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"Elmer Gantry" ist ein sozialkritischer Entwicklungsroman des Literaturnobelpreisträgers Sinclair Lewis aus dem Jahr 1927.
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Seitenzahl: 793
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Erstes Kapitel
1
2
3
4
5
6
Zweites Kapitel
1
2
3
Drittes Kapitel
1
2
3
4
5
6
7
8
Viertes Kapitel
1
2
3
Fünftes Kapitel
1
2
3
Sechstes Kapitel
Siebentes Kapitel
1
2
3
4
5
6
7
8
9
Achtes Kapitel
1
2
3
4
5
Neuntes Kapitel
1
2
3
4
5
6
7
Zehntes Kapitel
1
2
3
4
5
Elftes Kapitel
1
2
3
4
5
6
Zwölftes Kapitel
1
2
3
4
Dreizehntes Kapital
1
2
3
4
5
6
7
Vierzehntes Kapitel
1
2
3
4
5
Fünfzehntes Kapitel
1
2
3
4
5
Sechzehntes Kapitel
1
2
3
Siebzehntes Kapitel
1
2
3
4
5
Achtzehntes Kapitel
1
2
3
4
5
Neunzehntes Kapitel
1
2
3
4
Zwanzigstes Kapitel
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
Einundzwanzigstes Kapitel.
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
Zweiundzwanzigstes Kapitel
1
2
3
4
Dreiundzwanzigstes Kapitel
1
2
3
4
5
6
7
Vierundzwanzigstes Kapitel
1
2
Fünfundzwanzigstens Kapitel
1
2
3
Sechsundzwanzigstes Kapitel
1
2
3
4
5
6
7
8
9
Siebenundzwanzigstes Kapital
1
2
3
4
5
Achtundzwanzigstes Kapitel
Neunundzwanzigstes Kapitel
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
Dreißigstes Kapitel
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
Einunddreißigstes Kapitel
1
2
3
4
5
6
7
8
Zweiunddreißigstes Kapitel
1
2
3
4
5
6
Dreiunddreißigstes Kapitel
1
2
3
4
5
6
Elmer Gantry war betrunken. Es war ein Rausch voll Beredsamkeit, voll Zärtlichkeit und Rauflust. Er lehnte am Schanktisch der »Alten Heimat«, des goldglitzerndsten und großstädtischesten Saloons in Cato, Missouri, und forderte den Mixer auf, mit ihm in den neuesten Walzer, »Die schöne Sommerszeit«, einzustimmen.
Der Mixer hauchte ein Glas an, polierte es und bemerkte, Elmer durch das blitzende Rund einen Blick zuwerfend, er verstünde nicht viel von so 'nen Singereien. Aber er lächelte. Kein Mixer hätte beim Anblick Elmers ein Lächeln unterdrücken können, ein so begeisterter, wackerer Radaubruder war er, und so imponierend war sein albernes Grinsen.
»Von mir aus, alter Trottel«, gab Elmer nach. »Ich und mein Zimmerkam'rad wollen Ihnen mal zeigen, was Singen heißt! Das ist mein Zimmerkam'rad. Jim Lefferts. Der beste Zimmerkam'rad von der Welt. Wenn er's nicht war', würd' ich nicht mit ihm zusammen wohnen! Der beste Quarterback im Mid'lwesten. Das ist mein Zimmerkam'rad.«
Von neuem lernte der Mixer unter Beteuerungen ganz besonderen Vergnügens Mr. Lefferts kennen.
Elmer und Jim Lefferts zogen sich an einen Tisch zurück, um die langen, vollen, süßen Töne der alkoholseligen Melodie erklingen zu lassen. Sie sangen wirklich sehr gut. Jim hatte einen kräftigen Tenor, Elmer Gantrys voller Bariton aber war etwas, das man noch länger im Gedächtnis behielt als seine imposante Gestalt, sein dickes schwarzes Haar und seine unverschämten schwarzen Augen. Er war zum Senator geboren. Er sagte nie etwas Wichtiges, und sagte es immer mit sonorer Stimme. Er konnte »guten Morgen« profund klingen lassen, als wäre es von Kant, schmetternd wie ein ganzes Trompeterkorps und erhebend wie eine Domorgel. Ein Cello war seine Stimme, und von ihr bezaubert hörte man nichts von seinem Slang, seinen Aufschneidereien, seinen Zoten und nichts von der fürchterlichen Roheit, mit der er (um diese Zeit) grammatikalische Formen behandelte.
Voll Wonne, wie Wanderer, die sich an kühlem Bier laben, liebkosten sie die in vereinter Inbrunst gedehnten Noten:
Man geht einher auf Bluuuuumenpfaden mit seinem Herzchen-mein,
So Hand in Hand, die Seelen in traut-innigem Verein,
Man hat sein Katzi-Schatzi in der schönen Sommerszeit.
Elmer weinte ein wenig und schluchzte: »Gehen wir raus, 'ne Keilerei anfangen. Du bist 'ne kleine Dreckschleuder, Jim. Du langst dir einen, der auf dich losgeht, und dann komm' ich und hau' ihm den Schädel ein. Ich werd' ihnen schon zeigen!« Seine Stimme wurde heiß von Leidenschaft. Er wütete über das bald zu erduldende Unrecht. Er krümmte seine Tatzen vor Sehnsucht, den imaginären Schurken zu packen. »Bei Gott, ich werd' ihm das Hirnschmalz herausschlagen! Daß mir keiner meinen Zimmerkam'raden anrührt! Wißt ihr, wer ich bin? Elmer Gantry! Das bin ich! Ich werd' ihm zeigen!«
Der Mixer bewegte sich auf sie zu, voll liebenswürdiger Mordbereitschaft.
»Halt die Klappe, Höllenhund. Was du brauchst, ist noch 'n Schluck. Du kriegst noch 'n Schluck«, beruhigte Jim, und Elmer brach in Tränen aus, beweinte die alten tragischen Kümmernisse eines Menschen, dessen er sich als Jim Lefferts' entsann.
Plötzlich, infolge irgendeines Zaubertricks, standen zwei Gläser vor ihm. Er kostete aus dem einen und murmelte dämlich: »'Tschuldigen Sie«. Es war der Feind, das Wasser. Aber ihn konnten sie nicht drankriegen! Der Whisky mußte in dem anderen, in dem kleinen abgesägten Glas sein. Dort war er auch. Er hatte recht wie immer. Mit einem Schmunzeln der Selbstbewunderung schlürfte er den starken Bourbon ein. Das kitzelte ihn in der Kehle, flößte ihm Kraftbewußtsein ein und brachte ihn in friedliche Stimmung gegen jedermann, außer dem einen Kerl – er wußte nicht mehr genau, wer es war, auf jeden Fall einer, den er bald züchtigen würde, um dann in ein Elysium der Güte zu treiben.
Das Schankzimmer übte eine köstlich beruhigende Wirkung aus. Der säuerliche, kräftigende Bierdunst erzeugte ein Gefühl der Gesundheit in ihm. Der Schanktisch war ein langes Leuchten von Schönheit – schimmerndes Mahagoni, feiner Marmorbelag, blinkende Gläser und seltsam geformte Flaschen von unbekannten Schnäpsen, mit einer Geschicklichkeit zusammengestellt, die ihn sehr glücklich machte. Das Licht war trüb und besänftigend, es kam durch phantastische Fenster, wie sie nur in Kirchen, Saloons, Juwelenläden und anderen Refugien vor der Wirklichkeit zu finden sind. Auf den braungetünchten Wänden waren geschmeidige nackte Mädchen.
Er wandte sich von ihnen ab. Er hatte jetzt gar keine Lust auf Frauen.
»Die verdammte Juanita. Will nur rausholen aus einem, was sie kann. Weiter nichts«, brummte er.
Aber da ging etwas Interessantes neben ihm vor. Ein Zeitungsblatt sprang auf, anscheinend ganz von selber, und glitt den Fußboden entlang. Das war etwas sehr Komisches, er lachte aus vollem Herzen.
In sein Bewußtsein drang eine Stimme, die er schon seit Jahrhunderten hörte, die von einer fernen Stelle voll Licht und Funkeln durch immer weiter werdende Traumkorridore widerhallte.
»Wir werden hier rausgeschmissen, Höllenhund. Komm!«
Er trieb hoch. Das war glänzend. Seine Beine bewegten sich automatisch, ohne jede Anstrengung. Einmal machten sie etwas Spassiges – sie verwickelten sich ineinander, und das rechte Bein sprang vor das linke, als es, so viel er erkennen konnte, eigentlich hätte hinten sein sollen. Er lachte und stützte sich auf irgendjemandes Arm, zu dem kein Leib gehörte, auf einen Arm, der aus der Ewigkeit gekommen war, um ihn zu unterstützen.
Dann kamen unbekannte, unsichtbare Häuserblocks, viele Meilen weit, in seinem Kopf wurde es heller, und er machte einem Jim Lefferts, der plötzlich bei ihm zu sein schien, eine ernste Mitteilung:
»Ich muß den Kerl vertobacken.«
»Schon gut, schon gut. Von mir aus geh dir 'ne nette kleine Balgerei suchen und schau, daß du die Sache aus dir raus kriegst!«
Elmer war erstaunt; er war bekümmert. Sein Unterkiefer fiel hinunter, er floß vor Kummer über. Immerhin, eine reizende Rauferei sollte er ja haben dürfen, er lebte wieder auf, als er eifrig vorwärtstaumelte, um sich eine zu suchen.
Oh, er frohlockte, es war ein großartiger Ausflug. Das erstemal seit Wochen war er die Langeweile des Terwillinger-Colleges los.
Elmer Gantry, seinen Klassenkollegen am besten unter dem Namen Höllenhund bekannt, war, in diesem Herbst 1902, Fußballkapitän gewesen und hatte die beste Mannschaft geführt, die das Terwillinger-College seit zehn Jahren kannte. Sie hatten das Championat im Ost-Mittelkansas-Meeting gewonnen, das von zehn Sekten-Colleges beschickt wurde; alle diese Colleges besaßen ihre eigenen Gebäude, Rektoren, Kapellenandachten, Rufe und Farben und erfreuten sich eines Niveaus der Gelehrsamkeit, das sich mit den besten Hochschulen messen konnte. Aber seit dem letzten Abend der Fußballsaison mit dem herrlichen Freudenfeuer, in dem die jungen Herren neun Fässer Teer, das Schild des jüdischen Schneiders und die Katze des Präsidenten verbrannt hatten, war Elmer von Langeweile geplagt worden.
Basket-Ball und Turnplatzpossen waren für ihn unter der Würde eines Fußball-Gladiatoren. Als er ins College gekommen war, hatte er angenommen, er würde etwas lernen, das für einen Anwalt, einen Arzt oder einen Versicherungsmann bar Geld wert ist – er hatte nicht gewußt, was er werden sollte, und jetzt in seinem Seniorenjahr (er war in diesem November zweiundzwanzig Jahre alt) war er noch immer unschlüssig. Aber seinen Glauben von damals hatte er als trügerisch erkannt. Was könnte er vor Gericht, oder am Operationstisch, davon haben, wenn er etwas von Trigonometrie verstünde oder die Daten Karls des Großen wüßte? (Im letzten Frühjahr, beim Examen in europäischer Geschichte, hatte er sie gewußt, erinnerte er sich.) Wieviel Geld würde es einbringen, dieses ganze Zeug zu zitieren – was zum Teufel war es denn nur? – diesen ganzen Mist da »Die Welt ist viel zu sehr um uns, schon früh und schnell« von dem alten Narren Wordsworth?
Pinke, das war's, worauf es ankam. Lieber wäre er draußen gewesen, um Geschäfte zu machen. Aber, wenn seine Mutter behauptete, daß sie mit ihrem Putzgeschäft so gut auskäme, und wollte, daß er College-Absolvent würde, mußte er eben dabei bleiben. Auf jeden Fall war das tausendmal leichter, als Heuaufladen oder jede andere körperliche Arbeit.
Trotz seiner unschätzbaren Stimme hatte Elmer Gantry nie etwas für Diskussionen übriggehabt, weil ihn das Bücherwälzen verdroß, und ebensowenig hatte er sich um die Gebete und die sittliche Beredsamkeit in der Young Men's Christian Association gekümmert, denn er verachtete mit der ganzen Kraft seiner einfachen und starken Natur alle Frömmigkeit und bewunderte das Trinken und die Weltlichkeit.
Ein- oder zweimal beim öffentlichen Sprechen in der Klasse, beim Wiederholen von prächtigen Ideen anderer großer Denker, Dan'l Websters, Henry Ward Beechers und Chauncey M. Depews, hatte er erfahren, wie berauschend es ist, ein Publikum mit seiner Stimme zu packen wie mit der Hand, es zu packen, zu erschüttern und zu erheben. Der Debattierklub drängte ihn zum Eintritt, aber das waren kaninchengesichtige, bebrillte junge Männer, und es ekelte ihn, Statistiken über die Einwanderung und die Produkte San Domingos in der staubigen, schmutzigen Bibliothek aus staubigen, schmutzigen Büchern auszugraben.
Vor dem völligen Verbummeln blieb er nur bewahrt, weil Jim Lefferts ihn an seine Bücher schleifte.
Jim langweilte sich im College weniger. Der Duft der Gelehrsamkeit behagte ihm. Er wußte gern alles mögliche über Leute, die nun schon tausend Jahre tot waren, und vollbrachte gern chemische Tigelwunder. Elmer wunderte sich darüber, daß ein so tüchtiger Trinker, ein Mann, der es so glänzend verstand, »ein Mädel blendend dranzukriegen und sie wieder abfahren zu lassen«, Freude an römischen Triumphwagen und den langweiligen Liebesgeschichten spanischer Wicken finden konnte. Aber er – nein. Nicht ums Verrecken. Er würde fertigmachen, die Jura hinter sich bringen und nie wieder ein Buch aufschlagen – den Geschworenen was vorschwatzen und für die Schriftsätze irgendeinen alten Trottel engagieren.
Um sich vor einem völligen Zusammenbruch unter der Last zu bewahren, die das Gequake der Professoren für ihn war, machte er sich die Freude, mit Jim zu schwänzen und währenddessen verbotenerweise zu rauchen; stellte er Untersuchungen über die Lieblichkeit der Kommilitoninnen und der Bäckerstochter an; kultivierte er Saufereien und Streifzüge in die Welt. Aber er konnte sich nicht sehr oft Schnaps leisten, und die Kommilitoninnen waren größtenteils häßlich und ernst.
Es war ein Jammer, diesen breitschultrigen jungen Mann, der im Boxring, auf dem Fischmarkt oder der Effektenbörse so glücklich gewesen wäre, sich durch die spinnwebüberzogenen Korridore von Terwillinger bewegen zu sehen.
Das Terwillinger-College, gegründet und erhalten von den eifrigen Baptisten, liegt in der nächsten Umgebung von Gritzmacher Springs, Kansas. (Die Sprudel sind versiegt, die Gritzmachers sind nach Los Angeles gegangen, wo sie Bungalows und Delikatessen verkaufen.) Ein unordentlicher Haufen, liegt es auf der Prärie, die im Winter vom Sturm gepeitscht wird, im Sommer brät und im Staub verkommt und nur im grasraschelnden Frühling und im schläfrigen Herbst eine gewisse Lieblichkeit zeigt.
Das Terwillinger-College für etwas anderes zu halten, als es ist, wäre nicht gut möglich, weil im Hof ein großer Stein steht, auf dem die Jahreszahlen der einzelnen Klassen aufgemalt sind.
Der Lehrkörper besteht zum größten Teil aus ehemaligen Predigern.
Es gibt ein Konvikt, aber Elmer Gantry und Jim wohnten in der Stadt, in einem Herrenhaus, das einst der Stolz der Gritzmachers selbst gewesen war: einem viereckigen Ziegelbau mit weißer Kuppel. Ihr Zimmer war seit den Tagen des ersten August Gritzmacher unverändert; ein schwerer Raum mit einem ungeheuren Bett aus geschnitztem schwarzen Nußbaum, dicken, immer staubigen Brokatvorhängen und schwarzen Nußbaumstühlen mit Fransen, an denen Goldkügelchen baumelten. Die Fenster waren schwer zu öffnen. Das Ganze hatte dieselbe Atmosphäre peinlicher Genauigkeit und toter Hoffnungen wie ein Altmöbel-Laden.
In diesem Museum hatte Jim eine überraschende, kraftvolle Jugendfrische. In Elmers Aussehen deutete etwas auf künftige Kraftlosigkeit hin, Jim Lefferts aber konnte unmöglich jemals kraftlos werden. Er war schlank, sechs Zoll kleiner als Elmer, aber hart wie Elfenbein und ebenso glatt. Obgleich Jim aus einem Präriedorf kam, hatte er ein gewisses wählerisches Wesen, eine angeborene Eleganz. Alle Teile seiner Garderobe, der Alltagsanzug, der an den Ellbogen glänzte, und der dunkelbraune »Sonntagsanzug«, waren fertig gekauft, sie hatten wackelnde Knöpfe und Nähte, die grobe Fadenenden zeigten, aber auf ihm sahen sie nett und ordentlich aus. Man fühlte, daß er zu jeder Gesellschaft gehören könnte, die er hinreichend bewunderte. Sein aufgeschlagener Mantelkragen hatte etwas romantisch Prahlerisches, seine gestopften Hosenböden ließen nicht an Armut denken, sondern an achtlose, heitere Leichtfertigkeit, und seine ganz gewöhnlichen Krawatten schienen von Klubs und Regimentern zu erzählen.
Sein schmales Gesicht war energisch. Erst sah man nur seine Jugendfrische, dann aber erriet man hinter der Heiterkeit eine straffe Entschlossenheit; in seinen braunen Augen lag eine liebenswürdige Ironie.
Jim Lefferts war Elmers einziger Freund; der einzige wirkliche Freund, den er je besessen hatte.
Obgleich Elmer der athletische Abgott des Colleges war, obgleich seine versteckte Sinnlichkeit, seine schwerfällige Hübschheit die Mädchen im College schneller atmen ließ, obgleich sein mannhaftes Lachen ebenso bezwingend war wie sein sonores Sprechen, war er niemals wirklich beliebt. Er wurde für den populärsten Menschen im College gehalten; jedermann nahm an, daß alle anderen ihn bewunderten, und keiner hatte das Bedürfnis, mit ihm zusammen zu sein. Sie alle hatten ein wenig Angst, fühlten sich ein wenig unbehaglich und waren mehr als ein wenig gegen ihn aufgebracht.
Es lag nicht nur daran, daß er brüllte, immer auf den Rücken klopfte und eine überwältigende Kraft war, so daß man nie richtig mit ihm vertraut werden konnte. Es war, weil er immer forderte. Mit Ausnahme seiner verwitweten Mutter, die er auf unklare Weise verehrte und Jim Lefferts' war er immer der Ansicht, er sei das Zentrum des Universums, und das ganze übrige Weltsystem komme nur soweit in Betracht, als es ihm Hilfe und Vergnügen liefere.
Er wollte alles haben.
In seinem ersten Jahr wurde er, als der einzige Fuchs, der in der Fußballmannschaft des Colleges spielte, als großer, lächelnder Mann, von dem man erwartete, daß er der Liebling aller würde, zum Präsidenten erwählt. In diesem Amt war er nicht sehr beliebt. Bei Klassenmeetings unterbrach er die Redner, gab das Wort nur hübschen Mädchen und Burschen, die sich bei ihm einschmeichelten, und schrie inmitten der wichtigsten Debatten: »Ach, geht weiter, hört doch auf, an dem Mist rumzukauen, kommen wir zur Sache!« Er sammelte den Klassenfond auf dem Wege von Zwangssubskriptionen ein, ebenso despotisch wie ein katholischer Priester, der seinen Pfarrkindern um einer neuen Kirche willen zusetzt.
»Er wird nie wieder ein Amt kriegen, wenigstens nicht, solang ich es verhindern kann!« murmelte ein gewisser Eddie Fislinger, der, obgleich er ein magerer Junge mit rostfarbigem Haar und vorstehenden Zähnen war und ein unangenehmes Kichern hatte, in der Klasse zu Macht gelangt war, weil er bei nichts fehlte, und wegen der Frömmigkeit und ergreifenden Innigkeit seiner Gebete in der Y.M.C.A.
Es bestand die Gepflogenheit, daß der Leiter des Athletikverbands nicht Mitglied bei irgendeiner Mannschaft sein durfte. Elmer erzwang sich die Leitung in seinem Juniorenjahr, indem er damit drohte, nicht Fußball zu spielen, wenn er nicht gewählt würde. Er machte Jim Lefferts zum Kassenwart, und die beiden konnten dank einer ganz geringfügigen Bücherkorrektur fünfzig Dollars der besten aller möglichen Verwendungsarten zuführen.
Zu Beginn des Seniorenjahrs verkündete Elmer, daß er wieder Präsident zu sein wünsche. Jemand zweimal zum Klassenpräsidenten zu wählen, war tabu. Der eifrige Eddie Fislinger, der jetzt Präsident der Y.M.C.A. war und darauf brannte, seine seltenen Talente in den Dienst der Baptistengeistlichkeit zu stellen, versicherte nach einer erfreulichen privaten Gebetsversammlung in seinem Zimmer, er würde Elmer die Stirn bieten und ihm untersagen zu kandidieren.
»Einen Dreck traust du dich das!« bemerkte ein Judas, der noch vor drei Minuten unter Eddies Führung mit Gott gerungen hatte.
»Ich trau' mich nicht, was? Paß nur auf! Es kann ihn doch keiner riechen, dieses ekelhafte Schwein!« quiekte Eddie.
Er schlich hinter Bäumen vor und konnte so im Hof vor Elmer kommen. Er blieb stehen und redete von Fußball, quantitativer Chemie und der alten Jungfer aus Arkansas, die Deutsch lehrte.
Elmer knurrte.
Verzweifelt, mit einer Stimme, die vor Sehnsucht, die Welt zu ändern, schrillte, stotterte Eddie:
»Hör mal – hör mal, Höllenhund, du solltest nicht wieder als Präsident kandidieren. Keiner kann zweimal Präsident werden!«
»Einer wird's werden.«
»Ach, herrje, Elmer, kandidier nicht. Ach, verzicht drauf. Natürlich sind alle ganz verrückt nach dir, aber noch nie ist einer zweimal Präsident gewesen. Sie werden gegen dich stimmen.«
»Dabei möcht' ich sie nur erwischen!«
»Wie kannst du's denn verhindern? Wirklich, Elm – Höllenhund – ich spreche nur zu deinem eigenen Besten. Die Abstimmung ist geheim. Du kannst nicht wissen –«
»Huh! Die Vorwahl ist nicht geheim! Jetzt wirst du dich an die Arbeit machen, Fissy, und allen gelben Coyoten bekannt geben, daß jedem, der einen anderen als Onkel Höllenhund vorschlägt, einiges am Leib braun und blau anlaufen wird. Verstanden? Und wenn sie mir sagen, daß sie nichts davon gewußt haben, kriegst du Heil Columbia auf den Buckel, weil du's ihnen nicht gesagt hast. Klar? Wenn's was anderes als einstimmige Wahl gibt, wirst du in diesem Jahr nicht mehr beten!«
Eddie wußte noch, wie einem Fuchs von Elmer und Jim gezeigt worden war, was sich für ihn gehörte: sie hatten ihn ganz ausgezogen und fünf Meilen weit draußen im Land gelassen.
Elmer wurde zum Präsidenten der Seniorenklasse gewählt – einstimmig.
Er wußte nicht, daß er unbeliebt war. Er glaubte, daß Leute, die kühl gegen ihn zu sein schienen, neidisch wären und Angst hätten, und das gab ihm ein Gefühl von Größe.
So kam es, daß er keinen Freund außer Jim Lefferts hatte.
Nur Jim besaß Willenskraft genug, um ihn zu gefügiger Bewunderung zwingen zu können. Elmer verschlang Ideen im ganzen; er war ein Maëlstrom von Vorurteilen; doch Jim prüfte jeden Gedanken, auf den er stieß, mit Genauigkeit. Jim war ziemlich egoistisch, aber mit dem Egoismus eines Menschen, der denkt und vor keinem Ziel zurückschreckt, zu dem sein Denken ihn führen mag. Dieser kleine Mann behandelte Elmer wie einen großen, demütigen Hund, und Elmer leckte ihm die Schuhe und folgte ihm.
Er wußte auch, daß Jim als Quarter vielmehr für die Mannschaft bedeutete, als er, der Kapitän im Seitensturm.
Elmer Gantry war ein riesiger junger Mann, sechs Fuß eins, stark, breit mit gewaltigen Händen; er hatte ein großes Gesicht, das in der Art einer dänischen Dogge hübsch war, und einen Schopf schwarzer Haare, die er ziemlich lang trug. Seine Augen waren freundlich, sein Lächeln war freundlich – oh, er war immer recht freundlich; er war nur erstaunt, wenn er merkte, daß man seine Wichtigkeit nicht begriff und ihm nicht alles gab, was er sich wünschen mochte. Er war ein stattliches Fleisch gewordenes Baritonsolo; er war ein Gladiator, der über die komischen Verrenkungen seines verwundeten Gegners lachte.
Er hatte kein Verständnis für Menschen, die kein Blut sehen konnten, die eine Vorliebe für Poesie oder Rosen hatten, die nicht so nebenbei darauf aus waren, jedes vielleicht verführerische Mädchen zu verführen. In stimmgewaltigen Auseinandersetzungen mit Jim gab er die Versicherung ab, daß »die Kerls, die die ganze Zeit studieren, sich ja doch nur so verdammt fein und wichtig tun, weil sie bei den verdammten Professoren, die nichts als Limonade in den Adern haben, Eindruck schinden wollen.«
Die Hauptzierde ihres Zimmers war das Schreibpult des ersten Gritzmacher, das ihre Bibliothek trug. Elmer besaß zwei Bände Conan Doyle, einen Band E. P. Roe und ein köstliches Exemplar von »Nur Ein Junge«. Jim hatte sich eine Enzyklopädie zugelegt, die jeden bekannten Gegenstand in zehn Zeilen erklärte, die »Pickwick Papers«, und aus einer unbekannten Quelle besaß er einen vollständigen Swinburne, in den er, so viel man wußte, noch nie hineingesehen hatte.
Doch sein Stolz war, daß er Ingersolls »Einige Irrtümer Mosis« und Paynes »Das Zeitalter der Vernunft« besaß. Jim Lefferts war nämlich der College-Freigeist, der einzige Mann im Terwillinger, der daran zweifelte, daß Lots Weib in eine Salzsäule verwandelt wurde, weil sie sich nach der Stadt umsah, in der sie sich mit den anderen verheirateten jungen Leuten so gut amüsiert hatte; der daran zweifelte, daß Methusalem neunhundertneunundsechzig Jahre alt geworden ist.
Von Jim flüsterte man überall in den frommen Stübchen Terwillingers. Elmer selbst hatte Angst, denn er war, nachdem er viele Minuten an profunde theologische Fragen gewendet hatte, zu dem Schluß gekommen, daß »hinter dem ganzen Religionszeug doch was sein muß, wenn alle diese gelehrten alten Hühner daran glauben, und daß man einmal anständig werden und mit den ganzen Schweinereien Schluß machen müßte.« Wahrscheinlich wäre Jim schon längst von den geistlichen Professoren aus dem College hinausgeworfen worden, wenn seine Art, Fragen zu stellen, so oft sie mit seiner Ungläubigkeit rangen, nicht so ehrfurchtsvoll gewesen wären, daß sie ihn, nervös und konfus geworden, laufen ließen.
Sogar der Rektor, der Rev. Dr. Willoughby Quarles, früher Pastor an der baptistischen Ewigkeitsfels-Kirche in Moline, Ill., der mehr als sonst jemand über die Notwendigkeit der Taufe durch völliges Untertauchen geschrieben hatte überhaupt in jeder Hinsicht ein Mehr-als-sonst-jemand-Mensch – sogar wenn Dr. Quarles sich Jim vornahm und fragte: »Machen Sie eine gute Anwendung von unserem Unterricht, junger Mann? Glauben Sie mit uns nicht nur an die Offenbarung der Bibel als solcher, sondern auch an ihre wörtliche Offenbarung, und daran, daß sie die einzige göttliche Richtschnur des Glaubens und der Werke ist?« Dann sah Jim lerneifrig drein und sagte sanft:
»O ja, Doktor. Da sind nur ein oder zwei Kleinigkeiten, die mir zu schaffen machen, Doktor. Ich habe sie dem Herrn im Gebet unterbreitet, aber er scheint mir nicht sehr zu helfen. Sie werden es sicher können, Ja, warum mußte Josua die Sonne aufhalten? Natürlich ist es geschehen – es steht ja ganz klar in der Schrift. Aber warum mußte er es tun, wenn der Herr den alten Juden immer half, und wenn Josua gewaltige Mauern zum Einsturz bringen konnte, ganz einfach, indem er seine Leute schreien und Trompeten blasen ließ? Und wenn Teufel so viel von den Krankheiten verursachen, und wenn man sie austreiben mußte, wie kommt es dann, daß gute baptistische Doktoren heute nicht mehr statt T. B. und ähnlichen Sachen Besessenheit vom Teufel konstatieren? Kann man Teufel haben?«
»Junger Mann, ich will Ihnen eine unfehlbare Regel geben: fordern Sie nie Rechenschaft über die Wege des Herrn!«
»Aber warum sprechen die Doktoren heute nicht mehr von Teufelsbesessenheit?«
»Ich habe keine Zeit für müßiges Gerede, das zu nichts führt! Wenn Sie etwas weniger an Ihre wunderbaren Verstandeskräfte dächten, wenn Sie sich vor Gott im Gebet demütigten und ihm eine Gelegenheit gäben, würden Sie die wahre geistige Bedeutung all dieser Dinge verstehen.«
»Aber wie ist es damit, wo Kain seine Frau hergekriegt –«
Ganz respektvoll sagte Jim das, aber Dr. Quarles (er hatte eine Fliege und trug weiße Hemden) drehte sich um und fuhr ihn an: »Ich habe keine Zeit mehr für Sie, junger Mann! Ich habe Ihnen gesagt, was Sie tun sollen. Guten Morgen!«
Am selben Abend hauchte Mrs. Quarles: »Oh, Willoughby, hast du dir diesen schrecklichen Senior vorgenommen – diesen Lefferts – der immer Zweifel zu verbreiten sucht? Hast du ihn hinausgeschmissen?«
»Nein«, säuselte Rektor Quarles. »Keine Spur. Es war nicht notwendig. Ich habe ihm gezeigt, wie er sich geistige Führung suchen soll, und – ist der Fuchs gekommen, das Gras mähen? Was der sich eigentlich denkt, daß er fünfzehn Cents für die Stunde verlangt!«
Jim hing an einem Haar über dem Abgrund der Hölle und wurde vom Wind geschaukelt; das schien ihm aber sehr viel Spaß zu machen, während Elmer Gantry von dieser Verruchtheit bezaubert und entsetzt war.
An diesem Novembertag im Jahr 1902, im November ihrer Seniorenklasse, hatte der Himmel eine schmutziggraue Farbe, die hölzernen Bürgersteige von Gritzmacherquellen waren kotbeschmiert. In der Stadt war nichts los, und in ihrem Zimmer roch es betäubend nach dem Dunst des Ofens, in dem zum erstenmal seit dem Frühling Feuer brannte.
Jim lernte Deutsch, er war in einer elegant behaglichen Stellung zurückgelehnt und hatte die Füße gegen das Schreibpult gestemmt. Elmer lag quer über dem Bett und stellte Untersuchungen darüber an, ob ihm das Blut zu Kopf steigen würde, wenn er diesen an der Seite herunterhängen ließ. Das tat es, immer.
»Ach, Herr Gott, gehen wir doch weg und machen wir irgendwas!« stöhnte er.
»Nichts los, gar keinen Sinn«, sagte Jim.
»Gehn wir nach Cato hinüber, besuchen wir die Mädels und saufen wir uns einen an.«
Da Kansas durch Staatsprohibition trocken war, lag die nächste Zuflucht in Cato, Missouri, in einer Entfernung von siebzehn Meilen.
Jim kratzte sich mit einer Buchecke am Kopf und stimmte zu:
»Ja, das ist eine glänzende Idee. Hast du Geld?«
»Am achtundzwanzigsten? Verdammt noch einmal, wo sollt' ich vor dem Ersten Geld herkriegen?«
»Höllenhund, du bist eine der größten Verstandesleuchten, die ich kenne, du wirst eine große Nummer als Jurist sein. Abgesehen davon, daß wir beide kein Geld haben und ich morgen ins Deutsche steigen muß, ist das ein großartiges Projekt.«
»Ach, na ja –« seufzte der plumpe Elmer, schwach wie ein krankes Kätzchen; er lag da und wälzte das ungeheure Problem.
Es war Jim vorbehalten, sie vor der öligen Langeweile zu retten, in die sie bereits langsam glitten. Er hatte sein Buch wieder genommen, stellte es aber, sorgfältig und gerade, auf den Tisch und stand auf.
»Ich möchte Nellie gern sehn«, seufzte er. »Ach, Mensch, die könnt's heute gut bei mir haben! Das kleine Biest! Der Teufel soll die Kommilitoninnen hier holen. Die wenigen, in die man sich verlieben könnte, die lauern immer nur drauf, daß sie einen im Hof abfangen und dazu bringen, daß man ihnen einen Antrag macht.«
»Herrje! Und ich muß Juanita sehn«, ächzte Elmer. »Hör doch auf von ihnen zu reden, ja! Ich hab' schon Herzklopfen bekommen, nur vom Denken an Juanny!«
»Höllenhund! Ich hab's. Geh und pump dir Zehn von dem neuen Chemie- und Physiklehrer. Ich hab' noch einen Dollar vierundsechzig, damit schmeißen wir's.«
»Aber ich kenn' ihn doch nicht.«
»Freilich kennst du ihn nicht, du Schwachkopf. Deshalb hab' ich ja an ihn gedacht! Erzähl die Geschichte von dem Scheck, der nicht gekommen ist. Ich werd' noch eine Stunde mit dem Deutsch da rumspielen, während du ihm den Zehner klaust –«
»Na,« kläglich, »so solltest du nicht reden!«
»Wenn du ein so guter Dieb bist, wie ich glaube, können wir den Fünf-Uhr-Sechzehn nach Cato kriegen.«
Der Zug bestand aus einem gewöhnlichen Waggon, einem kombinierten Raucher- und Gepäckwagen und einer verrosteten alten Maschine mit Tender. Der Zug schwankte, während er durch das abnehmende Licht dahin ratterte, derart auf dem verwahrlosten Gleis, daß Elmer und Jim gegeneinander geworfen wurden und sich an der Lehne festhalten mußten. Der Wagen tanzte wie ein Frachtkahn im Sturm. Große derbe Farmer, die ununterbrochen zum Wasserkühler trinken gehen mußten, stießen gegen sie oder griffen nach Jims Schulter, um sich zu stützen.
An jedem Teil des alten Raucherwagens, an den gestreiften Fenstern, den rostigen Eisenbeschlägen und den schmutzüberkrusteten Kokosmatten haftete ein Übelkeit erregender scharfer Geruch von billigem Tabakrauch, und überall, wo sie den roten Plüschbezug der Sitze berührten, wirbelte Staub auf und blieben Handabdrücke zurück. Der Wagen war gedrängt voll. Passagiere setzten sich auf die Lehne ihrer Bank und riefen Freunde jenseits des Ganges an.
Doch Elmer und Jim merkten nichts von Schmutz, Gestank und Überfülltheit. Schweigend saßen sie da, nervös gespannt, ein wenig keuchend, mit offenem Mund, mit verschleierten Augen, sie dachten an Juanita und Nellie.
Die beiden Mädchen, Juanita Klauzel und Nellie Benton, waren keineswegs professionelle Töchter der Freude. Juanita war Kassiererin in der Cato Lunch und Schnellimbiß-Stube; Nellie war Gehilfin bei einem Damenschneider. Sie waren gute Mädchen, nur wenig widerstandsfähig, und fanden etwas Extrageld für rote Pantoffel und Nußschokolade sehr nützlich.
»Juanita – so ein lieber kleiner Kerl – sie hat so viel Verständnis für die Sorgen, die man hat«, sagte Elmer, als sie die feuchten Treppen der verrußten Steinstation von Cato hinunterbalancierten.
Als Elmer, ein Fuchs, der eben von der Mittelschule in Paris, Kansas, gekommen war, die Anfangsgründe der hohen Schule des Liebelns zu lernen begonnen hatte, war er ein laut schwadronierender Bengel gewesen, der in Gegenwart munterer Damen blöde aussah, an Tische stieß, herumbrüllte und alle Welt wissen lassen wollte, wie wacker lasterhaft er wäre. Er war noch immer ziemlich lärmend und stolz auf seine Verruchtheit, wenn er in schnapsseliger Stimmung war, aber in seinen dreieinviertel College-Jahren hatte er gelernt, wie man mit Mädchen verkehrt. Er war zutraulich, er hatte eine gewisse Leichtigkeit, er war fast sanft; er konnte ihnen zärtlich und belustigt ins Auge sehen.
Juanita und Nellie wohnten bei Nellies verwitweter Tante – einer moralischen Dame, die jedoch wußte, wann ihre Anwesenheit unerwünscht war – in drei Zimmern über einem Eckladen. Sie waren eben von der Arbeit zurückgekommen, als Elmer und Jim die gebrechliche hölzerne Außentreppe hinaufstampften. Juanita lungerte auf einem Diwan herum, den nicht einmal eine prächtige orientalische rotgelbe Decke (ein bärtiger Wesier war darauf zu sehen, drei tanzende Damen in Chiffonhosen, eine Narghileh und eine Moschee, die kaum größer war als die Narghileh) jemals dazu bringen konnte, nach etwas anderem auszusehen als einem cachierten Bett. Sie lag zusammengerollt da, fingerte mit einer nervösen und müden Hand an ihrem Fußgelenk herum und las ein aufregendes Kapitel von Laura Jean Libby. Ihre Bluse war am Hals offen, ihr billiger Strumpf hing kümmerlich herunter. Sie sah ganz un-Juanitamäßig aus – ein aschblondes, hübsches Mädchen mit blassem Teint, aus deren Augen eine schlecht verhehlte Sinnlichkeit leuchtete.
Nellie, ein dralles, lustiges Kind, brünett wie eine Jüdin, hatte einen verschmutzten Schlafrock an. Sie kochte Kaffee und erzählte von ihren Sorgen mit ihrem Arbeitgeber, dem frommen Damenschneider, während Juanita überhaupt nicht zuhörte.
Die jungen Männer stahlen sich ins Zimmer ohne anzuklopfen.
»Ihr Teufel – so hereinzuschleichen, wo wir gar nicht angezogen sind«, kreischte Nellie.
Jim machte sich an sie heran, nahm ihre rundliche Hand vom Henkel der Steingut-Kaffeekanne und gluckste: »Ja, freut ihr euch denn gar nicht, daß wir da sind?«
»Ich weiß nicht, ob ich mich freu' oder nicht! Jetzt gib Ruh'! Benimm dich, ja?«
Elmer fühlte sich selten Jim Lefferts überlegen. Aber jetzt empfand er seine Macht über Frauen – über eine gewisse Art Frauen. Schweigend, voll Verlangen nach Juanita, ihr mit seinen heißen Augen befehlend, sank er auf den augenblicklich orientalischen Diwan, streichelte ihre blasse Hand mit seinen dicken Fingerspitzen und murmelte: »Nanu, du armes Ding, du siehst aber müde aus!«
»Das bin ich auch, und – ihr hättet heute nachmittag nicht herkommen sollen. Wie ihr das letztemal da wart, hat Tante einen hysterischen Anfall gekriegt.«
»Hurra das Tantchen! Aber du freust dich doch, daß ich da bin?«
Sie wollte nicht antworten.
»Nein?«
Unverschämte Augen bohrten sich in die ihren, die sich verlegen abwandten, wegsahen und auf der kahlen Wand Sicherheit suchten.
»Nein?«
Sie wollte nicht antworten.
»Juanita! Und ich hab' mich vielleicht was nach dir gesehnt, die ganze Zeit, seit dem letztenmal!« Seine Finger faßten nach ihrem Hals, aber weich. »Freust du dich nicht ein bißchen?«
Als sie ihren Kopf umdrehte, sah sie ihn eine Sekunde lang mit einem Blick an, in dem ein verwirrtes Geständnis lag. Sie flüsterte heftig, »Nicht – laß das!« als er ihre Hand nahm, rückte aber näher und lehnte sich an seine Schulter.
»Du bist so groß und stark«, seufzte sie.
»Aber, bei Gott, du hast ja keine Ahnung, wie ich dich brauche! Der Rektor, der alte Quarles – Qualle ist gut, weiß Gott, ha, ha, ha! – weißt du noch, was ich dir von ihm erzählt hab'? – er paßt mir auf, weil er glaubt, ich und Jim wären's gewesen, die die Fledermäuse in der Kapelle losgelassen haben. Und dann sind mir diese gottverdammten wöchentlichen Bibelstunden so zum Kotzen – diese ganzen Sachen über die alten heiligen Nußknacker. Und dann denk' ich an dich, und dann, weiß der Kuckuck, wenn du nur auf der anderen Seite vom Ofen in meinem Zimmer dort sitzen könntest, mit deinen feinen kleinen roten Pantoffeln auf dem Nickelgitter – ach, dann war' ich glücklich! Du glaubst doch nicht, daß ich bloß so'n Kaffer bin, was?«
Jim und Nellie waren jetzt in dem Stadium, in dem man einander anstößt und kreischt, »Ach geh', hör' auf, ja!« während sie über dem Kaffee standen.
»Hört mal, ihr Mädels, zieht euch was anderes an und kommt mit, wir gehen mit euch essen, und vielleicht tanzen wir dann auch ein bißchen«, schlug Jim vor.
»Wir können nicht«, sagte Nellie. »Tantchen ist ganz wild, weil wir vorgestern abend so spät von einem Ball nach Haus gekommen sind. Wir müssen zu Haus bleiben, und ihr Jungens müßt euch davonmachen, bevor sie zurück ist.«
»Ach, so kommt doch!«
»Nein, wir können nicht!«
»Ja, sieht ganz danach aus, daß ihr zu Haus bleibt und strickt. Ihr habt euch irgendwen herbestellt und wollt uns jetzt los werden, das ist die ganze Chose.«
»Gar keine Rede, Mr. James Lefferts, und wenn's so wär', würd' es euch auch nichts weiter angehen!«
Während Jim und Nellie zankten, legte Elmer seine Hand Juanita um die Schulter und zog sie langsam an sich. Er war felsenfest davon überzeugt, daß sie schön, daß sie herrlich, daß sie das Leben wäre. In der Weichheit ihrer sich rundenden Schulter war der Himmel, und ihr helles Fleisch war lebendige Seide.
»Komm, gehen wir ins andere Zimmer«, bat er.
»Oh – nein – nicht jetzt.«
Er packte ihren Arm.
»Schön – aber komm erst in einer Minute nach«, flüsterte sie zitternd. Laut, zu den anderen: »Ich geh' mir das Haar richten. Ich schau' ja fürchterlich aus!«
Sie schlüpfte in das Zimmer nebenan. Ein gewisses reifes Selbstvertrauen verschwand aus Elmers Gesicht, er sah aus wie ein rundgesichtiges, ein wenig erschrockenes großes Baby. Im Bemühen unbekümmert zu erscheinen tappte er im Zimmer herum und staubte eine rosa-goldene Vase mit seinem großen zerknitterten Taschentuch ab. Er war in der Nähe der Verbindungstür.
Er warf einen Blick auf Jim und Nellie. Sie hielten sich bei den Händen, während der Kaffeetopf munter überkochte. Elmers Herz pochte. Er glitt durch die Tür, schloß sie und wimmerte, wie in Angst:
»O – Juanita –«
Elmer und Jim hatten sich entfernt, bevor Nellies Tante zurückgekommen war. Da sie die Mädchen nicht ausführten, aßen sie in Maginnis Lunch Schweinskotelettes, Kaffee und Apfelkuchen.
Es ist schon erzählt worden, daß Elmer nachher, in der Alten Heimat, zum Philosophen und Weiberfeind wurde, als er bedachte, daß Juanita seiner edelmütigen Aufmerksamkeit nicht wert wäre; es ist eingestanden worden, daß er betrunken und streitsüchtig wurde.
Während er an Jims Arm durch den Kot auf dem Bürgersteig wankte, während sein Kopf klarer wurde, steigerte sich seine Wut gegen den Hund, der angestachelt werden sollte, seinen guten Freund und Zimmerkameraden zu beschimpfen. Seine Schultern strafften sich, er ballte die Fäuste und begann unter der abendlichen Menge von Arbeitern und Kohlenhäuern nach dem Schurken Ausschau zu halten.
Sie kamen an die Hauptecke der Stadt. Ein wenig weiter unten, neben der roten Ziegelmauer des Kongreß-Hotels, stand jemand auf einer Kiste und hielt, von einer höhnenden Schar umgeben, eine Rede.
»Was wollen die denn von dem, der dort redet? Die sollten ihn mir lieber in Ruh' lassen«, rief Elmer frohlockend, schüttelte Jims zurückhaltende Hand ab und raste die Seitenstraße hinunter, in die Menge hinein. Er war in jener glückseligsten aller Situationen, die ein kräftiger junger Mann sich nur wünschen kann – ungerechte Gewalt in gerechter Sache. Er drängte sich durch die Zuhörer, bohrte einem schwachen Mann seinen Ellbogen in den Magen und platzte über dessen glucksende Wehlaute heraus. Dann hielt er ein, unglücklich, zaudernd.
Der durchgehechelte Redner war der Mensch, den er am meisten verabscheute, Eddie Fislinger, Präsident der Terwillinger-College Y.M.C.A., diese rothaarige Ratte, der sich so gemein seiner Wahl zum Präsidenten widersetzt hatte.
Mit zwei anderen Senioren, die sich gleichfalls für den Baptistendienst übten, war Eddie nach Cato herübergekommen, um einige Seelen zu retten. Wenn sie auch keine Seelen retteten (und bis jetzt hatten sie, in siebzehn Straßenmeetings, noch keine einzige gerettet), so hatten sie wenigstens ein bequemes Training für ihre künftigen Posten.
Eddie war ein unerquicklicher und hartnäckiger Redner, der zum Ziel kam, indem er sich an eine Materie klammerte und sie zu Tode hetzte, aber er war nicht sehr mutig, und jetzt hatte er ganz entschieden Angst vor seinem Hauptgegner, einem großen, blonden, bemützten Bäcker, der sich vor Eddies Tribüne aufgepflanzt hatte und Fragen stellte. Während Elmer zuhörte, fragte der Bäcker:
»Wieso bilden Sie sich ein, daß Sie alles von Religion verstehen?«
»Ich gebe nicht vor, alles von Religion zu verstehen, mein Freund, aber ich weiß, von welcher mächtigen Bedeutung sie für ein sauberes und anständiges Leben ist, und wenn Sie jetzt nur fair sein wollten, mein Freund, und mich diesen anderen Herren sagen ließen, was ich für Erfahrungen über die Erhörung von Gebeten gemacht habe –«
»Ja, recht viel schöne Erfahrungen haben Sie da gemacht, so wie Sie aussehen!«
»Hören Sie, es sind noch Leute da, die vielleicht hören wollen –«
Obgleich Elmer einen Widerwillen gegen Eddies Albernheit hatte, obgleich er vielleicht ganz gern mit dem netten jungen stichelnden Bäcker getrunken hätte, sah er keine andere Möglichkeit für eine wirklich gute, herzhafte Rauferei, als Religionsstreiter zu werden. Die aneinandergepreßte Menge, der Druck derber Leiber, der Geruch nasser Mäntel und das Geräusch der pöbelhaften Stimmen, das alles erregte ihn. Es war wie bei der Fußball-Aufstellung.
»He, Sie!« schrie er dem Bäcker zu. »Lassen Sie den Jungen reden! Geben Sie ihm doch Gelegenheit. Suchen Sie sich lieber einen aus, der so groß ist wie Sie, Sie Riesenkerl!«
An seinem Ellbogen bat Jim Lefferts: »Schauen wir, daß wir da rauskommen, Höllenhund. Du guter Gott! Du wirst doch nicht einem Evangelium-Hausierer helfen!«
Elmer stieß ihn zur Seite und reckte seinen Brustkasten dem Bäcker entgegen, der lachte: »Nanu! Sie sind wohl auch so'n Täufer!«
»Ich wär' es gern, wenn ich würdig wär'!« In diesem köstlichen Augenblick glaubte Elmer selbst ganz daran. »Die Jungs sind Klassenkameraden von mir, und sie sollen weiter reden können!«
Eddie Fislinger blökte seinen Gefährten zu: »Oh, Kameraden, Elm Gantry! Gerettet!«
Selbst diese erschreckende Auslegung seiner Motive konnte Elmers heiligen Kampfeseifer jetzt nicht mehr dämpfen. Er warf den älteren Mann zur Seite, der zwischen ihm und dem Bäcker stand – er trieb ihm den steifen Hut ein, der Alte schob sich zusammen wie ein Schildkrötenhals – er stand da und ließ seine Faust wie eine Triebstange an seiner Seite arbeiten.
»Wenn Sie Krakeel suchen –«, meinte der Bäcker, seine riesigen, gebleichten Fäuste plump hin und her schlenkernd.
»Ich nicht«, bemerkte Elmer und schlug zu, einmal, wohl berechnet, genau auf die Kinnspitze.
Der Bäcker schüttelte sich wie ein Wolkenkratzer bei einem Erdbeben und stürzte zu Boden.
Einer von den Kameraden des Bäckers schrie: »Ran, wir wollen die Kerle umlegen und –«
Elmer erwischte ihn am linken Ohr. Es war ein sehr kaltes Ohr, der Kamerad wankte sehr geschwächt. Elmer sah froh aus. Aber es war ihm nicht wohl zumute. Er war jetzt fast nüchtern und bemerkte, daß ein halbes Dutzend forscher junger Arbeiter sich bereitete auf ihn loszugehen. Er hatte zwar eine ausgezeichnete Meinung von sich, aber er wußte zu viel vom Fußball, wie es von den Sekten-Colleges mit den christlichen Zutaten des Kniebohrens und Tretens gespielt wird, um sich einzubilden, er könnte ein halbes Dutzend Arbeiter auf einmal schlagen.
Es ist sehr fraglich, ob er je in engere Verbindung mit dem Herrn und Eddie Fislinger gekommen wäre, wenn die Vorsehung nicht in ihrer charakteristisch wunderbaren Weise interveniert hätte. Der Vorderste der Angreifenden holte eben nach Elmer aus, als der Haufen aufschrie: »Aufpassen! Die Polypen!« Die Polizeitruppe von Cato, alle drei Mann hoch, keilte sich in die Menge. Es waren schlanke, schnurrbärtige Männer mit kühlen Augen.
»Was hat der Auflauf zu bedeuten?« erkundigte sich der Wachtmeister.
Er sah Elmer an, der drei Zoll größer war als alle anderen Anwesenden.
»Ein paar von den Kerls wollten eine friedliche religiöse Versammlung unterbrechen – ja, sie wollten sogar den Reverend hier anpöbeln – und ich hab' ihn in Schutz genommen«, sagte Elmer.
»Das stimmt, Wachtmeister. Regelrechte Überschreitung«, klagte Jim.
»Das ist wahr, Wachtmeister«, flötete Eddie Fislinger von seiner Kiste herunter.
»Also, jetzt wird Schluß gemacht damit. Was, verdammt noch einmal! Ihr solltet euch schämen, einen Reverend nicht in Frieden zu lassen! Machen Sie weiter, Reverend!«
Der Bäcker war zu sich gekommen, man hatte ihn auf die Füße gestellt. Seine Miene zeigte, daß ihm Unrecht angetan worden war, und daß er etwas unternehmen wollte, hätte er nur dahinter kommen können, was geschehen war. In seinen Augen standen entsetzte Blicke, sein Haar war ein schmutziges Durcheinander, seine große mehlige Wange war aufgerissen. Er war zu benommen, um zu erkennen, daß der Polizeiwachtmeister vor ihm stand, und in seinem umnebelten Geist wollte er nicht vom Glauben lassen, daß er die ganze Religion vernichte.
»Ah, Sie sind auch einer von den salbadernden Predigern!« schrie er Elmer zu – eben als einer der schlanken Polizisten einen unglaublich langen Arm ausstreckte und ihn faßte.
Die Aufmerksamkeit der Menge wärmte Elmer, er dehnte sich wohlig in ihr und rieb sich im Geiste die Hände über ihrer Flamme.
»Vielleicht bin ich kein Prediger! Vielleicht bin ich nicht einmal ein guter Christ!« rief er. »Vielleicht hab' ich alles mögliche getan, was ich nicht hätte tun sollen. Aber laßt euch von mir sagen, daß ich Hochachtung vor der Religion habe –«
»Oh, Amen, lobe den Herrn, Bruder«, von Eddie Fislinger.
»– und ich denke nicht daran, zuzugeben, daß jemand ihre Ausübung stört. Was haben wir denn anderes als die Religion, was uns die Hoffnung geben könnte –«
»Lobe den Herrn, oh, preise seinen Namen!«
»– daß wir jemals ein anständiges Leben führen können, sagen Sie mir das, bitte, sagen Sie mir nur das!«
Elmer redete mit dem Polizeiwachtmeister, der zugab:
»Ja, wird schon stimmen. Also, jetzt wollen wir das Meeting weitergehen lassen, und wenn einer von euch Kerls noch stört –« Damit waren alle Vorstellungen, die dem Wachtmeister im Augenblick über Religion und Ausschreitungen zu Gebote standen, erschöpft. Er blickte alle im Umkreis streng an und stapfte durch die Menge, um zur Polizeistation und seinem Kartenspiel zurückzukehren.
Eddie schwang sich zu den Höhen verzückten Redens auf:
»Oh, meine Brüder, jetzt seht ihr, wie mächtig der Geist Christi ist, all das Gute und Schöne in uns aufzuregen! Ihr habt das Zeugnis unseres Bruders hier gehört, des Bruders Gantry, sein Zeugnis von dem einen und einzigen Weg zur Gerechtigkeit! Wenn ihr heimkommt, dann will ich, daß ihr, all und jeder, euch das Alte Buch hervorholt und das Hohelied Salomos aufschlagt, dort wo er von der Liebe des Heilands zur Kirche spricht – schlagt das Hohelied Salomos auf, viertes Kapitel, zehnter Vers, wo es heißt – wo Christus von der Kirche spricht, und sagt – das Hohelied Salomos, viertes Kapitel, Vers zehn – ›Wie schön ist deine Liebe, meine Schwester, liebe Braut! Deine Liebe ist lieblicher denn Wein!‹
»Oh, die unaussprechliche Freude, die Freuden der Gnade zu entdecken! Ihr habt das Zeugnis unseres Bruders gehört. Wir kennen ihn als Mann der Kraft, als Bruder Aller, die da bedrückt sind, und jetzt hat er seine Augen aufgetan und seine Ohren geöffnet, und er sieht die Notwendigkeit des Bekenntnisses und des demütigen Niederwerfens vor dem Thron – Oh, das ist ein historischer Augenblick im Leben Höllenh… Elmer Gantrys! Oh, Bruder, habe keine Furcht! Komm! Tritt hier herauf zu mir und lege Zeugnis ab –«
»Herr Gott! Schauen wir, daß wir schnell da wegkommen«, keuchte Jim.
»Herrje, ja!« Elmer stöhnte, sie drängten sich durch die Menschenmenge zurück, während Eddie Fislingers Singsang sie verfolgte wie eiskalter, alles durchdringender Regen:
»Habet keine Furcht, die Führerschaft Jesu anzuerkennen! Wollt ihr euch zu feig erweisen, das Hohngelächter der Gottlosen auf euch zu nehmen?«
Sie hatten sich aus der Schar gerettet und schritten in höchster Eile mit ernsten Gesichtern zur Alten Heimat zurück.
»Das war ein gemeiner Trick von Eddie!« sagte Jim.
»Weiß Gott, daß er gemein war! Zu versuchen, mich zu bekehren! Grade vor den Dreckskerlen! Wenn ich noch einen Piepser von Eddie hör', schlag' ich ihm den Schädel ein! So eine Frechheit von ihm, mich auf die Armsünderbank bringen zu wollen! So sieht er aus! Das werd' ich ihm noch zu fressen geben! Los, mach bißchen schneller!« verkündete der Bruder Aller, die da bedrückt sind.
Um die Zeit, als ihr später Abendzug ging, hatten die herzhafte Konversation des Mixers und die herzhaften Eigenschaften seines Bourbon-Whiskys Elmer und Jim Eddie Fislinger und die Schrecken religiöser Entkleidung in der Öffentlichkeit vergessen lassen. Um so entsetzter waren sie, als sie später, auf ihren Sitzen im Raucherwagen schaukelnd, Eddie neben sich stehen sahen, die Bibel in der Hand, von seinen beiden freudestrahlenden Gefährten in der Verkündigung des Evangeliums flankiert.
Eddie zeigte die Zähne, lächelte bis zu seinen wasserhellen Augen hinauf und jubelte:
»Oh, Jungens, ihr wißt ja gar nicht, wie wundervoll ihr heute abend wart! Aber, oh, Jungs, jetzt wo ihr den ersten Schritt getan habt, warum sich zurückziehen – warum zögert ihr – warum laßt ihr den Heiland weiter leiden, während er euch erwartet, sich nach euch sehnt? Er braucht euch mit euerer herrlichen Kraft und euerem prachtvollen Verstand, den wir so bewundern –«
»Die Luft«, bemerkte Jim Lefferts, »wird mir hier zu dick. Mir scheint, ich riech' einen merkwürdigen, fischigen Gestank.« Er stand auf und ging zum Vorderwagen.
Elmer versuchte ihm zu folgen, aber Eddie hatte sich auf Jims Platz fallen lassen und quiekte munter drauflos, während die beiden anderen sich über sie beugten, mit einem zärtlichen Y.M.C.A.-Lächeln, das Elmers geschwächtem Magen nicht gut tat, während der Zug vorwärts rumpelte.
Trotz aller mutigen Worte hatte Elmer nichts von Jims energischer Verachtung für die Kirche. Er hatte Angst vor ihr. Das hing mit seiner Knabenzeit zusammen … Seine Mutter, von früher Witwenschaft und harter Arbeit vertrocknet, kannte keine anderen Freuden als Hymnen und die Bibel und pflegte zu weinen, wenn er seine Sonntagsschulaufgabe nicht lernte. Die Kirche, ganze dreißig Fuß hoch, bis zu ihren seltsam geschnitzten Dachsparren, und die Prediger, so überwältigend mit ihren rollenden Stimmen, so schrecklich mit ihren Gleichnissen von kleinen Buben, die Wassermelonen stahlen oder sich hinter dem Viehstall biologischen Experimenten hingaben. Der entsetzliche, peinigende Augenblick seiner zweiten Bekehrung, im Alter von elf Jahren, als er, bei dem Gedanken an den Verzicht auf so viel lustige Dinge verwirrt weinend, von feierlichen, bärtigen Erwachsenengesichtern umgeben, ein Gelöbnis unterzeichnete, das ihn dazu verpflichtete, für immer auf die Freuden der Weltlichkeit, des Alkohols, der Karten, des Tanzens und des Theaters zu verzichten.
Diese Wolken hingen hinter und über ihm, all seinem Mut zum Trotz.
Eddie Fislinger, das menschliche Wesen, verabscheute er. Er betrachtete ihn als Heuschrecke, und voll Befriedigung hätte er ihn zertreten, aber Eddie Fislinger, der Verkündiger des Evangeliums, ausgerüstet mit genau der gleichen in genarbtes Leder gebundenen Bibel (Lesezeichen aus Zelluloid und Seidenfransen, die zwischen den Seiten hervorgrinsten) wie seine Sonntagsschullehrer sie in der Hand geschwungen hatten, wenn sie ihm versicherten, daß Gott immer herumkröche, um kleine Buben bei ihren geheimsten Gedanken zu erwischen – der so gewappnete Eddie war eine Amtsperson, und Elmer lauschte ihm voll Unbehagen, nie ganz sicher, ob er nicht doch mit einemmal einen schrecklichen Menschen in sich fände, der ein reines und langweiliges Leben in einem sauberen Gehrock führt.
»– und denk doch daran,« winselte Eddie, »wie schrecklich gefährlich es ist, die Stunde der Gnade von sich zu weisen! ›So wachet nun: denn ihr wisset nicht, wann der Herr des Hauses kommt‹, heißt es. Stell dir vor, der Zug verunglückt heute nacht!«
Unglückseligerweise durchfuhr der Zug in dieser Sekunde eine Kurve und machte einen Ruck.
»Siehst du? Wo würdest du in der Ewigkeit sein, Höllenhund? Glaubst du, daß alle Vergnügungen zusammen es wert sind, in der Hölle zu braten?«
»Ach, hör doch auf. Ich weiß das ganze Zeug. Es gibt eine Menge Beweise – wart nur, ich hol' Jim, er soll dir erzählen, was Bob Ingersoll über die Hölle sagt!«
»Ja! Freilich! Vergiß aber nicht, daß Ingersoll auf dem Totenbett seinen Sohn zu sich gerufen und bereut und ihn gebeten hat, sich zu beeilen, der Gnade teilhaftig zu werden und alle seine verruchten Schriften zu verbrennen!«
»Also – Donnerwetter – ich bin heute abend nicht in der Stimmung, über Religion zu reden. Hör auf damit.«
Aber Eddie war in der Stimmung, über Religion zu reden, sogar sehr. Er schwenkte begeistert seine Bibel und fand immer die unerfreulichsten Stellen. Elmer hörte so wenig wie möglich zu, aber er war zu schwach, um Drohungen auszustoßen.
Es war eine herrliche Erleichterung, als der Zug seinen letzten Rumpler machte und in Gritzmacherquellen hielt. Die Station war eine schmierige Holzkiste, der Bahnsteig lag unter dickem Kot im Licht der Petroleumlampen. Doch Jim erwartete ihn, eine Zuflucht vor verwirrenden theologischen Fragen, und Eddie ein wütendes »G'Nacht« zurufend, schwankte er davon.
»Warum hast du ihm nicht das Maul gestopft?« fragte Jim.
»Hab' ich ja! Was, glaubst du, ich hab' mich nicht getraut? Ich hab' ihm gesagt, er soll die Schnauze halten, und er hat die Schnauze gehalten, und ich hab' den ganzen Weg über gepennt, und – oh! Mein Schädel! Geh nicht so schnell!«
Seit Jahren hatte der Zustand der Sünde, in dem Elmer Gantry und Jim Lefferts staken, verzücktes Entsetzen in den christlichen Herzen des Terwillinger-Colleges hervorgerufen. Keine Wiedererweckungsversammlung, die nicht ihre schwefelgetränkten Pfeile nach ihnen geschleudert hätte – gewöhnlich in ihrer Abwesenheit. Kein Gebet bei den Meetings der Y.M.C.A., das sich nicht Sorgen über ihre haltlose Lasterhaftigkeit gemacht hätte.
Von Elmer wußte man, daß er zusammenzuckte, wenn der Rektor, Rev. Dr. Willoughby Quarles, bei der Morgenandacht einen seiner guten Tage hatte; Jim jedoch hatte ihn fest im Glauben des Unglaubens gehalten.
Nun eilte Eddie Fislinger wie ein Prärie-Seraph zwischen den Zimmern der Auserwählten einher, um die staunenerregende Neuigkeit zu verbreiten, daß Elmer sich öffentlich zum Glauben bekannt und im Zug neununddreißig Minuten persönlicher Beschwörung ertragen hätte. Sofort wurde ein heiliges Komplott gegen das unglückselige Opferlamm geschmiedet, und in ganz Gritzmacherquellen, in den Studierzimmern der geistlichen Professoren, in den Zimmern der Studenten, in dem kleinen Gebetsraum hinter der Kapelle, verschworen sich frohlockende Seelen mit dem Herrn gegen Elmers fröhliches, herzhaftes Sündigen. Überall, durch den Schneesturm, konnte man murmeln hören: »Es ist mehr Freude über einen Sünder, der Buße tut –«
Sogar Studenten, die nicht allzusehr im Ruf der Frömmigkeit standen, die verdächtigt wurden, Karten zu spielen und heimlich zu rauchen, wurden in Ekstase gebracht – oder vielleicht machten sie sich auch lustig. Der Fußballzenter, in den Tagen vor seiner Bekehrung ein Gefährte Elmers und Jims, jetzt aber mit einer großen scheinheiligen schwedischen Kommilitonin aus Chanute verlobt, erhob sich freiwillig in der Y.M.C.A. und gelobte Gott seinen Beistand zur Gewinnung von Elmers Gewogenheit.
Am inbrünstigsten stieg es aus dem Zimmer Eddie Fislingers auf, der jetzt als künftiger Prophet anerkannt war, und von dem man erwartete, daß er eines Tages eine der größeren Baptistenkirchen in Wichita oder vielleicht sogar Kansas City unter sich haben würde.
Er organisierte zu Nutz und Frommen Elmers ein Tag- und Nacht-Gebetsmeeting, dem die Allereifrigsten beiwohnten, sogar auf die Gefahr hin, von den Lehrern Grobheiten und unhöfliche Bemerkungen zu hören zu bekommen. Auf dem nackten Boden von Eddies Zimmer über Knute Halvorsteds Malerwerkstatt knieten immer drei bis sechzehn junge Männer gleichzeitig, keine achtzehnhunderter Wiedererweckungsversammlung hatte ein erfolgreicheres Ringen mit dem erschöpften Satan gesehen. Einer, der im Geruch stand, zu religiöser Epilepsie zu neigen, brachte es sogar zu Verzückungen, und obgleich man das Gefühl hatte, daß dies weiter ginge, als der Herr und der Baptistenverband gern sehen würden, vermehrte es die Begeisterung des Betens um die dritte Morgenstunde, besonders da sie alle gehörig berauscht von Kaffee und vielen Worten waren.
Am Morgen war alles überzeugt, daß man Gott überredet hätte, sich Elmers anzunehmen; Elmer selbst hatte zwar die ganze Nacht ziemlich fest geschlafen, ohne etwas von dem Gebetsmeeting oder von göttlichen Einflüssen zu merken, doch das war lediglich ein Beispiel für die Geduld der himmlischen Mächte. Aber gleich nachher begannen diese Mächte wirksam zu werden.
Zu Elmers Unglück und Jims stiller Wut wurde ihr geheiligtes Zimmer von ganzen Scharen heimgesucht, von Menschen, denen ungekämmte Locken über die Stirn fielen, die Begeisterung in den Augen und Bibeln unterm Arm trugen. Elmer war nirgends sicher. Kaum hatte er sich mit schlagfertigen gotteslästerlichen Argumenten, die ihm von Jim beigebracht worden waren, eines Jüngers entledigt, da sprang auch schon ein anderer hinter einem Baum hervor und stürzte sich auf ihn.
In seiner Pension – Mutter Metzger, am oberen Ende der Beech Street – krähte ein Y.M.C.A.-Derwisch, während er das Brot weiterreichte, Elmer zu: »Schon mal'n Weizenkorn studiert? Wunnerbar! Denkbar, daß so'n wunnerbar kompliziertes Ding wie das sich selbst geschaffen hat? Nein, muß jemand geschaffen haben. Wer? Gott! Wer Gott in der Natur nicht sieht – und sich bußfertig zu ihm bekennt – ist dumm. Das ist er!«
Lehrer, die Elmer immer nur voll nervösen Zorns den Kollegsaal hatten betreten sehen, lächelten ihm jetzt zu und hörten mit Freundlichkeit seine Erklärung an, daß er nicht genügend zum Vortrag vorbereitet sei. Der Rektor selbst hielt Elmer auf der Straße an, sagte ihm Mein Junge und schüttelte ihm die Hand mit einem Wohlwollen, das Elmer, wie er sich bedrückt eingestand, ganz gewiß nicht verdient hatte.
Er versicherte Jim weiterhin, daß er nicht in Gefahr sei, aber Jim war alarmiert, und Elmer selbst wurde mit jeder Stunde mehr alarmiert, bei jedem neuen Zuruf: »Wir brauchen dich bei uns, Alter – die Welt braucht dich!«
Jim hatte alle Ursache, sich zu ängstigen: Elmer schwebte seit jeher in der Gefahr, seine Lieblings Vergnügungen aufzugeben – vielleicht nicht eigentlich sie aufzugeben, aber nach dem Genuß in Angstschweiß zu geraten. Doch trotz Jim und seinen Kommentaren über Kommilitoninnen, die öffentlich beteten und sich das Haar mit vorwurfsvoller Gebärde aus den eierförmigen Stirnen strichen, hätte eine von diesen Sirenen der Moral den leichtfertigen pangynistischen Elmer fast eingefangen, lediglich dadurch, daß sie immer in seiner Nähe war.
Eine fürchterliche junge Person aus Mexiko, Missouri, pflegte Jim zuzureden, er solle »von seinen komischen Ideen über Religion erzählen«, und dann in ein wahres Gewieher frommen Lachens auszubrechen und herauszuwürgen: »Ach, Sie sind ja zu blendend! Sie glauben ja nicht ein Wort von dem, was Sie sagen. Sie wollen doch bloß Eindruck schinden!« Sie hatte einen falschen, schiefen Blick, der deutlich verriet, daß bei ihr nur über den Weg des Altars etwas zu erreichen wäre, und lediglich Jims Anstrengungen konnten verhindern, daß sie Elmer zu einer Verlobung verleitete.
Die Kirche und die Sonntagsschule in Elmers Dorf, Paris, Kansas, einer Siedlung von neunhundert evangelischen Deutschen und Vermontern, hatte in ihm eine Furcht vor dem Religionsmechanismus genährt, die er nie ganz los werden konnte, die ihn von manchen vernünftigen Handlungen zurückhielt, wie zum Beispiel Eddie Fislinger zu verprügeln. Jene kleine weiße Baptistenkirche war das Zentrum aller seiner Gefühle außer Lausbübereien, Hunger, Schläfrigkeit und Liebe gewesen. Und sogar diese Gefühle waren im Hause des Herrn vertreten, in Form von Reißnägeln in den Kirchenstuhlkissen, Missionarssoupers mit Hühnerpasteten und Kuchen zum Naschen, einschläfernden Predigten und der Nähe schmiegsamer kleiner Mädchen in dünnem Musselin.
Außer Zirkuskapellen, den Paraden am vierten Juli und dem Singen von »Columbia, Perle des Meeres« und »Klingelglocken« in der Schule wurde alle Musik, die der Knabe Elmer je zu hören bekam, in der Kirche gemacht.
Die Kirche lieferte ihm alle Rhetorik, außer Wahlreden von Politikern, die sich über Jefferson und die Bindfadenpreise ereiferten; sie lieferte alle Malerei und Bildhauerei, außer den Porträts von Lincoln, Longfellow und Emerson im Schulhaus und den zwei Porzellanstatuetten der rosa Damen mit goldenen Blumenkörbchen, die auf der Kommode seiner Mutter standen. Aus der Kirche stammte alle seine tiefere Philosophie, außer den pädagogischen Versicherungen des Lehrers, daß kleine Buben, die in der Schule Nattern ausließen, sicher sein könnten, jetzt geprügelt und später gehängt zu werden, und den Ergüssen seiner Mutter über das Aufhängen des Mantels, das Abstreifen der Schuhe, das Essen von Bratkartoffeln mit den Fingern und das Eitelnennen des Namens Gottes.
Literarische Quellen hatte er außerhalb der Kirche kaum – in McGuffeys Lesebuch lernte er den Knaben kennen, der bei Abukir auf dem brennenden Verdeck stand; er hatte sehr geringe Kenntnisse von den Nick-Carter den Heldentaten Coles des Jüngeren und der James-Buben – doch auch hier hatte die Kirche ihn geleitet. In biblischen Geschichten, in den Worten der Karwochenhymnen, in den Anekdoten, welche die einzelnen Prediger zitierten, hatte er seine einzigen literarischen Kenntnisse gefunden.
Die Geschichte von Klein Hinke-Tom, der den bösen Reichen, den mit dem hübschen Grauschimmelgespann und dem Zylinderhut, beschämte und Jesus zuführte. Vom Schiffskapitän, der sich im Sturm bei dem verwaisten, aber frommen Missionarskind aus Zomballa Rats erholte. Vom treuen Hund, der seinen Herrn aus einer fürchterlichen Feuersbrunst rettete (manchmal war es auch ein Schneesturm oder ein Indianerangriff) und ihn dazu brachte, Pferderennen, den Rum und das Ziehharmonikaspielen aufzugeben.
Wie bekannt sie alle waren, wie ergreifend, wie sie Elmer die Lebensziele erklärten, wie sie ihn auf den Nutzen und die Reize des künftigen Lebens vorbereiteten.
Die Kirche, die Sonntagsschule, die Evangelistenorgien, der Chordienst, das Eintreiben der Kirchensteuern, die Wonnen der Begräbnisse, das heimliche Kichern in den hinteren Kirchenstühlen oder im anderen Zimmer bei Hochzeiten – das alles war für Elmer ebenso natürlich, von demselben zwingenden Einfluß auf die Gestaltung seiner Anschauungen und Gewohnheiten wie katholische Prozessionen für einen Straßenjungen in Neapel.
Die Baptistenkirche in Paris, Kansas! Tausend nachgedunkelte, fleckige, doch unzerstörbare Bilder.
Hymnen! Elmers Stimme war für Hymnen geschaffen. Er ließ sie herausrollen wie ein Neger. Der Orgeldonner von »Nikäa«:
Heilig, heilig, heilig! Alle Heiligen beten Dich an,
Sie werfen ihre goldenen Kronen nieder vor Dir an der schimmernden See.
Das prächtige Dröhnen der Lobpreisungen Gottes.
»Wirf aus die Rettungsleine«, mit dem dazu gehörigen Bild: ein Wrack, von der Brandung, die das Präriekind sich hundert Fuß hoch vorstellte, in der Dunkelheit zertrümmert. »Vorwärts, christliche Soldaten«, zu dem man mit den Füßen stampfen konnte, ohne dafür getadelt zu werden.
Sonntagsschul-Picknicke! Limonade, Wettlaufen auf allen vieren, Fahrten auf dem Leiterwagen, das Singen von »Mit Nelly auf dem Heimweg«.
Die Sonntagsschulkarten mit den Bibelstellen! Wohl, sie wurden hauptsächlich zum Spielen verwendet, aber da Elmer das Spiel meistens gewann (er war der erste Junge in Paris, der