1,49 €
Ein Schneesturm tobt über den Rocky Mountains! Gerade noch rechtzeitig können sich Erin und der umwerfend attraktive Fremde zusammen in eine Blockhütte retten. Sie und dieser Valentino, wie er heißt, schneien ein – und eine sinnliche Nacht beginnt. Heißer als das Kaminfeuer lodert zwischen ihnen die Leidenschaft, und als die Sonne über dem glitzernden Winterwunderland aufgeht, weiß Erin: Sie hat sich verliebt. Doch was sie nicht ahnt: Ihr Traummann ist der Thronfolger des fernen Inselreichs Lorenzo del Toro – und mit einer Prinzessin verlobt …
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 199
IMPRESSUM
JULIA erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg
© 2021 by Cara Colter Originaltitel: „Snowbound with the Prince“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA, Band 2581 01/2023 Übersetzung: Beatrice Norden
Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 01/2023 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783751518291
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY
Alles über Roman-Neuheiten, Spar-Aktionen, Lesetipps und Gutscheine erhalten Sie in unserem CORA-Shop www.cora.de
Werden Sie Fan vom CORA Verlag auf Facebook.
Valentinstag stand vor der Tür.
Konnte es einen schlimmeren Tag geben, Single zu sein, vor allem, wenn man ein absolut frischgebackener Single war?
Eigentlich hatte sich Erin O’Rourke vorgestellt, dass der Valentinstag in diesem Jahr etwas ganz Besonderes für sie sein würde.
An Weihnachten war sie ein wenig enttäuscht gewesen, da der erhoffte Antrag ausgeblieben war. Doch dann hatte sie sich eingeredet, Paul hätte sich für den viel romantischeren Valentinstag entschieden, um ihr die langersehnte Frage zu stellen. Sie hatte sich einen stimmungsvollen Abend vorgestellt, mit perlendem Wein und roten Rosen. In einer der samtigen Blüten hatte sie sich das diamantene Funkeln des Ringes erträumt, den Paul ihr auf den Finger stecken würde.
Aber schlimmer hätte sie sich nicht täuschen können. Wie um alles in der Welt hatte es geschehen können, dass sie die Signale übersehen hatte? Denn vor zwei Wochen hatte Paul unvermittelt verkündet: „Es hat keinen Zweck mit uns. Es geht einfach nicht mehr.“
Erin war fassungslos gewesen. Alle ihre Träume waren auf einmal zerplatzt. Mit ein paar dürren Worten hatte er alles zunichtegemacht. Während sie von einer festen Bindung geträumt hatte – Eheglück, ein kleines Haus und bald ein Baby – hatte sich Paul, mit dem sie seit zwei Jahren zusammen war, in die entgegengesetzte Richtung bewegt.
Offensichtlich wollte er den traditionellen Werten der Familie entkommen, mit denen sie aufgewachsen war. Statt also ihre Verlobung zu feiern, stand Erin am Vorabend des Valentinstags vor einem Scherbenhaufen.
Aber zum Glück hatte sie noch Harvey! Sie tätschelte die Ausbuchtung in ihrem Skianzug, der ihre kostbare Fracht nicht ganz verbarg, und zog sich die Mütze tiefer in die Stirn.
Gerade war sie aus dem Sessellift am Lonesome Lookout gestiegen, dem höchsten Lift im Touch-the-Clouds-Skigebiet. Ihr Großvater hatte das Resort vor mehr als fünfzig Jahren in den Rocky Mountains gegründet. Nach seinen bescheidenen Anfängen hatte es das Skigebiet weit gebracht.
Anfangs hatte es nur einen einfachen Sessel- und einen Schlepplift gegeben sowie eine kleine Hütte, die mit einem Ofen aus einem ausgedienten Ölfass beheizt wurde. Aber Touch-the-Clouds hatte den besten Pulverschnee der Welt, und im Laufe der Jahre hatte sich dieses Geheimnis herumgesprochen. Der Ort war immer beliebter geworden, vor allem bei den Reichen und Schönen, und schließlich hatte sich das Gebiet dermaßen vergrößert, dass ihr Großvater der Arbeit nicht mehr gewachsen war.
Jetzt bestand das Skiresort aus einem ganzen Dorf mit Bars und Hotels, Geschäften und Restaurants. Es gab mehrere Dutzend verschiedener Lifte und Hunderte von Abfahrten. Zwar war es noch immer das bevorzugte Skigebiet der Prominenz, aber alles hing vom Schnee ab. Im Moment hatten sie gerade ein paar schlechte Jahre hinter sich … und eine schlechte Kritik in der Zeitschrift Snow Lust. Darin wurde das Skigebiet als „müde und überbewertet“ bezeichnet.
Die gesamte Anlage stand inzwischen unter dem Schirm eines großen Unternehmens, um mit der Konkurrenz Schritt halten zu können. Allerdings wusste Erin, die in der Buchhaltung beschäftigt war, dass das Resort schon mehrere Jahre lang rote Zahlen schrieb. Wie lange konnte das noch so weitergehen?
Als Enkelin des Gründers hatte man ihr ein Apartment mitten im Dorf zugestanden. Und auch Snow Daze, die ursprüngliche Hütte ihres Großvaters, durfte sie exklusiv nutzen. Aber wie lange würde das noch gehen, wenn das Unternehmen demnächst vielleicht in andere Hände überging?
Die Hütte lag abseits der ausgetretenen Pfade, und der verschneite Weg dorthin war nur von einem bestimmten Sessellift aus zu erreichen. Sie hatte beschlossen, sich freizunehmen und den Valentinstag in der Einsamkeit der rustikalen Hütte zu verbringen, denn sie hoffte, dass die intensive Stille des tiefen Schnees draußen, das Knistern des Feuers drinnen und Harvey in ihrem Schoß ihr Innerstes beruhigen würden. Auf diese Weise würde sie am nächsten Tag zumindest nicht den mitleidigen Blicken ihrer Kollegin Kelly ausgesetzt sein, deren verliebter Mann ihr ständig Blumen und schnulzige Karten ins Büro schickte.
Bisher hatte Erin es geschafft, das erniedrigende Ende ihrer Beziehung für sich zu behalten. So gesehen hatte es sogar etwas Gutes, dass Paul ihr nie einen Ring an den Finger gesteckt hatte. Ein plötzlich entblößter Ringfinger hätte wie eine Einladung zu vielen unerfreulichen Fragen gewirkt. Genauso gut könnte sie eine E-Mail im Büro herumschicken: Ich bin eine Versagerin in Sachen Liebe. Es hat nicht geklappt. Ich bin wieder Single.
Erin betrachtete den Berg im schwindenden Licht des kalten Wintertages. Sie kannte dieses Gebiet wie kaum jemand anders.
Inzwischen fiel der Schnee so dicht, dass die Gipfel der Berge kaum noch zu sehen waren. Sie hatte den Lift gerade noch erwischt, als Ricky, der alte Liftwärter, alle anderen Skifahrer bereits abwies.
„Du bist zu knapp dran“, hatte er sie gewarnt. „Ich habe die Patrouille vor zwanzig Minuten hochgeschickt, um den Berg nach Nachzüglern abzusuchen. Du hast höchstens noch dreißig Minuten bis zum Einbruch der Dunkelheit. Ich glaube nicht, dass du es in dieser Zeit bis ganz nach unten schaffst.“
„Ich will auch nicht ganz hinunter. Ich fahre zur Hütte“, hatte sie erklärt. „Dafür ist noch reichlich Zeit.“ Sie hatte auf ihre Jackentasche gedeutet. „Ich habe ein Satellitentelefon bei mir. Damit kann ich der Patrouille Bescheid geben, wenn ich angekommen bin.“
„Okay, aber sei vorsichtig“, hatte Ricky sie mit einem skeptischen Blick auf die immer dichter fallenden Schneeflocken gewarnt.
Erin hatte lachen müssen. „Die Abfahrt zu dieser Hütte ist für mich genauso Routine wie für die meisten Pendler der Heimweg.“
„Ich weiß“, war Ricky in ihr Lachen eingefallen. „Ich habe die Hütte ja damals zusammen mit deinem Großvater gebaut. Ich weiß, dass du dich hier zu Hause fühlst. Aber es ist immer noch ein Berg, und Mutter Natur kann dich jederzeit überraschen. Es sieht ganz so aus, als würde sich ein gewaltiger Schneesturm aufbauen. Ich glaube nicht, dass dann eine Rettungsmission möglich wäre.“
„Du wirst mich nicht retten müssen“, hatte sie ihm versichert. Aber seine Sorge war ihr ein Trost gewesen.
Im Sessellift hatte sie eine Hand auf das warme Wesen vor ihrem Bauch gelegt und laut gesagt: „Du bist meine Familie, und Touch-the-Clouds ist unser Zuhause.“ Und das, beschloss sie, war allemal genug.
Nun stand sie hier oben auf der Piste in absoluter Einsamkeit. Die im Sturm schaukelnden Sessel des Lifts waren im dichten Schneegestöber nur noch schemenhaft zu erkennen. Sie zog ihre Kapuze als zusätzlichen Schutz vor dem eisigen Wind über den Helm und schob sich die Skibrille vor die Augen. Mit ein paar Schlittschuhschritten und einigen Stockschüben nahm sie Schwung auf und hörte gleich darauf das wunderbare Zischen ihrer Ski im neuen Pulverschnee.
Schon nach den ersten Schwüngen spürte sie, wie ihr Herzschmerz verblasste, während sie sich voll und ganz dem Augenblick hingab. Der Schnee, der Fahrtwind, die Ski unter ihr … Seit ihrer frühen Kindheit hatte die rhythmische Eleganz der Schwünge ihr Herz mit einer Euphorie erfüllt, die mit nichts anderem zu vergleichen war … einschließlich ihrer Liebe zu Paul, wurde ihr klar.
Snow Daze, die alte, tief im Wald versteckte Hütte, war Teil ihres Lebens gewesen, seit sie laufen konnte. In ihren Erinnerungen gab es Familienfeiern mit mehreren Generationen. Sie war damit aufgewachsen, dass beim Schlittenfahren und Schneemannbauen nass gewordene Kleidung am Feuer trocknete, sie erinnerte sich an ausgelassene Kartenspiele, die an einem abgewetzten Holztisch gewonnen und verloren worden waren, an all die Bücher, die sie in dem verschlissenen Sessel verschlungen hatte. Und an den Duft von Skiwachs am Küchentisch.
Doch nüchtern betrachtet waren diese wundervollen Momente eher selten gewesen. Die Rennsportkarriere ihres Vaters und seine anschließende Trainertätigkeit hatten ihn ständig um die ganze Welt geführt. Als blendend aussehendem Sportstar hatte ihm die Damenwelt zu Füßen gelegen, und er hatte der Versuchung selten widerstanden. Erschöpft von seinen vielen Affären, hatte ihre Mutter ihn schließlich verlassen, als Erin elf gewesen war.
Den Rest ihrer Kindheit hatte sie zwischen den beiden Haushalten, mit ständig wechselnden internationalen Kulissen und Partnern, verbracht und sich nach den Dingen gesehnt, die für die Familien anderer Menschen selbstverständlich zu sein schienen: Stabilität, Verbundenheit, Loyalität, Liebe. Und all das hatte sie sich erhofft, als sie ihre Beziehung mit Paul begonnen hatte.
Energisch schüttelte sie den Gedanken ab und konzentrierte sich auf das berauschende Gefühl der Schwünge im Pulverschnee. Der Eingang in den schmalen Pfad, der zur Hütte führte, war auch bei guter Sicht nicht leicht zu finden. Ein Teil der heilenden Kraft des Berges bestand darin, dass er keine Tagträumereien duldete, er zwang einen dazu, konzentriert zu bleiben. Für jeden Fehler gab es Konsequenzen. Selbst für sie, die den Berg so gut kannte wie kaum jemand sonst, wäre es unter diesen widrigen Bedingungen leicht gewesen, am Eingang des Trails vorbeizurauschen, und dann bliebe ihr nur der beschwerliche Aufstieg in der zunehmenden Dunkelheit im immer stärker werdenden Sturm.
Erin schwang energisch ab und blieb stehen. Zwischen den Windböen war es auf einmal mucksmäuschenstill. Sogar das tiefe Brummen des Sessellifts war verklungen, Ricky hatte ihn offenbar inzwischen abgestellt.
Der anfangs pudrige Schnee hatte mittlerweile seine Eigenschaft verändert, er war körniger und eisiger geworden. Sie blinzelte durch die schneeverkrustete Brille den Berg hinauf und schob sie sich dann auf die Stirn. Der Himmel hatte eine unheilvolle violette Färbung angenommen.
Wer den Berg kannte, wusste, dass ein heftiges Unwetter aufzog, ganz genau so, wie Ricky es vorausgesagt hatte. Vielleicht würde sie länger als nur einen Tag in der Hütte bleiben müssen. Aber das war ihr nur recht. Die Hütte war gut bestückt, und in ihrem Rucksack hatte sie ein besonderes Valentinstagsessen für eine Person, über Funk konnte sie ihre Pläne in die Talstation melden, so dass niemand nach ihr suchen musste.
Paul, der kein großer Skifahrer war, war noch nie in der Hütte gewesen. Also gab es dort nichts, was sie an ihn erinnerte.
Hatte sie diesen Ort vielleicht unbewusst aufgespart? Hatte sie gedacht, dies wäre der schönste Ort der Welt für ihre Flitterwochen? Hatte sie geglaubt, bei einer Hochzeit im Sommer würden sie hier, unberührt von moderner Technik, ein paar glückliche Tage ganz für sich allein haben, keine Telefone, keine Computer, keine Unterbrechungen.
Paul und sein Telefon: das ständige Überprüfen, das ständige Tippen irgendwelcher Nachrichten, das Abschotten von der Welt, das Abschotten von ihr. Sie hatte es immer als kränkend empfunden, dass ihm sein Handy stets wichtiger war als sie.
Doch so plötzlich der Gedanke aufgetaucht war, so schnell schüttelte sie ihn wieder ab. Stattdessen blickte sie auf den Rand der Piste. Kaum sichtbar war die winzige Öffnung, die den geheimen Trail markierte. Darüber war ein kleines, verblasstes Schild an einen Baum genagelt. Privat – Zutritt verboten. Es war eine überflüssige Warnung, denn nur jemand, der diese schmale Lücke in der Wand aus schneebedeckten Tannen suchte, konnte sie auch finden.
Erin schob sich die Brille wieder ins Gesicht, zog die Kapuze zu und wollte gerade Schwung nehmen, als eine Stimme sie aufhielt.
War es wirklich eine Stimme, oder hatte sich der Sturm zu seltsam heulenden Windböen verstärkt?
Sie hatte geglaubt, allein auf dem Berg zu sein. Angestrengt in das Schneetreiben blinzelnd dreht sie sich um, doch es war nichts zu sehen.
Dann hörte sie die Stimme noch einmal, und lauter als zuvor. Das war definitiv nicht der Wind.
„Alisha, warten Sie!“ Die Stimme klang tief und männlich.
Alisha? Bedeutete das, dass es noch zwei Menschen gab, die im Sturm auf der Piste unterwegs waren?
Im dichten Schneetreiben konnte sie niemanden sehen. Doch dann lichtete sich der Schneeschleier, und sie sah einen Mann, der langsam die Piste herab auf sie zu glitt. Es war ein steiler Abschnitt, und die Sicht war außerordentlich schlecht geworden, aber er schien ein guter Skifahrer zu sein. Dicht vor ihr schwang er ab und hüllte sie in eine Schneewolke.
Stirnrunzelnd sah sie ihn an, weil er sie komplett eingeschneit hatte. Wie konnte es sein, dass er nach der Patrouillenfahrt der Bergwacht immer noch auf dem Berg war?
Als sie ihn sich etwas genauer ansah, ließ ihre Verärgerung nach. Der Fremde war viel größer als sie. Wahrscheinlich fiel ihr das auf, weil sie zwei Jahre lang versucht hatte, kleiner zu wirken, als sie war, denn Paul hatte es immer als Kränkung empfunden, dass sie größer war als er.
Der Mann hatte die steile Piste sehr athletisch gemeistert. Aus der Nähe fand sie ihren ersten Eindruck bestätigt. Unter einer sehr teuren Winterjacke zeigten sich breite Schultern, und die eng anliegende Skihose verriet kräftige Oberschenkel. Er stand so selbstsicher vor ihr, dass ihre Vorwürfe verpufften, bevor sie ausgesprochen waren. Es kam ihr vor, als sei nicht sie, sondern er für diesen Berg geboren.
Die Augen des Fremden waren durch die verspiegelte Skibrille verdeckt. Dennoch kam er ihr vage bekannt vor. Wahrscheinlich war er einer der Promis aus einem der Luxushotels unten im Tal.
Der Ernst der Situation ließ nicht zu, dass sie sich durch seinen Anblick ablenken ließ, dennoch konnte sie nicht verhindern, dass ihr ein verräterisches Kribbeln über den Rücken lief. Aber das konnte nur die wilde Unberechenbarkeit des Winterwetters sein, versuchte sie sich einzureden. Aufkommende Stürme hatten manchmal diesen Effekt, sie erfüllten die Luft wie mit einer summenden elektrischen Ladung. Genau dieser Umstand musste für das plötzlich aufwallende Gefühl verantwortlich sein.
„Alisha“, durchbrach der Fremde ihre Gedanken. „Ich dachte schon, ich hätte Sie verloren.“
Es lag nicht am aufziehenden Unwetter. Das wurde ihr schlagartig klar, als sie die Stimme hörte. Sie wirkte wie warmer Honig, tief und aufregend exotisch. Ein leiser Akzent lag darin, der sie weit weg vom Wintersturm an sonnenverwöhnte Orte trug, die nach Gewürzen und Blumen dufteten.
Ach, wenn sie doch diese Alisha gewesen wäre! Mit einem Seufzer klappte sie ihre Kapuze nach hinten und zog sich die Brille von den Augen.
Prinz Valentino de Oscaro blickte verblüfft in die grünsten Augen, die er je gesehen hatte. Er hatte erwartet, in dieser kurzen Atempause des Schneesturms seine Sicherheitschefin wiedergefunden zu haben, die er seit der letzten Abfahrt aus den Augen verloren hatte.
„Sie sind nicht Alisha“, stellte er fest.
Dass er die beiden Frauen verwechselt hatte, war allerdings kein Wunder. Sie waren von vergleichbarer Größe, und auch ihre Skikleidung stimmte überein. Wie groß war eigentlich die Wahrscheinlichkeit, dass zwei Frauen von beinahe gleichem Äußeren in diesem Sturm unterwegs waren?
Ansonsten aber war seine Sicherheitschefin Colonel Alisha del Rento das ganze Gegenteil dieser Frau: Die Lebenserfahrung war ihr unverkennbar hart und verbittert ins Gesicht gemeißelt, außerdem hatte sie einen dunklen Teint, während diese Frau blass wirkte.
Sofort korrigierte Valentino sich. Dieses Wort wurde der Unbekannten, die vor ihm stand, nicht gerecht. Hellhäutig klang besser. Auf ihrer schimmernden Haut lag der gesunde Glanz der Natur, den sich die meisten Frauen wünschten, der aber mit künstlichen Mitteln nicht zu erreichen war.
Doch solche Beobachtungen waren jetzt nebensächlich. Wo war Alisha? Seine Leibwächterin von der königlichen Garde war stolz darauf, mit allem fertigzuwerden, was ihr das Leben in den Weg warf. Doch weder sie noch die beiden anderen Mitglieder seines Sicherheitsteams waren mit den Bedingungen in den Bergen vertraut.
Er machte sich Vorwürfe. Sollte ihnen etwas zugestoßen sein, war er daran schuld. Trotz des sich verschlechternden Wetters hatte er auf einer weiteren Abfahrt bestanden. Der Pulverschnee war einfach zu verlockend gewesen.
Diese Frau mochte Alisha nicht wirklich ähnlich sehen, aber den finsteren, missbilligenden Blick beherrschte sie ebenfalls sehr gut.
„Was in aller Welt machen Sie hier draußen?“, herrschte sie ihn an.
Valentino war einen solch scharfen Ton nicht gewohnt, aber irgendwie gefiel ihm, wie beherzt die junge Frau ihn anging. Es war eine erfrischende Abwechslung von der ehrerbietigen Art, mit der seine Untergebenen ihm gewöhnlich begegneten.
Allerdings hatte er es jetzt mit zwei Frauen zu tun, die sich über ihn ärgerten. Die eine vor ihm, deren grüne Augen ein faszinierendes inneres Licht ausstrahlten, und seine Sicherheitschefin, die angesichts des Wetters dringend davon abgeraten hatte, diese letzte Abfahrt zu unternehmen. Aber er hatte darauf bestanden, weil er die Herausforderung liebte.
Nur eine dieser beiden allerdings würde sich die Freiheit nehmen, ihren Unmut offen zu äußern. Und auch diese Herausforderung gefiel ihm.
Er beantwortete ihre Frage, indem er sie einfach wortgleich wiederholte.
„Was in aller Welt machen Sie hier draußen?“, schoss er zurück.
Ihr Blick wurde noch strenger. Niemand außer seiner Mutter hatte es je gewagt, sich ihm gegenüber so zu verhalten.
„Ich wohne hier“, entgegnete sie knapp.
Er blickte sich um. „Wo? Unter einem der Bäume?“
Anscheinend teilte sie seinen Humor nicht. Ihr Blick drohte ihn beinahe zu erdolchen.
„Ich arbeite hier im Skiresort. Sie sollten bei diesem Sturm nicht auf dem Berg sein.“
„Aber Sie sollten das?“, fragte er mit mildem Spott. „Abgesehen davon scheint mir der Sturm nachzulassen.“
„Lassen Sie sich nicht täuschen. Man sollte das Bergwetter nicht unterschätzen. Womöglich holt der Sturm gerade tief Luft, um dann erst richtig loszulegen.“
Seine Anwesenheit schien ihr sehr lästig zu sein. Mit einer heftigen Geste stieß sie die Stöcke in den Schnee und zog ihre Handschuhe aus. Unwillkürlich fiel ihm auf, dass sie keinen Ring trug, und als sie eine Außentasche ihrer Jacke öffnete, bemerkte er die Ausbuchtung ihres Bauchs. War sie schwanger?
Erleichtert sah er im nächsten Augenblick, dass sie einen Gegenstand aus der Tasche zog, der wie ein Telefon aussah. Sie hielt es gen Himmel und blickte kritisch darauf. Dann stapfte sie ein paar Schritte den Berg hinauf. Erstaunt stellte er fest, wie sicher sie sich trotz ihres Zustandes auf den Skiern bewegte.
Dann hielt sie das Gerät wieder in die Höhe.
„Was machen Sie da?“, fragte er.
„Ich suche nach einem Signal. Das ist ein Satellitensuchgerät“, erklärte sie, ohne ihn dabei anzusehen. Plötzlich hellte sich ihre Miene auf. Hastig tippte sie ein paar Zahlen in das Gerät und hielt es sich ans Ohr.
„Wie heißen Sie? Ich muss im Tal Bescheid sagen, dass Sie sich noch hier herumtreiben.“
Valentino war es nicht gewöhnt, als Herumtreiber betitelt zu werden. Doch eigenartigerweise fühlte sich das, was er eigentlich als Beleidigung hätte empfinden sollen, seltsam wohltuend an. Noch nie hatte er erlebt, dass jemand absolut keine Ahnung hatte, wer er war.
Ohne nachzudenken ergriff er die Chance, seine Anonymität noch eine Weile auszukosten und beschloss, ihr lediglich seinen Vornamen nennen. Sie würde noch früh genug erfahren, dass der Kronprinz des Königreiches Lorenzo del Toro vermisst wurde.
„Valentino“, antwortete er. Eigentlich hatte er etwas Landestypisches sagen wollen wie Fred oder Joe, aber er musste auch an sein Sicherheitsteam denken. Seine Leibwache war inzwischen bestimmt außer sich vor Sorge um ihn.
„Ernsthaft?“ Sie blickte ihn aus ihren grünen Augen skeptisch an.
„Wie bitte?“
„Sie heißen wirklich Valentino?“
„In der Tat.“
„Kaum zu glauben“, murmelte sie.
„Wie bitte?“, fragte er noch einmal.
Sie seufzte auf. „Wie wahrscheinlich ist es, dass ich am Vorabend des Valentinstages einen Mann namens Valentino auf dem Berg finde?“
„Mir war nicht bewusst, dass morgen Valentinstag ist“, gestand er.
Eigentlich hätte er sie am liebsten gefragt, ob sie am Valentinstag nicht lieber bei ihrem Mann sein wollte, um ihr Kind zu bekommen, aber das schien ihm doch zu intim. Außerdem war sie mit ihren Gedanken schon weiter und warf ihm eine weitere Frage an den Kopf.
„Und Ihre Begleiterin? Diese Alisha? Wann haben Sie die das letzte Mal gesehen?“
„Wir saßen zusammen im Lift. Wir waren insgesamt zu viert.“
„Vier?“ Ihre grünen Augen weiteten sich erschrocken. „Da wird sich die Bergwacht aber freuen!“ Unwillkürlich bemerkte er, wie dicht ihre Wimpern waren und dass sich Schneeflocken wie winzige Diamanten darauf abgesetzt hatten.
Es würde sie vielleicht beruhigen, wenn sie wüsste, dass die Mitglieder seines Teams ausgezeichnete Spezialisten für alle möglichen Notlagen waren. Aber wenn er zugab, von einem solchen Team begleitet zu werden, würde sie ahnen, dass es sich bei ihm nicht um einen gewöhnlichen Sterblichen handelte. Und noch war er nicht bereit, seine Anonymität aufzugeben.
„Ja, wir waren zusammen Skifahren. Sie sind alle sehr geübte Skifahrer.“
Die Skepsis in ihrem Blick wuchs. Valentino war es nicht gewöhnt, dass jemand an seinen Worten zweifelte.
„Um ehrlich zu sein“, gestand er, „weiß ich selbst nicht, wie es möglich war, von den anderen getrennt zu werden.“
Angesichts der absoluten Hingabe seines Teams an seine Sicherheit war es wirklich verwunderlich, dass sie sich verloren hatten. Eben noch war er beschwingt den Berg hinuntergerauscht, und im nächsten Moment war ihm bewusst geworden, dass der Sturm immer stärker wurde und er allein war.
„Die Berge haben ihre eigenen Ansichten darüber, was Menschen für möglich oder unmöglich halten“, spottete sie und wandte sich dann wieder dem Telefon zu.
„Hi Stacy, hier ist Erin.“
Erin also. Der Name passt gut zu ihr, dachte er. In seiner Welt trugen die Frauen alle weiblichere Namen, und das verstärkte sein Gefühl, jetzt in einer anderen Zeit und an einem anderen Ort zu sein.
Ihre Stimme drang zu ihm durch. Wenn auch ihr Name nicht besonders weiblich klang, ihre Stimme tat es sehr wohl.
„Ich bin hier oben auf dem Lonesome Run auf einen Typen gestoßen“, erklärte sie jener Stacy am anderen Ende gerade. „Valentino heißt er.“
Insgeheim war er froh, dass er sich nicht Joe oder Fred genannt hatte, denn er mochte die Art, wie ihr sein Name über die Lippen ging.
„Insgesamt waren es vier Personen in einer Gruppe“, hörte er sie fortfahren. Dann wiederholte sie mit erhobener Stimme: „Du hast richtig gehört. Vier!“
Sie lauschte einen Moment und hielt dann den Hörer vom Ohr weg. Selbst über die Entfernung konnte er das Zischen und Knistern in der Leitung hören. Sie wartete geduldig, bis es verstummte, und hielt sich das Gerät wieder ans Ohr.
Bald würde es mit seiner Anonymität vorbei sein. Von der Talstation würde sie sicherlich erfahren, dass sie mit einem Mitglied der königlichen Familie eines kleinen Inselreichs im Mittelmeer zusammengetroffen war. Alles würde sich ändern: Sie würde ihn mit neuem Respekt betrachten, aber nur wegen seines Titels, nicht um seiner selbst willen. Schade eigentlich. Der Gedanke, einmal herauszufinden, wie er unerkannt auf andere Menschen wirkte, war zu verlockend gewesen.
Jetzt aber verfolgte er, wie Erin verärgert auf ihr Gerät blickte. Sie hielt es noch einmal nach oben, seufzte und steckte es dann zurück in ihre Tasche.
„Das Signal hat sich verflüchtigt“, erklärte sie achselzuckend. „Das ist bei diesem Wetter nicht ungewöhnlich. Ich habe gerade noch hören können, dass der Rest Ihrer Gruppe in Sicherheit ist.“
Wer er selbst war, hatte sie aber offenbar nicht mehr erfahren können. Valentino war erleichtert. Nun konnte er doch noch ein bisschen länger den Bettelprinzen spielen, und um die Soldaten seiner Leibwache musste er sich auch keine Sorgen mehr machen. Sie waren zwar exzellent trainierte Experten, aber in diesen Sturm waren sie nur seinetwegen geraten. Er hätte sich ewig Vorwürfe gemacht, wenn ihnen etwas zugestoßen wäre.
„Das ist gut“, stellte er fest. „Ich werde sie dann unten wieder treffen.“
Doch die Frau mit den grünen Augen schien andere Pläne zu haben. „Wir werden nicht abfahren“, verkündete sie.
Wir? Wer hatte ihr das Kommando übertragen? Er hob missbilligend eine Augenbraue.
In seiner Welt genügte das normalerweise. Aber sie wusste nichts von seiner Welt.