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Elisabeth I., englisch Elizabeth I, eigentlich Elizabeth Tudor, auch bekannt unter den Namen The Virgin Queen, The Maiden Queen („Die jungfräuliche Königin“), Gloriana oder Good Queen Bess (* 7. September 1533 in Greenwich; † 24. März 1603 in Richmond), war vom 17. November 1558 bis an ihr Lebensende Königin von England. Elisabeth war die Tochter Heinrichs VIII. und das fünfte und letzte Mitglied der Tudor–Dynastie auf dem englischen Thron. Ihre Mutter war Anne Boleyn. Ihre Regierungszeit als Königin von England und Irland von 1558 bis 1603 wird als Elisabethanisches Zeitalter bekannt. In jener Zeit erhielt die Anglikanische Kirche ihre endgültige Ausprägung, es entstanden zahlreiche künstlerische Werke von Dramatikern wie William Shakespeare, Christopher Marlowe oder Ben Jonson, Lyrik mit Sonetten und Liedgedichten, es wurden die modernen Wissenschaften mit Francis Bacon begründet, und der englische Freibeuter Francis Drake umsegelte die Welt. In Amerika wurde die erste englische Kolonie gegründet und zu ihren Ehren Virginia benannt (siehe Wikipedia). Die Historikerin Gertrude Aretz beschreibt spannend und detailliert den Werdegang der bedeutendsten englischen Königin, die trotz aller anfänglicher Unwahrscheinlichkeit sowie gegen alle Widrigkeiten und Gegner schließlich den englischen Thron für sich benaspruchen konnte. Das Werk ist reich bebildert.
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Seitenzahl: 257
1. Elisabeth von England als KöniginStich nach dem Gemälde eines unbekannten Meisters
ELISABETH VON ENGLAND wurde zuerst veröffentlicht im Jahr 1937 in Wien (Bernina Verlag).
Diese Ausgabe wurde aufbereitet und herausgegeben von
© apebook Verlag, Essen (Germany)
www.apebook.de
2023
V 1.0
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.d-nb.de abrufbar.
ISBN 978-3-96130-591-9
Buchgestaltung: SKRIPTART, www.skriptart.de
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Inhaltsverzeichnis
Elisabeth I. von England
Impressum
Prolog
Erstes Kapitel. Heinrich VIII. und Anna Boleyn
Zweites Kapitel. Kinderjahre
Drittes Kapitel. Erste Heiratspläne
Viertes Kapitel. Gefahren und Versuchungen
Fünftes Kapitel. Die Wandlung
Sechstes Kapitel. Der Tod des jungen Königs
Siebentes Kapitel. Am Hofe der Spinne
Achtes Kapitel. Die Verschwörung
Neuntes Kapitel. Im Tower
Zehntes Kapitel. Die »ehrenvolle« Haft
Elftes Kapitel. Philipp
Zwölftes Kapitel. Langsame Versöhnung
Dreizehntes Kapitel. Neue Gefahren in Hatfield
Vierzehntes Kapitel. Verschwörer und Freier
Fünfzehntes Kapitel. An den Stufen des Thrones
Verzeichnis der benutzten Quellen
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Zu guter Letzt
Im November 1558 läuteten die Glocken von St. James eine blutige Zeit zu Ende. Maria Tudor, die Katholische, hatte ihre fünfjährige grausame Regierung beendet. Es war ein harter Kampf zwischen Katholiken und Protestanten gewesen. Dreihundert Protestanten ließen, während Maria auf dem englischen Throne saß, ihr Leben auf den Scheiterhaufen von Smithfield. Sie starben für ihren neuen Glauben. Viele andere traf das Beil des Henkers, der Marterpfahl oder die Kerker des Tower. Der Tochter Heinrichs VIII., aus seiner Ehe mit Katharina von Aragon, war es gelungen, das Staatsruder in die seit zwanzig Jahren verlassenen Bahnen der katholischen Herrschaft zurückzulenken. Mit schroffer Hand, allen Gegnerschaften zum Trotz, hatte sie es verstanden, sich zu behaupten. Jetzt aber, am Tage ihres Todes, vergaßen Katholiken und Protestanten, daß sie Feinde waren. Alle atmeten auf in dem einen Gedanken: Königin Mary ist tot! Ein langer, furchtbarer Traum war zu Ende! Und auf das Sterbegeläut folgten die jubelnden Glocken, die das stark protestantisch empfindende englische Volk aufforderten, vor einer neuen, jungen Königin das Knie zu beugen und ihr zu huldigen.
Die junge Herrscherin war Elisabeth, die Stiefschwester der Verstorbenen – und ihre Gegnerin. Zu dieser Gegnerschaft wurde der Keim bereits in der Kindheit in Elisabeths Herz gelegt, teils durch die vielgefährdete und beispiellos schwierige Lage, in der sie sich der eifer- und rachsüchtigen Schwester gegenüber befand, teils durch die kirchlichreligiösen Spannungen Englands überhaupt.
Sowohl Maria als auch Elisabeth durchliefen eine harte Schule des Lebens. Ihre Kindheit und Jugend im Hause des gemeinsamen Vaters war reich an grausigen Geschehnissen. Maria Tudors Stolz wurde viele Jahre auf eine harte Probe gestellt. Heinrich VIII. ließ seine Frauen, wenn sie ihm unbequem wurden, entweder hinrichten oder er verstieß sie. Marias spanische Mutter erlitt das immerhin weniger grausame Schicksal. Sie wurde verstoßen. An ihrer Stelle erkor Heinrich eine junge, reizende Engländerin, die spätere Mutter seiner Tochter Elisabeth, Anna Boleyn. Sie endete auf dem Schafott.
Das Kind, dem Anna das Leben gab, war bestimmt, England einst zu Größe und Selbständigkeit zu führen. Aber der Weg bis zu dieser Höhe erwies sich für Elisabeth als gefahrvoll und schlüpfrig. In ihrem jungen Leben waren Hinrichtungen und Folterungen an der Tagesordnung. Lieblosigkeit, Verstellung, Intrigen, Lüge, Verrat, die stetige Angst vor einem grausamen Tode formten frühzeitig ihren Charakter zu jener diplomatischen, ausweichenden, abwartenden, ungemein überlegenen Kunst des Handelns und Wirkens als echtes Kind ihrer Zeit. Kaum dreijährig, sieht Elisabeth sich der Mutter beraubt. Man gibt sich keine Mühe, vor ihr zu verbergen, welche Todesart Anna Boleyn erlitten hat. Durch Feuer und Eisen muß Elisabeth gehen. Ein Schauder erfaßt einen, wenn man an ihre gefahrvolle Jugend denkt, und bewundernd sieht man, wie sie immer wieder die Oberhand behält. Wie sie ihr wildes Tudortemperament bezwingt, ihren unbändigen Stolz und den aufbrausenden Geist niederdrückt – bis auch an sie die Reihe kommt, unumschränkt herrschen zu können. Wundervoll die Kühle ihres Denkens und Tuns in der größten Gefahr. Außergewöhnlich das starke Persönlichkeitsgefühl. Aber erschreckend die frühe Beherrschung und Verstellung ihres wahren Charakters, ihres glühenden Empfindens in Haß und Liebe, ihres ehrgeizigen Strebens nach Ruhm und Macht. Die jugendliche Elisabeth schreitet zielbewußt auf ihrem Weg, ohne sich den Anschein zu geben, etwas anderes zu wünschen, als was die göttliche Vorsehung ihr in den Schoß wirft. Sie hat sich so in der Gewalt, daß sie auch vor der drohenden Gefahr eines frühen gewaltsamen Todes ihre Kaltblütigkeit nicht verliert. Als sie, zwanzigjährig, auf Befehl ihrer Schwester in Wind und Regen im offenen Boot über die Themse in den Tower geschleppt wird und nahe daran ist, daß auch sie, gleich ihrer Mutter, das Schafott besteigen muß, da hat sie in äußerlich kühler Haltung nur den einen Wunsch: nicht auf englische Art, mit dem Beil, sondern, wie es in Frankreich Sitte sei, mit dem Schwert geköpft zu werden. Sie will auf ritterliche Weise sterben. Damals glaubt keiner in ihrer Umgebung, daß für sie noch einmal die Sonne scheinen werde. Aber ihre Klugheit und eine merkwürdige Macht, die sie oft über Menschen gewinnt, bei denen man eine Beeinflussung von ihrer Seite am wenigsten vermuten kann, retten sie. Als Elisabeth in ihrer herben Jugend vor den Staatsräten in Hampton Court steht, um gegen die Anklage der Beteiligung an Wyatts Verschwörung mit einer Klarheit des Verstandes und raffiniertester Berechnung zu protestieren, da erweicht sie nicht nur das harte Herz ihres strengsten Richters, des Königs Philipp, sondern sie erweckt in ihm auch als Frau Bewunderung. Von diesem Augenblick an steht Elisabeth in ihres Schwagers Gunst. Doch der Grimm der langsam hinsiechenden Königin Mary verstärkt sich, je sichtbarer alle Hoffnungen und Huldigungen sich Elisabeth zuwenden. Nichts indes verrät in der Haltung der jungen zukünftigen Königin von England den nahen Triumph. Sie läßt niemand in ihre Seele schauen. Nur einem einzigen wagt sie zu vertrauen. Schon steht der Freund an ihrer Seite: Sir William Cecil, der klügste der Staatsmänner des elisabethanischen Englands.
Als endlich Maria 1558 die Augen schließt, ist für Elisabeth alle Qual, alle Angst, aller Schrecken zu Ende. Sie ist frei! Die fünfundzwanzigjährige Elisabeth dankt bei ihrer Thronbesteigung nur Gott allein für die glückliche Befreiung aus dem »Netz der Spinne«.
Vielleicht war Elisabeths Geburt bereits der Auftakt zu dem tragischen Ende ihrer Mutter. Heinrich VIII. hatte den Erben seines Thrones erwartet. Eine Tochter wurde ihm an seiner Statt am 7. September 1533 in Greenwich geboren. Trotz des maßlosen Jubels der Londoner Bevölkerung, trotz der pompösen Tauffeierlichkeiten, die monatelang darauf folgten, war die Geburt dieses Kindes eine gewisse Enttäuschung für Heinrich. Die schöne Anna Boleyn hatte seine Hoffnungen nicht erfüllt, wenn auch die Aussicht bestand, daß sie später ein zweites Kind, einen Sohn, zur Welt bringen könne. Er hätte aber gerade in dem ersten Kind der geliebten Frau gern den Träger seiner Dynastie gesehen. Hatte er nicht hart genug darum gerungen? Um Anna auf den englischen Thron zu setzen, hatte es Heinrich auf den Bruch mit Rom ankommen lassen und seine zwanzigjährige Ehe mit Katharina von Aragon eigenmächtig geschieden. In Westminster ließ er die neue junge Königin krönen, was keiner Frau nach ihr wieder geschah. Annas bezaubernde Jugend, ihr heißes Temperament, ihre dunklen Augen, ihre unvergleichliche Schönheit berauschten Heinrich. Sechs Jahre kämpfte er um sie, ehe er sie zu sich erheben konnte. Und dann erlebte sie doch nur ein relativ kurzes Glück an seiner Seite. Ehe sie seinem Begehren nachgab, hatte er versichert, sie »aufrichtig zu lieben und zu ehren und ihr immerdar zu dienen«. Das schrieb er ihr. »Ich beschwöre Euch«, bat er flehentlich, »in diesem selben festen und beständigen Vorsatz zu beharren, und ich versichere Euch, daß ich meinerseits es Euch nicht nur geziemend vergelten, sondern Euch womöglich noch an Treue des Herzens übertreffen werde.«
2. Anna Boleyn, Mutter der Königin ElisabethStich nach einem Gemälde von Holbein
Die junge Hofdame der Königin forderte eine hohe Gegenleistung. 1526 wurde Anna Boleyn Heinrichs Geliebte unter der Bedingung, daß er sich von Katharina scheiden lasse. Heinrich selbst wünschte es. Er brauchte einen Erben. Von der jungen schönen Anna, die er liebte, hoffte er ihn zu bekommen. Der Preis ihrer Gunst sollte die englische Krone sein. Zäh verfolgte Anna ihren Plan. Endlich, am 25. Januar 1533, erreichte sie ihr Ziel, nachdem Heinrich einen jahrelangen, hartnäckigen Kampf mit dem Papst geführt hatte. Die römische Kirche lehnte es ab, auf die unzulänglichen Gründe hin die Scheidung über seine erste Ehe auszusprechen. Er aber hielt fest an dem Versprechen, das er der Geliebten gegeben. Er schuf die englische Hochkirche! Der Bruch mit Rom war endgültig. Er brauchte bald weder Dispens noch Einwilligung des Papstes mehr, um seine neue Königin zum Throne zu führen.
Und doch war es noch zu früh, um alles öffentlich geschehen zu lassen. Ganz im Geheimen fand im Schloß York, dem heutigen Whitehall, die Trauung Heinrichs mit Anna Boleyn statt. Es war Eile geboten. Sie war guter Hoffnung. Sie trug das Kind unter dem Herzen, das einst bestimmt war, Englands größte Königin zu werden. Es waren nur drei Zeugen bei der Trauung anwesend. Rowland Lee, Bischof von Lichfield, traute das Paar im guten Glauben, denn der König hatte ihm die Versicherung gegeben, er habe endlich vom Papst Dispens und die Auflösung seiner ersten Ehe erlangt. Nur wolle er vorläufig alles Aufsehen um dieses Ereignis vermeiden. Deshalb müsse die Trauung in aller Stille vollzogen werden. Und so geschah es. Erst vier Monate später, im Mai desselben Jahres, wurde Heinrichs Ehe mit Katharina von Aragon für nichtig erklärt, aber nicht durch den Papst, sondern durch Heinrichs Willkür, als Oberhaupt der neuen Hochkirche, zu dem er sich aber offiziell erst im Jahre 1534 erklärt. Der kürzlich vom Papst zum Erzbischof von Canterbury erhobene Thomas Cranmer ist die Haupttriebfeder der ganzen Intrige und sein Stellvertreter.
Im Juni darauf wird Anna Boleyn gekrönt mit allem Pomp, der in England bei derartigen Ereignissen, an denen das ganze Volk teilnimmt, üblich ist. Nun ist sie anerkannte Königin. Bald steht das Ereignis bevor, das Heinrichs sehnlichsten Wunsch erfüllen soll. Es ist eine Tochter, kein Sohn! Heinrichs Leidenschaft für Anna scheint von diesem Augenblick an im Verblassen. Neue Liebesabenteuer des Königs rufen heftige Auseinandersetzungen zwischen ihm und ihr hervor. Sie liebt ihn. Sie will sich ihn nicht entreißen lassen. Ihr beleidigter Stolz, ihr heißes Temperament reißen sie zu Szenen hin. Er bedeutet ihr brutal, sie solle sich nicht in seine Privatangelegenheiten mischen. Sie solle bedenken, was sie gewesen sei. Trotzdem sie jetzt Königin sei, könne er sie wieder in die Tiefe, in das Nichts stürzen. Anna schäumt. Eine ihrer jungen Hofdamen erregt besonders ihre Eifersucht. Sie weiß, was ihr bevorsteht. Wie ihre eigene Jugend über die ältliche Katharina von Aragon einst triumphierte, so wird jetzt Jane Seymours Schönheit die noch junge Anna von des Königs Seite verdrängen und sich den Platz an der Sonne sichern. Heinrich wirft die Frauen weg, wenn er sie satt hat, wenn ein neues Abenteuer, neue Liebesleidenschaft lockt. Ihm wird es auch diesmal nicht schwer werden, einen Grund zu finden, um Anna Boleyn, seine Königin, loszuwerden. Es sind gewisse Leute um ihn, die längst Anna ihr Glück neiden. Verrat und Mißgunst erfassen den günstigen Augenblick und kommen dem König in seinen Absichten entgegen. Nichts wird leichter und schneller wahrgenommen als das vergehende Interesse eines Mannes für eine Frau. Haß, Neid, Ehrgeiz bemächtigen sich des nur noch an einem Faden hängenden Glücks. Es ist jetzt nicht mehr schwer, es ganz zu zerstören.
So skrupellos Heinrich selbst in Liebesangelegenheiten ist, er duldet nicht, daß die Frauen ihn betrügen. Der leiseste Verdacht kann ihm genügen oder zum Vorwand dienen, ein junges Leben zu verderben, das ihm im Wege steht. Frivolität und Ungebundenheit bei Frauen liebt er nur, so lange sie seinem persönlichen Vergnügen dienen, ihn ergötzen. Erfahrung und seine eigenen Gelüste machen ihn mißtrauisch und ungläubig. Es bedarf keiner großen Beweise, Heinrich von der Untreue und den Ausschweifungen einer Frau zu überzeugen. Sein Hof ist nicht dazu angetan, aus den Frauen, die in seiner Sphäre leben, unantastbare Wesen zu machen. Liebesverhältnisse verheirateter Frauen sind keine Ausnahme. Die Männer sind hemmungslos im Lebensgenuß, auch eine Königin ist für sie nicht unerreichbar. Intrige und Böswilligkeit sind Heinrich bereitwillige Helfer, das Glück der jungen Königin an seiner Seite zu untergraben. Er schenkt den Einflüsterungen nur zu gern Gehör, denn schon ist Anna ihm für seine Liebe zu Jane Seymour unbequem. Was ihm einst an Anna gefiel: ihre Koketterie, ihr leichtes, fast französisches Temperament, ihre fröhliche Ausgelassenheit, stößt ihn plötzlich ab. Er findet sie oberflächlich, keck. Er findet die Ansicht der Feinde Annas bestätigt, daß die Königin sich ihrer Würde nicht bewußt sei und allzu viel Frivolität an den Tag lege. Er sieht ihre entzückende Schönheit nicht mehr, ihre Jugend gilt ihm nichts mehr – sie ist jetzt 28 Jahre alt! Sein Interesse für Anna ist erloschen. Bald legen sich die Höflinge, als sie merken, daß der Einfluß der Königin auf ihren Gemahl von Tag zu Tag geringer wird, keinen Zwang mehr auf. Unumwunden sprechen sie zu Heinrich von dem zügellosen Leben, das Anna vor und während ihrer Ehe mit ihm geführt hat. Der intrigante Thomas Cromwell, des Königs Geheimsiegelbewahrer, besonders tut alles, um Anna zu vernichten. Die so schnell zu Ruhm und Glanz Gelangte hat böse Feinde. Manchem am Hofe hat sie den Einfluß auf den König geschmälert, manchem hat sie die Staatskarriere verdorben. Die Katholischfühlenden hat sie mit Arroganz und Hochmut behandelt. Jetzt rächen sich besonders die, die sich durch den Protestantismus der Königin beleidigt sehen und ihre Übermacht fürchten. Kein Mittel ist Annas Feinden zu schlecht, um ihr Heinrichs völlige Ungnade zu verschaffen. Man geht so weit, sie der Blutschande mit ihrem Bruder, Lord Rochfort zu beschuldigen. Heinrich glaubt es, ohne Beweise dafür zu haben. Fünf andere Männer werden genannt, denen die Königin ihre Gunst schenkte. Bei zweien scheint der Beweis augenscheinlich. Der Sänger und Tänzer Mac Smeaton und Lord Norris. Beide kommen in den Tower. Alle erwartet das Schafott. Bis zum Tode leugnet Lord Norris als echter Ritter jede Schuld Annas. Der Tänzer allein gesteht einiges, um der qualvollen Folter zu entgehen. Man weiß nicht, ob er in seiner Todesangst die Wahrheit spricht. Aber auch ihm nützt das Geständnis nichts. Auch ihn trifft des Henkers Beil.
Die Renaissancemenschen setzen ihren Leidenschaften selten Schranken. Heinrich genügen diese Sühneopfer zweier Menschenleben nicht. Sein Herz sinnt auf noch mehr Rache. Anna Boleyn, die er zur Königin hat krönen lassen, hat ihm in den Augen der Welt die Schande des Ehebruchs angetan. Sie hat sich in seinen Augen als Dirne benommen. Dafür muß sie büßen. Seine erste Frau hat er verstoßen, weil er einen Sohn wünschte, sie ihm aber ein Mädchen gebar. Er hat sie verstoßen, weil sie ihm nicht mehr gefiel, weil sie alt wurde. Die zweite, kokett, genußsüchtig, schön und jung, gefällt ihm vielleicht in seinem Innern noch, aber auch sie hat ihm nicht den von Wahrsagern prophezeiten Thronerben geschenkt. Es muß eine andere sein, die das Orakel erfüllt. Er will und kann aber Anna nicht ihrem Leben der Freude und des Genusses überlassen. Wohl hat er ihre Liebhaber beseitigt; sie wird sich andere nehmen, wenn Heinrich sich von ihr scheiden ließe. Daher muß Anna sterben. Anfangs zwar gibt es zwischen den furchtbaren Szenen des Königs und der Königin immer wieder Versöhnung. Anna ist Heinrichs größte Liebe gewesen. Immer wieder versteht sie es, ihn an sich zu ziehen, bis ihr Schicksal um so sicherer entschieden ist, als sie fast drei Jahre nach der Geburt ihrer Tochter Elisabeth, am 29. Januar 1536, einen toten Knaben zur Welt bringt. Damit sieht Heinrich die Hoffnung auf einen Thronerben vernichtet. Er will Anna nicht mehr. Sie hat ihn doppelt enttäuscht.
Am 2. Mai, nur wenige Monate nach dem unheilvollen Ereignis, verkünden die Kanonen des Tower, daß man das Tor der großen Staatsverräter öffnen wird, um es hinter einer sehr hohen Persönlichkeit wieder zu schließen. Von der Themse her ist in heimlicher Nacht ein Boot gekommen. An Bord befindet sich die unglückliche Königin, die für immer die Ungnade ihres Herrn und Gemahls getroffen hat. Es nützt ihr nichts, daß sie hoch und heilig ihre Unschuld beteuert. Es nützt ihr nichts, daß sie an Heinrich schreibt: »Niemals hatte ein Fürst eine Frau, die ihre Pflichten treuer und in größerer Liebe erfüllte, als Anna Boleyn.« Heinrich beachtet diesen Brief kaum. Eine neue Leidenschaft hält ihn gefangen. Er hat keine Zeit, kein Interesse, sich mit der Vergangenheit zu beschäftigen. Er hat nur Auge und Ohr für Jane Seymour. Mit ihr feiert er rauschende Feste, mit ihr hält er tolle Gelage, erlebt er neue Liebe, einen neuen Rausch, während Anna Boleyn im Kerker des Tower auf den Knien liegt und heiße Gebete zu Gott schickt. Während sie in finsteren, schauerlichen Nächten zu Tode verwundet schluchzt, Gott möge sie erhören und des Königs Herz erweichen. Es ist nicht möglich, daß er sie, die er geliebt, so jung, fallen lasse, daß er sie dem Henker ausliefern werde. Umsonst! Das Todesurteil wird wenige Tage später gesprochen, ohne Anna Gelegenheit gegeben zu haben, sich zu verteidigen. Als man sie am 19. Mai zur Richtstätte führt, ist sie gefaßt. Sie geht aufrecht in einem tiefausgeschnittenen schwarzen Kleid, das ihr todbleiches Gesicht nur noch mehr hervorhebt. Sie hat dieses Kleid angelegt, damit dem Henker erspart bleibe, ihr die modische steife Halskrause mit der Schere aufzuschneiden.
Nachdem sie alle, denen sie Unrecht getan, um Verzeihung gebeten hat – auch für Heinrich betet sie zu Gott – fällt das schöne Haupt Elisabeths Mutter unter dem Beil. Gleich nach der Hinrichtung spricht derselbe Erzbischof von Canterbury, Thomas Cranmer, der sich einst am eifrigsten um die Scheidung Heinrichs von Katharina von Aragon bemühte, jetzt die Nichtigkeitserklärung der Ehe des Königs mit Anna Boleyn aus. Und damit macht er sein Patenkind, Prinzessin Elisabeth, rechtlos, zum Bastard! Sie hat nicht nur die Mutter verloren, sondern auf ihr lastet auch der Makel der Illegitimität.
Im Grunde genommen bleibt das Unglück Anna Boleyns für viele ein Rätsel. Manche am Hofe wollen durchaus nicht an die vorgebrachten Gründe glauben. Die Protestanten, deren Beschützerin sie war, zweifeln. Hat sie wirklich die Ehe gebrochen? Oder war alles nur Vorwand von Heinrich, um sie los zu sein? Waren hier Intrigen ihrer Feinde im Spiel? Hatten sich die Katholiken für den Bruch Heinrichs mit Rom an Anna, der Ursache dazu, der glühenden Protestantin, gerächt? Viele Jahre später, als ihre Tochter Elisabeth zur Regierung kam, meldete sich noch einer der Verteidiger der Ehre Annas bei der Königin. Elisabeth erhielt im September 1559 einen Brief des Doktors Alexander Ales, eines angesehenen Protestanten. Als Augenzeuge des Todes ihrer Mutter bezeugte er der Königin: Anna sei das Opfer ihrer Anhängerschaft an die Reformation gewesen. Die Verleumdungen über ihr Privatleben habe man nur als Vorwand gebraucht, um ihren Einfluß auf Heinrichs Kirchenpolitik zu vernichten. In ihrem Innern pflichtete Elisabeth dieser Annahme wohl bei, sie tat indes nichts, um die Ehre ihrer unglücklichen Mutter zu rehabilitieren. Vielleicht wollte sie aus kluger Vorsicht das Vergangene nicht wieder aufstöbern. Vielleicht wären Dinge zum Vorschein gekommen, die die Rechtmäßigkeit ihrer Thronfolge hätten erschüttern können. Aber nicht nur aus diesen Staatsgründen unterließ Elisabeth es, sondern die Erinnerung an ihre Mutter hatte sich in ihrem Herzen nicht befestigen können. Sie war noch zu klein gewesen, um das Furchtbare im Leben Anna Boleyns richtig zu erfassen und nachzuempfinden. Eine Hinrichtung war außerdem eine nicht außergewöhnliche Staatshandlung, von der die damalige Zeit weiter kein Aufhebens machte. Was Elisabeth von der Schönheit und Jugend, von der Liebenswürdigkeit und Beliebtheit Anna Boleyns wußte, erfuhr sie höchstens heimlich von Freunden ihrer Mutter, denn sprechen durfte man in Gegenwart des Kindes nie öffentlich von Anna. Ihren Tod beklagten übrigens wenige. Die meisten wagten nicht, ihr Bedauern zu zeigen. La reine est morte, vive la reine, hätte man an Heinrichs Hofe rufen können, als Anna nicht mehr unter den Lebenden weilte. Die neue Leidenschaft Heinrichs VIII., Jane Seymour, ließ jetzt als zukünftige Königin alles Gewesene vergessen.
3. Jane Seymour, Gattin Heinrichs VIII.Stich von Vermeullen nach einem Gemälde von Adrian van der Werff
Das Kind Elisabeth, über dessen Taufbecken einst vier Lords einen prächtigen Thronhimmel hielten, dem die Tochter des Herzogs von Norfolk, Maria Howard, den hermelingefütterten rotsamtenen Taufmantel mit der endlosen Schleppe wie den Purpurmantel einer Königin nachtrug, dieses Kind geriet durch die Nichtigkeitserklärung der Ehe und den Tod seiner Mutter nicht nur in eine zweideutige, sondern auch in eine sehr armselige Lage. Wäre Lady Margaret Bryan nicht gewesen, wer weiß, was aus der armen Kleinen geworden wäre. In dieser gutherzigen Dame findet die von ihrem Vater Verstoßene, ebenso wie auch ihre jetzt neunzehnjährige Stiefschwester Maria, eine zweite Mutter und Helferin.
Fern vom Hofe in London, wo mit dem Einzug der neuen Königin Glanz und Freude herrschen, lebt die kleine Prinzessin Elisabeth auf Schloß Hunsdon, ihrer Kinderseele glücklicherweise unbewußt, das Leben einer Mißachteten. Auch Maria verbringt hier ihre bittere, von Scham und Schmerz über das Schicksal ihrer Mutter, Katharinas von Aragon, zerrissene Jugend, in ständiger Auflehnung gegen den Vater und seine »Konkubine«. Nie hat Maria Anna Boleyn anders betitelt. Heinrich VIII. kümmert sich weder um diese noch um die andere Tochter. Die kleine Elisabeth haßt er nicht. Er haßt besonders Maria, die von ihrer spanischen Mutter her Strengkatholische. Er fürchtet ihre anklagenden Augen, ihr ganzes ostentativ zur Schau getragenes Wesen der beleidigten Tochter. Einst hat sie der kleinen Schwester Elisabeth alle Rechte abtreten müssen, sogar ihren Titel Prinzessin von Wales. In Hunsdon oder Hatfield lebt sie seit drei Jahren auf Anna Boleyns Veranlassung als Enterbte, wie eine Gefangene. Solange Elisabeths Mutter lebte, durfte Maria es nicht wagen, an ihren Vater, ja nicht einmal an ihre unglückliche Mutter zu schreiben. Als die Sterbende im Januar 1536 nach ihrem Kinde verlangt, wird der Tochter verboten, ihr Lebewohl zu sagen. So wenig menschliches Gefühl zeigte Heinrich dieser Tochter gegenüber, und Anna Boleyn unterstützte ihn darin.
Nun aber hat das gleiche Unglück Annas eigene, auf so glanzvolle Weise zur Welt gekommene Tochter Elisabeth ereilt. Auch sie ist von ihrem Vater vergessen, entrechtet, allen Glanzes beraubt. In Hunsdon, einer kleinen, armseligen Hofhaltung, unter der Oberaufsicht Lady Bryans, besitzt das Kind kaum das Nötigste. Die Erzieherin muß sich an den allmächtigen Staatssiegelbewahrer, Lord Cromwell, der Anna Boleyn aufs Schafott gebracht hat, wenden, damit er beim König vorstellig werde, der kleinen Prinzessin Kleider und Wäsche zu beschaffen. Lady Bryan weiß nicht einmal, wie und als was sie ihre Schutzbefohlenen nun behandeln soll. »In welchem Verhältnis Mylady Elisabeth jetzt betrachtet werden soll«, schreibt sie, »kenne ich nur vom Hörensagen. Ich weiß auch nicht, wie ich sie und mich oder einen der Leute, die unter mir stehen, das heißt, ihre Wärterinnen und Diener, anzusehen habe. Ich bitte Sie daher, Mylord, um Ihr Wohlwollen für meine Kleine. Ich bitte Sie, ihr ein paar Kleider zukommen zu lassen, denn sie hat weder Wäsche noch Rock, noch Leibchen, noch Unterkleid, noch etwas an Leinenzeug, weder Hemden noch Tücher. Sie besitzt keinen Mantel, kein Häubchen. Ich habe, mit Euer Gnaden Erlaubnis, damit hausgehalten, so lange es ging, aber nun kann ich, auf mein Wort, nicht mehr weiter. Bitte, bitte, Mylord, sehen Sie zu, daß meine Gnaden das Nötige bekommen.«
Andrerseits hat Heinrich verordnet, daß die kleine Dreijährige alle Tage an der großen Tafel in Hunsdon speisen soll, wo sie mittags und abends mit den schweren Gerichten der damaligen Zeit, in der auch die Frauen gewöhnt sind, sich den Magen zu überfüllen, traktiert wird. »Ach, gnädigster Herr«, fleht die Erzieherin, »es geht doch nicht für ein Kind in dem Alter, eine solche Lebensweise zu führen. Ich sage Ihnen offen, daß ich es dann nicht auf mich nehmen kann, sie gesund zu erhalten, wenn man sie so essen läßt. Sie sieht ja so manche Speise, Früchte und Wein, und für mich ist es schwer, Ihre Gnaden davon zurückzuhalten.« Lady Bryan kennt ihren kleinen Schützling und seinen Eigenwillen genau. Sie weiß, Elisabeth hat bereits alle Anlagen zu einem genießerischen Wohlleben in sich. »Sie ist noch zu jung«, fährt Lady Bryan fort, »um so etwas im Ernst zu tun, kommt sie aber einmal so weit, so kann ich sie weder zur Ehre Seiner Majestät des Königs noch zu ihrer eigenen noch zur Ehre meiner Wenigkeit, am allerwenigsten aber zur Erhaltung ihrer Gesundheit großziehen. Und darum lege ich Ihnen, Mylord, mein Verlangen ans Herz. Ach, sorgen Sie doch dafür, daß Mylady einen Gang aufs Zimmer bekommt, etwa von einem oder zwei guten Gerichten. Das ist genug für die Prinzessin... Guter Mylord, gedenken Sie meiner Kleinen und meiner selbst.«
Inzwischen hat Heinrich gleich am folgenden Tag nach der Hinrichtung Anna Boleyns Jane Seymour geheiratet. Bald darauf ist im Parlament die Akte durchgegangen, die seine Tochter Elisabeth zur Thronfolge für unfähig erklärt und die Nachkommenschaft der neuen Königin Jane Seymour als erbberechtigt anerkennt. Im Stillen freut sich Heinrichs älteste Tochter Maria darüber, daß nun ihrer kleinen Rivalin das gleiche Schicksal blüht wie ihr. Nach außen indes gibt sich Maria den Anschein, dem intelligenten, schon frühzeitig äußerst begabten Kind die mütterliche Liebe zu ersetzen. Das geschieht gleichzeitig in der Absicht, den Vater zu beschämen, der seine Kinder so leicht vergißt. Maria ist jetzt bald Zwanzig. Der Tod ihrer Feindin Anna Boleyn hat ihr endlich eine gewisse Freiheit gebracht. Wenige Stunden vor ihrer Hinrichtung hat Anna ihre Stieftochter in tiefer Reue und Verzweiflung um Verzeihung gebeten für alles, was sie ihr Böses zugefügt habe. Nun faßt Maria Mut. Sie kennt ihren Vater. Er ist durch das neue Liebesglück in versöhnlicher Stimmung. Die Erinnerung an Marias Mutter ist in ihm verwischt. Ihr Tod hat alles ausgelöscht. Sein Haß gilt jetzt vielmehr Anna Boleyn. So unternimmt Maria es – allerdings noch auf Umwegen – sich von neuem die Gnade des Vaters zu erringen, und damit die Hoffnung auf Anerkennung. Im Herzen dieses stolzen, herrschsüchtigen, überaus ehrgeizigen Mädchens frißt die Wut, der Gram um ihr verlorenes Thronrecht. Es entspinnt sich zwischen ihr und dem allmächtigen Thomas Cromwell ein lebhafter Briefaustausch. Wie eine Ertrinkende fleht Maria um Rettung. »Lange schon wollte ich Sie bitten, mir Ihre Fürsprache bei Seiner Gnaden, dem König meinem Vater, zu schenken, um seinen Segen und sein Wohlwollen zu erlangen. Doch ich begriff: niemand würde gewagt haben, zu meinen Gunsten zu sprechen, so lange jene Frau lebte, die jetzt nicht mehr ist und für die ich Gott bitte, ihr in seiner großen Barmherzigkeit alles zu vergeben. Jetzt, da sie nicht mehr lebt, erlaube ich mir, Ihnen zu schreiben, denn ich habe Sie jederzeit als einen meiner besten Freunde betrachtet. . . .«
Ihr guter Freund, der gerissene Cromwell, ist indes nicht so leichten Kaufes zu gewinnen. Er verlangt eine Gegenleistung. Nichts anderes fordert er von der tiefkatholischen Prinzessin, als die Aufgabe ihres Glaubens, ferner die Unterzeichnung eines Schriftstückes, wodurch sie sich ganz der Herrschaft Heinrichs unterordnet und seine Oberhoheit über die Kirche anerkennt. Außerdem muß sie der Nichtigkeitserklärung der Ehe ihrer Mutter zustimmen. Sie kämpft mit ihrem Gewissen als Tochter und Katholikin. Sie holt sich bei ihrem mächtigen Vetter Karl V. Rat. Er rät ihr nachzugeben, weil Heinrich VIII. ihm für seine Politik nötig ist. Als Cromwell alles erreicht hat, erst dann darf Maria ihrem Vater wieder persönlich schreiben und ihm für seine große Gnade danken. Maria ist klug genug alles zu tun, was man von ihr verlangt. Im Herzen bleibt sie Katholikin und läßt sich in ihrem Glauben nicht stören. Als sie ihrem Vater schreibt, hält sie es für diplomatisch, nicht nur für sich allein zu bitten, sondern ihm auch die kleine Schwester Elisabeth in Erinnerung zu bringen. »Ich glaube«, schreibt sie am 26. Juli 1536 an den König, »Elisabeth wird einmal Eurer Hoheit Grund zur Zufriedenheit geben, wenn es dem allmächtigen Gott gefällt. Sie ist ein sehr folgsames Kind.«
Heinrichs Interesse gilt indes nicht der kleinen Tochter. Es wird bald einzig und allein auf seinen Sohn, den sehnlichst erwarteten Thronfolger gelenkt, den ihm Jane Seymour im Oktober 1537 schenkt. Mit diesem Ereignis ist allen Zweifeln, allen Schwierigkeiten für die Zukunft Englands ein Ende bereitet. Alle Hoffnungen und Wünsche richten sich auf dieses Kind. Heinrich ist glücklich und – wie Maria richtig vermutete – versöhnlich gestimmt. Seine älteste Tochter darf an den Hof, sie darf als Patin den kleinen Prinzen über das Taufbecken halten. Die dreijährige Elisabeth trägt das kostbare Taufkleid mit der viele Meter langen Schleppe. Ihre winzigen Hände sind aber viel zu schwach, und einer der Herzöge muß das Kind auf den Arm nehmen, damit es mit seiner Hilfe die schwere Last tragen kann.