Einfach ich selbst sein dürfen - Teresa, Dr Keller - E-Book

Einfach ich selbst sein dürfen E-Book

Teresa, Dr Keller

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Beschreibung

Wäre es nicht reizvoll, einmal zu überprüfen, obdie Rolle, die wir ausfüllen, wirklich zu uns passt? Statt uns mit anderen zu vergleichen und zu versuchen, uns äußeren Erwartungen anzupassen, lädt dieses Mutmachbuch zu mehr Selbstvertrauen ein: das,was wir können und haben,zu akzeptieren, zu genießen und wertzuschätzen.Dann können wir uns in unser eigenes Leben hineinentspannen undentfalten, was in uns steckt.

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SCORPIO

Bessere Beziehungen mit sich und anderen durch die Positive Psychologie

SCORPIO

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1. eBook-Ausgabe 2016

© 2016 Scorpio Verlag GmbH & Co. KG, München

Umschlaggestaltung: Favoritbuero, München

Umschlagmotiv: © Decorwith.me/Shutterstock.com

Satz: BuchHaus Robert Gigler, München

Konvertierung: Brockhaus/Commission

ePub-ISBN: 978-3-95803-086-2

Das eBook einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Der Nutzer verpflichtet sich, die Urheberrechte anzuerkennen und einzuhalten.

Alle Rechte vorbehalten.

www.scorpio-verlag.de

eBook-Herstellung und Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheimwww.brocom.de

INHALT

VORWORT

Einleitung: Wie viel bin ich Du geworden? – Warum es sich lohnt, sein eigenes Leben zu leben

Teil 1 SELBSTINVENTUR

Ein Smiley für mich – Von der inneren Einstellung zu sich und dem Leben

Was ich alles kann! – Stärken erkennen und nutzen

Feier dich, es gibt genügend Gründe! – Wahrnehmen, was wir können, macht uns zufrieden

Das macht Sinn – Wer weiß, warum er etwas macht, macht es besser!

Ich will so werden, wie ich bin – Freunde dich mit dir selbst an

TEIL 2 BEZIEHUNGSINVENTUR

Ich sehe was, was du nicht siehst! – Subjektive Wahrnehmung und ihr Einfluss auf unser Handeln

Zusammen ist man weniger allein – Wie viel(e) Beziehung(en) brauche ich?

Best friends forever – Sollen Beziehungen wirklich ein Leben lang halten?

Ich will etwas, was du nicht willst! – Bei sich bleiben, auch wenn Konflikte auftreten

Was uns zusammenhält

TEIL 3 Die ROLLE(N) MEINES LEBENS – Die Show KANN Beginnen

Anhang

VORWORT

In diesen Zeiten von Dynamik, Stress und ständiger Veränderung wird es immer wichtiger, eine gute Beziehung zu sich selbst zu haben. Denn nur dann sind wir in der Lage, auf die unzähligen Herausforderungen unseres Alltags so zu reagieren, dass wir uns treu bleiben, damit auch zufriedener werden und uns in unserem eigenen Leben wohler fühlen.

Dieses Buch ist eine Einladung an uns alle, unser Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen. Eine Einladung, sich nicht mehr ständig antreiben zu lassen durch all die Anforderungen, Erwartungshaltungen und Bedürfnisse anderer, sondern erst einmal zu schauen, was brauche und will ich, um dann zu prüfen, was kann ich geben, und was will ich möglicherweise nicht.

Mithilfe von Erfahrungen, Erkenntnissen und Übungen aus dem jüngsten Zweig der Psychologie – der Positiven Psychologie – werden wir uns besser kennenlernen. Wir überprüfen unsere Sicht auf die Dinge und das Leben. Wir schauen uns an, mit welchem Teil unserer Persönlichkeit wir mehr Zutrauen zu uns entwickeln können oder welcher uns möglicherweise hindert, mutiger zu sein. Wir erforschen unsere persönlichen Stärken und die Art und Weise, wie wir sie im Alltag nutzen können, und lernen uns über Fragen zum Thema Erfolg und Sinnhaftigkeit erst einmal besser kennen und akzeptieren.

Im zweiten Schritt versuchen wir die Qualität unserer neuen Beziehung zu uns selbst in eine gute Qualität unserer Beziehungen zu anderen zu übertragen. Was bedeutet für uns Geben und Nehmen? Welche Nähe tut uns wann gut, und wie viel Distanz brauchen wir? Wir fragen uns auch: Wie nehmen mich eigentlich andere wahr?

Ich nenne diese beiden Bereiche Selbstinventur und Beziehungsinventur. Diese Begriffe habe ich gewählt, da ich denke, es gibt immer wieder Momente in unserem Leben, wo wir innehalten und beobachten sollten, wie wir unser Leben leben. Denn Ablenkung gibt es genug! Und irgendwann stellen wir dann ganz erstaunt fest, dass schon wieder ein runder Geburtstag ansteht, die Kinder inzwischen so groß sind oder uns die rechte Lebensfreude irgendwo abhandengekommen ist.

Und dann wäre es schön, eine Inventur zu machen. Zu schauen: Was kann ich? Was habe ich? Wo stehe ich gerade? Was will ich noch?

Entscheidend ist für mich, mich nicht in erster Linie darauf zu konzentrieren, was ich noch alles besser machen kann. Nein, in diesem Buch geht es vielmehr darum, zu schauen, welche Fähigkeiten, Werte und Einstellungen wir haben und wie uns diese dabei unterstützen können, ein möglichst erfülltes Leben zu leben, was auch immer ein jeder von uns darunter verstehen mag.

Denn nur ein selbstbestimmtes Leben (und das kann durchaus auch ein ganz ruhiges mit viel Tradition und Routinen sein) macht uns zufrieden und gibt uns das Gefühl: Das ist wirklich ein erblühtes Leben, ein flourishing life.

Hierzu möchte ich Sie einladen.

Dieses Buch ist kein »7 Schritte zum Glück«-Ratgeber. Vielmehr bietet es Ihnen jede Menge Erkenntnisse, die wissenschaftlich erforscht und belegt sind, Anregungen zur Reflexion und zum Erforschen der eigenen Persönlichkeit wie auch alltägliche Beispiele und Übungen, um die Einsichten dann leichter im Alltag umsetzen zu können. Damit Sie sich nicht mehr anstrengen müssen, so zu sein wie die anderen. Seien Sie lieber neugierig darauf zu entdecken, was alles in Ihnen steckt. Und fangen Sie an, sich in Ihrem Leben wohlzufühlen, egal wie herausfordernd und anspruchsvoll das ganze Drumherum ist.

Einleitung: Wie Viel BIN ich Du Geworden? – WARUM ES SICH LOHNT, SEIN EIGENES LEBEN ZU LEBEN

»Sei doch einfach ganz du selbst!« Eine Aufforderung, die wir oft zu hören bekommen, in allen möglichen Situationen, ob als nett gemeinter Ratschlag von engen Familienmitgliedern in mehr oder weniger schweren Sinnkrisen oder als Empfehlung von Kollegen beim Bewerbungsgespräch. Und noch viel schlimmer: Den Satz sagen wir auch immer wieder zu uns selbst. Eigentlich soll er uns ermuntern, er soll uns daran erinnern, dass wir uns nicht verstellen sollen. Er soll uns helfen, mutig zu sein und nach unseren Bedürfnissen zu handeln. Und doch bleibt er meist seltsam vage. Woher sollen wir bitte schön so genau wissen, wer wir selbst sind? Und wer behauptet, dass das einfach sein soll?

Häufig genug ist der Satz »Sei doch einfach ganz du selbst!« eine Aufforderung, die ins Leere läuft. Und das hat einen Grund. Denn »das Selbst« ist schnell erwähnt, jedoch berührt es den innersten Kern unseres Wesens, und kaum etwas ist in der persönlichen Betrachtung komplizierter zu verstehen.

Reflektieren Sie einen kurzen Augenblick: Wann waren Sie das letzte Mal so ganz in Ihrem Element? Wann haben Sie Zeit und Raum vergessen, und wann fühlten Sie sich einfach wohl und waren in Ihrer Kraft? Vielleicht haben Sie sich auch schon mal unverwundbar gefühlt …?

Ich fühle mich kraftvoll und stark, wenn ich mich nicht verstellen oder anstrengen muss, um jemandem zu gefallen. Wenn es mir völlig gleich ist, was andere von mir denken. Dann kann ich so sein, wie ich bin, und das macht mich glücklich.

Dazu gehört auch die Erkenntnis, dass wir unsere Schwächen kennen und bewusst wahrnehmen können, uns aber in der Konsequenz deswegen noch lange nicht einschränken müssen.

Ich möchte Ihnen in diesem Buch Mut machen, auf eine Entdeckungsreise zu gehen, zu erforschen, wer wir sind und welche Potenziale in uns schlummern. Ich möchte uns aber auch Mut machen, anzuerkennen, dass wir eben nicht perfekt sind. Dass wir trotz regelmäßigen Sports immer noch nicht aussehen wie Jennifer Lopez und wenn wir älter werden, wir zwar immer noch vorzüglich Nächte durchfeiern können, dann aber auch nicht glauben sollten, dass wir am nächsten Montag quietschfidel durch die Küche hüpfen. Ich möchte Ihnen Impulse geben, wie wir unser Leben selber gestalten können und dadurch vom Reagierenden zum Agierenden werden. Und ich möchte Ihnen vorschlagen, nicht weiter zu versuchen, so zu werden wie die anderen. Denn von denen gibt es schon genug.

Was soll das Ganze eigentlich? – Vom Streben des Menschen

Viele meiner Coachees haben im beruflichen wie privaten Alltag das Gefühl, sie würden in einer Art Sackgasse stecken. Etliche Menschen, die ich bei Seminaren getroffen habe, können beeindruckend die Erwartungen ihres Umfelds erfüllen, haben aber große Schwierigkeiten, ihr Befinden in ihrem eigenen Leben einigermaßen exakt zu beschreiben. Wir haben Probleme damit, uns selbst zu beurteilen und zu realisieren, wo wir gerade stehen oder wohin wir noch wollen.

Einige entgegnen mir dann: »Wir beschäftigen uns doch heutzutage ohnehin viel zu viel mit uns selbst!« Und ich muss gestehen: Alleine vom Über-sich-Nachdenken ist noch niemand glücklich geworden. Unsere Vorfahren haben auch nicht die ganze Zeit mit Nabelschau vertan. Aber sie hatten auch einen festen Wertekontext, mit dem sie einverstanden sein oder den sie ablehnen konnten. Sie hatten Regeln, innerhalb derer sie sich in einem überschaubaren Lebensumfeld zurechtfinden mussten. Sie kannten ihre Rolle in der Gesellschaft, der Sinn und Zweck der Arbeit war meist eindeutig. Später aber, durch die Industrialisierung und die zum Teil extreme Arbeitsteilung, und im weiteren Verlauf dann auch durch die starke Entwicklung des Dienstleistungssektors in Deutschland ließen sich die Aufgaben des Lebens nicht mehr so ganz eindeutig definieren. Wir haben heute mehr Freiheiten und Wahlmöglichkeiten als je zuvor. Unsere Arbeitsleistung ist nicht mehr so exakt bewertbar, vor allem in den Dienstleistungsberufen, ob staatlich oder privatwirtschaftlich. Wir bewegen uns zudem heute in einer Gesellschaft, in der Informationen im Übermaß vorhanden sind. Uns wird das Gefühl vermittelt, dass wir immer genau wissen, was gerade wo auf der Welt los ist und wer gerade mit wem was gesprochen hat (auch wenn Sachverhalte im russischen Fernsehen gänzlich anders dargestellt werden als beispielsweise in Deutschland oder den Vereinigten Staaten). Wir können Fotos und Filme unserer Freunde über Facebook, Instagram und Twitter rund um die Uhr sehen und erfahren, wie die anderen leben. Automatisch macht unser Gehirn einen Abgleich, ob wir es genauso gut haben oder besser oder schlechter. Junge ausgemergelte Frauen laufen als Topmodels über Laufstege und Bildschirme. Durchtrainierte Männer zeigen in globalen Kampagnen, wie verführerisch Unterwäsche am perfekten Körper sein kann. Dabei erscheinen die ein oder anderen Personen geradezu alterslos.

Es gibt natürlich auch jene, die sich nicht so viel aus Äußerlichkeiten machen, scheinbar problemlos den ganzen Druck aushalten und einfach sagen: Macht doch, was ihr wollt, mit euren Casting- und Talentshows und Bikinifiguren – da steh ich total drüber! Das ist beneidenswert, erfordert aber ein gutes Maß an Selbstbewusstsein, das leider auch nicht mit jedem Regenschauer vom Himmel fällt, und ich beglückwünsche jeden, dem das gelingt.

Auch im Wirtschaftsbereich hören wir immer wieder Wundergeschichten. Da hatte zum Beispiel in den USA ein blasser ukrainischer Immigrant mit schütterem Haar 2009 die Idee, dass die Menschen dringend noch mehr miteinander kommunizieren sollten, und zwar schneller als per SMS und umsonst. Deshalb gründete er mit ein paar Kollegen eine Firma namens »WhatsApp«. Fünf Jahre später verkaufte er den Chat-Dienst für 19 Milliarden Dollar. Ganz ehrlich, wer von uns hat da nicht das Gefühl, doch irgendwie ein Loser zu sein? Oder wie es meine Tochter einmal auf den Punkt brachte: »Papa, warum hast du eigentlich nicht den iPod erfunden?«

Bei all diesem Vergleichen mit vermeintlichen Idealbildern, die wir in einer Vielzahl an Informationskanälen vermittelt bekommen, ist man geneigt, eine sogenannte virtuelle Identität zu entwickeln. Über Facebook und andere Netzwerke bauen wir uns Identitäten auf, von denen wir glauben, dass sie bei den anderen gut ankommen, die aber mit der Wirklichkeit manchmal gar nicht mehr viel zu tun haben. Manche beherrschen dieses Spiel der virtuellen und »echten« Identitäten spektakulär, andere verlieren sich selbst aus den Augen. Wenn ich aber doch nicht mehr weiß, wer ich selbst bin, wie soll ich dann ein zufriedenes Leben führen?

Bei Gesprächen in meinem Umfeld höre ich immer wieder den Satz: »Ich will doch einfach nur glücklich sein.« So sehr dieser Wunsch auch nachvollziehbar ist, einfach zu erfüllen ist er offensichtlich nicht. Und ich muss es gleich vorweg klarstellen: Ich werde Ihnen in diesem Buch kein Glücksversprechen geben. Sollten Sie auf der Suche nach einer Anleitung sein, wie Sie den Rest Ihres Lebens nur noch glücklich sind, dann legen Sie bitte dieses Buch wieder zur Seite. Ich habe keine Ahnung, wie man ewiges Glück findet. Aber es ist durchaus möglich, sein Leben so zu gestalten, dass wir uns darin wohler fühlen. Dass wir erkennen, wir können Einfluss darauf nehmen.

Dazu ist es aber notwendig zu wissen, was für ein Leben ich überhaupt leben will und was mir beispielsweise guttut, welche Fähigkeiten ich habe oder wo es sinnvoll ist, mir Unterstützung zu holen. Ich brauche eine optimistische Grundhaltung, die mich darauf vertrauen lässt, dass die schlechten Tage auch wieder vorbeigehen werden. Dann kommt nicht nur vorübergehendes Glück auf, sondern es stellen sich eine anhaltende, tiefe innere Zufriedenheit und Gelassenheit ein.

Ist es das, wonach wir alle streben? Was ist uns wirklich wichtig, wenn unsere Grundbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung und ein Dach über dem Kopf gesichert sind? Das ist keine rhetorische Frage, schließlich beschäftigen diese Fragen seit langer Zeit die Philosophen und Wissenschaftler.

Kurz und knapp gesagt: Letztendlich können wir alle Bedürfnisse des Menschen auf zwei Säulen reduzieren. Erstens möchte der Mensch sich gerne entwickeln, erforschen, was er vielleicht noch leisten könnte, und dabei die Freiheit haben, Dinge selbst zu tun und zu entscheiden – das kennzeichnet das Streben des individuellen Wesens. Zweitens möchte sich der Mensch in irgendeiner Weise zu einer Gemeinschaft zugehörig fühlen, er hat ein Bedürfnis nach Anteilnahme, Wertschätzung und Anerkennung – das kennzeichnet das Streben innerhalb einer Gemeinschaft. Der Mensch ist gewissermaßen also ein von Natur aus latent schizophrenes Wesen: Er will sich zum einen von seinen Mitmenschen differenzieren, aber sich gleichzeitig bestmöglich integrieren. Hier liegt ein zentrales Thema des Miteinanders – und daraus ergibt sich ein enormes Spannungsfeld für jede Art von Beziehung, ob im Beruf oder im ganz Privaten.

Dieses Buch haben Sie in die Hand genommen, weil Sie sich gerne persönlich weiterentwickeln wollen. Sie möchten wissen, wie Sie Ihre Talente besser nutzen können und in welcher Hinsicht noch Potenziale bestehen. Viele Menschen wünschen sich ein Leben, in dem sie sich wohlfühlen und das sie zufrieden macht, einige streben danach, so viel Geld auf dem Konto zu haben, dass sie sich jede Laune leisten können. Ist Geld also vielleicht doch eine mögliche Quelle des Glücks? Mit Sicherheit. Bei Vorträgen erziele ich zwar bei Führungskräften und Vorständen immer das größte Entzücken, wenn ich berichte, dass einige Untersuchungen ergeben haben, dass ein Gehalt von mehr als 60 000 Euro jährlich die Menschen nicht wirklich zufriedener macht. Die Unternehmer sind dann immer ganz erleichtert und meinen, dass sie sich die nächste Gehaltsverhandlung mit ihrer Belegschaft ersparen können – was natürlich so nicht stimmt. Selbstverständlich hat ein gutes Gehalt durchaus etwas mit der Zufriedenheit im Leben zu tun (mal ganz abgesehen vom Motivationsgrad der Mitarbeiter eines Unternehmens).

Eine zweite Untersuchung ist in diesem Zusammenhang mindestens ebenso bemerkenswert: Obwohl der Wohlstand in Deutschland in den letzten Jahrzehnten statistisch gesehen drastisch angestiegen ist, hat sich das Wohlbefinden der Bürger nicht wesentlich verändert. Laut World Happiness Report haben die Einwohner von Ländern wie Costa Rica oder Venezuela zwar einen niedrigeren Lebensstandard, sind aber deutlich zufriedener mit dem Leben als beispielsweise wir Deutschen.

Ähnlich verhält es sich mit der Freiheit, die wir haben, um unsere ganz persönlichen großen und kleinen Entscheidungen im Leben zu treffen. Freiheit ist ein wesentlicher Baustein für Glücksempfinden – und es bezweifelt niemand, dass die meisten Menschen, die frei in ihren Entscheidungsmöglichkeiten sind, in der Regel zufriedener sind als jene, die strikt nach Vorgaben handeln müssen. Doch erleben wir in Deutschland und in vielen anderen postindustriellen Gesellschaften auch einen gegenteiligen Effekt, nämlich, dass Menschen mit zu vielen Auswahlmöglichkeiten unter bestimmten Umständen durchaus mit ihrer Freiheit hadern und es tatsächlich einen Grad an Freiheit geben kann, der die Menschen in ihrem Alltag belastet. Das klingt vielleicht merkwürdig, aber es wird nachvollziehbar, wenn man sich beispielsweise ins Gedächtnis ruft, wie viele verschiedene Arten von Orangensaft es gibt oder aus wie vielen verschiedenen Automodellen wir auswählen können. Allzu oft verschwenden wir wertvolle Minuten unserer Lebenszeit, um uns in dem Dschungel an Angeboten zurechtzufinden und uns für ein Produkt zu entscheiden. Alles zu können und eine große Entscheidungsfreiheit zu haben, macht nicht immer wirklich frei.

»Du bist völlig frei, zu tun und zu lassen, was du willst!« – »Mach doch das, was dir am meisten liegt!« Das sind zwei oft gehörte Empfehlungen, die das Dilemma deutlich machen: Ein hohes Maß an Freiheit kann uns bisweilen verunsichern, von der Wahl beim Einkauf bis hin zur Berufswahl. Und die Aufforderungen zu mehr Lockerheit und Freiheit sind am Ende Sätze, die viele Menschen belasten, da sie ihnen verdeutlichen, dass die ganze Verantwortung auf ihnen selbst lastet.

Byung-Chul Han, ein Philosophieprofessor in Berlin, behauptet sogar, dass wir gerade durch unser exzessives Bedürfnis nach Freiheit unfrei geworden sind. Dadurch, dass alles erlaubt ist, unterliegen wir heute sehr vielen Zwängen – und sind am Ende des Tages extrem eingebunden und unfrei. »Die Freiheit des Könnens erzeugt mehr Zwänge als die Freiheit des Sollens, das Gebote und Verbote ausspricht. Das Soll hat eine Grenze, das Kann hat keine.«1

Jeder ist heute sein eigener Herr und gibt sich selbst vor, wie stark er welchen Ansprüchen gerecht werden will. Doch durch den Leistungs- und Optimierungszwang haben wir alle eine Tendenz zur Selbstausbeutung. Wir können uns nur schwer dagegen auflehnen und sind ständig aufgefordert, das Beste aus uns zu machen. Ist es also wirklich die Freiheit, nach der wir streben? Oder doch noch etwas anderes?

Das Streben nach Geld oder Freiheit – es hat seine offensichtlichen Schattenseiten. Bleibt ein weiterer essenzieller Quell für Lebenszufriedenheit: die Gesundheit. Auch hier gibt es Standardformulierungen, die fast wie Redewendungen ihren Weg in den allgemeinen Wortschatz gefunden haben. Zum Beispiel: »Egal, was passiert – Hauptsache, man ist gesund!« Stimmt durchaus. Nur scheint Gesundheit in der Glückswahrnehmung erst dann wichtig zu werden, wenn sie schwächer wird oder gar fehlt. Wir hoffen bis dahin, dass sie uns erhalten bleibt. Und selbst wenn wir gesundheitlich angeschlagen sind, heißt das noch lange nicht, dass wir keine glücklichen Menschen mehr sein können. Die Wissenschaft hat mittlerweile herausgefunden, dass 50 Prozent unseres Wohlbefindens – im Sinne von Zufriedenheit mit dem Leben – genetisch bedingt sind. Das bedeutet, dass wir eine bestimmte fest veranlagte Grundtendenz haben, uns mit dem Leben anzufreunden. Und das heißt natürlich auch, dass Menschen, die krank oder körperlich eingeschränkt sind, eine durchaus zufriedene und positive Einstellung zum Leben haben können. Ich werde nie eine Situation vergessen, als mir bei einem Ausflug mit einer Gruppe körperbehinderter Kinder ein Mädchen, das ich durch die Straßen schob, aus dem Rollstuhl stürzte, da ich ein Loch in der Straße übersehen hatte. Der Rollstuhl knickte ab, das Mädchen fiel vornüber, direkt auf die Straße. Ich war entsetzt, erschrak, eilte ihr zu Hilfe – mit vermutlich dem schlechtesten Gewissen, das ich jemals hatte. Das Mädchen aber lachte herzhaft! Es strahlte eine enorme Lebensfreude aus, mehr als viele körperlich gesunde Menschen.

Zurück zu der streng wissenschaftlichen Berechnung von Glück: Forscher haben errechnet, dass nur rund zehn Prozent von äußerlichen Gegebenheiten wie Gesundheit oder Einkommen abhängig sind; die Hälfte des Glücksempfindens ist, wie gerade erwähnt, genetisch bedingt und damit fix. Bleiben also immerhin noch 40 Prozent, die wir durch Einstellungen, Verhaltensweisen und Aktivitäten beeinflussen können.

Um uns diesen 40 Prozent nähern zu können, müssen wir uns den Glücksbegriff der Menschen genauer anschauen. Von welcher Art Glück reden wir hier eigentlich? Offensichtlich nicht vom sogenannten Zufallsglück, also dem Lottogewinn oder dem Finden eines Zehn-Euro-Scheins auf der Straße. Dieses Glück können wir nur bedingt beeinflussen (ich werde weiter hinten im Buch noch mal darauf zurückkommen).

Schon die alten Griechen haben noch zwei weitere Arten von Glück unterschieden, nämlich das hedonistische und das eudaimonische Glück. Das hedonistische Glück beschreibt als höchstes Ziel den Genuss und die Befriedigung von Gelüsten, während das eudaimonische Glück sich aus einem guten Leben speist, aus der Zufriedenheit mit sich und der Welt und einem tugendvollen Ansatz, der Welt nicht zu schaden.

Es sind vermutlich alle drei Arten von Glück wichtig. Sowohl das hedonistische als auch das Zufallsglück sind im Leben immer wieder notwendig. Doch das, wonach wir alle streben, um das wir uns aktiv bemühen, ist das eudaimonische Glück. Und eine wirkliche Zufriedenheit stellt sich ein, wenn es eine gute Balance zwischen hedonistischem und eudaimonischem Glück gibt, gewürzt mit einer Prise Zufallsglück.

Stellen wir uns einen Menschen vor, der tugendhaft und immer darum bemüht ist, alles richtig zu machen. Ein Mensch, der sich ständig um eine moralisch korrekte Haltung bemüht. Auf mich wirkt eine solche Person im besten Falle langweilig, im schlimmsten Falle getrieben und glücklos. Und andersherum, ein Mensch, der nur nach dem Lustprinzip lebt und es sich unentwegt gut gehen lässt, wirkt schnell nichts weiter als oberflächlich.

Ich denke, wir streben nach einem Leben, das sich erfüllt anfühlt, das uns befriedigt und in dem wir uns wohlfühlen. Das kann für jeden ganz Unterschiedliches bedeuten. Der eine ist erfüllt durch die Arbeit mit Menschen, der andere möchte gern etwas ganz für sich alleine entwickeln, und wieder ein anderer betrachtet sein Leben als erfüllt, wenn er möglichst wenig arbeiten muss. Entscheidend ist, was der Einzelne empfindet. Das Gefühl des Erfülltseins äußert sich häufig in einer souveränen Haltung, die uns erlaubt, mal fröhlich und unvernünftig zu sein, und die uns dennoch unsere langfristigen Ideen, Werte und Ziele nicht aus den Augen verlieren lässt.

Wie genau finden wir diese Haltung? Es hilft auf jeden Fall, wenn wir uns besser kennen. Wenn wir nicht länger versuchen, so zu werden wie die anderen. Sondern wenn wir erforschen, wer wir sind. Welche Stärken wir haben, welche Beziehungen uns etwas bedeuten und was wir erreichen wollen. Wenn wir darüber mehr Klarheit haben, dann können wir ein wenig mehr Gelassenheit entwickeln und uns an den Dingen freuen, die uns wichtig sind.

Gleichzeitig sind wir natürlich nicht losgelöst von dem Umfeld, in dem wir uns bewegen, und so gibt es immer wieder gesellschaftliche Werte und Ziele, die auch uns wichtig sind. Der Umgang mit den Bedürfnissen der Menschen und das Streben nach bestimmten Werten und Zielen unterliegen einer kontinuierlichen Veränderung. Im 19. Jahrhundert galt noch die »Disziplin« als das Maß der Dinge. Es existierten hohe moralische Ansprüche, und es galt jener als edel und gut, der seine Gefühle und Bedürfnisse durch Willenskraft und Disziplin beherrschte. In den 1920er-Jahren wich diese Sichtweise zugunsten der Lust am Genuss und am Spaß. Im Nationalsozialismus wurde der Wille zum großen Prinzip (man denke nur an Leni Riefenstahls »Triumph des Willens«). Ende der 1950er-Jahre fingen die Menschen an, sich mehr zu leisten. Mit dem Wirtschaftswunder begann eine Phase, in der nicht mehr Wille und Disziplin zählten, sondern der Wunsch nach gesellschaftlicher Anerkennung. Die Werbung suggerierte den Menschen, was sie für ihr Glück brauchten. So entwickelte sich eine immer stärker individualisierte Sichtweise auf das Leben. War zunächst noch die Vorstellung verbreitet, dass wir nur ernsthaft an einen Traum glauben müssten, um ihn realisieren zu können, folgte in den 1970er-Jahren eine Phase, in der wir gern den anderen die Schuld für nicht erfüllte Wünsche gaben, vorzugsweise den gesellschaftlichen und politischen Systemen. In den 1980er-Jahren wurde das Selbstwertgefühl hochgehalten, und jeder glaubte: Alles ist möglich! Gefolgt von der hedonistischen und maximal marktliberalen Überzeugung der 1990er-Jahre: Jeder ist seines Glückes Schmied, die Welt steht dem offen, der etwas bewegen will. Erst danach kam die Generation Y, also all jene, die in den Jahren von Ende der 1970er- bis Anfang der 1990er-Jahre geboren wurden, und mit ihr eine veränderte Sichtweise auf die Welt. Sie hat das kontinuierliche Wirtschaftswachstum der 1950er- und 1960er-Jahre nicht mehr erlebt, sie hat den 11. September 2001 schon mitbekommen, sie ist es schlicht gewohnt, mit unsicheren Verhältnissen umzugehen. Infolgedessen ist diese neue Generation auch nicht mehr bereit, alles für das Arbeitsleben zu opfern. Sie wünscht sich eine sinnvolle Arbeit, die ein maximales Maß an Lebensqualität ermöglicht.

Jede Generation fühlt sich durch sehr unterschiedliche Zielsetzungen motiviert, ihr Leben bewusst zu gestalten. Doch alle haben eines gemeinsam: das Bedürfnis, ein gutes, ein zufriedenes Leben zu führen.

In unserer jetzigen, durch und durch individualisierten Gesellschaft stehen die Verwirklichung der Persönlichkeit, das »Sich-entfalten-Können« und das Nutzen von Potenzialen ganz oben auf der Liste des Erstrebenswerten. Das klingt ja auch gut. Der Haken: Dazu müssen wir nun mal wissen, wie wir denn unsere Persönlichkeit am besten entfalten können. Wir müssen verstehen, wer wir sind, was uns wichtig ist, warum und wofür wir die Dinge tun, die wir tun. Ein Vorhaben, das sich als recht komplex und schwierig darstellt, und das nicht nur, weil es mittlerweile wenig gesellschaftlichen Reibungswiderstand gibt, der aber sehr hilfreich ist, um seine Einzigartigkeit zu erkennen. Mittlerweile ist unfassbar viel erlaubt, die Gesellschaft toleriert unzählige Verhaltensweisen. Gerade für Jugendliche ist es schwer, ihre Persönlichkeit wirklich zu erkennen und zu finden. Die aktuelle Gesellschaft bietet da wenig Orientierung. Sich gegenüber seinen Eltern abzugrenzen, ist heute deutlich schwerer. Kiffen? – Papa hat doch früher selbst Marihuana im Garten angebaut. Partys? – Waren früher auch schon mal wilder. Aber auch andere Vorbilder fehlen, ganz gleich, ob in Wirtschaft, Politik oder in religiösen Einrichtungen, überall begegnen wir heute Betrügereien, Korruption oder Missbrauch. Die »Anything-goes«-Haltung in Verbindung mit fehlenden Vorbildern erschwert hier eine klare Identifikation beziehungsweise Abgrenzung. Noch in den 1980er-Jahren haben sich Popper, Punks und Grufties perfekt voneinander abgrenzen können. Jede Gruppe hatte ihre eigenen Distinktionsmerkmale und einen Wertekodex, der nur für sie galt – heute gibt es Gruppierungen wie Hipsters, Nerds oder Geeks, deren Werte sich überraschend ähneln.2 Möglicherweise, weil sie alle sich auf die gleichen Quellen beziehen: das Internet. Studenten führen angepasstere Leben als früher, und auch bei der Kindererziehung werden, egal unter welchen Erziehungsmodellen, die Werte und Haltungen, die weitergegeben werden, immer ähnlicher.

Im unternehmerischen Kontext sind Arbeitsverhältnisse immer stärker von temporärem Charakter geprägt, Fachkräfte werden nur noch projektbezogen eingesetzt (auch wenn sich hier mittlerweile die Unternehmen wieder mehr Verbindlichkeit wünschen würden). Arbeitgeber fordern von ihren Mitarbeitern ein hohes Maß an Flexibilität, Lernbereitschaft, Anpassungsfähigkeit, sie wollen hohes Spezialistentum. Das Modell »Ein Job fürs Leben« existiert schon lange nicht mehr. Selbst die Karriereleiter gibt es nur noch selten in der alten geradlinigen »Leiter«-Form. Vielmehr steigen die Manager heute an einem Klettergerüst auf, an dem sie auch mal quer vorwärtskommen müssen. Auch innerhalb von Unternehmen wechseln die Strategien ständig aufgrund von dynamischen Märkten und immer kürzer werdenden Produktlebenszyklen, und Mitarbeiter versuchen sich immer wieder den neuen Gegebenheiten anzupassen. Bei so viel kontinuierlicher Veränderung ist es für alle Beteiligten gar nicht so einfach, immer wieder zu wissen, für was man steht und was einem wirklich wichtig ist.

So ist es doch besser zu zweit als allein – Das Bedürfnis nach einem Miteinander

Der Mensch möchte sich entfalten – scheitert nur leider oftmals an der Realität. Bleibt das Bedürfnis nach Zugehörigkeit. Wir möchten gerne verbunden sein mit einer Person, Gruppe oder Gemeinschaft. Der Mensch ist von seinem Wesen her sozial. Doch was genau ist ein soziales Wesen? Der Mensch hat irgendwann vor einigen Millionen Jahren sich mit anderen zusammengeschlossen, um große wilde Tiere jagen zu können. Und spätestens ab dem Zeitpunkt des Ackerbaus war er praktisch nicht mehr in der Lage, für sich ganz alleine zu sorgen. Es bildeten sich Gemeinschaften, die zum Zwecke der Nahrungssicherung zusammenwirkten. Diese Erfahrung hat sich bei uns so verinnerlicht, dass wir auch heute noch gerne in Gemeinschaften arbeiten und leben. Das bedeutet nicht, dass es keine Persönlichkeiten gäbe, die lieber alleine arbeiten, oder andere, die sich in Ruhe und Einsamkeit wohlfühlen. Entscheidend ist, dass wir mehr denn je sowohl in wirtschaftlicher als auch in psychischer Hinsicht aufeinander angewiesen sind. Gerade in der Wirtschaft ist durch den hohen Grad an Spezialisierung und Arbeitsteilung ein Miteinander heute notwendiger denn je. Viele Arbeitsschritte sind isoliert gar nicht mehr sinnvoll. Die meisten von uns sind nicht mehr in der Lage, eigene Lebensmittel herzustellen, unser Auto zu reparieren oder eigene Kleidung zu nähen. Wir bedienen uns einer großen Anzahl von elektronischen Geräten, die wir nicht mal im Ansatz technisch verstehen (ich weiß bis heute nicht, wieso meine WhatsApp-Nachrichten inklusive Fotos von meinem Handy auf ein anderes »fliegen« können).

Aber neben diesen wirtschaftlichen und soziologischen Gegebenheiten sind wir auch aus der Sicht der Psychologie und der Biologie auf ein Miteinander angewiesen. Physisch haben wir ein »Motivationssystem«, das uns durch die Ausschüttung von verschiedenen Botenstoffen (chemische Stoffe, die der Übermittlung von Signalen zwischen verschiedenen Zellen dienen) Handlungsbereitschaft und auch Handlungsfähigkeit signalisiert. Vereinfacht gesagt, gibt es drei wichtige Botenstoffe in diesem Zusammenhang: erstens das Dopamin, ein Botenstoff, der uns glücklich macht. Er wird unter anderem ausgeschüttet durch angenehme Aktivitäten wie Essen oder auch Sex. Zweitens das Oxytacin, das als neu entdecktes Beziehungshormon gilt, da es nur bei Säugetieren vorkommt, die Bindungen eingehen. Es reduziert soziale Ängste und gilt als vertrauensfördernd. Die Produktion wird angeregt durch eine freundliche und zugewandte Interaktion mit anderen Menschen, weshalb es auch gerne das »Kuschelhormon« genannt wird. Und drittens die Opioide, die ebenfalls eine aktive und motivierende Reaktion in uns auslösen. Die drei Botenstoffe werden in dieser Dreierkombination vor allem durch soziale Handlungen ausgeschüttet. Zeigt man beispielsweise einer Person Fotos von ihren Kindern oder anderen Menschen, die sie liebt, werden die entsprechenden Stoffe produziert.

Vielleicht denken Sie jetzt: Für diese Botenstoffe muss es doch einen künstlichen Ersatz geben, wenn sie so eine beeindruckende Wirkung haben! Rein theoretisch stimmt das auch. Um diese Botenstoffe künstlich zu erzeugen, könnten wir viel Alkohol trinken (Ausschüttung von Dopamin) oder ein wenig Haschisch rauchen (Ausschüttung von Opioiden) und dann auf eine ähnliche Reaktion hoffen. Unabhängig von den eher zweifelhaften gesundheitlichen Folgen dieser Vorgehensweise erzeugen diese Botenstoffe, wenn sie künstlich erzeugt werden, lediglich eine isolierte Wirkung.

Die motivierende und anregende Wirkung der Stoffe wird nur durch deren gemeinschaftliche Stimulation ausgelöst, durch die Interaktion mit Menschen, durch ein wertschätzendes Miteinander und auch durch liebevolle, körperliche Kontakte. Forschungen in Stanford haben diese Reaktion des Gehirns »social brain« genannt. So kann durch ein gutes intaktes soziales Umfeld sogar die Lebenserwartung erhöht werden. Umgekehrt wurde festgestellt, dass eine längere Isolation des Menschen zu einem Kollaps dieses biologischen Motivationssystems führt.

Auch die psychologische Wirkung von menschlicher Interaktion wurde in vielen Forschungsarbeiten nachgewiesen: Menschen, die sich einsam fühlen, werden häufiger krank als andere. Dabei wird das gesundheitliche Risiko ähnlich hoch eingeschätzt wie bei jemandem, der täglich 15 Zigaretten raucht.3 Die Forscherin Naomi Eisenberger von der University of California in Los Angeles hat sogar festgestellt, dass bei sozialer Ausgrenzung jene Hirnregionen aktiv werden, die für das Schmerzempfinden zuständig sind. Sogar die Entzündungswerte steigen an.4

Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Formulierung »sich einsam fühlen«. Entscheidend für den gesundheitlichen Zustand ist die innere Einstellung zu den äußerlichen Gegebenheiten. Einsam fühlen können sich auch Menschen, die viele Bekannte haben, aber niemanden, mit dem sie sich wirklich verbunden fühlen. Und umgekehrt gibt es Menschen, die sich auch mit ganz wenigen sozialen Kontakten gut fühlen. Das subjektive Empfinden steht hier im Vordergrund. Die Aussage, dass der Mensch ein soziales Wesen ist, bezieht sich also weniger auf seine Haltung im Sinne von »sozial ist gleich gut«, sondern eher auf den Aspekt: Der Mensch ist dafür geboren, mit anderen Menschen gemeinsam zu leben.

Es gibt natürlich immer wieder Menschen, die den Eindruck erwecken, dass sie keinerlei Interesse an ihren Mitmenschen hätten. Wir kennen alle den ein oder anderen mürrischen Zeitgenossen in unseren Freundeskreisen, Leute, die überhaupt nicht den Eindruck machen, als ob sie wirklich versuchen würden, glücklich zu sein. Aber vielleicht wollen diese Personen gerade durch eine Abwehrhaltung zu ihrem Wohlbefinden beitragen. Möglicherweise glauben sie, sich vor anderen schützen zu müssen, da sie vielleicht schlechte Erfahrungen gemacht haben. Diese können sowohl darin bestehen, ausgenutzt oder aber auch schlecht behandelt worden zu sein. Gerade die ruppigen, rauen Typen haben meistens einen ganz weichen Kern und sind in der Regel nur so abweisend, damit keiner näher an sie herankommt. Ich hatte einmal einen Kollegen, der solch ein resolutes und dominantes Auftreten an den Tag legte, und ich fühlte mich schnell ziemlich eingeschüchtert. Als er mich dann wieder mal so ruppig behandelte, nahm ich all meinen Mut zusammen und sprach ihn darauf an, da wir noch eine längere Zeit zusammen in dem Projekt arbeiten sollten. Er schaute mich ganz überrascht an und meinte: »Komme ich wirklich so rüber? Das ist gar nicht meine Absicht! Ich wollte gerade einfach nur meine Ruhe haben.« Unser Gespräch war die Ausgangsbasis für eine wunderbare Zusammenarbeit.

Ich will etwas, was du nicht willst

Ist einem dieses Spannungsfeld zwischen Zusammengehörigkeit und individuellem Entfaltungsraum bewusst, erkennt man den Hintergrund vieler Beziehungsproblematiken. Die meisten solcher Probleme entstehen aus dem Versuch, zwischen diesen beiden Polen ein Gleichgewicht herzustellen. Die Fragen »Wie viel Nähe braucht eine Beziehung?« und »Wie viel Eigenständigkeit verträgt eine Beziehung?« müssen immer wieder überprüft oder gar neu gestellt werden. Jeder von uns hat in diesem Zusammenhang ganz unterschiedliche Vorstellungen. Dies auszuloten ist ein wichtiger Bestandteil von funktionierenden Beziehungen.

PERSÖNLICHES SPANNUNGSFELD