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Mildred Hoppelt ist inzwischen eine der älteren Schülerinnen auf Frau Grausteins Hexenakademie. Doch ihrem Hang zu Scherereien tut das keinen Abbruch. Diesmal ist es eine Sternschnuppe, die Mildred in Verlegenheit und ins Visier ihrer strengen Klassenlehrerin Frau Harschmann bringt: Kaum ausgesprochen, wurde ihr Wunsch nach einem kleinen Hundewelpen Wirklichkeit. Doch während Mildred versucht, den Welpen versteckt zu halten, braut sich über der Hexenakademie viel schlimmeres Unheil zusammen.
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Seitenzahl: 97
Jill Murphy
Eine lausige Hexe wünscht sich was
Aus dem Englischen von Jenny Merling
Diogenes
Es regnete in Strömen, und ein heftiger Wind wehte. Die Schülerinnen von Frau Grausteins Hexenakademie hatten ihre liebe Mühe, nicht schon am ersten Tag des Winterhalbjahres zu spät zur Schule zu kommen. Der Wind plusterte die Umhänge der Mädchen auf und wehte sie ihnen immer wieder ins Gesicht wie nasse Waschlappen, und die meisten älteren Schülerinnen, die ihre Katzen eigentlich stets auf ihren Besen transportieren sollten, hatten bereits aufgegeben und sie zur Sicherheit lieber in ihre Körbe gestopft.
Mildred Hoppelt war nicht unbedingt die Beste im Fliegen, versuchte aber trotzdem nach Leibeskräften, ihren gestreiften Kater Tapsi auf dem Besen zu halten, falls doch jemand genauer {6}hinsah. Sie hatte das nervöse Tier zwischen ihrem Rücken und einem Wäschesack voller Schulbücher verkeilt und fühlte Tapsis Krallen durch den Stoff ihrer Schuluniform, während ihr Umhang um ihre Schultern flatterte.
»Au!«, rief sie. »Du hast’s ja bald geschafft, Taps, wir sind doch gleich da, halt dich bloß gut fest … AUA! Doch nicht an mir! AUA! LASS DAS!«
Mildred tat gut daran, sich so mit ihrer Katze herumzuplagen, es sah nämlich tatsächlich jemand zu: Frau Graustein, die freundliche Rektorin, und Frau Harschmann, ihre etwas bösartige Stellvertreterin, standen gemeinsam in Frau Grausteins Büro und sahen den Mädchen zu, wie sie auf ihren Besen über die Schulmauer gerauscht oder geschlackert kamen, je {7}nachdem, wie der Wind sie gerade erwischte, und auf dem Schulhof landeten.
»Jetzt schauen Sie sich das mal an, Frau Harschmann!«, rief die Rektorin. »Mildred Hoppelt ist die Einzige, die ihre Katze tatsächlich gemäß den Schulregeln auf dem Besen befördert.«
»Hm.« Frau Harschmann zeigte sich wenig beeindruckt. »Freuen Sie sich mal nicht zu früh, da wird schon noch was schiefgehen, bei Mildred hat doch noch nie irgendwas perfekt geklappt.«
»Na, na!«, erwiderte Frau Graustein. »Sie ist zwar eins unserer Sorgenkinder, aber den ersten Schultag nach den Ferien wollen wir doch nicht gleich mit solchen negativen Gedanken beginnen.«
Unten auf dem Schulhof standen Frau Maus und Frau Schimmel dicht zusammengedrängt unter einem Regenschirm im Schutz der Burgmauer und wiesen die Schülerinnen an, {8}freilaufende Katzen in ihren Körben zu verstauen, ihre Sachen in die Garderobe zu bringen und dann direkt in die Große Aula zu gehen, da es heute eindeutig zu nass war, um die Schulversammlung im Freien abzuhalten. Die neuen Siebtklässlerinnen (die Mildred und ihren Freundinnen jedes Jahr jünger vorkamen) waren wie immer zu Fuß angekommen. Sie stolperten unsicher und etwas ängstlich zwischen den anderen umher, nachdem das große Tor wie bei einem Gefängnis krachend hinter ihnen ins Schloss gefallen war.
Die Schülerinnen, die auf Besen anreisten, mussten erschrocken feststellen, dass der Hof voller Pfützen war. Gerade noch {9}erleichtert, dass sie heil angekommen waren, würden sie nun unmöglich trockenen Fußes landen. Eine der wichtigsten Regeln beim Besenfliegen lautete, dass man Wasser nie zu nah kommen durfte, da Besen dadurch manchmal von einer Sekunde zur anderen nicht mehr funktionierten, und es wollte natürlich niemand am ersten Tag durch eine Pfützenbruchlandung auf sich aufmerksam machen.
Mildred freute sich. Sie hatte es geschafft, einer gefährlich tiefen Pfütze linker Hand auszuweichen und sicher zu landen. Sie sprang von ihrem Besen, befahl ihm, in der Luft stehenzubleiben, und pflückte sich dann Tapsis Pfoten eine nach der {10}anderen vom Rücken, wo der Kater sich wie ein miauender Rucksack unter ihrem Umhang an ihr festgeklammert hatte. Sie setzte ihn gerade zurück auf ihren Besen neben den Wäschesack, als ihre beste Freundin Maud auf sie zugesaust kam. Mildred schaffte es nur knapp, sie festzuhalten. Maud war zwar ohne Probleme über die Mauer gekommen, ihr Umhang hatte sich ihr jedoch mehrmals um den Kopf gewickelt, so dass sie volle Kraft voraus auf einen kleinen See am Ende des Hofs zuhielt. Mildred hatte sie eben noch rechtzeitig packen können.
»Halt an, Maud!«, rief Mildred, schlang einen Arm um ihre Freundin und hielt mit der anderen Hand ihren Besen fest. »Sag ihm, er soll anhalten, sonst landest du in der Pfütze da!«
»Bleib, Besen!«, quiekte Maud, wickelte sich den Umhang vom Kopf und fiel ihrer Freundin in die Arme. »Ein Glück, dass du mich gesehen hast, Mil! Du hast mir echt den Hintern gerettet.«
{11}Ihre gemeinsame Freundin Edith hatte leider weniger Glück: Deren Besen machte nämlich plötzlich einen Satz und flog geradewegs auf die Riesenpfütze zu, vor der Mildred Maud eben noch bewahrt hatte.
Edith landete in dem schmutzigen Wasser und schob dabei kurz eine beeindruckende Bugwelle vor sich her. Gepäck und Katzenkorb flogen durch die Luft und landeten neben ihr auf einem Haufen, ihr Umhang plusterte sich noch einmal auf und legte sich dann sanft um sie herum auf das Pfützenwasser. »O nein, jetzt ist alles hin!«, rief sie unglücklich.
Ediths Katze, die immer noch in ihrem Korb eingesperrt war, fühlte das Wasser zu ihren Pfoten durchsickern und beschwerte sich lautstark darüber. Der Besen trieb auf der Pfütze und sah nicht aus, als würde er jemals wieder auch nur dem kleinsten Zauber gehorchen. Die arme Edith versuchte erst {12}noch die Fassung zu bewahren, brach dann aber doch in Tränen aus. Mildred und Maud zogen sie hoch und halfen ihr, das Gepäck zu bergen.
»Das wird schon wieder«, tröstete Maud und wrang den Saum von Ediths tropfnassem Umhang aus. »Ist bestimmt alles halb so schlimm. Dein Besen muss nur trocknen, dann fliegt er wieder.«
»Hey, ihr beiden!«, rief Mildred da plötzlich. »Schön, euch endlich wiederzusehen!« Sie breitete die Arme aus, und die drei Freundinnen umarmten einander und tanzten zusammen im Regen umher. Ja, das Wetter war scheußlich, und ein langes Winterhalbjahr lag vor ihnen, aber sie waren wieder vereint, und nichts anderes zählte.
Mildred freute sich insgeheim ein bisschen, dass nicht sie diejenige war, die mit quietschenden Schuhen und tropfnass die Treppe von der Garderobe zur Großen Aula hochstapfte. Wenn jemand am ersten Schultag so einen Auftritt hinlegte, dann war es nämlich normalerweise sie. Stattdessen hatte sie so eine elegante Landung geschafft, wofür sie sehr dankbar war, vor allem vor den ganzen Neuntklässlerinnen, die wie leere Plastiktüten im Wind über den Schulhof gefegt waren.
»Meinst du, das hat jemand mitgekriegt?«, fragte Edith nervös und wrang sich ein letztes Mal den dicken geflochtenen Zopf aus.
»Ich würde mir da keine Sorgen machen«, sagte Maud. »Sind {14}doch noch viele andere in Pfützen gefallen, besonders von den Jüngeren. Und sie können ja nicht die ganze Schule nachsitzen lassen!«
»Denke ich auch«, pflichtete Mildred ihr bei. Es fühlte sich gut an, endlich mal diejenige zu sein, die jemanden tröstete, anstatt selbst getröstet werden zu müssen. »Du kannst ja nichts dafür, dass unsere Schule auf einem Berggipfel steht, so hoch oben spielt das Wetter doch ständig verrückt. Weißt du noch, der Schneesturm, den wir mal am ersten Tag vom Sommerhalbjahr hatten?«
»Und als Mildred ihre Schildkröte aus dem Wipfel der Kiefer vor dem Schultor retten musste, da war auch so ein Mistwetter wie heute«, erinnerte sie Maud. »Wind und Regen gehören hier oben nun mal dazu, und an so einem scheußlichen ersten Tag kümmert es keinen, wie man gelandet ist.«
»Ist euch draußen auf dem Schulhof eigentlich was aufgefallen?«, wechselte Mildred das Thema. »Wir waren alle so damit beschäftigt, heil runterzukommen, dass ich es eben erst gemerkt habe.«
{15}»Was denn?«, fragte Maud. »War doch alles wie immer.«
»Frau Drill war nicht da! Die ist doch sonst immer die Erste, steht schon in Sportsachen da und kommandiert alle herum. Aber heute haben sich Frau Maus und Schimmelchen um die Neuankömmlinge gekümmert.« (Schimmelchen war der Spitzname, den die Mädchen der Kunstlehrerin Frau Schimmel gegeben hatten.)
»Vielleicht ist sie krank«, meinte Edith. »Oder vielleicht ist sie auch in Rente gegangen. Sie sah schon ganz schön alt aus.«
»Die Lehrerinnen hier sehen doch alle alt aus«, widersprach Maud. »Frau Drill war bestimmt nicht älter als die anderen. Aber es ist ja auch völlig egal, wo sie steckt, wir sehen sie schließlich bald wieder drei- oder viermal pro Woche beim Sport. Bah, immer diese Besenflugübungen und dann der Dauerlauf …«
»Vielleicht bekommen wir ja eine neue Sportlehrerin«, sagte Edith.
»Wer weiß, ob die nicht noch schlimmer ist!«, antwortete Maud. »Am Ende ist die vielleicht noch jung und ehrgeizig.«
»Oder alt und noch häkeliger!« Mildred lachte.
{16}Sie waren vor der Großen Aula angekommen, deren Türen weit offen standen, damit die Mädchen schnell hineinkonnten. Mildred hakte sich links und rechts bei ihren zwei besten Freundinnen unter. »Na dann mal los!«, sagte sie. »Ich bin schon gespannt, was das neue Jahr für uns bereithält.«
Die Zehntklässlerinnen stellten sich in einer Reihe auf. Mildred sah zu den Lehrerinnen, und sofort fiel ihr Frau Drill in einem grauen Tweedanzug und einer lila Bluse auf. Die grauen Locken trug sie nicht wie sonst in einem kecken Pferdeschwanz, sondern hatte sie etwas unbeholfen zu einem französischen Zopf geflochten.
»Schau mal, Frau Drill!«, flüsterte Mildred Maud zu. »Ich hab sie noch nie in was anderem als Sportsachen gesehen! Sieht irgendwie komisch aus in Zivil, hm?«
{18}»Genug geschwatzt, meine Damen!«, rief Frau Harschmann. »Ab auf eure Plätze! Ihr hattet jetzt wirklich genug Zeit zum hallo Sagen und um euch wieder zu beruhigen nach eurer überaus chaotischen Ankunft vorhin. Das mit der Pfütze habe ich übrigens sehr wohl gesehen, Edith Nachtschatten. Das Wetter ist vielleicht ein klein bisschen ungemütlich heute, aber trotzdem: Das war ja wohl nicht gerade elegant!«
Edith senkte unglücklich den Blick.
»Willkommen zurück!«, begrüßte Frau Graustein die Mädchen schnell mit einem strahlenden Lächeln, bevor ihre Stellvertreterin noch allen die Stimmung verdarb. »Das scheußliche Wetter hat uns wohl alle ganz schön mitgenommen. Aber keine Sorge, es gibt eine Menge erfreulicher Neuigkeiten, da wird eure Laune gleich wieder besser, glaubt mir. Wir werden zum Beispiel an einem Wettbewerb teilnehmen, bei dem der Hauptpreis ein eigenes Schwimmbecken ist, und ich hoffe doch sehr, dass unsere Schule gewinnt!«
Die Mädchen sahen einander begeistert an und tuschelten sofort aufgeregt.
{19}Frau Graustein klatschte fröhlich in die Hände wie ein kleines Kind. »Dachte ich mir doch, dass ihr euch darüber freut!«
»Ich dachte, das erwähnen wir erst ganz zum Schluss«, murmelte Frau Harschmann.
»Ach du je«, seufzte Frau Graustein, »da haben Sie recht, wie immer. Ich war wohl ein bisschen voreilig, ich freue mich nur schon so lange, den Mädchen davon zu erzählen. Vielleicht machen Sie jetzt besser weiter …«
»Sicher doch«, erwiderte Frau Harschmann knapp. »Also, meine Damen, es gibt noch mehr Neuigkeiten. Erstens wird Frau Drill keinen Sportunterricht mehr geben, sie hat sich nämlich beim Bergsteigen während der Sommerferien eine Knieverletzung zugezogen. Wir wollten eine so fähige Lehrkraft aber natürlich nicht verlieren und konnten sie zum Glück dazu überreden, uns dieses Jahr wenigstens als Klassenlehrerin für die Zehnte erhalten zu bleiben. Bis wir eine neue {20}Sportlehrerin gefunden haben, wird sie auf diese Weise ihre Schülerinnen in Form halten.«
Maud und Edith schauten zu Mildred, die geradezu verzweifelt aussah.
»Während der Ferien wurde umgebaut«, fuhr Frau Harschmann fort. »Unter anderem wurden alle Fenster mit Glasscheiben versehen.«
Die gesamte Schule jubelte – bis auf die verwirrten Siebtklässlerinnen, die nicht gewusst hatten, dass es jemals keine normalen Fenster gegeben hatte. Die älteren Schülerinnen freuten sich sehr: Endlich würden sie sich gemütlich in ihre Betten kuscheln können, egal, ob es draußen regnete oder der Wind pfiff. Bisher waren diejenigen, die unter den Fenstern schliefen, bei besonders schlechtem Wetter immer nass geworden.
{21}»Ruhe, meine Damen!«, rief Frau Harschmann. »Was gibt es denn, Mildred?«
Mildred hatte sich gemeldet.