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Das Trauerspiel 'Emilia Galotti' von Gotthold Ephraim Lessing ist ein Meisterwerk der deutschen Literatur des 18. Jahrhunderts. Es handelt von der jungen Emilia Galotti, die von einem mächtigen Prinzen begehrt wird, was zu einem tragischen Konflikt führt. Lessing nutzt geschickt die Dramatik und Intrigen des Adels, um zeitlose Themen wie Liebe, Macht und Moral zu erforschen. Sein Schreibstil ist geprägt von scharfen Dialogen und moralischen Dilemmata, die den Leser zum Nachdenken anregen. In der literarischen Landschaft seiner Zeit war Lessing bekannt für seine innovativen Ideen und seinen Beitrag zur Entwicklung des deutschen Theaters.
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Emilia Galotti
OdoardoundClaudia Galotti, Eltern der Emilia
Hettore Gonzaga, Prinz von Guastalla
Marinelli, Kammerherr des Prinzen
Camillo Rota, einer von des Prinzen Räten
Conti, Maler
GrafAppiani
GräfinOrsina
Angelound einigeBediente
Die Szene: ein Kabinett des Prinzen.
Der Prinz(an einem Arbeitstische voller Briefschaften und Papiere, deren einige er durchläuft). Klagen, nichts als Klagen! Bittschriften, nichts als Bittschriften! – Die traurigen Geschäfte; und man beneidet uns noch! – Das glaub ich; wenn wir allen helfen könnten: dann wären wir zu beneiden. – Emilia? (Indem er noch eine von den Bittschriften aufschlägt und nach dem unterschriebenen Namen sieht.) Eine Emilia? – Aber eine Emilia Bruneschi – nicht Galotti. Nicht Emilia Galotti! – Was will sie, diese Emilia Bruneschi? (Er lieset.) Viel gefodert, sehr viel. – Doch sie heißt Emilia. Gewährt! (Er unterschreibt und klingelt, worauf ein Kammerdiener hereintritt.) Es ist wohl noch keiner von den Räten in dem Vorzimmer?
Der Kammerdiener. Nein.
Der Prinz. Ich habe zu früh Tag gemacht. – Der Morgen ist so schön. Ich will ausfahren. Marchese Marinelli soll mich begleiten. Laßt ihn rufen. (Der Kammerdiener geht ab.) – Ich kann doch nicht mehr arbeiten. – Ich war so ruhig, bild ich mir ein, so ruhig – Auf einmal muß eine arme Bruneschi Emilia heißen: – weg ist meine Ruhe, und alles! –
Der Kammerdiener(welcher wieder hereintritt). Nach dem Marchese ist geschickt. Und hier, ein Brief von der Gräfin Orsina.
Der Prinz. Der Orsina? Legt ihn hin.
Der Kammerdiener. Ihr Läufer wartet.
Der Prinz. Ich will die Antwort senden; wenn es einer bedarf. – Wo ist sie? In der Stadt? oder auf ihrer Villa?
Der Kammerdiener. Sie ist gestern in die Stadt gekommen.
Der Prinz. Desto schlimmer – besser, wollt' ich sagen. So braucht der Läufer um so weniger zu warten. (Der Kammerdiener geht ab.) Meine teure Gräfin! (Bitter, indem er den Brief in die Hand nimmt) So gut, als gelesen! (und ihn wieder wegwirft.) – Nun ja; ich habe sie zu lieben geglaubt! Was glaubt man nicht alles? Kann sein, ich habe sie auch wirklich geliebt. Aber – ich habe!
Der Kammerdiener(der nochmals hereintritt). Der Maler Conti will die Gnade haben – –
Der Prinz. Conti? Recht wohl; laßt ihn hereinkommen. – Das wird mir andere Gedanken in den Kopf bringen. (Steht auf.)
Conti. Der Prinz.
Der Prinz. Guten Morgen, Conti. Wie leben Sie? Was macht die Kunst?
Conti. Prinz, die Kunst geht nach Brot.
Der Prinz. Das muß sie nicht; das soll sie nicht – in meinem kleinen Gebiete gewiß nicht. – Aber der Künstler muß auch arbeiten wollen.
Conti. Arbeiten? Das ist seine Lust. Nur zu viel arbeiten müssen kann ihn um den Namen Künstler bringen.
Der Prinz. Ich meine nicht vieles, sondern viel; ein weniges, aber mit Fleiß. – Sie kommen doch nicht leer, Conti?
Conti. Ich bringe das Porträt, welches Sie mir befohlen haben, gnädiger Herr. Und bringe noch eines, welches Sie mir nicht befohlen: aber weil es gesehen zu werden verdient –
Der Prinz. Jenes ist? – Kann ich mich doch kaum erinnern –
Conti. Die Gräfin Orsina.
Der Prinz. Wahr! – Der Auftrag ist nur ein wenig von lange her.
Conti. Unsere schönen Damen sind nicht alle Tage zum Malen. Die Gräfin hat, seit drei Monaten, gerade einmal sich entschließen können zu sitzen.
Der Prinz. Wo sind die Stücke?
Conti. In dem Vorzimmer, ich hole sie.
Der Prinz. Ihr Bild! – mag! – Ihr Bild, ist sie doch nicht selber. – Und vielleicht find ich in dem Bilde wieder, was ich in der Person nicht mehr erblicke. – Ich will es aber nicht wiederfinden. – Der beschwerliche Maler! Ich glaube gar, sie hat ihn bestochen. – Wär' es auch! Wenn ihr ein anderes Bild, das mit andern Farben, auf einen andern Grund gemalet ist – in meinem Herzen wieder Platz machen will: – Wahrlich, ich glaube, ich wär' es zufrieden. Als ich dort liebte, war ich immer so leicht, so fröhlich, so ausgelassen. – Nun bin ich von allem das Gegenteil. – Doch nein; nein, nein! Behäglicher oder nicht behäglicher: ich bin so besser.
Der Prinz. Conti mit den Gemälden, wovon er das eine verwandt gegen einen Stuhl lehnet.
Conti(indem er das andere zurechtstellet). Ich bitte, Prinz, daß Sie die Schranken unserer Kunst erwägen wollen. Vieles von dem Anzüglichsten der Schönheit liegt ganz außer den Grenzen derselben. – Treten Sie so! –
Der Prinz(nach einer kurzen Betrachtung). Vortrefflich, Conti – ganz vortrefflich! – Das gilt Ihrer Kunst, Ihrem Pinsel. – Aber geschmeichelt, Conti; ganz unendlich geschmeichelt!
Conti. Das Original schien dieser Meinung nicht zu sein. Auch ist es in der Tat nicht mehr geschmeichelt, als die Kunst schmeicheln muß. Die Kunst muß malen, wie sich die plastische Natur – wenn es eine gibt – das Bild dachte: ohne den Abfall, welchen der widerstrebende Stoff unvermeidlich macht; ohne den Verderb, mit welchem die Zeit dagegen ankämpfet.
Der Prinz. Der denkende Künstler ist noch eins soviel wert. – Aber das Original, sagen Sie, fand demungeachtet –
Conti. Verzeihen Sie, Prinz. Das Original ist eine Person, die meine Ehrerbietung fodert. Ich habe nichts Nachteiliges von ihr äußern wollen.
Der Prinz. Soviel als Ihnen beliebt! – Und was sagte das Original?
Conti. Ich bin zufrieden, sagte die Gräfin, wenn ich nicht häßlicher aussehe.
Der Prinz. Nicht häßlicher? – O das wahre Original!
Conti. Und mit einer Miene sagte sie das – von der freilich dieses ihr Bild keine Spur, keinen Verdacht zeiget.