Eine Überwinterung im Eis - Jules Verne - E-Book

Eine Überwinterung im Eis E-Book

Jules Verne.

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Beschreibung

Jules Verne bei Null Papier Komplett neu überarbeitet; reichhaltig illustriert und kommentiert In einer Hafenstadt warten ein alter Mann und eine junge Frau auf die Rückkehr eines Matrosen – dem einen der Sohn, der anderen der Verlobte. Doch das einfahrende Schiff vermeldet eine traurige Nachricht: der Erhoffte ist verschollen und für tot erklärt worden. Doch Vater und Verlobte machen sich auf, den geliebten Menschen zu retten. Es beginnt eine abenteuerliche Reise in unerforschte Gebiete. Das Buch ist geistiges Kind der Expeditionsbegeisterung der damaligen Zeit, als der Mensch sich aufmachte, die letzten unentdeckten und feindlichen Region des Planeten zu erforschen. Entdecken sie diesen eher unbekannteren kleinen Verne-Roman. Wie immer mit den wundervollen Zeichnungen der französischen Originalausgabe. Null Papier Verlag

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Seitenzahl: 117

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Jules Verne

Eine Überwinterung im Eis

Illustrierte Fassung

Jules Verne

Eine Überwinterung im Eis

Illustrierte Fassung

(Un hivernage dans les glaces)Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2024Klosterstr. 34 · D-40211 Düsseldorf · [email protected]Übersetzung und Fußnoten: Jürgen SchulzeIllustrationen: Adrien Marie et Barbant EV: J. Hetzel et Compagnie, 1874 3. Auflage, ISBN 978-3-962814-74-8

null-papier.de/angebote

Inhaltsverzeichnis

Ju­les Ver­ne – Le­ben und Werk

Ers­tes Ka­pi­tel – Die schwar­ze Flag­ge

Zwei­tes Ka­pi­tel – Jean Corn­but­tes Plan

Drit­tes Ka­pi­tel – Ein Hoff­nungs­strahl

Vier­tes Ka­pi­tel – Im Fahr­was­ser

Fünf­tes Ka­pi­tel – Die In­sel Li­ver­pool

Sechs­tes Ka­pi­tel – Das Er­be­ben der Eis­schol­len

Sieb­tes Ka­pi­tel – Vor­keh­run­gen für die Über­win­te­rung

Ach­tes Ka­pi­tel – Plä­ne zu For­schungs­rei­sen

Neun­tes Ka­pi­tel – Das Schnee­haus

Zehn­tes Ka­pi­tel – Le­ben­dig be­gra­ben

Elf­tes Ka­pi­tel – Eine Rauch­wol­ke

Zwölf­tes Ka­pi­tel – Rück­kehr nach dem Schif­fe

Drei­zehn­tes Ka­pi­tel – Die bei­den Ne­ben­buh­ler

Vier­zehn­tes Ka­pi­tel – Not und Elend

Fünf­zehn­tes Ka­pi­tel – Die Eis­bä­ren

Sech­zehn­tes Ka­pi­tel – Schluss

Ein Nach­wort

Dan­ke

Dan­ke, dass Sie die­ses E-Book aus mei­nem Ver­lag er­wor­ben ha­ben.

Ju­les Ver­ne ge­hört zu den Au­to­ren, die je­der schon ein­mal ge­le­sen hat. Eine Be­haup­tung, die man nicht über vie­le Schrift­stel­ler auf­stel­len kann. Die Ge­schich­ten von Ver­ne sind un­ter­hal­tend, lehr­reich und im­mer sehr at­mo­sphä­risch.

In un­re­gel­mä­ßi­ger Fol­ge wird mein Ver­lag die Wer­ke von Ver­ne ver­öf­fent­li­chen – die be­kann­ten wie die un­be­kann­ten. Im­mer in der über­ar­bei­te­ten Er­st­über­set­zung, um den (sprach­li­chen) Ch­ar­me der Zeit bei­zu­be­hal­ten.

Kor­ri­giert und kom­men­tiert wer­den Orts- und Per­so­nen­na­men oder of­fen­sicht­lich falsche An­ga­ben. Sie fin­den die Er­läu­te­run­gen in Fuß­no­ten.

Ich habe es mir auch nicht neh­men las­sen, die ur­sprüng­li­chen Na­men zu ver­wen­den: Aus dem Jo­hann wird so wie­der der ur­sprüng­li­che Jean, aus Lud­wig wie­der Louis und aus Ma­ri­an­ne wie­der Ma­rie. Ich den­ke, das tut den Ge­schich­ten nur gut.

Soll­ten Sie Hil­fe be­nö­ti­gen oder eine Fra­ge ha­ben, schrei­ben Sie mir.

Ihr Jür­gen Schul­ze null-pa­pier.de/kon­takt

Ju­les Ver­ne bei Null Pa­pier

Rei­se um die Erde in 80 Ta­gen

Mi­cha­el Strogoff - Der Ku­ri­er des Za­ren

Zwan­zig­tau­send Mei­len un­ter dem Meer

Eine Idee des Dok­tor Ox

Eine Über­win­te­rung im Eis

Schwarz-In­di­en – Oder: Die Stadt un­ter der Erde

Fünf Wo­chen im Bal­lon

Ro­bur der Ero­be­rer

Der Herr der Welt

Von der Erde zum Mond

und wei­te­re …

Ju­les Ver­ne – Le­ben und Werk

Bei­na­he wäre Klein-Ju­les als Schiffs­jun­ge nach In­di­en ge­fah­ren, hät­te eine Lauf­bahn als See­mann ein­ge­schla­gen und spä­ter un­ter­halt­sa­mes See­manns­garn ge­spon­nen, das ver­mut­lich nie die Drucker­pres­se er­reicht hät­te.

Ju­les Ver­ne

Ver­liebt in die aben­teu­er­li­che Li­te­ra­tur

Glück­li­cher­wei­se für uns Le­ser hin­dert man ihn dar­an: Der Elf­jäh­ri­ge wird von Bord ge­holt und ver­lebt wei­ter­hin eine be­hü­te­te Kind­heit vor bür­ger­li­chem Hin­ter­grund. Ge­bo­ren am 8. Fe­bru­ar 1828 in Nan­tes, wächst Ju­les-Ga­bri­el Ver­ne in gut si­tu­ier­ten Ver­hält­nis­sen auf. Als äl­tes­ter von fünf Spröss­lin­gen soll er die vä­ter­li­che An­walt­spra­xis über­neh­men, wes­halb er ab 1846 in Pa­ris Jura stu­diert.

Viel span­nen­der fin­det er schon zu die­ser Zeit al­ler­dings die Li­te­ra­tur. Ver­ne freun­det sich so­wohl mit Alex­and­re Du­mas als auch mit sei­nem gleich­na­mi­gen Sohn an. Ge­mein­sam mit Va­ter Du­mas ver­fasst er Opern­li­bret­ti und ers­te dra­ma­ti­sche Wer­ke. Nach dem Ab­schluss sei­nes Stu­di­ums be­schließt er, nicht nach Nan­tes zu­rück­zu­keh­ren, son­dern sich völ­lig der Dra­ma­tik zu wid­men.

Zwar schreibt er nicht ganz er­folg­los – drei sei­ner Er­zäh­lun­gen er­schei­nen in ei­ner li­te­ra­ri­schen Zeit­schrift. Doch zum Le­ben reicht es nicht, wes­halb der jun­ge Au­tor 1852 den Pos­ten ei­nes In­ten­danz-Se­kre­tärs am Théâtre ly­ri­que an­nimmt. Im­mer­hin wird die­se Ar­beit zu­ver­läs­sig ver­gü­tet und Ver­ne darf sich als Dra­ma­ti­ker be­tä­ti­gen. In sei­ner Frei­zeit ver­fasst er wei­ter­hin Er­zäh­lun­gen, wo­bei ihn aben­teu­er­li­che Rei­sen am meis­ten in­ter­es­sie­ren.

Als er 1857 eine Wit­we hei­ra­tet, die zwei Töch­ter in die Ehe mit­bringt, muss sich der Li­te­rat nach ei­ner bes­ser be­zahl­ten Ein­kom­mens­quel­le um­se­hen. Wäh­rend der nächs­ten zwei Jah­re schlägt er sich als Bör­sen­mak­ler durch, wo­bei er ge­nug Zeit fin­det, län­ge­re Schiffs­rei­sen zu un­ter­neh­men, be­vor 1861 sein Sohn Mi­chel ge­bo­ren wird.

Ver­liebt ins li­te­ra­ri­sche Aben­teu­er

Letzt­lich ist es ei­ner be­son­de­ren Be­geg­nung im Jahr 1862 ge­schul­det, dass al­les, was der Au­tor bis­her »geis­tig an­ge­sam­melt« hat, in sei­nen künf­ti­gen Ro­ma­nen kul­mi­nie­ren darf: Der Ju­gend­buch-Ver­le­ger Pier­re-Ju­les Het­zel ver­öf­fent­licht Ver­nes uto­pi­schen Rei­se­ro­man »Fünf Wo­chen im Bal­lon«. Die­ses von ihm oh­ne­hin be­vor­zug­te Su­jet wird den Schrift­stel­ler nie wie­der los­las­sen – die aben­teu­er­li­chen Rei­sen, auf wel­cher Rou­te auch im­mer sie ab­sol­viert wer­den. Het­zel ver­legt Ver­nes noch heu­te be­lieb­tes­te Schrif­ten: 1864 »Rei­se zum Mit­tel­punkt der Erde«, im fol­gen­den Jahr »Von der Erde zum Mond«, 1869 »Rei­se um den Mond« und »Zwan­zig­tau­send Mei­len un­ter dem Meer«. Mit »Rei­se um die Erde in 80 Ta­gen« er­scheint 1872 Ju­les Ver­nes er­folg­reichs­ter Ro­man über­haupt.

Die Zu­sam­men­ar­beit mit Het­zel, der gleich­zei­tig als sein Men­tor fun­giert, sorgt in den spä­ten 1860er Jah­ren da­für, dass der höchst pro­duk­ti­ve Schrift­stel­ler sei­ner Fa­mi­lie ei­ni­gen Wohl­stand bie­ten und sich selbst »ju­gend­traum­haf­te« Rei­se­wün­sche er­fül­len kann. Sein Ver­le­ger stellt ihn nam­haf­ten Wis­sen­schaft­lern vor – in Kom­bi­na­ti­on mit den er­wähn­ten Rei­sen ent­steht auf die­se Wei­se ein un­ge­heu­rer Fun­dus der In­spi­ra­ti­on: Ju­les Ver­nes Zet­tel­kas­ten ent­hält an­geb­lich 25.000 No­ti­zen!

Zwar ist er seit »Rei­se um den Mond« glei­cher­ma­ßen wohl­ha­bend und ge­ach­tet; er en­ga­giert sich seit den spä­ten 1880er Jah­ren so­gar als Stadt­rat in Amiens, wo­hin er 1871 mit sei­ner Fa­mi­lie über­ge­sie­delt war. Der »Rit­ter­schlag« aber bleibt aus: In der Aca­dé­mie françai­se möch­te man den Ju­gend­buch­au­tor nicht ha­ben, er gilt als nicht se­ri­ös ge­nug.

Den Ze­nit sei­nes Schaf­fens hat der Li­te­rat be­reits über­schrit­ten, als er 1888 blei­ben­de Ver­let­zun­gen durch den Schuss­waf­fen-An­griff ei­nes geis­tes­ge­stör­ten Ver­wand­ten da­von­trägt. Den­noch ar­bei­tet der Au­tor un­un­ter­bro­chen wei­ter. Als Ju­les Ver­ne im März 1905 stirbt, hin­ter­lässt er ein ge­wal­ti­ges Ge­samt­werk: 54 zu Leb­zei­ten er­schie­ne­ne Ro­ma­ne, wei­te­re elf Ma­nu­skrip­te be­ar­bei­tet sein Sohn Mi­chel nach dem Tod des Va­ters. Er­gänzt wird Ver­nes Œu­vre durch Er­zäh­lun­gen, Büh­nen­stücke und geo­gra­fi­sche Ver­öf­fent­li­chun­gen.

Ge­liebt und miss­ach­tet

Je­nes zwie­späl­ti­ge Ver­hält­nis, das sich be­reits in der Ab­leh­nung der Aka­de­mie­mit­glie­der äu­ßert, kenn­zeich­net die aka­de­mi­sche Re­zep­ti­on bis heu­te: Ju­les Ver­ne ist eben »nur ein Ju­gend­buch­au­tor«. We­ni­ger be­fan­ge­ne Re­zi­pi­en­ten frei­lich schrei­ben ihm eine ganz an­de­re Be­deu­tung zu, die dem Vi­sio­när und lei­den­schaft­li­chen Er­zäh­ler bes­ser ge­recht wird.

Wenn­gleich der al­tern­de Li­te­rat zum Ende sei­nes Schaf­fens durch­aus nicht mehr in gläu­bi­ger Tech­nik­be­geis­te­rung auf­geht, blei­ben uns doch ge­nau jene Wer­ke in lie­be­vol­ler Erin­ne­rung, in de­nen tech­ni­sche und mensch­li­che Groß­ta­ten die Hand­lung be­stim­men: »Rei­se um die Erde in 80 Ta­gen« oder »Zwan­zig­tau­send Mei­len un­ter dem Meer« bei­spiels­wei­se. Wer als Kind von Nemo und sei­ner Nau­ti­lus liest, wird un­wei­ger­lich ge­fan­gen von die­sem tech­ni­schen Wun­der­werk und des­sen Ka­pi­tän. Ver­nes Ro­ma­ne ge­hö­ren zu je­nen Ju­gend­bü­chern, die man als Er­wach­se­ner ger­ne noch­mals zur Hand nimmt – und man staunt er­neut, er­in­nert sich, lässt sich wie­der­um ein­fan­gen und fragt sich, warum man ei­gent­lich so sel­ten Ver­ne liest…

So wie der Au­tor sich selbst durch Rei­sen und Wis­sen­schaft in­spi­rie­ren lässt, die­nen sei­ne Wer­ke seit je­her der In­spi­ra­ti­on sei­ner Le­ser­schaft. Wie prä­sent die­ser ex­zel­len­te Un­ter­hal­ter in den Köp­fen sei­ner Le­ser bleibt, be­le­gen Be­nen­nun­gen in See- und Raum­fahrt: Das ers­te Atom-U-Boot der Ge­schich­te ist die ame­ri­ka­ni­sche USS Nau­ti­lus. Ein Raum­trans­por­ter der Eu­ro­päi­schen Raum­fahr­t­agen­tur heißt »Ju­les Ver­ne«, ein As­te­ro­id und ein Mond­kra­ter tra­gen eben­falls den Na­men des Schrift­stel­lers. Die »Ju­les Ver­ne Tro­phy« wird seit 1990 für die schnells­te Wel­t­um­se­ge­lung ver­lie­hen, was dem be­geis­ter­ten Jacht­be­sit­zer Ver­ne ge­wiss ge­fal­len hät­te.

Der kom­mer­zi­el­le Li­te­ra­tur­be­trieb so­wie die Film­wirt­schaft be­trach­ten den fran­zö­si­schen Va­ter der Science-Fic­ti­on-Li­te­ra­tur eben­falls mit Wohl­wol­len: Un­zäh­li­ge Neu­auf­la­gen der Ro­man­klas­si­ker, Hör­bü­cher und Ver­fil­mun­gen der ra­san­ten, stets mit­rei­ßen­den Hand­lun­gen spre­chen Bän­de. Mitt­ler­wei­le gel­ten die äl­tes­ten Ver­fil­mun­gen selbst als kul­tu­rel­le Mei­len­stei­ne, die kei­nes­wegs nur ein jun­ges Pub­li­kum er­freu­en.

Ju­les Ver­nes Be­deu­tung für die Li­te­ra­tur

Der Ein­fluss Ver­nes auf nach­fol­gen­de Science-Fic­ti­on-Au­to­ren ist gar nicht hoch ge­nug ein­zu­schät­zen: Aus heu­ti­ger Sicht ist er ei­ner der Vor­rei­ter der uto­pi­schen Li­te­ra­tur Eu­ro­pas, der noch vor H. G. Wells (»Krieg der Wel­ten«) und Kurd Laß­witz (»Auf zwei Pla­ne­ten«) das neue Gen­re be­grün­det. Sein­er­zeit gibt es die­sen Be­griff noch nicht, wes­halb Het­zel die Ro­ma­ne sei­nes Er­folgs­schrift­stel­lers als »Au­ßer­ge­wöhn­li­che Rei­sen« ver­mark­tet

Der Fran­zo­se sieht, an­ders als Wells und ähn­lich wie Laß­witz, im tech­ni­schen Fort­schritt das künf­ti­ge Wohl der Mensch­heit be­grün­det. Trotz­dem ist Ju­les Ver­ne vor al­lem Er­zäh­ler: Er will we­der war­nen wie Wells noch be­leh­ren wie Laß­witz, son­dern in ers­ter Li­nie un­ter­hal­ten. Im Ver­gleich zum sprö­den Rea­lis­mus ei­nes Wells wir­ken sei­ne Ro­ma­ne für mo­der­ne Le­ser aus­ufernd, viel­leicht so­gar ge­schwät­zig. Den­noch sind sie leich­ter zu­gäng­lich als das sti­lis­tisch ähn­li­che Schaf­fen des Deut­schen Laß­witz, weil sie Uto­pie und Tech­nik­be­geis­te­rung nicht zum Zweck ih­res In­halts ma­chen, son­dern le­dig­lich zu des­sen Trä­ger: Schließ­lich ist es ein­fach auf­re­gend, in ei­nem Bal­lon eine Welt­rei­se an­zu­tre­ten oder Ka­pi­tän Nemo in sein ge­hei­mes Reich zu fol­gen.

Erstes Kapitel – Die schwarze Flagge

Am 12. Mai 18.. um fünf Uhr mor­gens er­hob sich der Pfar­rer der al­ten Kir­che in Dün­kir­chen, um wie ge­wöhn­lich die ers­te stil­le Mes­se zu le­sen, bei der nur ei­ni­ge alte Fi­scher zu­ge­gen zu sein pfleg­ten.

Er woll­te sich, mit sei­nen Pries­ter­klei­dern an­ge­tan, so­eben zum Al­tar be­ge­ben, als ein Mann, Freu­de und Auf­re­gung in den Zü­gen, zu ihm in die Sa­kris­tei trat. Es war ein Schif­fer im Al­ter von etwa sech­zig Jah­ren, aber mit noch kräf­ti­ger, ge­drun­ge­ner Ge­stalt und gu­tem, ehr­li­chem Ge­sicht.

»Herr Pfar­rer, halt! Ich bit­te schön!« rief er.

»Was wol­len Sie denn so früh am Tage, Jean Corn­but­te?« frag­te der Pas­tor.

»Was ich will …? Am liebs­ten Ih­nen um den Hals fal­len, Herr Pas­tor; nichts mehr und nichts we­ni­ger!«

»Aber doch erst nach der Mes­se, der Sie jetzt wohl bei­woh­nen wer­den …«

»Ach was, Herr Pas­tor!« ent­geg­ne­te la­chend der alte See­mann. »Küm­mern Sie sich heu­te nicht um die Mes­se; Sie müs­sen mir einen an­de­ren Dienst er­wei­sen!«

»Wa­rum soll ich mei­ne Mes­se nicht le­sen, Jean Corn­but­te? Er­klä­ren Sie sich schnell; die Glo­cke hat zum drit­ten Mal ge­läu­tet …«, dräng­te der Pfar­rer.

»Mag sie nun ge­läu­tet ha­ben oder nicht, Herr Pas­tor«, ver­setz­te Jean Corn­but­te; »wir wer­den sie heu­te noch oft­mals läu­ten hö­ren. Ha­ben Sie mir ja ver­spro­chen, die Hei­rat mei­nes Soh­nes Louis und mei­ner Nich­te Ma­rie mit Ihren ei­ge­nen Hän­den ein­zu­seg­nen!«

»So ist Louis an­ge­kom­men?« rief freu­dig der Pfar­rer.

»Ja, oder doch so gut wie an­ge­kom­men«, ant­wor­te­te Corn­but­te und rieb sich vor Ver­gnü­gen die Hän­de. »Die Wa­che hat bei Son­nen­auf­gang un­se­re Brigg si­gna­li­siert, die Sie selbst auf den schö­nen Na­men Jeu­ne-Har­die ge­tauft ha­ben!«

»So wün­sche ich Ih­nen aus tiefs­tem Her­zen Glück, mein al­ter Corn­but­te«, sag­te der Pfar­rer und leg­te sein Mess­ge­wand und sei­ne Sto­la ab; »ich bin un­se­rer Verab­re­dung ein­ge­denk und wer­de mich heu­te von dem Vi­kar ver­tre­ten las­sen, um Ih­nen für die Trau­ung Ih­rer Kin­der zur Ver­fü­gung zu ste­hen.«

»Und ich ver­spre­che Ih­nen da­für, dass Sie nicht zu lan­ge nüch­tern blei­ben sol­len!« rief der See­mann. »Das Auf­ge­bot ha­ben Sie be­reits er­las­sen; so brau­chen Sie mei­nen Sohn nur noch von den Sün­den zu ab­sol­vie­ren, die man in den nörd­li­chen Mee­ren zwi­schen Him­mel und Erde be­ge­hen kann. War es nicht eine präch­ti­ge Idee von mir, die Hoch­zeit gleich auf den Tag sei­ner Rück­kehr an­zu­set­zen und zu be­stim­men, dass er sei­ne Brigg nur ver­las­sen soll, um zur Trau­ung nach der Kir­che zu ge­hen?«

»Ord­nen Sie al­les an, Corn­but­te.«

»Ge­wiss, Herr Pfar­rer, ich wer­de mich be­ei­len. Auf bal­di­ges Wie­der­se­hen!«

Der See­mann eil­te mit großen Schrit­ten nach sei­nem am Kai ge­le­ge­nen Hau­se, von wel­chem aus man zu sei­nem großen Stolz auf das Meer schau­en konn­te.

Jean Corn­but­te war für sei­ne Ver­hält­nis­se wohl­ha­bend; nach­dem er lan­ge Zeit die Schif­fe ei­nes rei­chen Ree­ders in Ha­vre be­feh­ligt hat­te, ließ er sich in sei­nem Hei­ma­tor­te nie­der und bau­te hier auf ei­ge­ne Rech­nung die Brigg Jeu­ne-Har­die. Meh­re­re Rei­sen des Schif­fes nach dem Nor­den nah­men einen glück­li­chen Ver­lauf, und es wur­de sei­ne Holz-, Ei­sen- und Teer­la­dun­gen im­mer zu gu­ten Prei­sen los. Jean Corn­but­te trat nun sei­nem Sohn Louis, ei­nem wa­cke­ren See­mann von drei­ßig Jah­ren, das Kom­man­do ab; der­sel­be war, nach der Aus­sa­ge al­ler Küs­ten­fah­rer-Ka­pi­tä­ne, ei­ner der tüch­tigs­ten Ma­tro­sen aus ganz Dün­kir­chen.

Louis Corn­but­te hing mit großer Lie­be an Ma­rie, der Nich­te sei­nes Va­ters, und auch die­ser wur­den die Tage von Louiss Ab­we­sen­heit sehr lang. Ma­rie war kaum zwan­zig Jah­re alt und eine schö­ne Fla­män­de­rin mit ei­nem Trop­fen hol­län­di­schen Blu­tes in den Adern. Ihre Mut­ter hat­te sie auf dem To­ten­bet­te ih­rem Bru­der Jean Corn­but­te emp­foh­len, und der wa­cke­re See­mann hat­te das Ver­trau­en der ar­men Frau nicht zu Schan­den ge­macht; er lieb­te Ma­rie wie sei­ne ei­ge­ne Toch­ter und sah in der be­ab­sich­tig­ten Ve­rei­ni­gung sei­nes Soh­nes mit ihr eine Quel­le dau­ern­den Glücks.

Mit der An­kunft der si­gna­li­sier­ten Brigg auf der Höhe des Fahr­was­sers en­dig­te eine wich­ti­ge kom­mer­zi­el­le Un­ter­neh­mung, von wel­cher Jean Corn­but­te großen Ge­winn er­war­te­te. Die Jeu­ne-Har­die war ein vol­les Vier­tel­jahr un­ter­wegs ge­we­sen, kam in letz­ter Li­nie von Bo­doe an der West­küs­te von Nor­we­gen zu­rück und hat­te ihre Rei­se rasch vollen­det.

Als Jean Corn­but­te in sei­ne Woh­nung trat, fand er das gan­ze Haus in leb­haf­ter Auf­re­gung; Ma­rie leg­te mit freu­de­strah­len­den Au­gen ihr Braut­kleid an.

»Wenn nur die Brigg nicht eher an­kommt als wir!« rief sie.

»Be­ei­le dich, Klei­ne«, dräng­te Jean Corn­but­te; »der Wind kommt von Nor­den her, und die Jeu­ne-Har­die fährt gut, wenn sie raum­schoots se­gelt.«

»Ha­ben Sie un­se­re Freun­de be­nach­rich­tigt, On­kel?« frag­te Ma­rie.

»Ge­wiss!«

»Auch den No­tar und den Pfar­rer?«

»Sei un­be­sorgt; mir scheint nur, du al­lein wirst uns war­ten las­sen!«

In die­sem Au­gen­blick trat Ge­vat­ter Cler­baut ein.

»Nun, mein al­ter Corn­but­te, das nen­ne ich Glück!« rief er aus. »Dein Schiff kommt ge­ra­de zur Zeit an; die Re­gie­rung hat so­eben große Holz­lie­fe­run­gen für die Ma­ri­ne aus­ge­schrie­ben.«

»Was geht das mich an?« frag­te Jean Corn­but­te; »wir ha­ben jetzt an an­de­res zu den­ken, als an die Re­gie­rung! Sie müs­sen wis­sen, Herr Cler­baut, dass wir jetzt nur einen Ge­dan­ken ha­ben, und das ist die Rück­kehr un­se­res Louis.«

»Ich will nicht leug­nen, dass …«, mein­te der Ge­vat­ter; »aber die­se Holz­lie­fe­run­gen …«

»Sie wer­den doch auch bei der Hoch­zeit sein?« frag­te Jean Corn­but­te, in­dem er ihm in die Rede fiel und dem Ge­schäfts­mann mit sol­cher Herz­haf­tig­keit die Hand drück­te, dass die­ser mein­te, er wol­le sie ihm zer­mal­men.

»Die Holz­lie­fe­run­gen …«

»Alle un­se­re Freun­de zu Was­ser und zu Lan­de sind da­bei, Cler­baut. Ich habe sie schon sämt­lich be­nach­rich­tigt und ge­den­ke, auch die gan­ze Mann­schaft der Brigg ein­zu­la­den!«

»Wer­den wir sie am Ha­fen­damm er­war­ten?« frag­te Ma­rie.

»Ich den­ke doch«, ant­wor­te­te Jean Corn­but­te. »Der Zug geht zu zwei­en, mit der Mu­sik vor­an!«

Die Gäs­te ka­men als­bald an, und ob­gleich es noch sehr früh am Tage war, fehl­te nicht ein ein­zi­ger am Ver­samm­lungs­platz.