Ein vergessener Forschungsstand - Friedrich Adolf Trendelenburg, Hermann Rudolf Lotze, Carl Stumpf und Kurt Lewin - Tobias Peters - E-Book

Ein vergessener Forschungsstand - Friedrich Adolf Trendelenburg, Hermann Rudolf Lotze, Carl Stumpf und Kurt Lewin E-Book

Tobias Peters

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Beschreibung

Die „Feldtheorie in den Sozialwissenschaften“ von Kurt Lewin, ist eine der anspruchsvollsten Theorien der Sozialwissenschaften. Die Feldtheorie wird als Ergebnis einer über 100jährigen Forschungsanstrengung gedeutet, die mit Friedrich Trendelenburg und Hermann Lotze begann und über Carl Stumpf zu Kurt Lewin führte. Behandelt werden Biographie und Forschungsleistungen dieser Forscher. Die Ergebnisse ihrer Forschungen sind heute fast vergessen. Sie liefern jedoch bis heute wichtige Argumente in der wissenschaftlichen Diskussion. Kurt Lewin hat die Feldtheorie durchgehend experimentell belegt und mathematisch formuliert. Die grundlegenden Gedanken der Feldtheorie werden erläutert und es wird eingehend auf die experimentelle und formalsprachlich exakte Methodik der Wissenschaften eingegangen. Anhand der Auseinandersetzungen um Marxismus, Neopositivismus und Neoliberalismus wird gezeigt, dass sich mit dem vergessenen Forschungsstand wichtige theoretische Probleme lösen lassen.

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Inhaltsverzeichnis

EINFÜHRUNG

ÜBERBLICK ÜBER DEN FORSCHUNGSVERLAUF: EMPIRISCHE PSYCHOLOGIE UND PHILOSOPHIE IM 19. JAHRHUNDERT

TEIL I − DIE FORSCHER

1. FRIEDRICH ADOLF TRENDELENBURG: VOM SUBSTANZDUALISMUS ZUM BEWEGUNGSDUALISMUS

1.1 Zur Person

1.2 Zur wissenschaftlichen Leistung

2. HERMANN RUDOLF LOTZE: VON DER DUALEN BEWEGUNGSTHEORIE ZU EINER NEUEN THEORIE DES DENKENS

2.1 Zur Person

2.2 Zur wissenschaftlichen Leistung

3. CARL FRIEDRICH STUMPF: DIE ERARBEITUNG DER EXPERIMENTELLEN METHODE

3.1 Zur Person

3.2 Zur wissenschaftlichen Leistung

4. KURT LEWIN: PSYCHOLOGIE ALS EXAKTE WISSENSCHAFT

4.1 Zur Person

4.2 Zur wissenschaftlichen Leistung

TEIL II − FORSCHUNGSERGEBNISSE

5. WISSENSCHAFT UND IHRE EXAKTE METHODIK

6. BEITRÄGE ZUR LÖSUNG DES LEIB-SEELE PROBLEMS

6.1 Subjektive Erkenntnis als Ausgangspunkt des sicheren Wissens – Descartes, Lotze, Stumpf, Lewin

6.2 Die dynamische Auffassung der Erkenntnis und das Kategoriensystem

6.3 Weiterentwicklung der Ideentheorie durch Hermann Lotze

6.4 Zum Zusammenhang von Sprache, Logik und Mathematik

6.5 Annahmen über die Theorie der Natur I – Gegenstandstheorie

6.6 Annahmen über die Theorie der Natur II – Bewegungstheorie

6.7 Forschungen zum Erkenntnismechanismus

6.8 Begründung der exakten Wissenschaften über ein Abstraktionsverfahren.

6.9 Erweiterung der Aussagenkette durch rekursive Begründungen

7. DER SCHRITT ZUR SOZIALPSYCHOLOGIE

7.1 Überblick

7.2 Sozialisation, Entwicklung von Wissen, Vorurteile, Stereotype

7.3 Experimente zum Gruppendruck, Milgram-Experiment und Stanford-Prison-Experiment

TEIL III − DER VERGESSENE FORSCHUNGSSTAND UND GLAUBENSSYSTEME

8. WISSENSCHAFT UND GLAUBENSSYSTEME

8.1 Tatsachenorientierung

8.2 Glaubenssysteme

9. HEGELIANISMUS UND MARXISMUS

10. WISSENSCHAFTSTHEORIE UND NEOPOSITIVISMUS

10.1 Entstehung der modernen Wissenschaftstheorie

10.2 Neopositivismus – Wiener Kreis

11. GRENZNUTZENTHEORIE

11.1 Entwicklung der Theorie

11.2 Empirische Befunde und Kritik

11.2.1 Psychische Sättigung – Gunnar Myrdal und Ludwig von Mises

11.2.2 Kategorienfrage und Mathematisierung

12. NEOLIBERALISMUS UND MONT-PELERIN-GESELLSCHAFT

12.1 Neoliberalismus und Gründung der Mont-Pelerin-Gesellschaft

12.2 Mont-Pelerin-Gesellschaft und kritischer Rationalimus

SCHLUSSWORT

LITERATURVERZEICHNIS

PERSONENVERZEICHNIS

„Die strenge Auffassung des Gesetzes gibt uns ein Recht, vom experimentellen Einzelfall zum Typus, also zum allgemeingültigen Gesetz aufzusteigen, das sowohl für das Genie wie für den Idioten, für den Gesunden wie für den Kranken verbindlich ist.“

Kurt Lewin 1

1 Lewin, 1981a, S.313

Einführung

Die Feldtheorie in den Sozialwissenschaften von Kurt Lewin ist eine Grundlagentheorie. Damit können die Forschungsergebnisse der Psychologie, der Sozialpsychologie, der Soziologie, der Pädagogik, der Politik- und Wirtschaftswissenschaften und die Methoden der sozialen Arbeit erklärt werden.

Die Arbeiten von Friedrich Adolf Trendelenburg, Hermann Rudolf Lotze und Carl Stumpf wurden benutzt, um Lewin besser zu verstehen. Diese Forscher führen mit ihren wissenschaftlichen Arbeiten direkt zu Kurt Lewin. Die Ergebnisse können als aufeinander aufbauende Beiträge eines einzigen und einheitlichen Forschungsprogramms zur Erkenntnistheorie und Psychologie angesehen werden.

Für die Arbeit habe ich einen historischen und einen theoretischen Blickwinkel gewählt. Ich stelle zuerst die relevanten Forschungsentwicklungen des 19. Jahrhunderts vor. Danach werden die Biographien und die Forschungsleistungen der Forscher vorgestellt.

Der zweite Teil stellt die Einzelleistungen im Zusammenhang dar und zeigt auf, wie sie mit der wissenschaftlichen Arbeit von Kurt Lewin verbunden sind. Schwerpunkt dieser Auswertung ist die Wissenschafts- und Erkenntnistheorie der vier Wissenschaftler.

Im dritten Teil wird der von ihnen erreichte Forschungstand mit einigen Theorien der heutigen Forschung verglichen. Insbesondere mit dem Marxismus, dem Neopositivismus und der Grenznutzentheorie in ihrer neoliberalen Ausdeutung.

Alle Forscher verwendeten einen ganzheitlichen wissenschaftlichen Ansatz. Ihnen geht es um die allgemeingültige Theorie. Die Forscher waren jeweils vertraut mit dem Forschungstand der Philosophie und den Natur- und Geisteswissenschaften. Heute sind das die Fächer: Philosophie, Physik, Informatik, Neurophysiologie, Logik, Mathematik, Psychologie, Sozialpsychologie und die Wirtschafts- und Sozialwissenschaften.

Der Philosoph Friedrich Adolf Trendelenburg arbeitete die Geistesgeschichte auf und beschäftigte sich eingehend mit Klassikern wie Platon, Aristoteles, Leibniz, Spinoza, Hegel, Herbart und Kant.

Hermann Rudolf Lotze schlägt als Naturwissenschaftler die Verbindung in die Gedankenwelt der theoretischen Naturwissenschaften. Er hat eine umfassende und experimentell überprüfbare Hypothese über Erkenntnis und Denken erarbeitet.

Carl Stumpf entwickelte die notwendigen experimentellen Techniken und leistete die Detailarbeit zu vielen Aspekten dieser Hypothese.

Das Werk von Kurt Lewin baut auf den Ergebnissen dieser drei Forscher auf. Seine „Feldtheorie in den Sozialwissenschaften“ ist eine vollständig mathematisierte und experimentell durchgeprüfte Grundlagentheorie.

Die von den vier Forschern behandelten Themen können auch als Beiträge zur Lösung des Leib-Seele-Problems verstanden werden.

Der erreichte Forschungsstand wurde nach dem zweiten Weltkrieg weitestgehend vergessen.

Überblick über den Forschungsverlauf: Empirische Psychologie und Philosophie im 19. Jahrhundert

Mit der Bezeichnung „die Geisteswissenschaften“, waren lange Zeit alle Wissenschaften außerhalb der Naturwissenschaften und der Mathematik gemeint. Das Kernfach war die Philosophie. Die Geisteswissenschaften folgen heute immer noch zentralen Entscheidungen, die in der Philosophie getroffen wurden.

Der Erfolg der Naturwissenschaften stellte etwas vollständig Neues für die Geistesgeschichte dar. Anfang des 19. Jahrhunderts begann deshalb eine neue Forschergeneration die Forschungsfragen der Geisteswissenschaften mit den „harten" Methoden des Experiments und der Mathematik zu bearbeiten. 2

Zu diesem Aufbruch gehörten Ernst Heinrich Weber (1795-1878), Gustav Theodor Fechner (1801-1887), Friedrich Eduard Beneke (1798-1854) und Johann Friedrich Herbart (1776-1841).

Weber und Fechner waren Pioniere der Experimentalpsychologie. Sie führten erste psycho-physiologische Experimente durch. Beneke ist bekannt durch sein „Lehrbuch der Psychologie als Naturwissenschaft“.3

In der damaligen Zeit ist Herbart im deutschen Sprachraum einer der einflussreichsten Philosophen, Psychologen und Pädagogen. Er gilt als Begründer der modernen Pädagogik und ist eng verbunden mit der preußischen Bildungsreform von Wilhelm von Humboldt (17671835) und dem preußischen Kultusminister Karl vom Stein zum Altenstein (1770-1840).

Der neue methodische Anspruch der Forscher wird durch Johann Friedrich Herbart klar formuliert. Arbeiten von ihm tragen Titel wie, „Psychologie als Wissenschaft, neu gegründet auf Erfahrung, Metaphysik und Mathematik“ oder „Über die Möglichkeit und Nothwendigkeit, Mathematik auf Psychologie anzuwenden“.4

Zu dem Aufbruch gehörte auch Friedrich Adolf Trendelenburg (18021872). Er wurde 1833 vom preußischen Kultusministerium als Professor an die Universität Berlin berufen und übernahm gleichzeitig eine Tätigkeit im Kultusministerium zur Vorbereitung einer Schulratsstelle.5

Trendelenburg wurde Mitte des 19. Jahrhunderts zum mächtigsten und einflussreichsten Wissenschaftsmanager in Preußen.

Auch Hermann Rudolf Lotze (1817-1881) gehörte zu dieser Forschergeneration. Er wurde 1840 Privatdozent in Leipzig und zwei Jahre später dort ordentlicher Professor. 1844 übernahm er in Göttingen den Lehrstuhl von Johann Friedrich Herbart.

Lotze war zwar nicht mit der institutionellen Macht Trendelenburgs ausgestattet, doch galt er ebenfalls als eine der einflussreichsten Personen in der deutschsprachigen wissenschaftlichen Welt des 19. Jahrhunderts.

Zu Lotze und Trendelenburg stößt um 1860 Franz Brentano (18381917). Er hatte bei dem Aristoteles Experten Trendelenburg studiert und mit einer hervorragenden Arbeit über Aristoteles auch bei ihm promoviert.6

Franz Brentanos Arbeiten sind äußerst interessant.7 Der Weg zu Kurt Lewin (1890-1947) führt aber über Carl Stumpf (1848-1936) und nicht über Franz Brentano.

Carl Stumpf ist 1866 bei Franz Brentanos Habilitationsvortrag anwesend. Er ist begeistert von ihm und seinen wissenschaftlichen Ansichten.

Brentano sprach in seinem Vortrag deutlich die methodischen Standards aus, an denen auch Trendelenburg, Lotze, Stumpf und Lewin zu messen sind.

Brentano

„Die wahre Methode der Philosophie ist keine andere als die der Naturwissenschaften.“8

Carl Stumpf studierte bei Brentano. Bei Lotze promovierte er 1868 und habilitierte sich 1870 ebenfalls bei Lotze, weil Brentano aufgrund persönlicher Entscheidungen zwischenzeitlich seinen Lehrstuhl aufgeben musste.

Die akademische Karriere von Carl Stumpf führte ihn in den 1890er Jahren an die Friedrich-Wilhelms-Universität nach Berlin, der heutigen Humboldt-Universität. Dort begann er 1895 mit dem Aufbau des „Berliner Instituts für experimentelle Psychologie“. Knapp zwanzig Jahre später war dieses Institut eines der größten experimentalpsychologischen Forschungsinstitute der Welt.9

1920 wechselte die Leitung des Berliner Instituts von Carl Stumpf zu Wolfgang Köhler. Das folgende Jahrzehnt sollte zu den goldenen Jahren der Gestaltpsychologie werden. In der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts ist die Gestaltpsychologie eine wichtige Richtung innerhalb der experimentell orientierten Psychologie. Zu den Gründern der Gestaltpsychologie werden Wolfgang Köhler (1887-1967), Kurt Koffka (1886-1941), Max Wertheimer (1880-1943) und Kurt Lewin (1890-1947) gezählt.

Kurt Lewin begann 1910 sein Studium am „Berliner Institut für experimentelle Psychologie“. Für seine Doktorarbeit wählte er ein Thema aus der experimentellen Willenspsychologie.10 Probleme bei der Bearbeitung brachten ihn dazu, das „Grundgesetz der Assoziation“ zu überprüfen, auf das die Willenspsychologie aufbaut. Die Überprüfung zeigte die mangelnde Tragfähigkeit dieses Gesetzes. Lewin entwickelte im Anschluss eine alternative Theorie, die als „Feldtheorie in den Sozialwissenschaften“ bekannt ist.

Bei dem von Lewin überprüften „Grundgesetz der Assoziation“, handelt es sich um die seit der Antike bekannten und bis heute vertretenen traditionellen Vorstellungen zahlreicher Psychologen und Philosophen über den Verlauf des Denkens. In der Neuzeit wurden sie von angelsächsischen Philosophen und Psychologen, wie Thomas Hobbes (1588-1679), John Locke (1631-1704) und David Hume (1711-1776) detailliert ausgearbeitet. Der im letzten Jahrhundert populäre Behaviorismus ist eine Variante dieser Theorie.11

Die Berliner Forschungsgemeinschaft der Gestaltpsychologen, zu der auch Lewin gehörte, emigrierte ab 1933 fast vollständig ins Ausland. Lewin emigrierte in die USA und konnte sich dort schnell als Forscher etablieren. Dort beschäftigte er sich aber nicht mehr mit Grundlagenforschung und Wissenschaftstheorie, wie in Deutschland, sondern mit angewandter Forschung.

Lewins Feldtheorie kann als Fortführung des mit Trendelenburg und Lotze begonnenen Entwicklungspfades angesehen werden.

Die Ergebnisse der über 100 Jahre langen Forschungszeit, sind insbesondere in Kurt Lewins „The Conceptual Representation and the Measurement of Psychological Forces“ von 1938 und in der 1939 erschienen „Erkenntnislehre“ von Carl Stumpf dokumentiert.12

Das psycho-physische Problem ist eine der zentralen theoretischen Forschungsfragen von Beginn der Neuzeit bis heute. Es geht dabei um die Frage: Wie kann es sein, dass der Mensch, obwohl sein Körper allen Regeln der Physik unterworfen ist, sich nicht nach diesen Regeln verhält?

Die traditionelle Antwort auf diese Frage ist die Annahme einer Existenz von zwei verschiedenen Gegenstandsbereichen, die Leib und Seele oder Materie und Geist genannt werden.

Den Forschern entstanden aus der bewussten Trennung zwischen den Erkenntnisbereichen Materie und Geist mehrere Herausforderungen.

Aus der von den Naturwissenschaften bis heute exklusiv für sich reklamierten exakten wissenschaftlichen Methodik, musste eine gemeinsame exakte Methodik der Natur-, Geistes- und Sozialwissenschaften entwickelt werden.

Dazu war es notwendig, die bestehende exakte Methodik der Naturwissenschaften zu analysieren, um sie dann in eine für jede Wissenschaft gültige Wissenschaftstheorie zu übertragen. Nur mit einer allgemeingültigen Wissenschaftstheorie, kann eine Anwendung dieser Methodik in der Philosophie, der Psychologie und den Sozialwissenschaften begründet werden.

Die damals vorgenommene Trennung von Psychologie und Physik machte nur Sinn, wenn von einem prinzipiellen Unterschied zwischen Natur- und Geistesvorgängen ausgegangen wird. Deshalb musste die exakte Theorie im Bereich des Geistes von Grund auf anders strukturiert sein, als die exakte Theorie der Natur. Ansonsten wäre die Psychologie nur eine anders genannte Physik.

Der prinzipielle Unterschied zwischen Physik und Psychologie, ist auch heute noch eine theoretische Streitfrage. Der Unterschied bedeutet, dass ein in irgendeiner Art und Weise begründeter dualistischer Ausgangspunkt eingenommen wird.

Mit diesem dualistischen Ausgangspunkt handelt der Forscher sich dann das psycho-physische Problem ein, wie es in der Psychologie des 19.Jahrhunderts genannt wurde.

In der Literatur wird es auch unter den Begriffen Leib-Seele-Problem, Körper-Geist-Problem, Body-Mind-Problem oder Erkenntnisproblem behandelt.

Bei dieser Entwicklung nahm Friedrich Adolf Trendelenburg, als einflussreicher Wissenschaftsmanager in Preußen, eine zentrale Stellung ein.

Seine institutionelle Stellung in der Wissenschaftspolitik in Preußen erlaubte es ihm, wesentlich in der Forschungspolitik und bei der Stellenbesetzung der damaligen Zeit mitzureden.

Trendelenburg hatte auch große Anteile an der Entstehung des Neukantianismus.13

In seiner wissenschaftlichen Arbeit stellte Trendelenburg eine neue Lösungsidee zum psycho-physischen Problem vor. Diese Idee wurde sofort von Hermann Lotze aufgenommen und in eine umfassende Forschungshypothese der exakten Wissenschaften umgeformt. Kern dieser Hypothese Lotzes, ist eine neue Theorie des Denkens und eine Weiterentwicklung der Ideentheorie. Später baute Lewin darauf auf.

Um eine systematische und dauerhafte experimentelle Forschung durchführen zu können, wurden die notwendigen finanziellen und personellen Ressourcen organisiert und die psychologische Experimentaltechnik wurde stark verbessert.

1879 gründete Wilhelm Wundt (1832-1920) in Leipzig das erste experimentalpsychologische Institut der Welt.14

Um 1900 war Wilhelm Wundt einer der einflussreichsten experimentell arbeitenden Psychologen. Er vertrat allerdings einen anderen theoretischen Ansatz in der Psychologie, als der zur gleichen Zeit tätige Carl Stumpf.

Die experimentelle Forschung in Philosophie und Psychologie war so erfolgreich, dass die nicht experimentell arbeitenden Philosophen im Jahr 1913 gegen die Besetzung der Lehrstühle in den philosophischen Fakultäten mit experimentell arbeitenden Philosophen und Psychologen protestierten.

In diesem Jahr erschien in allen relevanten Fachzeitschriften der Philosophie eine „Erklärung gegen die Besetzung philosophischer Lehrstühle mit Vertretern der experimentellen Psychologie“.15 Die 107 Unterzeichner der Erklärung repräsentierten zwei Drittel aller Philosophiedozenten des deutschen Sprachraums.

Unterzeichnet hatten u.a.: Ernst Cassirer, Hermann Cohen, Jonas Cohn, Rudolf Eucken, Heinrich Gomperz, Richard Hönigswald, Edmund Husserl, Emil Lask, Leonard Nelson, Paul Natorp, Heinrich Rickert, Alois Riehl, Moritz Schlick, Georg Simmel, Ferdinand Tönnies, Hans Vaihinger und Wilhelm Windelband.

In der Folge trennten sich die Philosophen von der experimentellen Forschung und die Philosophen warfen die Psychologen aus ihren Fakultäten heraus.

Die Erklärung dokumentiert, dass sich eine bedeutende Wissenschaftlergruppe von einem soeben erreichten Forschungstand abwendete und sich mit dem ungenaueren Wissen der Vergangenheit zufrieden gab.

Der Psychologe Wilhelm Wundt diskutierte in seiner 1913 erschienen Schrift „Die Psychologie im Kampf ums Dasein“ diese Entscheidung ausführlich. Er wies geradezu prophetisch auf ihre möglichen Folgen hin, wie dem Auseinanderfallen der Einheit der Wissenschaften.16

Die Entscheidung vieler Geisteswissenschaftler gegen die experimentelle und exakte Methodik, war begleitet von einer Diskussion über den prinzipiellen Unterschied zwischen einer natur- und geisteswissenschaftlichen Methode.

Mit dieser Diskussion wurde der Unterschied zwischen Wissenschaft und Glaubenslehre verwischt. Als Folge eines prinzipiellen Unterschieds in den wissenschaftlichen Methoden, wurde die eine allgemeingültige Aussagenkette der exakten Wissenschaft in zwei verschiedene Ketten geteilt.

Die beiden verschiedenen Aussagenketten etablierten sich als „die Naturwissenschaft“ und „die Geisteswissenschaft“. Sie entwickelten sich zu zwei streng getrennten Wissenschaftsbereichen, die jeweils ihre eigene Theorie mit ihrer eigenen Methodik bearbeiteten.

Dem Ideal einer allgemeingültigen Theorie konnte damit nicht mehr gefolgt werden.

2 Die Entwicklung von Kant zu der experimentellen Psychologie vor 1850 hat Margret Kaiser-El-Safti ausgearbeitet. Kaiser-El-Safti vertritt eine Entwicklungsline von Johann Friedrich Herbart, Friedrich Adolf Trendelenburg, Hermann Lotze und Carl Stumpf zu Edmund Husserl, Kaiser-El-Safti, 2001

3 Beneke, 1833

4 Herbart, 1822, 1824

5Hartung, 2006a, S.8

6 Siehe dazu Libardi, 1996, S.25f. u. S.32ff.; Brentanos Dissertation, Brentano, 1862

7 Zur Person Brentanos siehe Albertazzi, 1996a; Besonders hinzuweisen ist auf Brentanos „Psychologie vom empirischen Standpunkt“, 1955/59. Das Buch erscheint erstmalig 1874, genau zu der Zeit, als Stumpf seine akademische Laufbahn begann. Es kann als Synthese und Fortschreibung der psychologischen Ansichten von Hermann Lotze, Friedrich Trendelenburg und des damaligen Forschungstandes angesehen werden.

8 Brentano, 1968a, S.137

9Ash, 2000/2001, S.120

10 Lewin, 1917, 1922a u. b

11 Siehe dazu Amin, 1973, S.19-96

12 Lewin, 1938; Stumpf, 1939/40

13 Über Trendelenburgs Einfluss auf die Entstehung des Neukantianismus siehe Köhnke, 1986, S.23-57

14 Siehe Lück, 2005, S.35ff.

15 „Erklärung gegen die Besetzung philosophischer Lehrstühle mit Vertretern der experimentellen Psychologie“, 1913

16 Wundt, 1913, S.30ff.

Teil I

Die Forscher

Biographie und Lebenswerk:

Trendelenburg, Lotze, Stumpf, Lewin

1. Friedrich Adolf Trendelenburg: Vom Substanzdualismus zum Bewegungsdualismus

1.1 Zur Person

Friedrich Adolf Trendelenburg wurde am 30.11.1802 in Eutin geboren und starb am 24.1.1872 in Berlin.17 Er studierte Philologie und Philosophie in Kiel, Leipzig und Berlin und promovierte 1826 an der Universität in Berlin mit einer Abhandlung über die Ideenlehre Platons.18

Er stammt aus einer traditionsreichen Wissenschaftlerfamilie. Bekannte Wissenschaftler seiner Familie sind: Adolf Friedrich Trendelenburg (1737–1803), Juraprofessor in Kiel; Adolf Trendelenburg (1844–1941), Archäologe und Philologe; Friedrich Trendelenburg (1844–1924), Arzt, der bis heute bekannt ist durch das Trendelenburg-Zeichen und den dazugehörigen Trendelenburg-Test. Der Arzt Friedrich Trendelenburg ist der Sohn des hier behandelten Philosophen Friedrich Adolf Trendelenburg. Zu nennen ist noch Ferdinand Trendelenburg (1896-1973), Physiker und Vorsitzender der Deutschen Physikalischen Gesellschaft.

Zu den akademischen Lehrern von Friedrich Adolf Trendelenburg gehörten Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770-1831), Friedrich Schleiermacher (1768-1834) und Karl Leonhard Reinhold (17571823).

Reinhold war einer der ersten Interpreten der Philosophie von Immanuel Kant (1724-1804). Er machte Kant in allgemeinverständlichen Erklärungen einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Trendelenburg war einer der letzten Schüler von ihm.

Friedrich Adolf Trendelenburg wurde 1826 für sieben Jahre Hauslehrer bei Karl Ferdinand Friedrich von Nagler. Von Nagler (1770-1846) war in Preußen Generalpostmeister und Mitglied des Staatsrates und er war Schwager von Karl vom Stein zum Altenstein. Vom Stein zum Altenstein (1770-1840) war von 1817-1840 preußischer Kultusminister, mit dem offiziellen Titel „Minister für Cultus, Unterricht und Medicinalwesen“. Als Nachfolger von Wilhelm von Humboldt hatte vom Stein zum Altenstein die Verantwortung für die damaligen großen Bildungsreformen in Preußen.

Friedrich Adolf Trendelenburg wurde von vom Stein zum Altenstein gefördert.

1833 erhielt Trendelenburg eine außerordentliche Professur an der Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin, der Eliteuniversität in Preußen. Da eine außerordentliche Professur damals nicht angemessen bezahlt wurde, wurde er im Kultusministerium vorübergehend beschäftigt.19

Die außerordentliche Professur wurde 1837 in eine ordentliche Professur für „Praktische Philosophie und Pädagogik“ umgewandelt. Im Alter von 33 Jahren wurde er im Jahre 1835 in die wissenschaftliche Prüfungskommission für Gymnasiallehrer in Deutsch und Philosophie berufen, bei der er von 1847-1860 den Vorsitz hatte. Sein Lehrbuch „Erläuterungen zu den Elementen der Aristotelischen Logik“20, war ab 1836 mehrere Jahrzehnte lang im Philosophieunterricht der Gymnasien in Gebrauch.

Im Jahr 1847 wurde Trendelenburg Mitglied der preußischen Akademie der Wissenschaften. Ein Jahr später übernahm er das Amt des Sekretärs der historisch-philosophischen Klasse der Akademie, das er fast bis zu seinem Lebensende inne hatte. Trendelenburg wurde viermal zum Dekan der philosophischen Fakultät gewählt und dreimal zum Rektor der Universität Berlin. Zusätzlich zu seiner wissenschaftlichen Laufbahn war Trendelenburg 1849 bis 1851 Mitglied der preußischen Abgeordnetenkammer.

Seit den 1840er Jahren war Trendelenburg der einflussreichste Bildungspolitiker und Wissenschaftsmanager in Preußen und im Deutschen Reich.

Wilhelm Dilthey (1833-1911) schrieb über den Einfluss Trendelenburgs.

Dilthey

„Und hier ist mir nun mein Lehrer und Freund Trendelenburg vor allem gegenwärtig, der auf mich den größten Einfluß gewann. Von seiner Machtstellung damals macht man sich heute keine Vorstellung mehr .“21

Trendelenburg hat eine Vielzahl Wissenschaftler unterrichtet, die zu den bestimmenden Größen der deutschsprachigen Wissenschaft in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zählten. Dazu gehören:

Franz Brentano, Jürgen Bona-Meyer, Georg Cantor, Hermann Cohen, Wilhelm Dilthey, Rudolf Eucken, Karl Eugen Dühring, Julius Kaftan, Andreas Ludwig Kym, Ernst Laas, Andreas Ludwig, Anton Marty, Friedrich Paulsen, Carl von Prantl, Alois Riehl, Friedrich Ueberweg, Hans Vaihinger, Georg von Hertling und Otto Willmann.22

Trendelenburgs Hauptwerk, „Logische Untersuchungen“, hat drei nicht vollständig textidentische erweiterte Auflagen erfahren (1840, 1862, 1870).

Sein gesamtes Werk widmet sich dem geistesgeschichtlichen Fundament der Wissenschaften. Er beschäftigte sich mit neuzeitlichen und antiken Klassikern wie Leibniz, Spinoza, Aristoteles oder Platon und auch mit der systematischen Aufarbeitung der damals aktuellen Theoretiker, wie Johann Friedrich Herbart, Georg Wilhelm Friedrich Hegel und Immanuel Kant.

Trendelenburg wurde als scharfer Kritiker Hegels bekannt. 1843 veröffentlichte er die „Logische Frage in Hegels System“. Eine Geschichte der Kategorienlehre von Aristoteles bis Kant erschien von 1846-1867.

Zwei heute noch bekannte Forscher stellten sich in die Nachfolge Trendelenburgs. Sie verwendeten den Titel von Trendelenburgs Hauptwerk, „Logische Untersuchungen“, als Titel oder Untertitel ihrer wichtigsten Arbeiten. Das sind Edmund Husserl (1859-1938) mit seinem Buch „Logische Untersuchungen“ und Gottlob Frege (18481925) mit „Der Gedanke. Eine logische Untersuchung“.23

1.2 Zur wissenschaftlichen Leistung

Der Wissenschaftler Friedrich Adolf Trendelenburg war der Überzeugung, dass der Substanzdualismus in einen Bewegungsdualismus umgewandelt werden muss. Auf die physikalische Theorie der Bewegung, wie sie die klassische Mechanik darstellt, folgt ein Bewegungsübergang in eine andersgeartete „Denkbewegung“, die bei Trendelenburg „construktive Bewegung“ genannt wird.

Trendelenburg

„So ist die Bewegung als eine dem Geiste und der Natur identische Thätigkeit der Schlüssel zu den grössten und ausgedehntesten Erzeugnissen der menschlichen Erkenntnis. Dieselbe ursprüngliche Thätigkeit, die constructive Bewegung, ist der wirkende Grund, wenn sich der Geist die äussere Welt durch die Sinne aneignet. Indem er von aussen empfängt, ist er durch die entwerfende Bewegung von innen thätig. Dieser geistige Anteil in der sinnlichen Wahrnehmung erscheint bei näherer Untersuchung mitten in der Empirie und ist namentlich in den höheren Sinnen wohl zu erkennen. So ist die Bewegung die apriorische Bedingung der sinnlichen Erkenntnis.“ 24

Trendelenburg vollzog mit dem Übergang zum dynamischen Ansatz des Denkens, eine schon bei Kant angelegte Neuerung.25 Seine „construktive Bewegung“ entspricht der modernen Prozessauffassung des Denkens.

In seinen "Logischen Untersuchungen" und in anderen Schriften zur Erkenntnistheorie, wurde von Trendelenburg die dynamische Vorstellung des Denkens als Ausgangspunkt des Wissensaufbaus weiterentwickelt.

Ihm war bewusst, dass er mit der Hinwendung zur dynamischen Variante der Erkenntnistheorie Neuland betrat. Er stellte seinen dynamischen und prozessorientierten Ansatz ausdrücklich als Hypothese dar.

Trendelenburg

„Wir können die Antwort auf zwei Wegen finden. Entweder wir zerlegen die Thätigkeiten des Denkens und der Dinge, um die letzte auszuscheiden, die das gemeinsame Band knüpft; oder wir ergreifen hypothetisch eine Thätigkeit mit der Anschauung und untersuchen, ob diese den gestellten Forderungen genügt. Wir schlagen den zweiten Weg ein und werden dabei zugleich sehen, wie der erste auf dasselbe Ziel führen würde.“26

Der neue Blickwinkel, von der Substanz zur Bewegung, änderte die Herangehensweise an das Leib-Seele Problem und die damit gestellten Forschungsfragen.

Die Frage nach einer Gegenstandsumwandlung oder einer Korrespondenz zwischen den verschiedenen Gegenstandsarten der Materie und des Geistes, wurde nicht mehr gestellt.

Die neue Frage hieß: Wie ist eine Umwandlung oder ein Übergang zwischen zwei verschiedenen Bewegungsarten möglich?

Mit dieser neuen Fragestellung, war nur noch eine Wechselwirkungstheorie zwischen Materie und Geist möglich. Die Annahme einer parallelen, voneinander unabhängigen Existenz beider Gegenstandsbereiche, wurde sinnlos.

Statt einer Substanzumwandlung mit der Darstellungssprache der Aussagenlogik, wurde eine Eigenschaftsumwandlung mit der damals noch zu entwickelnden Darstellungssprache der Prädikatenlogik gesucht, denn „Bewegung“ wurde als Eigenschaft der Gegenstände gesehen.

Diese scheinbar kleine Änderung hatte große theoretische Auswirkungen.

Gegenstände, Körper oder Substanzen wurden nun ausschließlich durch ihre Eigenschaften bestimmt. Die Frage nach ihrer „Natur“, wie die „Dinge an sich“ sind, wurde nicht mehr gestellt.

Die Wendung hin zu der Auffassung, dass Denken eine Bewegung ist, bedeutete ebenfalls eine Entscheidung für den dynamischen Standpunkt in der Naturtheorie. Es musste erklärt werden, wie sich aus der Bewegung in der Natur, die davon unterschiedliche Bewegung des Denkens entwickelt.

Trendelenburg sagte nichts genaues zum Mechanismus der Bewegungsumwandlung. In seinen „Logischen Untersuchungen“ konzentrierte er sich darauf zu zeigen, wie die Erkenntnistheorie umorganisiert werden muss, wenn seine Hypothese zutrifft.

Der dynamische Standpunkt in der Naturtheorie wird auch Kontinuitätstheorie oder Kontinuumstheorie genannt. Er findet sich in den heutigen feldtheoretischen Auffassungen wieder. Er ist einer der beiden traditionellen Standpunkte in der Naturtheorie. Der andere Standpunkt wird Atomismus genannt.

Hermann Lotze, der in dieselbe Richtung wie Trendelenburg arbeitete, hatte dessen „Logische Untersuchungen“ direkt nach ihrem Erscheinen 1840 gelesen. In seiner 1841 veröffentlichten „Metaphysik“, bezieht sich Lotze explizit auf Trendelenburg. Er schrieb ihm und sandte ihm ein Exemplar seiner „Metaphysik“ zu. Damit begann zwischen Lotze und Trendelenburg ein mehrere Jahrzehnte dauernder Briefwechsel, der aber leider nur teilweise überliefert ist.27

In den folgenden Jahren entwickelte Lotze eine genaue Hypothese zum Mechanismus der Bewegungsumwandlung zwischen Natur- und Geistesbewegung, die das naturwissenschaftliche Wissen seiner Zeit vollständig berücksichtigte.

Lotzes Lehrer, Christian Hermann Weiße (1801-1866), stellte die Bücher von Trendelenburg und Lotze in der damals einflussreichen „Zeitschrift für Philosophie und spekulative Theologie“ vor und verwies dabei auf den gleichen theoretischen Ansatz, den Trendelenburg und Lotze vertraten.28

Ein weiterer Schwerpunkt der Forschung Trendelenburgs war die Kategorienlehre. Ein Kategoriensystem ist ein Baukasten an Elementen, mit denen die Wissenschaft ihre Ergebnisse systematisch darstellen kann.

Kant hatte das bekannteste wissenschaftliche Kategoriensystem der Neuzeit entworfen. Zum damals bestehenden Kategoriensystem von Aristoteles, brachte es wesentliche Neuerungen. Trendelenburg beschrieb diese Neuerungen 1846 in seinen „Untersuchungen zum Kantschen Kategoriensystem“.29

Eine der zentralen Vorstellungen Kants, sind die vor der Erfahrung liegenden Kategorien „Raum“ und „Zeit“.

Dieser Ausdruck, „vor der Erfahrung liegend“, wird auch mit dem lateinischen Wort „a priori“ bezeichnet und bedeutet „vom Früheren her“ oder „vor der Erfahrung stehend“.

Ein sehr großer Teil der „Logischen Untersuchungen“ Trendelenburgs beschäftigt sich mit dem Problem, wie die als „a priori“ bezeichneten Kategorien Kants aus dem dynamischen Erfahrungsaufbau begründet werden können. Beeinflusst durch Trendelenburgs Vorarbeit, löste sich Lotze spätestens in seiner „medizinischen Psychologie“ vollständig von dieser Kantschen „a priori“ Vorstellung.30

Trendelenburgs Bewegungsauffassung des Denkens erlaubte es nicht, Kategorien „a priori“ zu setzen. Da der Prozess des Denkens der die Erfahrung begründet bei Trendelenburg an erster Stelle steht, müssen für ihn die grundlegenden Kategorien „Raum“ und „Zeit“ anders begründet werden.

Deswegen korrigierte er in seinen „Logischen Untersuchungen“ das Kantsche System und stellte es auf seinen eigenen dynamischen Ansatz um.

In einer Prozessauffassung des Denkens, wie sie bei Trendelenburg, Lotze, Brentano,