich zu zahlen war, in der es nach schlechtem Sex, schalem Zoner sowie grauenhaftem Essen vom Chinesen gerochen und in der der Freund des Opfers angeblich geschlafen hatte, während sie verschieden war.

Anders hatte in der Park Avenue sein Leben ausgehaucht, weshalb es in seinem Schlafzimmer nach bonbonbunten Tulpen, Wohlstand, kühler Sauberkeit und Leiche roch. Der Tod hatte ihn auf dem luxuriösen Laken des massiven, mit einem Seidenbaldachin bewehrten Betts ereilt. Während Trisha Brown auf einer fleckigen Matratze auf dem Boden einer Absteige für Junkies umgekommen war. Als sie mit dem Kopf zuerst auf dem Bürgersteig gelandet war, hatte sie bereits nicht mehr gelebt.

Doch egal, wer man im Leben war– ob Männlein oder Weiblein, schwarz, braun oder weiß, arm wie eine Kirchenmaus oder stinkreich–, glich der Tod sämtliche Unterschiede aus. Das hatte sie in über einem Dutzend Jahren bei der New Yorker Polizei ein ums andere Mal erlebt.

Es war kaum sieben Uhr, und schon war sie mit dem toten Mann allein. Die Beamten, die zuerst im Haus erschienen waren, saßen unten bei der Hauswirtschafterin, die die Polizei verständigt hatte. Mit versiegelten Händen und Stiefeln lief Eve am Rand des Zimmers auf und ab und sprach in das an ihrer Jacke festgemachte Aufnahmegerät.

»Das Opfer wurde als Thomas Aurelius Anders, wohnhaft unter dieser Adresse, identifiziert. Männlich, weiß, einundsechzig Jahre alt, verheiratet. Die Ehefrau ist angeblich verreist, wurde aber von Greta Horowitz, der Hausangestellten, die den Toten gegen sechs entdeckt und um sechs Uhr zwölf die Polizei verständig hat, über den Tod des Mannes informiert.«

Eve legte ihren Kopf ein wenig schräg. Ihr kurzes, leicht zerzaustes, braunes Haar fiel um ein scharf geschnittenes Gesicht. Als sie den Toten auf dem großen, eleganten Bett studierte, waren ihre Augen, die ein wenig heller als die Haare waren, scharf, zynisch und völlig ausdruckslos.

»Angeblich war Anders allein im Haus. Es gibt zwei Droiden, doch sie waren beide ausgestellt. Auf den ersten Blick sind keine Spuren eines gewaltsamen Eindringens, eines Einbruchs oder eines Kampfs zu sehen.«

Mit ihren langen Beinen trat sie vor das Bett. Ihr geschmeidiger Körper war in Jeans, ein schlichtes Baumwollhemd und einen langen schwarzen Ledermantel gehüllt.

Aus Richtung des gasbetriebenen Kamins, in dem hinter ihrem Rücken goldene und rote Flammen loderten, wurde plötzlich eine Stimme laut.

GUTENMORGEN, MRANDERS!

Sie drehte sich um und starrte mit zusammengekniffenen Augen auf den Bildschirm über dem Kamin. Die weibliche Computerstimme klang erschreckend gut gelaunt, und die kitschigen Farben des Sonnenaufgangs, die auf dem Monitor verschmolzen, hätte sie bestimmt nicht ausgesucht.

WIRHABENHEUTEDIENSTAG, DENACHTZEHNTENMÄRZZWEITAUSENDSECHZIG. ESISTSIEBENUHRFÜNFZEHN, SIEHABENUMZEHNEINEVERABREDUNGZUMGOLFMITEDMONDLUCE.

Während der Computer Anders gut gelaunt daran erinnerte, was er zum Frühstück bestellt hatte, dachte Eve: Tja, Tom, heute Morgen gibt’s für dich kein Eiweißomelett mehr.

In der eleganten Sitzecke am anderen Ende des Raums piepste zweimal ein mit blank polierten Messingarmaturen versehener Mini-AutoChef.

IHRKAFFEEISTFERTIG! GENIESSENSIEDENTAG!

»Wohl kaum«, murmelte Eve.

Die Frau, die auf dem Bildschirm die Morgennachrichten verlas, klang fast so gut gelaunt wie die Computerstimme. Also stellte Eve sich taub.

Genau wie die Knöpfe des AutoChefs hatte auch das Gestell des Bettes einen warmen Messingglanz. Anders’ Hand- und Fußgelenke waren mit schwarzen Seidenbändern an Kopf- und Fußteil der Schlafstatt gefesselt und ein fünftes Seil zog seinen Kopf von seinem Kissen in die Höhe, weil es mit den anderen Bändern verknüpft und ihm um den Hals geschlungen worden war. Mit den weit aufgerissenen Augen und dem offen stehenden Mund sah er aus, als wäre er ausnehmend überrascht davon, dass er sich in dieser Position befand.

Mehrere Sexspielzeuge lagen auf dem Nachttisch neben seinem Bett. Ein Analpfropf, ein Vibrator, farbenfrohe Penisringe, Gels, wärmende Lotionen, Gleitmittel. Die üblichen Verdächtigen, erkannte Eve. Sie beugte sich nach vorn und schnupperte an Anders’ schmaler, nackter Brust. Kiwi, dachte sie, blickte wieder auf den Nachttisch und las das Etikett der Flasche mit der Körpermilch.

Es war tatsächlich Kiwi. Was es nicht alles gab, staunte sie.

Dann fiel ihr etwas anderes auf und sie hob die Decke an, die Anders bis zur Hüfte ging. Drei neonfarbene Penisringe, die bestimmt im Dunkeln leuchteten, betonten noch das erigierte Glied.

»Nicht schlecht für einen Toten.«

Sie zog die Schublade des Nachttischs auf, und wie vermutet fand sie dort eine Vorratspackung des bestverkauften Potenzmittels, Stay-up. »Eine bessere Werbung kann’s für dieses Zeug nicht geben«, knurrte sie und wollte gerade ihren Untersuchungsbeutel öffnen, als sie hörte, dass jemand den Flur heraufgetrottet kam. Sie erkannte das Getrampel der dicken Stiefel ihrer Partnerin. Laut Kalender stand der Frühling vor der Tür, was in New York jedoch eindeutig eine dicke, fette Lüge war. Wie, um das zu beweisen, trat Detective Delia Peabody in einem dick wattierten, violetten Mantel und einem langen, bunt gestreiften Schal, den sie mindestens drei Mal um ihren Hals geschlungen hatte, durch die Tür. Zwischen dem dicken Schal und der Mütze, die sie tief in ihre Stirn gezogen hatte, waren von ihrem Gesicht nur die Augen und die Nasenspitze noch zu sehen.

»Verdammt, es sind gerade mal fünf Grad«, drang eine gedämpfte Stimme, die vielleicht zu Peabody gehörte, durch den dicken Schal.

»Ich weiß.«

»Aber sie haben gesagt, bei dem Wind fühlt es sich an wie minus zehn.«

»Das habe ich ebenfalls gehört.«

»Verdammt, wir haben März, und in drei Tagen fängt der Frühling an. Es ist einfach nicht richtig.«

»Dann beschweren Sie sich doch.«

»Bei wem?«

»Bei den Leuten, die behaupten, dass es gefühlte zehn Grad minus sind. Sie frieren nur noch mehr und sind noch schlechter drauf, weil ständig davon geredet wird. Und jetzt schälen Sie sich endlich aus dem blöden Zeug. Sie sehen total bescheuert aus.«

»Sogar meine Zähne sind gefroren.«

Trotzdem fing Peabody an, ein paar der vielen Lagen abzulegen, unter denen ihr gedrungener Leib verborgen war. Schal, Mantel, Handschuhe hatten sie praktisch luftdicht abgeschlossen, und Eve fragte sich, weshalb sie unter dem Gewicht all dieser Klamotten nicht zusammengebrochen war. Schließlich nahm sie auch die Mütze ab und ihr dunkles, im Nacken kess gestutztes Haar fiel um ihr kantiges Gesicht. Jetzt war nur noch ihrer roten Nasenspitze anzusehen, dass sie aus der Kälte kam.

»Der Beamte an der Tür meinte, es sähe nach einem schiefgegangenen Sexspiel aus.«

»Könnte sein. Die Frau ist momentan verreist.«

»Was für ein unartiger Junge.« Wieder in ihren normalen Straßenkleidern, sprühte sich Peabody die Hände und die Schuhe ein, trug ihren Untersuchungsbeutel an das Bett und sah sich den Nachttisch an. »Ein wirklich unartiger Junge.«

»Lassen Sie uns ihn noch mal identifizieren und den Todeszeitpunkt bestimmen.« Eve sah sich eine der schlaffen Hände des Toten an. »Sieht aus, als hätte er sich erst vor Kurzem eine Maniküre verpassen lassen. Die Nägel sind kurz, sauber und blank poliert.« Sie dachte kurz nach. »Keine Kratzer, keine blauen Flecken, keine sichtbaren Verletzungen außer an seinem Hals. Und…« Abermals hob sie die Decke an, und Peabody quollen fast die dunkelbraunen Augen aus dem Kopf.

»Aber hallo!«

»Ja, er wollte offensichtlich gerade richtig durchstarten. Ein Haus wie dieses ist wahrscheinlich gut gesichert, also sehen wir uns mal die Überwachungsvideos an. Es gibt zwei Droiden– vielleicht geben ja die Festplatten was her. Überprüfen Sie die Links, die Handys, Notizbücher, Adressbücher, Terminkalender. Tom hatte eindeutig Besuch. Schließlich hat er sich die Fesseln ganz bestimmt nicht selber angelegt.«

»Cherchez la femme. Das ist Französisch und heißt…«

»Ich weiß selber, was das heißt. Aber vielleicht cherchen wir ja auch den… was auch immer ›Kerl‹ auf Französisch heißt.«

»Oh. Ja.«

»Untersuchen Sie den Toten weiter«, bat Eve ihre Partnerin. »Ich nehme mir das Zimmer vor.«

Es war ein wahrhaft beeindruckender Raum, wenn man auf jede Menge Gold, schimmernde Accessoires und Schnörkel stand. Außer auf dem breiten Bett, in dem Anders offenbar gestorben war, konnte man sich auch noch auf einem Sofa, in einem von zwei überdimensionalen Sesseln oder auf einer automatischen Liege ausstrecken, und neben dem AutoChef waren ein Kühlschrank mit Messingtür, eine gut bestückte Bar sowie eine hochmoderne Entertainmentanlage an einer der Wände aufgereiht. In den an das Schlafzimmer grenzenden, riesengroßen Bädern waren Whirlpools, Duschen, Trockenkabinen, Entertainment- und Kommunikationsanlagen installiert, und es gab zwei dreistöckige Schränke, jeweils mit einem eigenen Ankleidebereich.

Wofür brauchten sie dann noch die anderen Räume in dem Haus?

Aber sie sollte sich mit Vorwürfen zurückhalten, gestand sie sich widerwillig ein. Schließlich hätte in das Haus, in das sie zu Roarke gezogen war, problemlos eine Kleinstadt hineingepasst, und es gab dort jeden Schnickschnack, den es für dicke, fette Fäuste voller Geld zu kaufen gab. Doch er hatte– Gott sei Dank– einen besseren Geschmack als die Anders. Sie war sich nicht ganz sicher, ob sie sich hätte in ihn verlieben oder gar mit ihm den Bund fürs Leben hätte schließen können, umgäbe er sich mit so viel Gold, Glitter, Glitzer sowie anderem unnötigen Kram.

So vollgestopft der Raum auch war, stand anscheinend jedes Ding an seinem Platz. Nichts wies darauf hin, dass jemand das Zimmer durchsucht hatte, nachdem Anders gestorben war. Sie fand einen Safe in jedem Schrank, derart schlecht versteckt, dass selbst ein zehnjähriges Kind mit verbundenen Augen sie gefunden hätte, und auch wenn sie natürlich noch mit der Ehefrau des Toten sprechen müsste, ging sie nicht von einem Einbruch oder einem Diebstahl aus.

Sie kehrte wieder ins Schlafzimmer zurück und sah sich noch einmal genauer um.

»Laut den Fingerabdrücken handelt es sich bei dem Toten um Thomas A. Anders, wohnhaft unter dieser Adresse«, setzte Peabody an. »Gestorben ist er um drei Uhr zweiunddreißig. Das ist entweder ganz schon spät oder ganz schön früh für irgendwelche Fesselspiele, finden Sie nicht auch?«

»Wenn der Mörder und das Opfer gemeinsam in den Raum gekommen sind, wo sind dann seine Kleider?«

Peabody sah ihren Lieutenant an und spitzte nachdenklich die Lippen. »Da Sie mit dem heißesten Mann des Universums verheiratet sind, sollte ich Ihnen nicht extra sagen müssen, dass man bei derartigen Spielchen für gewöhnlich unbekleidet ist.«

»Oder dass man den anderen aus seinen Kleidern schält. Wenn sie zusammen hereingekommen sind«, dachte sie weiter nach. »Wenn sie hierhergekommen sind, um miteinander zu spielen, hätte er sich dann ausgezogen und seine Kleider ordentlich irgendwo aufgehängt oder seine Unterhose in den Wäschekorb geworfen, bevor er zur Sache kommt? Wenn so was auf dem Spielplan steht«, sie zeigte auf das Sexspielzeug, »räumt man ja wohl nicht erst sorgsam seine Kleider weg. Dann reißt man sich die Klamotten gegenseitig vom Leib und lässt sie einfach auf den Boden fallen. Und selbst wenn es ein altbekanntes Spiel mit jemandem war, den er regelmäßig getroffen hat, hätte er dann nicht sein Hemd einfach über einen Stuhl gelegt?«

»Ich hänge meine Sachen vorher auf. Manchmal.« Peabody zuckte mit den Schultern, sah sich noch einmal im Zimmer um und strich sich geistesabwesend eine Strähne ihres Haars aus dem Gesicht. »Aber ja, das tue ich nur, wenn ich nicht daran denke, mich über McNab herzumachen und er noch nicht über mich hergefallen ist. Hier, und im Rest des Hauses, den ich auf dem Weg ins Schlafzimmer gesehen habe, wirkt alles aufgeräumt. Vielleicht war unser Opfer ja ein Ordnungsfanatiker.«

»Vielleicht. Oder vielleicht ist der Killer auch erst aufgetaucht, als er schon in der Falle lag. Drei Uhr morgens– Überraschung, Überraschung. Dann sind die Dinge außer Kontrolle geraten– ob mit oder ohne Absicht, wissen wir noch nicht. Der Killer kommt also herein– die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass das Opfer oder ein anderes Mitglied des Haushalts ihn gekannt hat, weil es keine Spuren eines Einbruchs gibt und das Haus wirklich gut gesichert ist. Vielleicht ist das ein Teil des Spiels. Der andere kommt erst, wenn er schon schläft. Überrascht ihn. Weckt ihn auf. Legt ihm die Fesseln an und macht sich dann über ihn her. Vielleicht war das ihr Spiel.«

»Bei dem sie dieses Mal zu weit gegangen sind.«

Eve schüttelte den Kopf. »Es ging so weit, wie der oder die andere es wollte. Ich glaube einfach nicht, dass sein Erstickungstod ein Unfall war.«

»Aber…« Wieder studierte Peabody den Toten und den Raum und wünschte sich, sie könnte dasselbe sehen wie Eve. »Warum?«

»Wenn es einfach nur ein Spiel war, bei dem etwas schiefgelaufen ist, warum hat der andere dann nicht die Schlinge um Anders’ Hals gelockert? Wenn es ein Unfall war, warum hat man die Schlinge nicht gelöst und versucht, ihn wiederzubeleben, als er angefangen hat zu zucken und nach Luft zu ringen?«

»Vielleicht… okay, das ist ziemlich weit hergeholt, aber vielleicht ist es ja zu schnell gegangen oder der oder die andere ist in Panik ausgebrochen.«

»Wie auch immer haben wir eine Leiche und somit auch einen Fall. Wir werden ja sehen, ob der Pathologe meint, dass es ein Unfall war. Jetzt lassen wir erst mal die Spurensicherung herein und knöpfen uns die Haushälterin vor.«

Greta Horowitz war eine kräftige Person mit einem langen, rechteckigen Gesicht und einem nüchternen Auftreten, das Eve durchaus nicht unsympathisch war. Sie bot ihnen einen Kaffee in der großen schwarz-silbernen Küche an und schenkte ihnen mit ruhigen Händen und trockenen Augen ein. Mit ihrer sonoren Stimme, dem deutschen Akzent, den klaren blauen Augen und der Statur einer Walküre brachte sie sicher nichts so einfach aus dem Gleichgewicht.

»Wie lange sind Sie schon hier, Ms Horowitz?«

»Ich bin seit neun Jahren im Land und auch in diesem Haus.«

»Sie kommen ursprünglich aus…«

»Berlin.«

»Wie sind Sie an die Stelle bei den Anders gekommen?«

»Durch eine Vermittlungsagentur. Sie wollen wissen, wie und aus welchem Grund ich hierhergekommen bin. Ich werde es Ihnen sagen, und dann können wir über das sprechen, was wirklich wichtig ist. Mein Mann war beim Militär. Er starb vor zwölf Jahren. Wir hatten keine Kinder. Ich habe Erfahrung in der Führung eines Haushalts, und da ich gerne in die Staaten wollte, habe ich mich in Deutschland an eine Vermittlungsagentur gewandt. Die Frau eines Soldaten kommt viel in der Welt herum, aber in New York war ich noch nie gewesen. Deshalb habe ich mich um den Posten hier beworben und wurde nach mehreren Gesprächen über Telefon und Videoschaltung engagiert.«

»Danke. Bevor wir zum wichtigen Teil der Unterhaltung kommen, wissen Sie, warum die Anders eine deutsche Haushälterin haben wollten?«

»Ich bin Hauswirtschafterin.«

»Eine deutsche Hauswirtschafterin?«

»Mr Anders’ Großmutter stammte aus Deutschland, und als Junge hatte er eine deutsche Kinderfrau.«

»Okay. Wann waren Sie heute Morgen hier?«

»Punkt sechs. Ich komme täglich um Punkt sechs, außer sonntags, denn das ist mein freier Tag. Pünktlich um vier mache ich Feierabend, außer dienstags und donnerstags, da gehe ich bereits um eins. Wenn nötig und wenn man mir früh genug Bescheid sagt, lege ich meine Arbeitszeiten auch mal um.«

»Als Sie heute Morgen um Punkt sechs erschienen sind, was haben Sie da ganz präzise getan?«

Gretas Lippen zuckten leicht. Vielleicht war es ein Anflug von Humor. »Ganz präzise habe ich meinen Mantel, meinen Hut, meinen Schal und meine Handschuhe ausgezogen und in den Schrank gehängt. Dann habe ich die Überwachungskameras im Haus eingeschaltet. Mr Anders stellte sie abends immer aus, wenn er sich schlafen legte. Er mag das Gefühl nicht, beobachtet zu werden, selbst wenn er allein zuhause ist. Meine erste Aufgabe ist es, die Kameras wieder einzuschalten. Danach bin ich in die Küche gekommen, habe gewohnheitsmäßig die Nachrichten eingeschaltet und geguckt, ob es irgendeine Nachricht für mich gibt. Für gewöhnlich legen mir meine Arbeitgeber abends ihre Bestellungen fürs Frühstück hin. Es ist ihnen lieber, wenn ich das Frühstück mache, statt dass sie etwas aus dem AutoChef bestellen. Mr Anders wollte frische Melone, ein Eiweißomelett mit Dill, zwei Scheiben Weizentoast mit Butter und Orangenmarmelade, Kaffee– er trinkt ihn mit Sahne, aber ohne Zucker– und ein Glas Orangensaft.«

»Wissen Sie, um wie viel Uhr er die Bestellung aufgegeben hat?«

»Ja. Um zweiundzwanzig Uhr siebzehn.«

»Also haben Sie angefangen, das Frühstück für ihn zu machen?«

»Nein. Mr Anders hätte heute erst um acht Uhr fünfzehn frühstücken wollen. Meine nächste morgendliche Aufgabe wäre es gewesen, die beiden Droiden wieder einzuschalten, die jeden Abend ausgeschaltet werden, wenn sich Mr und Mrs Anders zurückziehen, und ihnen ihre heutigen Aufgaben zu nennen. Die Droiden werden immer da drüben in dem Zimmer abgestellt, in dem auch die Alarmanlage ist.«

Sie wies auf eine Tür. »Ich bin in den Raum gegangen, um die Droiden einzuschalten, aber dann fiel mein Blick auf die Monitore der hausinternen Überwachungskameras, und ich sah, dass Mr Anders’ Schlafzimmertür geöffnet war. Mr Anders lässt die Tür nie offen stehen. Wenn er sich im Schlafzimmer aufhält oder den Raum verlassen hat, ist die Tür immer geschlossen. Falls ich etwas in dem Raum zu tun habe, muss ich die Tür offen stehen lassen, solange ich im Zimmer bin, und sie, wenn ich den Raum wieder verlasse, hinter mir zumachen. Das müssen die Droiden auch.«

»Warum?«

»Das zu fragen, steht mir nicht zu.«

Aber, dachte Eve, mir steht es zu.»Sie haben also gesehen, dass die Tür geöffnet war, aber den toten Mann im Bett haben Sie nicht bemerkt?«

»Die Kamera im Schlafzimmer nimmt nur die Sitzgruppe auf. Mr Anders hat sie extra so programmiert.«

»War er vielleicht ein bisschen phobisch?«

»Ja, vielleicht. Auf alle Fälle hat er großen Wert auf seine Privatsphäre gelegt.«

»Dann stand seine Tür heute Morgen also offen.«

»Neun Jahre«, fuhr Greta fort. »In all der Zeit stand die Tür nicht einmal auf, wenn ich morgens angekommen bin, außer wenn meine Arbeitgeber außer Hauses waren. Es hat mich beunruhigt, dass sie heute Morgen offen war, deshalb bin ich raufgegangen, ohne vorher die Droiden hochzufahren. Als ich zum Schlafzimmer kam, sah ich das Feuer im Kamin. Mr Anders gestattet nicht, dass das Feuer brennt, wenn er schläft oder nicht im Zimmer ist. Deshalb hat meine Besorgnis noch zugenommen, und ich habe den Raum betreten. Ich habe ihn sofort gesehen. Ich bin zum Bett gegangen und habe gesehen, dass ihm nicht mehr zu helfen war. Also bin ich sofort wieder runter und habe die Polizei verständigt.«

»Warum von hier unten aus?«

Die Hauswirtschafterin wirkte verwirrt. »Wegen der Krimis, die ich gelesen oder im Theater oder Fernsehen gesehen habe, dachte ich, dass ich nichts in dem Zimmer berühren sollte. War das falsch?«

»Nein, Sie haben genau das Richtige getan. Genau das Richtige.«

»Gut.« Greta nickte selbstzufrieden mit dem Kopf. »Dann habe ich Mrs Anders kontaktiert und auf die Polizei gewartet. Die beiden Beamten waren nach vielleicht fünf Minuten da. Ich habe sie ins Schlafzimmer hinaufgeführt und dann hat mich einer von ihnen wieder in die Küche gebracht und mit mir gewartet, bis Sie gekommen sind.«

»Danke für all diese Details. Können Sie mir sagen, wer alles den Zugangscode des Hauses hat?«

»Mr und Mrs Anders und ich selbst. Der Code wird alle zehn Tage geändert.«

»Sonst hat niemand diesen Code? Vielleicht ein guter Freund, ein anderer Angestellter oder ein Verwandter?«, fragte Eve.

Greta schüttelte nachdrücklich den Kopf. »Niemand.«

»Mrs Anders ist nicht da.«

»Nein. Sie ist Freitag zusammen mit ein paar Freundinnen für eine Woche nach St. Lucia geflogen. Sie verreisen jedes Jahr zusammen, wenn auch nicht immer an denselben Ort.«

»Sie haben sie kontaktiert.«

»Ja.« Greta rutschte ein wenig nervös auf ihrem Stuhl herum. »Inzwischen ist mir klar, dass ich hätte warten sollen, bis die Polizei das tut. Aber… sie sind meine Arbeitgeber.«

»Wie haben Sie sie kontaktiert?«

»Über das Resort. Wenn sie in Urlaub fährt, schaltet sie ihr Handy immer aus.«

»Und wie hat sie reagiert?«

»Ich habe ihr gesagt, dass Mr Anders einen Unfall hatte und nicht mehr am Leben ist. Ich glaube, sie hat mir anfangs nicht geglaubt oder mich nicht richtig verstanden. Ich musste es zweimal wiederholen, aber unter den gegebenen Umständen hatte ich das Gefühl, dass ich ihr nicht sagen sollte, welcher Art der Unfall war. Sie meinte, sie käme umgehend zurück.«

»Okay, Greta. Haben Sie eine gute Beziehung zu den Anders?«

»Sie sind gute Arbeitgeber. Sehr fair und vollkommen korrekt.«

»Wie steht es mit der Beziehung, die sie zueinander hatten? Das ist kein Tratsch«, fügte sie umgehend hinzu, weil sie in der guten Greta lesen konnte wie in einem offenen Buch. »Es ist nur fair und vollkommen korrekt, wenn Sie mir alles erzählen, was mir vielleicht hilft, herauszufinden, was letzte Nacht mit Mr Anders geschehen ist.«

»Sie haben auf mich einen sehr zufriedenen Eindruck gemacht, schienen gut zueinanderzupassen, ich hatte das Gefühl, ihre Beziehung und ihr gemeinsames Leben hätte ihnen Spaß gemacht.«

Der Fundort der Leiche sagte etwas anderes aus, fand Eve. »Hatte einer von den beiden oder vielleicht sogar alle beide Beziehungen außerhalb der Ehe?«

»Sie meinen sexueller Art. Das kann ich nicht sagen. Ich führte nur den Haushalt, und ich habe nie etwas im Haus gesehen, das darauf hingedeutet hätte, dass einer von den beiden eine außereheliche Beziehung unterhalten hat.«

»Fällt Ihnen irgendjemand ein, der ihm vielleicht hätte nach dem Leben trachten wollen?«

»Nein.« Greta lehnte sich langsam auf ihrem Stuhl zurück. »Ich dachte– ich hatte angenommen, jemand wäre eingebrochen, um etwas zu stehlen, und hätte Mr Anders umgebracht.«

»Fehlt denn irgendwas oder steht irgendetwas nicht an seinem Platz?«

»Nein. Nein. Aber ich habe auch noch nicht nachgesehen.«

»Ich muss Sie bitten, das zu tun. Einer der Beamten wird Sie auf dem Weg durchs Haus begleiten.« Sie hob den Kopf, als Peabody den Raum betrat. »Peabody, holen Sie einen der Beamten. Ich möchte, dass er Mrs Horowitz begleitet, während sie sich umsieht. Danach können Sie gehen«, wandte sie sich wieder Greta zu. »Falls Sie meiner Partnerin oder mir eine Adresse nennen, wo man Sie erreichen kann.«

»Ich würde lieber hier bleiben, bis Mrs Anders kommt, wenn das gestattet ist. Vielleicht braucht sie mich.«

»Also gut.« Eve stand auf und gab auf diese Weise das Signal, dass das Gespräch beendet war. »Danke für Ihre Kooperation.«

Als Greta den Raum verließ, ging Eve in das an die Küche angrenzende Zimmer, in dem sie auf zwei ausgeschaltete Droiden traf. Einer männlich, einer weiblich, beide uniformiert und würdevoll. Die von Greta erwähnten Überwachungsmonitore hingen ordentlich an einer Wand, und wie sie gesagt hatte, war vom Schlafzimmer nichts weiter als die Sitzecke zu sehen.

»Dallas?«

»Huh?«

»Die Alarmanlage und die Kameras wurden um zwei Uhr achtundzwanzig aus- und um drei Uhr sechsundzwanzig wieder angestellt.«

Eve drehte sich stirnrunzelnd zu Peabody um. »Aber da hat Anders noch gelebt.«

»Ja. Sämtliche Disketten, auf denen die letzten vierundzwanzig Stunden vor Wiederinbetriebnahme der Kameras aufgenommen waren, sind verschwunden.«

»Da bin ich aber überrascht. Am besten bestellen wir die elektronischen Ermittler ein. Vielleicht finden sie ja irgendwas. Dann hat Anders’ nächtlicher Besucher ihn also einfach hängen lassen, während er noch am Leben war. Das klingt aber nicht nach einem Spiel, bei dem was schiefgelaufen ist.«

»Nein«, stimmte Peabody ihr zu. »Das klingt nach Mord.«

Als ihr Handy klingelte, klappte Eve es auf. »Dallas.«

»Madam. Soeben ist Mrs Anders eingetroffen. Soll ich sie hereinbringen?«

»Bringen Sie sie in die Küche.« Eve steckte ihr Handy wieder ein. »Okay, lassen Sie uns hören, was die Witwe zu sagen hat.«

Sie wandte sich von den Monitoren ab und verfolgte, wie Ava Anders durch die Haustür trat. Ihr geöffneter schwarzer Pelzmantel schwang locker um einen in Dunkelblau gehüllten, schlanken Leib. Durch das streng aus dem Gesicht gekämmte, weizenblonde Haar wurden ihre hohen Wangenknochen vorteilhaft betont. Dicke Perlentropfen baumelten an ihren Ohren, und sie hatte eine getönte Brille vor den Augen, als sie neben dem Beamten in Stiefeln mit mörderischen Absätzen durch die reich verzierte Bogentür der weitläufigen, mit kostbarem Marmor ausgelegten Eingangshalle trat.

Wenige Sekunden, bevor Ava in die Küche kam, nahm Eve ihren Platz in der sonnigen Frühstücksecke ein. »Haben Sie hier die Verantwortung?« Ava wies mit dem Finger auf Eve. »Ich will wissen, was hier los ist. Wer zum Teufel sind Sie?«

»Ich bin Lieutenant Dallas von der New Yorker Polizei. Mordkommission.«

»Mordkommission? Was soll das heißen, ›Mordkommission‹?« Sie nahm ihre Sonnenbrille ab und warf sie achtlos auf die Anrichte. »Greta meinte, dass es einen Unfall gab. Tommy hätte einen Unfall gehabt. Wo ist mein Mann? Und wo ist Greta?«

Eve stand wieder auf. »Mrs Anders, es tut mir leid, Ihnen mitteilen zu müssen, dass Ihr Mann vergangene Nacht getötet worden ist.«

Ava blieb reglos mitten in der Küche stehen, runzelte die Stirn und atmete keuchend ein und aus. »Getötet? Aber ich dachte… Greta hat gesagt…« Sie stützte sich mit einer Hand auf der Arbeitsplatte ab, kam dann langsam an den Tisch und nahm müde Platz. »Wie? Ich dachte, er wäre… gestürzt. Ihm wäre schlecht geworden oder…«

Es war immer das Beste, möglichst schnell und sauber zuzustechen, wusste Eve. »Er wurde in seinem Bett erdrosselt.«

Ava hob eine Hand, presste sie vor ihren Mund, hob dann auch noch die andere, hielt damit die erste fest, schüttelte den Kopf, und ein Strom von Tränen ergoss sich aus ihren leuchtend blauen Augen über ihr Gesicht.

»Es tut mir leid, aber ich muss Ihnen ein paar Fragen stellen.«

»Wo ist Tommy?«

»Wir kümmern uns um ihn, Mrs Anders.« Peabody trat vor sie und bot ihr ein Glas Wasser an.

Ava nahm das Glas, und als ihre Finger zitterten, hielt sie es mit beiden Händen fest. »Ist jemand bei uns eingebrochen? Ich kann mir nicht vorstellen, wie das möglich sein soll. Das Haus ist sehr gut gesichert. Wir leben seit fünfzehn Jahren hier, und es ist nie etwas passiert.«

»Es gibt keine Spuren eines Einbruchs.«

»Ich verstehe nicht.«

»Wer auch immer Ihren Mann getötet hat, kannte entweder den Zugangscode zum Haus oder ihm wurde aufgemacht.«

»Das kann nicht sein.« Ava winkte eilig ab. »Niemand außer Tommy, mir und Greta kennt den Code. Sie wollen doch bestimmt nicht sagen, Greta…«

»Nein, das will ich nicht.« Obwohl sie die Hauswirtschafterin noch gründlich unter die Lupe nehmen würde, um ganz sicherzugehen. »Es gab keinen Einbruch, Mrs Anders. Bisher gibt es keinen Hinweis darauf, dass etwas gestohlen oder verändert worden ist.«

Ava legte eine Hand auf der luxuriösen Perlenkette zwischen ihren Brüsten ab. »Wollen Sie damit etwa sagen, Tommy hätte jemanden hereingelassen und derjenige hätte ihn umgebracht? Das ergibt doch einfach keinen Sinn.«

»Mrs Anders, hatte Ihr Mann eine sexuelle oder romantische Beziehung außerhalb der Ehe?«

Ava wandte erst den Kopf und dann den ganzen Körper ab. »Ich möchte jetzt nicht darüber reden. Ich werde jetzt nicht darüber reden. Mein Mann ist tot.«

»Falls Sie von jemandem wissen, der sich Zugang zum Haus und zu seinem Schlafzimmer hätte verschaffen können– während Sie selber außer Landes waren–, könnte uns das einen Hinweis auf den Mörder und auf das Motiv geben.«

»Ich weiß nicht. Ich weiß es wirklich nicht. Und ich kann auch nicht darüber nachdenken.« Dann ließ sie ihren Zorn an der Polizistin aus. »Ich will, dass Sie mich in Ruhe lassen. Ich will, dass Sie gehen.«

»Das werde ich ganz sicher nicht. Vorläufig ist dieses Haus Bestandteil der Ermittlungen in einem Mordfall. Schließlich ist das Schlafzimmer Ihres Mannes der Tatort. Ich schlage Ihnen vor, vorübergehend irgendwo anders Quartier zu beziehen, sich aber weiter für uns zur Verfügung zu halten. Denn wenn Sie jetzt nicht länger mit uns sprechen wollen, führen wir die Unterhaltung einfach später fort.«

»Ich will zu meinem Mann. Ich will Tommy sehen.«

»Das werden wir so bald wie möglich arrangieren. Sollen wir jemanden für Sie anrufen?«

»Nein.« Ava blickte aus dem Fenster in den kalten Sonnenschein hinaus. »Ich will niemanden sehen. Ich will erst einmal niemanden sehen.«

Draußen schwang sich Eve hinter das Lenkrad ihres Wagens, während sich Peabody auf den Beifahrersitz fallen ließ. »Ganz schön heftig«, meinte sie. »In der einen Minute genießt du die Tropensonne und schlürfst einen tollen Cocktail, und in der nächsten ruft dich jemand an, um dir zu sagen, dass dein Partner nicht mehr lebt.«

»Sie weiß, dass er sie betrogen hat. Sie weiß darüber Bescheid.«

»Ich nehme an, das wissen sie wahrscheinlich immer. Ich meine, die betrogenen Ehefrauen. Und ich glaube, oft genug gelingt es ihnen, die Geschichte zu verdrängen und so lange zu tun, als ob ihre Welt in Ordnung wäre, bis sie es am Schluss tatsächlich glauben.«

»Würden Sie Tränen um McNab vergießen, wenn Sie wüssten, dass er Sie betrogen hat?«

Peabody spitzte nachdenklich die Lippen. »Tja, da ich in dem Fall diejenige wäre, die ihn ermordet hat, würde ich wahrscheinlich Tränen vergießen, weil Sie mich festnehmen. Denn das würde mich wirklich traurig machen. Aber es lässt sich doch bestimmt ganz einfach überprüfen, ob Ava Anders außer Landes war, als Thomas starb.«

»Tun Sie das. Außerdem sehen wir uns auch ihre Finanzen an. Die beiden hatten jede Menge Geld. Vielleicht hat sie ja etwas davon abgezwackt und jemanden für diesen Mord bezahlt. Oder vielleicht hat sie seine Gespielin oder seinen Gespielen dazu gebracht.«

»Das wäre eiskalt.«

»Außerdem werden wir die Freunde, Geschäfts- und Golfpartner des Toten überprüfen…«

»Golf?«

»Er hatte heute Morgen um zehn eine Verabredung zum Golf mit einem gewissen Edmond Luce. Vielleicht kann der uns ja erzählen, mit wem Anders andere Spiele gespielt hat, wenn seine Frau mit ihren Freundinnen auf Reisen war.«

»Würde Ihnen das gefallen? Eine reine Frauentour?«

»Ganz sicher nicht.«

»Also bitte, Dallas.« Bereits bei dem Gedanken hellte sich Peabodys Stimme auf. »Man sucht sich zusammen mit seinen Freundinnen ein nettes Ziel, an dem man abhängen, jede Menge Wein oder schicke Cocktails schlürfen, sich Gesichtsmasken und Massagen verpassen oder einfach am Strand in der Sonne liegen kann, bevor man sich die halbe Nacht über irgendwelchen Blödsinn unterhält.«

Eve sah sie von der Seite an. »Eher würde ich mich nackt über Glasscherben zerren lassen.«

»Ich finde, wir sollten durchaus einmal auf Frauentour gehen. Sie, ich, Mavis, vielleicht Nadine und Louise und natürlich Trina. Sie könnte uns die Haare machen und…«

»Wenn Trina in diesem mystischen Albtraum auftaucht, werde ich sie nackt über Glasscherben zerren. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen.«

»Sie hätten dabei sicher jede Menge Spaß«, murmelte Peabody.

»Wahrscheinlich ja. Zehn oder zwanzig Jahre später würde ich bestimmt bereuen, dass ich sie über Glasscherben gezogen habe, aber in dem Augenblick, in dem ich es täte, wäre es bestimmt ausnehmend amüsant.«

Seufzend zog Peabody ihren Handcomputer aus der Tasche und fing mit der Überprüfung des Ava’schen Alibis und ihrer Finanzen an.

2

Es war interessant, doch nicht weiter überraschend, dass Anders’ New Yorker Firmensitz in dem schlanken, schwarzen Turm in der Fünften lag. Der Eigentümer dieses schlanken, schwarzen Turms war Roarke Enterprises, deren Hauptsitz ebenfalls in dem Gebäude angesiedelt war.

»Wollen Sie noch kurz…«

»Nein.«

Peabody rollte mit den Augen, als sie hinter Eve das riesige, schimmernde Foyer mit dem Meer aus Blumen, den beweglichen Karten und den gut besuchten Nobelboutiquen betrat. »Ich dachte nur, wenn wir schon mal hier sind…«

»Warum sind wir hier? Und wenn Sie noch einmal hinter meinem Rücken mit den Augen rollen, steche ich sie Ihnen mit einem Holzstab aus.«

»Sie haben doch gar keinen Stab dabei.«

»Da drüben steht ein Baum. Ich breche also einfach einen von den Zweigen ab.«

Peabody stieß einen Seufzer aus. »Wir sind hier, weil wir in einem Mordfall ermitteln.«

»Und glauben wir, Roarke hätte Anders umgebracht?«

»Nein.«

Eve blieb neben dem Tisch des Sicherheitsdienstes stehen und wollte gerade ihre Dienstmarke aus ihrer Tasche ziehen, als der Wachmann so breit lächelte, dass sie zwei Reihen strahlend weißer Zähne sah. »Lieutenant Dallas. Gehen Sie einfach rauf.«

»Da will ich gar nicht hin. Wie komme ich zu Anders Worldwide?«

Er klopfte auf seinen Computermonitor. »Einundzwanzigste und zweiundzwanzigste Etage. Der Empfang ist in der einundzwanzigsten. Am besten nehmen Sie einen der Fahrstühle aus der ersten Reihe. Soll ich oben anrufen?«

»Nein danke.«

Eve bestellte einen Lift, stieg ein und fuhr zusammen mit Peabody in den einundzwanzigsten Stock hinauf.

»Glauben Sie, Roarke hat Anders gekannt?«

»Wahrscheinlich.«

»Könnte praktisch sein.«

Eve hatte inzwischen fast den Punkt erreicht, an dem sie es nicht mehr nur als ärgerlich empfand, dass Roarke so verdammt viele Leute kannte, deshalb sagte sie einfach: »Vielleicht. Es heißt, Anders wäre ungefähr eine Milliarde wert gewesen und hätte die Anteilsmehrheit an Anders Worldwide gehabt.« Sie steckte die Daumen in die Hosentaschen und trommelte nachdenklich mit ihren Fingern auf den Oberschenkeln herum. Das ist ein ziemlich gutes Motiv für einen Mord. Nimmt man dann noch Sex dazu, hat man alles, was man braucht. Gier, Eifersucht, Rache, materiellen Gewinn.«

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