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Für die kleine Spannung zwischendurch. Viveca Sten hat mittlerweile zehn Krimis rund um die Juristin Nora Linde und den Kommissar Thomas Andreasson geschrieben. Doch die gewähren uns nur einen kleinen Einblick in den Sandhamn-Kosmos. Wie haben Nora und Thomas sich damals eigentlich kennengelernt? Wie war das noch mal, als Thomas seinerzeit in den Polizeidienst eingetreten ist? Und was ist überhaupt aus den vielen Figuren geworden, die in den Sandhamn-Romanen eine Nebenrolle spielten? In diesen spannenden Kurzkrimis werden sie zu Hauptfiguren, und somit werden ganz nebenbei alle drängenden Fragen der Leser und Leserinnen beantwortet. Na ja – fast alle. Doch auch jeder, der die Sandhamn-Reihe noch nicht kennt, kann diese Kurzkrimis genießen, ob beim Warten auf den Bus oder im Wartezimmer des Zahnarztes. Viveca Sten schreibt nicht nur spannende Romane – auch in der kurzen Form ist sie eine Meisterin.
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Seitenzahl: 382
Viveca Sten
Kurze Krimis aus Sandhamn
Buch lesen
Titelseite
Inhaltsverzeichnis
Über Viveca Sten
Über dieses Buch
Impressum
Hinweise zur Darstellung dieses E-Books
Widmung
Karten
Die Konfirmation
Montag, erste Woche
Dienstag
Mittwoch
Donnerstag
Sonntag
Montag
Freitag
Sonntag
Bauernopfer
Dienstag
Mittwoch
Donnerstag
Freitag
Samstag
Vergangen
Sandhamn 1948
Sandhamn 1948
Totes Rennen
Samstag
Sonntag
Montag
Ein Mittsommernachtstraum
Donnerstag
Freitag
Kinderglaube
Ein gutes neues Jahr
Freitag
Samstag
Wem kann man trauen?
Samstag
Sonntag
Freiheit ohne Verantwortung
Samstag, drei Wochen vor Ostern
Samstag
Sonntag
Montag
Dienstag
Mittwoch
Ein wunderbarer Segelurlaub
Donnerstag
Freitag
Nachwort oder Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Für Anette, für dein großes Herz
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
1981
Nora Cedergren lief mit »Tainted Love« von Soft Cell in den Ohren die Treppe zur Sandhamnskapelle hinauf. Sie war spät dran, aber die Türen waren noch offen.
Sie nahm die gelben Kopfhörer des Walkmans ab, schlüpfte rasch hinein und hoffte, dass sie nicht die Letzte war. Wie üblich hatte sie sich in einem Buch festgelesen und die Zeit vergessen. Als ihre Mutter sie erinnert hatte, war es schon fünf vor zehn gewesen, und in der Einladung hatte gestanden, dass es um Punkt zehn losgehen sollte.
In der kleinen Kapelle aus den Dreißigerjahren war es wie in einer Sauna. Die Luft stand, obwohl es noch so früh am Tag war, und die schönen Bleiglasfenster konnten die Sonnenstrahlen nicht abhalten.
Nach einer Weile gewöhnten sich die Augen an die Dunkelheit. Die ersten Bankreihen waren voll besetzt mit anderen zukünftigen Konfirmanden, denen es offenbar besser gelungen war, pünktlich zu sein.
Der Pfarrer, Roland Samuelsson, stand am Altar und winkte sie nach vorn. Alle Köpfe drehten sich zu ihr um. Nora war außer Atem und verschwitzt, und jetzt errötete sie so heftig, dass ihr unter dem langen rotblonden Pferdeschwanz ganz heiß wurde.
»Willkommen«, sagte er freundlich. »Dann sind alle da. Denn du bist wohl Nora?«
Ein junger Mann von vielleicht achtzehn oder neunzehn stand neben Roland. Als er sie anlächelte, errötete Nora noch mehr. Sie setzte sich vorsichtig in die dritte Reihe und versuchte, sich unsichtbar zu machen.
Nora betrachtete die anderen Teilnehmer heimlich, während Roland erklärte, wie der Konfirmandenunterricht ablaufen würde. Sie waren zu zwölft, Nora kannte die meisten von Sandhamn, wo sie jeden Sommer verbrachte, seit sie ein kleines Kind war.
Stefan Wilton saß ganz vorn, zusammen mit seiner Freundin, Mia Larsson. Mia wohnte auch auf dem Kvarnberget, nur ein paar Häuser von Nora entfernt, aber sie würden nie im Leben Freundinnen werden, obwohl sie sich jeden Sommer sahen.
Anders und Micke in der zweiten Bank waren aus der Ferienhaussiedlung Trouville an der Ostseite der Insel, genau wie zwei Mädchen, von denen sie glaubte, dass sie Anna und Susanne hießen.
Den Typen neben ihr mit den blonden Wuschelhaaren hatte sie noch nie gesehen. Auch nicht die beiden Mädchen in der Bank vor ihr, oder den mageren Jungen mit dem Gesicht voller roter Pickel, der in der ersten Bank ganz am Rand saß.
Als hätte er gemerkt, dass sie ihn anstarrte, drehte er sich um und erwiderte ihren Blick.
Nora sah hastig weg und versuchte so zu tun, als sei nichts. Sie bereute schon, dass sie dem Drängen ihrer Mutter nachgegeben hatte, sich auf Sandhamn konfirmieren zu lassen. Sie hatte nicht die geringste Lust, mehrere Wochen mit der Bibel und langweiligen Religionsdiskussionen zu verbringen. Schon gar nicht mit diesen Leuten in der ersten Reihe, denen sie ansonsten nach Möglichkeit aus dem Weg ging.
Aber Mama hatte nicht aufgehört zu nerven, und Papa hatte sich wie üblich rausgehalten.
Nora wusste genau, warum Mama darauf bestanden hatte, dass sie sich auf Sandhamn konfirmieren ließ. Sie hatte jetzt noch im Ohr, wie sie Papa die Sache erklärt hatte:
»Es wäre eine so gute Möglichkeit für Nora, Freunde zu finden, anstatt dauernd die Nase in ein Buch zu stecken. Nora muss mehr rauskommen, vor allem, weil sie keine Geschwister hat.«
Bei Letzterem pflegte Mama zu seufzen und Papa vorwurfsvoll anzusehen, als wäre es seine Schuld, dass es nicht mehr Kinder in der Familie gab.
Roland hatte aufgehört zu reden und ließ den Blick über die Gruppe wandern. Nora setzte sich aufrechter hin.
»Das hier ist Petter«, sagte Roland und zeigte auf den Typen, der Nora angelächelt hatte. »Er wird auch dabei sein, genau wie unsere Diakonin Eva-Marie.«
Eine Frau in den Vierzigern erhob sich von einer der Bänke. Sie hatte kurzes braunes Haar mit einer frischen Dauerwelle, so lockig, dass es aussah wie ein Helm auf ihrem Kopf. Ein großgeblümtes Wickelkleid wogte um ihre breiten Hüften.
Eva-Marie blickte in die Runde.
»Ich freue mich darauf, euch alle kennenzulernen«, sagte sie freundlich und setzte sich wieder.
»Möchtest du auch was sagen?« Roland gab Petter einen aufmunternden Knuff.
Petter hob zögernd die Hand zum Gruß.
»Hallo.«
Er war schlank, mit sehr hellem, buschigem Haar und verschossenen Kakishorts. Er wirkte nicht besonders religiös, aber an seinem Halskettchen glänzte ein silbernes Kreuz.
Nora fragte sich, ob er ebenso schüchtern war wie sie. Sie dachte daran, wie er sie angelächelt hatte, und ihr wurde warm ums Herz.
»Also gut«, sagte Roland. »Gibt es noch Fragen von eurer Seite, bevor wir für heute Schluss machen?«
Er wartete ein paar Sekunden und fuhr dann fort:
»Dann treffen wir uns morgen früh um neun am Südstrand. Vergesst nicht, euch ein Lunchpaket mitzubringen, wir werden den ganzen Tag dort sein.«
Nora sprang auf und war als Erste zur Tür hinaus.
Hinter sich hörte sie, wie Stefan einen Kommentar losließ, und das Lachen, das daraufhin einsetzte. Unwillkürlich fragte sie sich, ob das wohl ihr galt.
Nora stellte ihr Fahrrad an einer kleinen Kiefer ab und ging auf Roland zu, der schon auf einer Wolldecke am Strand saß. Wenigstens war sie heute nicht die Letzte.
Der Strand war fast leer, die Touristen bevorzugten die beliebten flachgründigen Strände von Trouville an der Ostseite, wo der Sand feiner war und es weniger Steine gab.
Es war unheimlich warm. Nora schwitzte schon und hoffte, dass sie keine Schweißflecken unter den Achseln hatte. Im Radio hatten sie am Morgen davon gesprochen, dass es die ganze Woche lang um die dreißig Grad heiß sein sollte.
Roland winkte ihr mit einem Blätterstapel in der Hand zu. Fünf Minuten später, als alle da waren, erklärte er, das sei der heutige Text, den sie lesen und anschließend in Vierergruppen diskutieren sollten.
Nora blickte sich um.
Diejenigen, die sie von früher kannte, hatten schon Gruppen gebildet, ohne sie zu fragen, ob sie bei ihnen mitmachen wollte. Sie zögerte und setzte sich dann zu den drei Neuen. Die Mädchen hießen Lisa und Annika. Der große Blonde stellte sich als Thomas Andreasson vor. Ein dicker Pickel leuchtete mitten auf seiner Stirn.
»Bitte lest den Text zuerst für euch selbst«, sagte Roland, »und denkt eine Weile über den Inhalt nach. Anschließend diskutiert darüber in eurer jeweiligen Gruppe. Denkt dran, dass ihr alles sagen könnt, was ihr wollt, es gibt kein Richtig oder Falsch.«
Nora las sich die fünf Seiten rasch durch. Es ging darin um den Apostel Paulus, um seine inneren Zweifel und das Gefühl, nach Jesu Tod am Kreuz einsam und verlassen zu sein. Auf der letzten Seite waren Fragen aufgelistet, die von dem Gefühl handelten, hilflos und im Stich gelassen zu sein und nirgendwo dazuzugehören.
Nora legte die Blätter weg.
Sie wusste genau, wie es sich anfühlte, allein zu sein, aber sie hatte keine Lust, darüber zu reden, schon gar nicht mit Leuten, die sie kaum kannte.
Sie schämte sich, dass sie fast keine Freunde auf der Insel hatte. Es gab eine Clique von Gleichaltrigen, die immer zusammen herumhing, aber sie war nicht cool genug für Leute wie Stefan und Mia.
Sie starrte auf den Text und fragte sich, wann sie wieder nach Hause durften. Es war doch wohl nicht geplant, dass sie den ganzen Tag hier rumsitzen und über Paulus reden sollten? Sie konnte sich nicht erinnern, wann das hier zu Ende sein sollte, aber sie wollte am liebsten jetzt schon gehen. Sosehr sie auch überlegte, ihr fiel nichts ein, was sie über Paulus’ Ängste und Überlegungen sagen könnte.
Die anderen schienen immer noch in den Text versunken zu sein. Nora zögerte einen Moment, legte sich aber dann in den Sand und schloss die Augen. Es war so heiß. Am liebsten wäre sie kurz mal ins Wasser gegangen, aber dann wäre Roland bestimmt sauer und würde vielleicht denken, sie sei nicht richtig bei der Sache.
Die Sonne brannte herab, hinter den Augenlidern wurde es wüstengelb. Ein paar Möwen schrien über ihr, und sie überlegte schläfrig, ob auch Vögel bei der Hitze schwitzten. Sie wäre beinahe eingedöst, setzte sich aber rasch auf, als sie Rolands Stimme dicht neben sich hörte.
»Alles klar bei dir?«
Roland ließ sich mit gekreuzten Beinen im Sand nieder.
Wie alt mochte er sein? Nicht sehr viel älter, vielleicht fünfundzwanzig, kaum mehr. Ziemlich jung für einen Pfarrer. Ein Stück weiter weg hatte Petter sich zu Stefan und Mia gesetzt. Nora wünschte, er wäre stattdessen zu ihnen gekommen. Eva-Marie war bei der dritten Gruppe.
Thomas hatte den Kopf immer noch über die Papiere gebeugt. Seine Füße waren riesig, wie Boote. Sie passten überhaupt nicht zu dem dünnen Körper, obwohl er ziemlich groß war. Er wohnte auf Harö, hatte er vorhin erzählt, als sie sich in der Runde vorstellen mussten.
»Was meinst du, Thomas?«, fragte Roland. »Wie hat Paulus sich gefühlt, als er in der Nacht um Rat und Unterstützung bat?«
»Es ging ihm wohl ziemlich dreckig«, sagte Thomas und strich sich die blonden Haare aus der Stirn. »Er war bestimmt auch traurig, weil Jesus nicht mehr da war. Sie waren ja Kumpel, er nannte Jesus seinen besten Freund.«
Er hörte sich an wie ein Streber, der sich beim Pfarrer lieb Kind machen wollte, aber Roland nickte nur.
»Da ist eine Menge dran«, sagte er.
»Sie waren keine Kumpel«, sagte Nora. »Jesus war sein Lehrer.«
Sie bereute es sofort. Warum hatte sie das gesagt? Die Worte waren ihr einfach so herausgerutscht, noch bevor sie zu Ende gedacht hatte.
Thomas’ Blick sorgte dafür, dass sie sich noch blöder vorkam.
Aber Roland lachte nur und legte ihr den Arm um die Schultern.
»Da könntest du recht haben. Aber jeder hat ein anderes Verhältnis zum Herrn. Es gibt kein Richtig oder Falsch. Wie ist das bei dir, Nora? Fühlst du dich auch manchmal einsam und traurig? Erkennst du irgendwas in Paulus’ Bericht wieder?«
Rolands Arm war schwer und ein bisschen verschwitzt. Er kam ihr viel zu nah, aber sie wusste nicht, wie sie seinen Arm vor aller Augen loswerden sollte, ohne noch zickiger zu wirken.
»Kann sein«, murmelte sie leise.
»Möchtest du uns davon erzählen?«
»Ich weiß nicht …«
Die Sonne brannte plötzlich noch viel heißer.
»Ich verstehe. Manchmal ist es nicht so einfach, über solche Sachen zu reden.«
Roland hörte sich an, als könnte er ihre Gedanken lesen.
Das machte alles noch schlimmer und weckte wieder das Gefühl, eine Versagerin zu sein. Die Scham, wenn keiner nach ihr fragte, obwohl Sandhamn voller junger Leute in Noras Alter war, wie ihre Mutter immer sagte. Dauernd lag sie ihr in den Ohren, sie müsse mehr aus sich herausgehen. Selbst die Initiative ergreifen. Fröhlicher sein.
»Es ist nicht schwer, neue Freunde zu finden. Man muss sich nur Mühe geben, muss sich selbst anbieten.«
Wie oft hatte sie das nicht schon gehört?
Aber sie war nicht wie ihre Mutter, die kontaktfreudig war und beim Bäcker gerne ein bisschen länger stehen blieb, um sich mit allen möglichen Leuten zu unterhalten. Nora wurde still und scheu, wenn sie mit neuen Menschen zusammentraf. Obwohl sie sich so sehr wünschte, locker und witzig zu sein, eine interessante Person, mit der die Leute gerne zusammen waren, verschlug es ihr die Sprache. Ihr fiel nie eine coole oder schlagfertige Bemerkung ein, sosehr sie es auch versuchte. Stattdessen saß sie meistens da und schwieg. Und schämte sich.
Kein Wunder, dass Stefan und Mia hinter ihrem Rücken über sie lachten.
Während Nora noch krampfhaft nach einer klugen Bemerkung suchte, beugte Annika sich vor und sah Roland mit ernstem Blick an.
»Als meine Eltern sich scheiden ließen, das war schlimm«, sagte sie. »Meine Mutter hat fast nur geheult, und dann hat mein Vater wieder geheiratet und noch ein Kind bekommen, und von da an drehte sich alles um das Baby.«
Roland nahm den Arm von Noras Schultern und wandte sich Annika zu.
»Danke, dass du uns an deiner Erinnerung teilhaben lässt. Das ist schön und mutig. Was hast du damals getan, um nicht allzu traurig zu sein?«
Annika erzählte weiter von ihrem Vater. Nora war erleichtert, nicht mehr im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen, wusste aber, dass sie wieder mal versagt hatte.
Auf dem Heimweg vom Strand kam Nora an der Brand’schen Villa vorbei. Sie lag nur fünfzig Meter von ihrem Zuhause entfernt. Tante Signe war im Garten.
»Wie war’s bei eurem Konfirmandenausflug?«, rief sie, als Nora vom Rad stieg. Signe hatte eine rote Strauchschere in der Hand und war dabei, die riesige Kletterrose zu beschneiden, die an der Südwand wuchs. Der Strauch war viele Jahre zuvor von ihrem Vater Alarik gepflanzt worden. Hunderte von rosa Blüten und Knospen saßen auf den peitschenartigen Zweigen.
Nora zog eine Grimasse, die Signe gleich richtig deutete.
»Nicht so gut?«
Sie stellte den Korb mit den abgeschnittenen, verblühten Rosen ab und zog die abgenutzten Gartenhandschuhe aus.
»Willst du reinkommen und ein bisschen reden?« Signe lächelte und öffnete die Gartenpforte. »Ich habe frische Himbeerhöhlen gebacken, sie stehen in der Küche. Bei der Hitze kann man Saft und Kekse gut vertragen.«
Nora zögerte, stellte dann aber das Rad am Zaun ab. Sie wollte lieber noch eine Weile hierbleiben, anstatt nach Hause zu gehen. Ihre Mutter würde sie noch früh genug mit viel zu vielen Fragen löchern.
In der Küche duftete es herrlich. Mehrere Bleche mit frischem Gebäck standen auf der Anrichte. Signe stellte zwei Gläser Saft und einen Teller Kekse auf ein Tablett und ging in den Wintergarten voraus, der zum Wasser und zur Hafeneinfahrt von Sandhamn hinaus lag. Nora folgte ihr und setzte sich in einen der Korbsessel.
»An der Aussicht kann man sich nie sattsehen, was?«
Nora blickte auf den Sund, der sich vor ihr ausbreitete. Das Wasser glitzerte so stark in der Sonne, dass die Felsen und Schären frei darin zu schwimmen schienen. Eine weiße Waxholmfähre war gerade auf dem Weg durch den Sund und tutete, um ihre Ankunft anzukündigen.
»Es ist schön«, murmelte sie.
Tante Signe hielt ihr den Keksteller hin.
»Greif zu. War es wirklich so schlimm?«
Nora steckte sich einen Himbeerkeks in den Mund, ohne zu antworten.
»Ich finde, der neue Pfarrer wirkt richtig nett«, fuhr Signe fort. »Ein bisschen jung vielleicht, aber für euch Konfirmanden gerade richtig. Ein alter Knochen wäre bestimmt nicht so cool gewesen.«
»Er ist okay«, murmelte Nora.
Signe tätschelte ihre Hand.
»Du bist bestimmt nicht die Einzige, die sich unsicher fühlt.«
Das glaubte Nora nun nicht.
Annika und Lisa kannten sich schon, sie waren beide von Eknö. Die aus Sandhamn waren nicht an ihrer Gesellschaft interessiert. Und dieser Thomas von Harö schien ein eingebildeter Schleimer zu sein.
Tante Signe beugte sich vor und strich ihr übers Haar.
»Das wird bestimmt besser, wenn ihr euch erst kennengelernt habt. Am Anfang ist es immer ein bisschen zäh.«
Nora wusste, dass sie sich irrte.
Nora ging in die Diele und nahm ihre Jacke von der Garderobe. Es war noch hell draußen, obwohl es schon fast zehn Uhr abends war. Sie hatte keine Lust, noch länger mit den Eltern vor der Glotze zu hocken. Außerdem war drinnen immer noch die reinste Sauna. Laut Wetterbericht würde sich die Hitze eine Weile halten.
»Wo willst du hin?«, rief ihre Mutter aus dem Wohnzimmer, wo der Fernseher lief. Sie hatten gerade vor Brandgefahr in weiten Teilen des Landes gewarnt.
»Ich geh nur noch ein bisschen spazieren.«
»Mit wem denn?«
Nora hörte die Hoffnung in ihrer Stimme.
»Mit niemandem.«
Bevor noch mehr Fragen kommen konnten, schlüpfte sie aus der Tür. Sie ging hinunter zum Kiosk am Dampfschiffkai, der bald schließen würde. Dort gab es Lakritzpfeifen für eine Krone das Stück, und sie wollte sich drei davon holen, oder vielleicht fünf.
Nach dem Tag heute hatte sie sich das verdient.
Sie erreichte den Hafen. Zu spät bemerkte sie die Gruppe von Jugendlichen, die sich vor dem Kiosk versammelt hatte. Ganz vorn stand Stefan, den Arm um Mias Schulter gelegt. Mia nahm einen Zug aus einer Zigarette, die sie an Stefan weitergab, bevor sie den Rauch langsam zu einem missglückten Rauchring ausblies.
Sollte sie umkehren und zurückgehen?
Sie hatten sie sicher schon entdeckt; es würde bescheuert aussehen, wenn sie jetzt ohne Erklärung in eine andere Richtung ginge. Ihre Gedanken rasten. Wenn sie die Leute ignorierte, würden sie sie für hochnäsig halten, aber wenn sie hinging und Hallo sagte und keiner zurückgrüßte, würde sie sich wie eine dumme Pute vorkommen.
Sie verstand nicht, was Stefan gegen sie hatte, aber sie wusste, dass er keine Gelegenheit ausließ, etwas Gemeines über sie zu sagen.
Ihre Füße bewegten sich immer langsamer.
Unerwartet wurde sie von Roland gerettet, der aus der anderen Richtung auf sie zukam. Er hatte immer noch seine knielangen Shorts und die dünne dunkelblaue Segeljacke an, aber nicht mehr den weißen Priesterkragen, wie noch vor ein paar Stunden am Strand.
»Hallo, Nora«, grüßte er freundlich, aber viel zu laut. »Na, so allein unterwegs bei dem schönen Abend?«
Nora vergrub die Hände in den Taschen. War es so deutlich, dass sie niemanden hatte?
Unwillkürlich warf sie einen schnellen Blick zum Kiosk und hoffte, dass die da drüben nichts mitbekommen hatten.
»Jaaa«, murmelte sie.
»Ist das nicht ein toller Abend? Und die Hitzewelle, was? Das hat man hier draußen im Schärengarten auch nicht alle Tage. Hast du die ganzen Plakate mit den Brandwarnungen gesehen?«
Roland lächelte breit.
»Du hast ein bisschen verloren auf mich gewirkt, als wir heute diskutiert haben«, sagte er. »Wenn du irgendwas auf dem Herzen hast, kannst du jederzeit zu mir kommen, das weißt du hoffentlich. Dafür sind wir Pfarrer da.«
Nora starrte auf ihre Füße.
Roland schien richtig erfreut zu sein, sie zu sehen, und sie hatte so ein Gefühl, dass er gerne noch eine Weile mit ihr plaudern wollte. Bei dem Gedanken bekam sie schweißnasse Hände. Was sollte sie sagen? Ihr fiel kein einziges Thema ein, das ihn interessieren könnte.
Doch Rolands Lächeln verschwand, er wandte den Blick von ihr ab und richtete die Augen auf irgendetwas hinter ihr.
»Dann bis morgen«, sagte er kurz.
Ohne eine Antwort abzuwarten, ging er mit schnellen Schritten Richtung Värdshuset.
Nora war für einen Moment verwirrt. Sie drehte sich um und ging in die andere Richtung, weg vom Kiosk. Gerade als sie in die schmale Gasse beim Strindbergsgården einbiegen wollte, hörte sie aufgebrachte Stimmen, die die Stille zerrissen.
Sie schienen aus dem Hafen zu kommen.
»Das geht dich einen Scheißdreck an!«
War das Roland, der da brüllte?
»Reiß dich bloß zusammen, verstanden?«, fuhr der Mann fort. »Sonst wird dir das verdammt leidtun!«
Nora drehte sich um. Sie konnte niemanden in der Nähe entdecken, und sie war sich unsicher, ob das wirklich Roland gewesen war. Aber es war schon komisch, dass er einfach so gegangen war.
Drüben am Dampfschiffkai war der Kiosk jetzt dicht. Stefan und seine Gang waren nirgends zu sehen.
Alles war still.
Thomas schaltete die Nachttischlampe wieder ein, kaum dass seine Mutter die Schlafzimmertür geschlossen hatte. Wieso sie darauf bestand, dass er schon um elf das Licht ausmachen musste, war ihm ein Rätsel, genau wie die Tatsache, dass er zur selben Zeit ins Bett musste wie sein kleiner Bruder, der im Bett gegenüber lag und schon eingeschlafen war. Aber Thomas wusste, dass es keinen Zweck hatte zu protestieren. Es war einfacher, das Licht auszumachen und danach wieder einzuschalten.
Der Unterricht morgen begann um neun, es würde reichen, wenn er eine halbe Stunde vorher von Harö losfuhr. Er war es gewohnt, mit dem kleinen Außenborder zu fahren, und sein Vater traute ihm zu, dass er auf eigene Faust zwischen den Inseln hin- und herfuhr. Das hatte er schon im letzten Sommer machen dürfen.
Er streckte sich nach der Schublade mit den Comics und fischte einen alten Fantomas heraus. Aber seine Gedanken wanderten zurück zum heutigen Tag am Strand. Sie hatten sich bis zum Mittag mit Paulus beschäftigt. Hatten die verschiedenen Fragen durchgearbeitet, die zum Text gehörten.
Das war interessant gewesen, und Thomas hatte es gut gefallen, darüber zu diskutieren. Es war spannend, Roland zuzuhören, der neue Interpretationen vorgeschlagen hatte.
Thomas hatte sich auf den Konfirmandenunterricht gefreut, vor allem, weil es auf Harö nicht viele Jugendliche in seinem Alter gab. Die ganze Zeit nur mit seinem Bruder zusammen zu sein wurde auch irgendwann langweilig.
Aber die Konfirmandengruppe war eine ziemliche Enttäuschung. Er war der Einzige, der von Harö kam, und die Clique aus Sandhamn war seit Langem befreundet. Sie schienen kein Interesse daran zu haben, neue Leute kennenzulernen.
Thomas legte sich auf den Rücken und starrte an die Decke, wo die weiße Farbe an einer Stelle einen langen Riss aufwies.
Die Mädchen von Eknö, Annika und Lisa, schienen ganz in Ordnung zu sein, nur diese Nora war irgendwie komisch. Erst hatte sie kaum mit dem Rest der Gruppe gesprochen und sich aufgeführt, als hätte sie es mit einem Haufen Idioten zu tun. Und dann, als sie miteinander diskutieren sollten, hatte sie sich einfach in den Sand gelegt und sich gesonnt.
Und außerdem war sie ihm vor allen anderen über den Mund gefahren. Als wäre er ein kompletter Idiot.
Thomas hoffte, dass Roland die Gruppen so schnell wie möglich neu zusammenstellte. Er hatte keine Lust, bis zur Konfirmation jeden Tag mit dieser Nora zusammenzuhocken.
Roland klatschte in die Hände, zum Zeichen, dass es Zeit war, mit der Diskussion zum Ende zu kommen. Die Sonne hatte ganze Arbeit geleistet, er war schon ordentlich rot um die Nase.
»Ich finde, wir machen jetzt Mittagspause«, rief er. »Was meint ihr? Habt ihr schon Hunger?«
Sie saßen am Strand von Fläskberget. Sie hatten ihre Decken unterhalb der grauen Klippe ausgebreitet, die den Strand begrenzte, und den ganzen Vormittag in kleinen Gruppen gearbeitet. Nora hatte mit Micke und Sara Selander zusammengesessen, einer zierlichen Blonden, die in den Pausen die ganze Zeit mit Mia und Stefan herumgackerte. Auch der arme Martin, der jeden Tag mehr Pickel zu haben schien, war der Gruppe zugeteilt worden.
Die Stimmung war nicht mehr ganz so angestrengt wie am Anfang der Woche. Micke war sogar Noras Meinung gewesen, als sie über das Recht, an Gott zu zweifeln, diskutiert hatten.
Aber Nora fiel es schwer, sich zu konzentrieren. Das Einzige, woran sie denken konnte, war, dass Petter neben ihr saß und ihr sein Geruch in die Nase stieg.
Es war immer noch ziemlich wenig los am Strand. Am anderen Ende lagen ein paar Mütter, die sich sonnten und dabei eine Zigarette nach der anderen qualmten. Eine Gruppe Vierjähriger spielte mit bunten Eimerchen und Schippen im Sand.
Hinter ihnen döste Sandhamns Friedhof im Schatten der hohen Kiefern.
»Eine Kleinigkeit zu essen, wär jetzt nicht verkehrt«, sagte Petter und nickte Nora zu. »Das war eine gute Diskussion, finde ich.«
Er klopfte ihr auf die Schulter.
»Du hast eine Menge kluger Ansichten, Nora. Man merkt, dass du ziemlich viel nachdenkst. Macht Spaß, dir zuzuhören.«
Nora wurde ganz heiß, als sein Knie ihres berührte.
»Danke«, murmelte sie und stand auf, um ihr Lunchpaket zu holen, das im Fahrradkorb lag.
Als sie sich dem Wäldchen näherte, merkte sie, dass Stefan ihr folgte, und ihr ging auf, dass ihre Räder nebeneinander unter der alten Erle standen.
Nora blickte über die Schulter zurück, aber Stefan schien in Gedanken versunken zu sein.
Trotzdem hatte sie ein mulmiges Gefühl im Magen.
Rasch langte sie im Korb nach der Lunchbox, als Stefan plötzlich voll in sie hineinrannte, sodass das Rad umkippte.
An Stefans Gesicht ließ sich nichts ablesen, aber er machte keine Anstalten, ihr beim Aufheben des Rades zu helfen.
Nora wollte keine große Sache daraus machen. Sie bückte sich und packte den Lenker. Aber gerade als sie das Rad wieder hinstellte, beugte Stefan sich zu ihr und flüsterte ihr ins Ohr:
»Läuft’s nicht gut für dich, kleine Snora?«
Mit einem zufriedenen Grinsen auf den Lippen drehte Stefan sich um und ging zurück zur Gruppe.
Nora stand da wie gelähmt.
Obwohl es schon so viele Jahre her war, dass die anderen Kinder in der Schwimmschule ihr im Chor »Nora-Snora« hinterhergerufen hatten, tat es noch genauso weh.
Snora, Rotznase. Es war so eklig.
Sie schämte sich. Und danach schämte sie sich, weil sie es sich immer noch so zu Herzen nahm.
Als Nora aufwachte, war es noch heißer als gestern. Das Thermometer vor dem Fenster zeigte fünfundzwanzig Grad, obwohl es erst acht Uhr war.
Sie wünschte, sie könnte den Unterricht schwänzen, aber sie wusste, dass sie ihrer Mutter das nie erklären könnte. Also zog sie sich an und ging hinunter, um zu frühstücken. Als sie in die Diele kam, roch es irgendwie komisch, stechend, wie Brandgeruch. Nora rümpfte die Nase.
Woher kam das?
Die alten Gummistiefel ihres Vaters standen neben der Haustür, sie waren völlig verrußt und stanken, genau wie seine Jacke, die hingeworfen auf dem Dielenboden lag. Er war Mitglied bei der freiwilligen Feuerwehr der Insel, es musste in der Nacht irgendwo gebrannt haben.
Hoffentlich war nichts Schlimmes passiert.
Nora berührte die Jacke vorsichtig, sie hatte kleine Glutlöcher an einem Ärmel, anscheinend war es ein größeres Feuer gewesen.
Sie öffnete die Tür zur Küche, wo ihre Mutter schon im Morgenrock am Esstisch saß und Kaffee trank.
»Warum stinken Papas Sachen so nach Rauch?«, fragte sie.
»Auf dem Östlichen Sandfeld hat es heute Nacht gebrannt.«
»Wieso das denn?«
»Liebes, woher soll ich das wissen?« Mama runzelte die Stirn. »Wahrscheinlich hat jemand eine brennende Zigarettenkippe weggeworfen, ohne nachzudenken. Bei der Hitze brennt doch alles wie Zunder.«
Nora öffnete den Kühlschrank und nahm Butter und Käse für ein Butterbrot heraus. Dann griff sie nach dem Tetrapak O’boy und goss sich ein großes Glas Kakao ein.
»Um drei kam der Anruf, und Papa war erst nach fünf wieder zu Hause«, fuhr Mama fort. »Er schläft noch. Du kannst dir nicht vorstellen, wie sein Zeug gestunken hat, ich habe alles auf den Balkon geworfen. Aber das Schlafzimmer riecht jetzt noch danach.«
Du hast die Jacke vergessen, dachte Nora, aber sie ahnte, dass ihre Mutter auch nicht viel Schlaf bekommen hatte. Sie hatte dunkle Ringe unter den Augen und gähnte, ohne sich die Hand vor den Mund zu halten, was sie Nora sonst immer einschärfte.
Ihre Mutter nahm einen großen Schluck Kaffee.
»Zum Glück konnten sie das Feuer löschen, bevor es sich weiter ausbreitete«, sagte sie. »Die Nilssons hatten es entdeckt, du weißt, das ältere Paar, das in dem grauen Holzhaus wohnt. Ihr Hund hatte mitten in der Nacht angefangen, wie verrückt zu bellen, und August geweckt, sodass er Alarm schlagen konnte.«
Sie schüttelte sich unwillkürlich.
»Du und deine Freunde, ihr müsst aufpassen bei dieser Hitze. Wenn ihr einen Erwachsenen rauchen seht, meine ich. Eine Zigarettenkippe wird schnell mal achtlos weggeworfen, das habe ich schon so oft gesehen.«
Noras Eltern rauchten beide nicht, obwohl mehrere ihrer Freunde gerne mal eine Zigarette in der Hand hatten. Nora wusste, dass ihre Mutter sich vermutlich nicht vorstellen konnte, dass die meisten in der Konfirmandengruppe rauchten.
Die Zeit drängte, Nora schlang den letzten Bissen hinunter und trank das Glas Kakao im Stehen aus. Sie schwitzte jetzt schon.
Ihre Mutter zeigte auf ein Päckchen in Alufolie, das zusammen mit einer Banane auf der Anrichte lag.
»Vergiss dein Pausenbrot nicht. Ich habe dir ein paar Schnitten mit Ei und Kaviar gemacht, die werden dir schmecken.«
»Was würde passieren, wenn es im Dorf anfängt zu brennen?« Nora konnte sich die Frage nicht verkneifen.
»Wie meinst du das?«
»Wenn eins der Häuser Feuer fängt. Oder mehrere. Die stehen hier alle so dicht, und es gibt wohl nur ein Löschauto?«
»Ach herrje, wieso fragst du das?«, sagte ihre Mutter und breitete die Arme aus. »Denk doch so was nicht.«
»Aber was würde man dann tun?«, beharrte Nora.
»Ich vermute, sie würden Hilfe vom Festland anfordern, oder von den anderen Inseln. In Stavsnäs gibt es eine Feuerwehr, die ausrücken könnte.«
Von Stavsnäs brauchte man mindestens zwanzig Minuten, sogar mit einem Schnellboot.
»Glaubst du wirklich, die würden es rechtzeitig schaffen?«, fragte Nora und griff nach ihrem Lunchpaket. »Bevor das ganze Dorf abgebrannt ist?«
Nora fühlte sich erhitzt und klebrig, als sie zu der Scheune kam, wo der Unterricht stattfand, wenn sie nicht draußen waren. Sie trat sich die sandigen Schuhe auf der Fußmatte ab, bevor sie hineinging.
Der Raum war sparsam mit rechteckigen Tischen und einigen Stühlen ausgestattet. An der einen Querwand stand eine abgenutzte Polstergruppe, die mit verblichenem geblümtem Stoff bezogen war. Die meisten Sachen waren Spenden und hatten schon bessere Tage gesehen.
Ausnahmsweise war Nora als Erste aus ihrer Konfirmandengruppe da. Sie erschrak, als sie Petter entdeckte, der an einem der Tische saß und die Texte des Tages auf unterschiedliche Stapel verteilte. Sein roter Pullover hing über dem Stuhlrücken.
Sie hoffte, dass er nicht bemerkte, wie verschwitzt sie war, und wischte sich rasch mit dem Handrücken über die Stirn.
Durch die drückende Hitze lockte sich Petters blondes Haar im Nacken. Es sah aus wie Engelshaar, und unwillkürlich fragte sie sich, ob es wohl genauso weich war.
»Hast du von dem Feuer gehört?«, fragte sie vorsichtig. »Dem von heute Nacht. Mein Vater hat geholfen, es zu löschen.«
Petter sah sie ernst an.
»Hoffentlich ist niemand zu Schaden gekommen.«
»Ich glaube nicht«, sagte Nora.
»Es ist immer schrecklich, wenn zwischen den Holzhäusern ein Feuer ausbricht, besonders wenn sie so alt sind wie das hier.«
Nora wollte den Gedanken verdrängen und warf einen Blick auf Petters Papiere.
»Was machen wir heute?«, fragte sie.
»Hm, wollen mal sehen.« Petter blätterte in seinen Unterlagen. »Heute sprechen wir über individuelle Lebensentscheidungen und wie sie sich auf dich und deine Umgebung auswirken.«
Sie musste ihn verständnislos angesehen haben, denn er fügte schnell hinzu:
»Es geht um Judas, warum er getan hat, was er tat, als er Jesus verraten und im Stich gelassen hat.«
»Er hat Geld dafür bekommen«, sagte Nora.
»Na ja«, sagte Petter lächelnd. »Es ist nicht alles so schwarz oder weiß, wie man manchmal denkt. Aber genau darüber werden wir sprechen. Wie es manchmal so kommt und warum. Was es für ein Gefühl ist, wenn ein Freund einen schlecht behandelt oder hintergeht.«
Nora nickte.
»Und danach machen wir einen Ausflug zusammen. Heute Nachmittag wollen wir Kajak fahren. Ich werde euch alles beibringen, was ich übers Paddeln weiß.«
Er hörte sich an wie Balu der Bär aus dem Dschungelbuch. Und er schnitt eine ironische Grimasse, als es ihm auffiel. Nora fand es eher niedlich.
»Paddelst du oft?«, fragte sie.
Sie selbst paddelte gerne. Ihr Vater hatte ein Kajak, mit dem sie manchmal rausfuhren, und sie genoss es, mit ihm allein zu sein, ohne die ständigen Ermahnungen ihrer Mutter.
Petter machte den Rücken ein bisschen gerader.
»Ich bin ausgebildeter Trainer. Wenn wir hier fertig sind, werde ich ein Kajaklager leiten.«
Er zeigte auf die Texte vor ihm auf dem Tisch.
»Wenn ihr mit dem hier durch seid, wird es euch guttun, aufs Wasser rauszufahren. Den Kopf freizubekommen. Wir können uns ja nicht immer nur mit tiefen religiösen Diskussionen befassen. Gott kann auch Spaß machen.«
Nora hätte sich gerne noch weiter mit Petter unter vier Augen unterhalten. Er war immer so nett und rücksichtsvoll und kam ihr gar nicht viel älter vor als sie. Aber die Tür ging auf und Stefan und Mia kamen herein. Stefan hatte sich seinen Rucksack lässig über eine Schulter gehängt und trug eine Piloten-Sonnenbrille. Seine Augen waren hinter den verspiegelten Gläsern nicht zu erkennen.
Nora erstarrte.
Es hatte ihm gestern nicht gereicht, ihr Fahrrad umzuwerfen. Kurz vor Schluss hatte er noch irgendwas Gemeines über sie gesagt. Sie hatte nicht alles mitbekommen, aber Mia hatte gelacht. Da war Micke tatsächlich dazwischengegangen und hatte gesagt: »Hört auf!«
Nora war aufs Rad gestiegen und mit brennenden Tränen in den Augen abgehauen, so schnell sie konnte.
Jetzt beachtete Stefan sie überhaupt nicht, sondern setzte sich an einen der anderen Tische. Er warf Petter ein »Hi!« zu und redete weiter mit Mia, als wäre Nora nicht anwesend.
Anscheinend unterhielten sie sich über das Feuer letzte Nacht, Nora hörte, wie sie vom Sandfeld sprachen.
Petter runzelte die Stirn.
»Mögt ihr zwei euch nicht?«, fragte er so leise, dass nur Nora es hören konnte. »Kommt mir so vor, als wären hier plötzlich bad vibes im Raum.«
Nora biss sich auf die Lippe. Wie sollte sie ihm erklären, dass Stefan und seine Gang schon immer auf ihr herumgehackt hatten? Sie wäre lieber gestorben, als Petter zu verraten, wie Stefan sie hinter ihrem Rücken nannte.
Statt einer Antwort zuckte sie nur mit den Schultern.
»Sieh es mal so«, sagte Petter. »Die Welt ist voller Idioten, und es ist immer besser, keiner von ihnen zu sein.«
Er grinste plötzlich.
Wenn er lächelte, war er noch süßer. Nora konnte nicht anders, als zurückzulächeln. Petter war wirklich total nett.
Die Kajaks lagen hoch auf den Sand gezogen hinter der Sportboottankstelle, als sie gegen ein Uhr dort ankamen. Eine bunte Reihe von Bootsrümpfen, die auf sie wartete. Es war fast windstill und das Meer spiegelglatt. Perfekt für einen Paddelausflug.
Die Liegeplätze vor dem großen Klubhaus der Königlich Schwedischen Segelgesellschaft KSSS waren fast leer. Die Betriebsferien in der Industrie waren noch nicht angebrochen, aber am Wochenende würde es hier von Freizeitseglern wimmeln, vor allem, wenn das herrliche Wetter sich hielt. Dann würde die Warteschlange vor der Bäckerei kein Ende nehmen, und die Waxholmfähren würden Horden von Touristen abladen.
Aber bis dahin war es im Hafen friedlich.
Nach einer frühen Mittagspause hatte Petter ihnen die Grundlagen des Paddelns erklärt. Jetzt war es Zeit für einen ersten Versuch. Sie würden keine lange Tour machen, nur ein bisschen üben, hatte er erklärt.
Roland und Petter waren beide erfahrene Paddler, und man merkte ihnen ihre Begeisterung an.
Als alle da waren, reckte Roland einen Arm hoch.
»Jetzt hört mal auf zu schnattern«, sagte er. »Wie viele von euch sind schon gepaddelt?«
Nora zögerte, hob aber die Hand. Martin und noch drei andere meldeten sich ebenfalls.
»Okay«, sagte Roland. »Dann müssen wir versuchen, euch so aufzuteilen, dass nicht alle Amateure im selben Boot sitzen.«
Er lachte selbst über seinen Scherz.
»Versucht euch so gut es geht zu verteilen, damit wir loskönnen. Petter hat euch erklärt, wie’s geht, oder?«
Petter lächelte in die Runde. Nora sah ihm an, dass er auch darauf brannte, endlich abzulegen.
»Dann los«, sagte er. »Immer zwei Leute in ein Kajak, wie Roland gesagt hat. Wer als Letzter übrig bleibt, ist selbst schuld.«
Nora zögerte, dann ging sie zu dem roten Kajak, das ihr am nächsten lag, und bereitete es vor. Wenn sie beschäftigt wirkte, brauchte sie vielleicht keinen der anderen zu fragen, ob sie zusammen fahren wollten.
»Thomas«, sagte Roland hinter ihr. »Du könntest mit Nora zusammen paddeln. Sie scheint zu wissen, wie es geht, also brauchst du nur alles genauso zu machen wie sie. Du hast es schnell raus, das verspreche ich dir.«
Nora warf verstohlen einen Blick über die Schulter.
Thomas schien nicht begeistert von Rolands Vorschlag zu sein. Aber er protestierte nicht, sondern half ihr dabei, das Kajak ins Wasser zu schieben. Der Rumpf war schwerer als man vermutete.
Ein paar Meter weiter knallte es ordentlich.
»Pass doch auf, verdammt noch mal!«
Nora zuckte zusammen, ließ den Rand ihres Bootes los und blickte sich um. Roland hüpfte auf einem Bein von Micke weg, der ihm das Kajak wohl auf den Fuß hatte fallen lassen.
»Du hättest mir die Zehen brechen können«, schimpfte Roland und rieb sich den Fuß. »Wie blöd bist du eigentlich, sag mal?«
Er war knallrot im Gesicht, Nora hatte ihn noch nie so wütend gesehen. Die Konfirmandengruppe stand ganz still, und Micke wirkte so erschrocken, dass er Nora leidtat.
»Das wollte ich nicht«, murmelte er.
Keiner rührte sich.
Petter setzte sein Kajak ab und ging zu Roland. Er sagte leise etwas zu ihm, was man nicht verstehen konnte.
Die Sekunden verstrichen. Roland presste die Fingerknöchel an den Mund und schien sich schließlich wieder unter Kontrolle zu haben. Seine Gesichtsfarbe normalisierte sich, er setzte den Fuß ab und schien ihn belasten zu können.
»Schon gut. Lasst uns die Kajaks zu Wasser bringen«, sagte er und klang wie immer.
Er legte seine Hand auf Mickes Schulter.
»Ich wollte dich nicht so anfahren. Du hast mir nur einen Riesenschrecken eingejagt, und es tut echt verdammt weh.«
Roland lächelte in die Runde.
»Jetzt beeilt euch, damit wir mal loskönnen.«
Die Sonne brach durch, und das Wasser glitzerte blau. Ein großes weißes Segelboot legte an der Bootstankstelle an, und einer der Tankwarte warf dem Skipper ein Tau zu. Der Segler winkte dankbar.
»Jetzt machen wir uns einen schönen Nachmittag«, sagte Roland. »Wir paddeln nach Kroksö, das liegt gegenüber der Militärbasis auf Korsö, falls jemand es nicht kennt. Klingt das nicht nach einem lustigen Ausflug?«
Nora biss sich nachdenklich in die Wange. Wenn Roland so normal war wie jetzt, dann war er echt in Ordnung, ein Erwachsener, der trotzdem zu verstehen schien, wie es war, ein Teenager zu sein. Aber sein Ausbruch vorhin hatte sie erschreckt. Wie konnte sich jemand von einer Sekunde auf die nächste so verändern?
Keiner von Noras Eltern hatte sich jemals zu einem solchen Ausbruch hinreißen lassen. Sie kabbelten sich zwar öfter mal, aber sie konnte sich nicht erinnern, dass ihre Mutter und ihr Vater sich je angeschrien hätten.
Ein paar Meter vor ihr war Martin dabei, sein Kajak ins Wasser zu schieben. Da fiel ihm etwas aus der Tasche. Es sah aus wie eine Streichholzschachtel.
»Du hast was verloren«, rief Nora, aber Martin hörte nicht, und als sie wieder aufblickte, war er schon auf dem Wasser.
»Auf geht’s.«
Petter winkte allen, ihm zu folgen. Er hatte sein eigenes Boot zu Wasser gebracht und paddelte zwischen den schmalen Anlegern hinaus.
Nora griff nach einem der beiden Paddel und gab es Thomas. Sie zeigte ihm, wie er es halten sollte, damit es sicher in den Händen lag, und schob das Kajak ins Wasser.
»Dann los«, sagte sie und kletterte vorsichtig hinein.
Thomas setzte sich hinter Nora. Sein übliches Pech. Warum musste Roland ausgerechnet ihn für ihr Kajak einteilen?
Er wog das Paddel in der Hand und spürte das Gewicht der schmalen Stange zwischen den orangefarbenen Schaufeln. Versuchsweise machte er ein paar Schläge oberhalb des Bootsrandes. Er wollte es ebenso selbstverständlich ins Wasser tauchen, wie Nora es tat, zögerte aber trotzdem mit dem Paddel halb in der Luft.
Es gehe darum, den Rhythmus zu finden, hatte Nora oberlehrerhaft erklärt, während sie aus dem Hafen glitten. In einem gleichmäßigen Takt zu paddeln, der die Fähigkeit des Kajaks nutzte, durchs Wasser zu gleiten. Das Kajak wolle von sich aus vorwärts, er brauche nicht mehr zu tun, als es dabei zu unterstützen.
Thomas schielte zu Nora, die mit geübten Bewegungen paddelte, links-rechts, links-rechts, während der Oberkörper sich von einer Seite zur anderen drehte. Es sah total natürlich aus.
Ohne dass er richtig begriff, wie es vor sich gegangen war, hatten sie Petter beinahe eingeholt und die meisten anderen aus ihrer Gruppe hinter sich gelassen.
Thomas versuchte, es genauso zu machen. Aber das Paddel tauchte verkehrt ins Wasser ein, und auf einmal standen sie.
»Was machst du?«, fauchte Nora über die Schulter.
»Tut mir leid. Das war falsch.«
Nora drehte sich um.
»Bist du noch nie gepaddelt?«, fragte sie und klang noch wütender.
»Nein.«
»Petter hat doch erklärt, wie es geht. Hast du nicht zugehört?«
Thomas hätte am liebsten geantwortet, sie solle die Klappe halten, aber er schwieg. Warum musste sie die ganze Zeit so sauer sein? Er hatte ihr nichts getan. Es war nicht seine Idee gewesen, das Kajak mit ihr zu teilen.
Nora drehte sich wieder zu ihm um.
»Am Anfang ist es nicht so einfach«, sagte sie nun freundlicher. »Mein Vater hat es mir beigebracht, als ich klein war, aber ich habe auch Fehler gemacht, bis ich den Bogen raushatte.«
Sie hob ihr Paddel an.
»Halte es so und schieb das Wasser weg, wenn du es eintauchst. Schräg von vorn, sodass du der Bewegung des Kajaks folgst. Das Paddel muss sich hineinschleichen, damit es nicht bremst.«
Thomas schluckte seinen Ärger hinunter und versuchte, es genauso zu machen.
Nora beobachtete ihn, dann zeigte sie ihm die Bewegung noch einmal und wartete, während er es probierte.
Das Kajak begann, geschmeidig durchs Wasser zu gleiten. Der Rumpf durchschnitt die blanke Wasseroberfläche ganz leicht. Thomas musste unwillkürlich lächeln. Das war echt toll. Das Wasser war ganz nah, nur eine Handbreit von seinem Körper entfernt. Und trotzdem saß er völlig trocken in dem Kajak, mit einem neuen Gefühl von Unverwundbarkeit.
Es erinnerte an Schlittschuhlaufen über klares Eis, wenn der Schärengarten zugefroren war. Dasselbe Gefühl, leicht wie Luft zu sein, wenn er mit schnellen Schritten über die blanke Fläche glitt. Wenn alles, was zählte, die vorwärtsgerichtete Bewegung zwischen den verschneiten Schären war.
Dann fühlte er sich wie der einzige Mensch auf der Welt.
Das Kajak glitt ganz schön schnell durchs Wasser. Es war vollkommen still um sie herum, keine Motoren, die so laut dröhnten, dass man kaum sein eigenes Wort verstand, und keine Wellen, die die Boote auf und ab schaukeln ließen.
Nora hatte sich wieder umgedreht.
»Macht Spaß, oder?«, sagte sie, als hätte sie seine Gedanken gelesen.
»Ja. Doch.«
»Morgens ist es noch besser«, sagte sie mit einem echten Lächeln, das Thomas noch nie an ihr gesehen hatte.
Wenn der mürrische Gesichtsausdruck verschwand, sah sie völlig anders aus.
Thomas machte ein paar weitere Schläge mit dem Paddel. Das Kajak antwortete gehorsam und glitt mühelos vorwärts.
»Das ist richtig cool«, gab er zu.
Sein Lieblingssport war Handball. Er trainierte mehrmals in der Woche mit seiner Mannschaft und liebte die Schnelligkeit des Spiels, aber jetzt merkte er, wie ihn die Faszination des Neuen gefangen nahm.
Ob Kajaks wohl teuer waren? Konnte er seine Eltern überreden, ihm ein eigenes zu kaufen? Vielleicht konnte er das meiste selbst zusammensparen, wenn er nächsten Sommer einen Ferienjob fand? Gedankenversunken bekam er kaum mit, dass sie schon eine ganz schöne Strecke geschafft hatten.
Sie umrundeten Prickgrundet und kamen an Skanskobb vorbei, der kleinen Insel, wo meistens der Zieleinlauf der diversen Segelrennen des KSSS stattfand. Dann öffnete sich vor ihnen der Korsö-Kanal mit Kroksö auf der linken und Korsö auf der rechten Seite.
Mehrere graue Militärboote lagen am Kai von Korsö vertäut, und auf den Anlegern bewegten sich zielstrebig Soldaten in grünen Tarnanzügen.
Petter paddelte zusammen mit Annika an der Spitze, achtete aber darauf, nicht zu schnell zu werden, damit niemand zurückblieb. Roland bildete zusammen mit Lisa das Schlusslicht.
Thomas merkte, wie seine Arme langsam müde wurden, trotz des Handballtrainings. Ihm taten Muskeln weh, von denen er nicht geahnt hatte, dass er sie besaß.
Aber bereits jetzt wusste er, dass er sich in etwas Neues verliebt hatte.
Roland stand breitbeinig da und musterte den Himmel. Das Wetter war umgeschlagen. Blaugraue Wolken zogen sich zusammen, es sah nach Gewitter aus.
»Wo kommt das her?«, sagte er halblaut zu Petter, der damit beschäftigt war, die Reste des Picknicks einzusammeln und die Decken auszuschütteln.
Nora stapelte Becher zusammen und legte die Thermoskannen in die Tasche. Die Unruhe des Pfarrers veranlasste sie, einen Blick zu Petter zu werfen.
»Keine Ahnung«, erwiderte Petter und faltete die letzte Decke zusammen. »Die Vorhersage für den Nachmittag war gut. Der Wetterbericht hat nichts von Regen gesagt.«
»Wir sollten zusehen, dass wir zurück sind, bevor das Unwetter hier ist«, sagte Roland. »Ich will nicht mit einer Gruppe Anfänger bei Gewitter draußen auf dem Meer sein.«
Er legte die Hände wie einen Trichter an den Mund.
»Beeilt euch, Leute. Wir müssen los.«
Die Kajaks lagen hochgezogen auf ein paar flachen Steinen in der Sonne. Sie hatten in der seichten Bucht zwischen Kroksö und Björkö Pause gemacht, um zu picknicken. Bis auf ein Segelboot, einer blauen Ballad, die weiter hinten in der Bucht ankerte, waren sie allein.
Nora zog sich einen zweiten Pullover über, bevor sie zu ihrem Kajak ging. Es war windig geworden, und Petter wirkte gestresst. Er hatte wohl bei der ersten Paddeltour mit der ganzen Gruppe nicht mit schlechtem Wetter gerechnet.
Aber ihnen blieb kaum eine Wahl. Es gab keine andere Möglichkeit, nach Sandhamn zurückzukommen. Eine Fährverbindung nach Kroksö gab es nicht, die Insel war mehr oder weniger unbewohnt, und sie konnten wohl kaum die Militärboote auf Korsö bitten, sie nach Hause zu bringen.
»Legt bitte alle eure Rettungswesten an«, rief Petter.
Er blieb einen Moment stehen.
»Falls sich jemand unsicher fühlt und lieber in meinem Kajak mitfahren will, kann er oder sie mit Annika tauschen«, sagte er und sah Annika an. »Du würdest auch allein zurechtkommen, oder? Auf dem Hinweg hast du deine Sache richtig gut gemacht.«
Thomas war gekommen und half Nora, das Kajak ins Wasser zu schieben. Sie fragte sich, ob er sich wohl auf Petters Angebot melden würde, nur um nicht mit ihr zusammen nach Sandhamn zurückfahren zu müssen. Während der Kaffeepause hatten sie kein Wort miteinander gesprochen, er hatte sich zu Micke, Lisa und Annika gesetzt, und sie war in Petters Nähe geblieben. Eigentlich hatte sie auf eine Gelegenheit gewartet, sich bei ihm zu entschuldigen, weil sie ihn am Anfang der Tour so wütend angeblafft hatte. Es war ja nicht Thomas’ Schuld, dass er noch nie vorher gepaddelt war, aber sie war von der ganzen Situation so gestresst gewesen, dass ihr einfach die Nerven durchgegangen waren.