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In diesem Band findest du alles, was du zur Vorbereitung auf Referat, Klausur, Abitur oder Matura benötigst – ohne das Buch komplett gelesen zu haben.
Alle wichtigen Infos zur Interpretation sowohl kurz (Kapitelzusammenfassungen) als auch ausführlich und klar strukturiert.
Inhalt:
- Schnellübersicht
- Autor: Leben und Werk
- ausführliche Inhaltsangabe
- Aufbau
- Personenkonstellationen
- Sachliche und sprachliche Erläuterungen
- Stil und Sprache
- Interpretationsansätze
- 6 Abituraufgaben mit Musterlösungen
NEU: exemplarische Schlüsselszenenanalysen
NEU: Lernskizzen zur schnellen Wiederholung
Layout:
- Randspalten mit Schlüsselbegriffen
- übersichtliche Schaubilder
NEU: vierfarbiges Layout
Das bürgerliche Trauerspiel von Gotthold Ephraim Lessing handelt von der Willkür des Adels dem das Bürgertum seine Moral entgegensetzt, von der Liebe und dem Wunsch der Protagonistin, für Tugend und Ehre zu sterben.
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Seitenzahl: 176
KÖNIGS ERLÄUTERUNGEN
Band 16
Textanalyse und Interpretation zu
Gotthold Ephraim Lessing
EMILIA GALOTTI
Rüdiger Bernhardt
Alle erforderlichen Infos für Abitur, Matura, Klausur und Referat plus Musteraufgaben mit Lösungsansätzen
Zitierte Ausgaben: Lessing, Gotthold Ephraim, Emilia Galotti. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen. Heftbearbeitung: Uwe Lehmann. Husum/Nordsee: Hamburger Lesehefte Verlag 2020 (Hamburger Leseheft Nr. 149). Zitatverweise sind mit HL gekennzeichnet. Lessing, Gotthold Ephraim, Emilia Galotti. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen. Anmerkungen von Jan-Dirk Müller, Stuttgart: Philipp Reclam jun., Nachdruck der durchgesehenen Ausgabe 2001 (Reclams Universal-Bibliothek Nr. 45). Zitatverweise sind mit R gekennzeichnet.
Über den Autor dieser Erläuterung: Prof. Dr. sc. phil. Rüdiger Bernhardt lehrte neuere und neueste deutsche sowie skandinavische Literatur an Universitäten des In- und Auslandes. Er veröffentlichte u. a. Studien zur Literaturgeschichte und zur Antikerezeption, Monografien zu Henrik Ibsen, Gerhart Hauptmann, August Strindberg und Peter Hille, gab die Werke Ibsens, Hilles, Hermann Conradis und anderer sowie zahlreiche Schulbücher heraus. Von 1994 bis 2008 war er Vorsitzender der Gerhart-Hauptmann-Stiftung Kloster auf Hiddensee. 1999 wurde er in die Leibniz-Sozietät gewählt und 2018 mit dem Vogtländischen Literaturpreis ausgezeichnet..
1. Auflage 2023
978-3-8044-7070-5
© 2023 by C. Bange Verlag, 96142 Hollfeld Alle Rechte vorbehalten! Titelbild: Emilia Galotti (Katja Plodzistaya) wird von ihrem Vater Odoardo (Ulrich K. Müller) erstochen, Inszenierung am Volkstheater Rostock 2017 © picture alliance/Bernd Wüstneck/dpa-Zentralbild/dpa | Bernd Wüstneck
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1. Das wichtigste auf einen Blick – Schnellübersicht
2. Gotthold Ephraim Lessing: Leben und Werk
2.1 Biografie
2.2 Zeitgeschichtlicher Hintergrund
2.3 Angaben und Erläuterungen zu wesentlichen Werken
3. Textanalyse und -Interpretation
3.1 Entstehung und Quellen
3.2 Inhaltsangabe
Erster Aufzug
Zweiter Aufzug
Dritter Aufzug
Vierter Aufzug
Fünfter Aufzug
3.3 Aufbau
3.4 Personenkonstellation und Charakteristiken
Emilia Galotti
Gräfin Orsina
Hettore Gonzaga
Odoardo Galotti
Marinelli
Graf Appiani
Claudia Galotti
Conti
3.5 Sachliche und sprachliche Erläuterungen
3.6 Stil und Sprache
Genauigkeit der Sprache
Das „Scharnier“
Motive und Symbole
3.7 Interpretationsansätze
Historischer Stoff und Gegenwartsstück
Das Mäzenatentum und der absolutistische Herrscher
Bürgerliche Moral und Tugend
3.8 Schlüsselszenenanalysen
4. Rezeptionsgeschichte
Reaktionen der Zeitgenossen
Veränderte Wirkung nach der Französischen Revolution von 1789
5. Materialien
6. Prüfungsaufgaben mit Musterlösungen
Aufgabe 1 ***
Aufgabe 2 *
Aufgabe 3 ***
Aufgabe 4 *
Aufgabe 5 *
Aufgabe 6 ***
Lernskizzen und Schaubilder
Literatur
Zitierte Ausgaben
Weitere Werkausgaben
Lernhilfen und Kommentare
Sekundärliteratur
Verfilmungen
Damit sich alle Leser:innen in diesem Band schnell zurechtfinden und das für sie Interessante gleich entdecken, hier eine Übersicht.
Im 2. Kapitel wird Lessings Leben beschrieben und auf den zeitgeschichtlichen Hintergrund verwiesen:
Gotthold Ephraim Lessing lebte von 1729 bis 1781, zeitweise als freier Schriftsteller in Sachsen, Berlin, Breslau, Hamburg und zuletzt als Bibliothekar in Wolfenbüttel.
Lessing ist der wichtigste Vertreter der deutschen Aufklärung, die er dem Einfluss des französischen Klassizismus entzog. Er lernte die deutsche Kleinstaaterei ausgiebig kennen und verurteilte sie samt der absolutistischen Herrschaftsform.
Mit dem bürgerlichen Trauerspiel Emilia Galotti setzte Lessing neue Maßstäbe für das Drama, überwand die poetischen Prinzipien Gottscheds und schuf ein politisches Stück mit sozialen Konturen.
Im 3. Kapitel geht es um die Textanalyse und -interpretation.
Das historische Vorbild war Virginia aus der literarischen Vorlage des Titus Livius (59 v. Chr. bis 17 n. Chr.).
Das Trauerspiel hat fünf Aufzüge.
Der Prinz von Guastalla hat Emilia Galotti gesehen und begehrt sie leidenschaftlich. Um sie zu gewinnen, muss er seine Mätresse Gräfin Orsina verabschieden und Emilias Heirat mit dem Grafen Appiani verhindern. Der Kammerherr Marinelli lässt den Grafen überfallen, umbringen und Emilia auf das Lustschloss des Prinzen bringen. Die Orsina erkennt die Hintergründe der Ereignisse und klärt Emilias Vater Odoardo auf. Emilia spürt, dass sie der Verführung durch den Prinzen weder entgehen noch widerstehen kann; sie will sich töten. Das übernimmt ihr Vater, der sich danach der himmlischen und der irdischen Gerechtigkeit stellt. Der Prinz verbannt Marinelli.
Lessings bürgerliches Trauerspiel folgt der aristotelischen Dramaturgie, bringt Züge der klassizistischen französischen Tragödie und Merkmale des englischen bürgerlichen Trauerspiels zusammen.
Es variiert die drei Einheiten (Einheit des Ortes, der Zeit und der Handlung) nach modernen Erfordernissen; die Einheit der Handlung wird besonders beachtet.
Die Hauptpersonen sind
Emilia Galotti:
Titelfigur;
die schöne, junge Frau fühlt ihre Tugend von der Leidenschaft bedroht;
Gräfin Orsina:
Mätresse des Prinzen;
schön, intelligent und zu allem entschlossen;
Prinz von Guastalla:
absolutistischer Herrscher und Mäzen;
verantwortungsbewusst und verantwortungslos, liebenswert und rücksichtslos gleichermaßen;
getrieben von seiner Begierde;
Odoardo Galotti:
autoritärer, soldatischer Pflichtmensch;
arm, ehrlich und bieder;
Tugend- und Moralauffassungen bürgerlicher Prägung;
Marinelli:
verbrecherischer und intriganter Hofmann;
skrupelloser Politiker;
Graf Appiani:
ländlich, sittlich, tolerant;
Repräsentant des „Natürlichen“ und des aufgeklärten Adels mit Neigung zu bürgerlicher Toleranz;
Claudia Galotti:
lebenserfahrene, aber leichtgläubige, um die Sitten bei Hof wissende Ehefrau Odoardos;
ohne dessen rigorose Moralität;
auf Emilias gesellschaftliche Stellung bedacht;
Conti:
Maler;
Beispiel für das Mäzenatentum des Prinzen;
kümmert sich um seine Existenz.
Die klare und präzise Sprache ist auf die vollkommene Wirkung des einzelnen Wortes bedacht.
Es wird mit nichtsprachlichen Bestandteilen gearbeitet, auch mit Satzzeichen, die zur akustischen Strukturierung des Textes beitragen.
Eine besondere Rolle spielt das „Scharnier“, durch das Wörter und Sätze miteinander verzahnt werden.
Die Ablösung der feudalistischen Macht durch das Bürgertum wirkt sich auf die menschlichen Gefühle und Leidenschaften aus. Obwohl unter Adligen spielend, werden bürgerliche Ziele behandelt: Natürlichkeit, Freiheit und Selbstverwirklichung.
Der historische Stoff der Virginia bildet die Grundlage eines Stücks aus naher Vergangenheit, das sich spezifisch deutscher Probleme annimmt, z. B.: der fehlende Aufstand nach dem Tod Emilias, die Grenzen der Handlungsfähigkeit der Figuren sowie die Vernichtung bürgerlichen Denkens durch absolutistische Macht.
Viele Zeitgenossen begrüßten das Stück und versuchten sogar, es fortzusetzen; andere hatten Vorbehalte gegen Emilias Schicksal und die italienische Einkleidung.
Nach der Französischen Revolution von 1789 veränderte sich die Wirkung, denn man sah die deutschen Zustände nun unter dem Aspekt der Absicht Lessings und verglich sie mit den gesellschaftlichen Ergebnissen in Deutschland.
Das Stück wirkt bis heute, steht aber im Schatten anderer Stücke Lessings.
Gotthold Ephraim Lessing (1729–1781)© picture-alliance / dpa | dpa
Jahr
Ort
Ereignis
Alter
1729
Kamenz (Sachsen, Oberlausitz)
22. Januar: Geburt Gotthold Ephraim Lessings als Sohn des Pastors primarius an der Kamenzer St. Marienkirche Johann Gottfried Lessing und der Pfarrerstochter Justina Salome, geb. Feller; elf Geschwister.
1737
Erster Unterricht bei Vater und Verwandten sowie Besuch der Lateinschule ab 1737. Der Vater ist schriftstellerisch tätig.
8
1741
Meißen
22. Juni: Freistelle in der Fürstenschule St. Afra nach hervorragenden Leistungen im Aufnahmegespräch; erste Dichtungen (Lieder, lehrhafte Verse).
12
1742
Kamenz
Lessings Geburtshaus brennt ab.
13
1746
Meißen
Wegen außerordentlicher Leistungen und auf Ersuchen des Vaters, da sonst ein Universitätsstipendium verfallen wäre, vorzeitiger Schulabschluss mit der Disputation Über die Mathematik der Barbaren (De mathematica barbarorum).
17
1746–1748
Leipzig
Immatrikulation an der theologischen Fakultät der sächsischen Landesuniversität. Bald Interessen für die Philosophie, das literarische Leben und die Schauspieltruppe der Neuberin, bestärkt durch Christlob Mylius, einen entfernten Verwandten Lessings, und Christian Felix Weiße. Erste Veröffentlichungen; zeitweise Medizinstudium. Lessing flieht nach einer finanziellen Bürgschaft für Schauspieler der Neuberin, die seinen Jungen Gelehrten 1748 erfolgreich uraufführte.
17–19
1748
Wittenberg
Lessing setzt das Medizinstudium fort. Im November kommt er in Berlin an und beginnt das Leben eines freien Schriftstellers.
19
1748–1751
Berlin
Für die „Berlinische Privilegierte Zeitung“ (später „Vossische Zeitung“) schreibt er Kritiken; außerdem Übersetzungen und eigene Schriften.
19–22
1752
Wittenberg
Lessing schließt seine Studien ab; er wird am 29. April mit der Übersetzung einer Arbeit des spanischen Arztes Juan Huarte aus dem 16. Jahrhundert zum Magister der freien Künste promoviert.
23
1752–1755
Berlin
Rückkehr nach Berlin; Freundschaft mit Christoph Friedrich Nicolai, Moses Mendelssohn, Ewald von Kleist u. a.
23–26
1753–1755
Berlin
Schriften in sechs Bänden erscheinen.
24–26
1755
Potsdam
Miss Sara Sampson entsteht; das Stück wird am 10. Juli von der Ackermannschen Gesellschaft in Frankfurt /Oder uraufgeführt.
26
1755–1758
Leipzig
Ab Oktober ist Leipzig Hauptaufenthaltsort. Besuche in Dresden zur Vorbereitung auf die Bildungsreise. 1756: Begleiter des Kaufmannssohns Winkler, Besuch bei Gleim in Halberstadt, Besichtigung der herzoglichen Bibliothek in Wolfenbüttel, Besuch bei Klopstock in Hamburg; großer Eindruck durch den Schauspieler Ekhof.
26–29
1756
Besuch norddeutscher und holländischer Städte und Museen.
27
Amsterdam
Die Bildungsreise wird zu Beginn des Siebenjährigen Kriegs abgebrochen. September: Ankunft im von Preußen besetzten Leipzig. Im Mai 1758 Rückkehr nach Berlin.
1758–1760
Berlin
Lessing findet keine feste Anstellung. Beginn der Auseinandersetzung mit dem poetischen Regelwerk Gottscheds (Briefe, die neueste Literatur betreffend); Beschäftigung mit Diderot; Übersetzungen. Beginn mit den Vorarbeiten für ein deutsches Wörterbuch und Arbeit an Faust.
29–31
1760
Berlin
23. Oktober: Wahl zum auswärtigen Mitglied der Königlichen Akademie der Wissenschaften.
31
1760–1765
Breslau
Ab November Gouvernementssekretär des preußischen Generals von Tauentzien (1710–1791), des Kommandanten von Breslau, späteren Gouverneurs von Schlesien. Als Schriftsteller schweigt er, lässt auch nichts drucken.
31–36
1764
Lessing beschließt, erneut als freier Schriftsteller zu leben und sich nicht „zum Sklaven zu machen“[1]. Er treibt Studien, arbeitet über Sophokles und am Laokoon-Thema.
35
1765–1767
Berlin, Bad Pyrmont
Er veröffentlicht zur Ostermesse 1766 Laokoon; 1767 Minna von Barnhelm. Juni/Juli 1766: Privatlehrer und Reisebegleiter Leopold von Brenkendorfs nach Bad Pyrmont, Bekanntschaft mit Justus Möser. Allein weiter nach Göttingen, Kassel und Halberstadt.
36–38
1767–1770
Hamburg
22. April 1767: Eröffnung des Nationaltheaters. Anstellung als Dramaturg und Kritiker: Hamburgische Dramaturgie. Erneute Begegnung mit Klopstock, der aus Kopenhagen kam.
38–41
1768
Der Versuch, durch Bibliotheksverkauf, Beteiligung an einer Druckerei und als Verleger unabhängig vom scheiternden Nationaltheater zu werden, misslingt. Verkehrt in den Familien Reimarus und König. Plan, nach Italien zu gehen. Herbst 1769: Angebot aus Braunschweig; 15. Dezember: Ernennung zum Bibliothekar.
1770–1781
Wolfenbüttel
Tätig als Bibliothekar des Herzogs von Braunschweig; erfolgreichste Zeit seines Lebens bei kargem Lohn (600 Taler) und hohen Schulden. 1776 zum Hofrat ernannt. Versuche, Wolfenbüttel zu verlassen, misslingen. Der Plan, das Mannheimer Theater zu übernehmen, scheitert.
41–52
1770
Hamburg
Februar, April: zwei Besuche Herders, der Lessing bewundert.
41
1771
Hamburg
Verlobung mit Eva König (geb. 1736), Witwe eines Freundes; Aufnahme in Freimaurerloge „Zu den drei goldenen Rosen“.
42
1772
Braunschweig
Im Winter 1771/72 entsteht auf der Grundlage früherer Studien Emilia Galotti. 13. März: Uraufführung durch die Döbbelinsche Truppe anlässlich des 72. Geburtstags der Herzogin Charlotte Philippine von Braunschweig, Frau des regierenden Herzogs Karl I. und Schwester Friedrichs II. von Preußen.
43
1774
Seelische Krise, Depressionen wegen Gefühlsbindung an Ernestine Reiske.
45
1775–1776
Reise, Wien
Leipzig, Berlin, Dresden, Prag, Wien; in Wien Audienz beim Kaiser; er trifft Eva König. Weiterreise als Begleiter des Braunschweiger Prinzen Leopold nach Italien (u. a. Venedig, Florenz, Rom, Neapel).
46–47
1776
Jork im Alten Lande
8. Oktober: Heirat mit Eva König im Landhaus einer mit Eva befreundeten Familie.
47
1778
Wolfenbüttel
10. Januar: Eva Lessing stirbt am Kindbettfieber, nachdem Sohn Traugott bereits einen Tag nach seiner Geburt verstorben war.Anti-Goeze: Im Juli entzieht der Herzog Lessing die Zensurfreiheit im Religionsstreit mit den orthodoxen Lutheranern.
49
1779
Nathan der Weise, uraufgeführt erst 1783, im Ergebnis einer seit 1774 dauernden, religionskritischen Debatte, die ihren Höhepunkt 1778 in zahlreichen Streitschriften gegen den Hamburger Hauptpastor Goeze fand.
50
1780
Anonym erscheint Lessings bedeutende Schrift Die Erziehung des Menschengeschlechts; er lernt im Sommer durch Friedrich Heinrich Jacobi Goethes Prometheus kennen und löst mit seinem Bekenntnis zum Pantheismus die „Spinozadebatte“ aus. Er trifft in Hamburg Elise Reimarus; reist zu Gleim nach Halberstadt.
51
1781
Braunschweig
15. Februar: Tod Lessings nach einem zweiwöchigen Krankenlager; am Morgen seines Todestages empfing er noch den Dichter Johann Anton Leisewitz, der auch am Begräbnis teilnahm. Lessing wurde auf dem Magnifriedhof in Braunschweig begraben.
52
Zusammenfassung
Emilia Galotti gehört zu den Vorbereitungen auf die Französische Revolution von 1789. Empfindsamkeit wird zu einem Merkmal der Aufklärung sowie des bürgerlichen Denkens und bestimmt das bürgerliche Trauerspiel, das sich als Pendant zur klassizistischen Tragödie entwickelte. Inhalte einer neuen Tugend, vertreten durch die Bürger, werden gesehen, aber durch die spezifischen Verhältnisse in Deutschland – seine Zersplitterung und ökonomische Rückständigkeit – nicht sozial breit gefächert umgesetzt. Eine politische Revolution wie in Frankreich ist in Deutschland nicht in Sicht.
Emilia Galotti gehört zeitlich, inhaltlich und geistesgeschichtlich in das Vorfeld der Französischen Revolution von 1789. Die absolutistischen Staaten waren um 1770 auf dem Höhepunkt ihrer Macht und verteidigten sie: In Preußen hatte Friedrich II. (1712–1786) durch den Siebenjährigen Krieg (1756–1763) Schlesien gewonnen. 1772 teilten Preußen, Österreich und Russland Polen auf. Preußen wurde zur europäischen Großmacht. Russland gewann unter Katharina II. (1729–1796) außenpolitisch an Bedeutung, hatte aber im Inneren mit Aufständen und Widerstand zu kämpfen. Frankreich unter Ludwig XV. (1710–1774) war innerlich zerrüttet; 1770 hatte der Zorn auf die höfischen Zustände – Mätressenwesen und Finanzkrise – einen Höhepunkt erreicht, aber es war neben Großbritannien, das in dieser Zeit zur führenden Handels- und Kolonialmacht und zur Beherrscherin der Meere aufgestiegen war, die entscheidende Macht Europas. Als man die amerikanischen Kolonien mit zusätzlichen Steuern belasten wollte, kam es zu Spannungen, die 1775 zum Krieg und dem Zerfall des Kolonialreiches führten. In Mecklenburg (1769) und Sachsen (1770) wurde die Folter abgeschafft.
Die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts, im Zeichen der Aufklärung, bezeichnet man oft als Zeit der „Empfindsamkeit“[2]. Lessing hat den Begriff „empfindsam“ als Übersetzung des englischen „sentimental“ verwendet; beschrieben wurde eine literarische Strömung der Art Samuel Richardsons (1689–1761). Ursprünglich religiös inspiriert, wurde die Empfindsamkeit zu einem bürgerlichen Wert, in den Gefühl, Natürlichkeit und Leiden an einer konfliktreichen Wirklichkeit eingingen. In der Enzyklopädie Diderots wird sie in Zusammenhang mit dem tugendhaften Menschen gebracht. Es handelt sich um einen politischen Wert. Zur empfindsamen Dichtung wurden Klopstocks Messias und Goethes Die Leiden des jungen Werther (1774) gerechnet. Werther hatte Lessings Emilia Galotti auf dem Pult liegen, als er sich erschoss; das war kein Zufall, sondern zeitgemäß. Lessing war als bürgerlicher Dichter auch ein Dichter der Empfindsamkeit, die in Form der Rührung ins bürgerliche Trauerspiel einging. Das verlangte nach entsprechenden Helden; neben Spartacus, Virginia, Faust und Samuel Henzi (1701–1749) gehörte auch Emilia Galotti dazu. Eine handlungsfähige bürgerliche Gesellschaft nach Stände- oder Klassendefinition ist in Emilia Galotti nicht zu finden. Auch der Maler Conti, von bürgerlicher Herkunft, ist vom Hof abhängig und nicht von bürgerlichen Auftraggebern.
Mit Samuel Henzi hatte Lessing, ähnlich wie in Emilia Galotti, einen Gegenwartsstoff gewählt. Beides sind bürgerliche Trauerspiele und einander ähnlich. Henzis Vorhaben, die Herrschaftsform zu verändern, setzt voraus, dass das Volk zuvor lernt, was Tugend und Pflicht bedeuten.
Tugend als Wert war seit Aristoteles’ Ethik bestimmt: Man verstand darunter die Fähigkeit, sich im Leben stets so zu entscheiden, dass allgemein Gültiges eingehalten wurde und der Mensch dadurch ein gutes Leben führte, auch unter widrigen Umständen. Ein tugendhaftes Leben war immer mit einer sinnvollen Erfüllung verbunden, wobei nicht die Absicht, sondern nur das Resultat, nicht der Gewinn für den einzelnen Menschen, sondern der für die Gemeinschaft wichtig war. Die französischen Enzyklopädisten koppelten Empfindsamkeit und Tugend, sie machten damit die Spezifik der bürgerlich-aufklärerischen Bestimmung aus: „(…) die Empfindsamkeit bringt den tugendhaften Menschen hervor. Die Empfindsamkeit ist die Mutter der Menschlichkeit und der Großmut; sie fördert das Verdienst, unterstützt den Geist und hat die Überzeugung zur Folge.“[3]
Wenn Lessing in Emilia Galotti eine Veränderung der Herrschaftsform ausklammert und ausschließlich der Tugend Aufmerksamkeit schenkt, ist das ein Hinweis darauf, dass dieser Lernvorgang nicht vorangekommen war. Samuel Henzi war Lessings kühnster Entwurf eines bürgerlichen Trauerspiels. Aber das Thema fand keine hoffnungsvolle Entsprechung in der deutschen Wirklichkeit.
Schon während des Studiums in Leipzig galt Lessings Hauptinteresse dem Theater. Es war die Zeit der Neuberin (Friederike Caroline Neuber, geb. Weißenborn; 1697–1760), die 1744 nach Leipzig zurückgekehrt war und ihre letzten Inszenierungen vorstellte, ehe sie 1750 aus Leipzig vertrieben wurde. Lessings Der junge Gelehrte führten die „Privilegierten Dresdner Hofkomödianten“ der Neuberin im Januar 1748 auf. Davon beflügelt schrieb Lessing ähnliche Stücke, darunter Der Misogyn.
Durch seine Arbeit an der Hamburgischen Dramaturgie und seine Tätigkeit als Rezensent bekam Lessing 1767 einen umfassenden Einblick in die dramatische Produktion seiner Zeit, das europäische Ausland inbegriffen. Für das Verständnis des bürgerlichen Trauerspiels Emilia Galotti ist deshalb nicht nur der Verweis auf Lessings Miss Sara Sampson wichtig, sondern auch der Verweis auf Patzke, Lillo und andere. Lessing hatte in seiner Hamburgischen Dramaturgie darauf hingewiesen, dass der Schriftsteller sich auch in der Weltliteratur umzusehen habe.
Mit der Entwicklung des bürgerlichen Trauerspiels, von dem in Gottscheds Regelwerk von einer Critischen Dichtkunst (1730)[4] noch keine Rede war, trug Lessing maßgeblich zur aufklärerischen Entwicklung bei. Das bürgerliche Trauerspiel war in der Tradition der klassischen Tragödie neu. In ihm sollten bürgerliche Helden agieren, nicht höfisch-historisches Geschehen oder weit zurückliegende oder mythische Ereignisse die Handlung bestimmen. „Bürgerlich“ bedeutete (noch) keine soziale Kategorisierung, sondern „privat“ und „häuslich“, nicht in die Stände eingebunden und aufklärerisch „allgemeinmenschlich“. Indem jedoch die bürgerlichen Werte Gegenstand des Geschehens wurden – zum Beispiel Emilias Tugend – und als Alternative zu adligem Verhalten gesehen wurden (Appiani strebt Odoardo als „Muster aller männlichen Tugend“ nach), kamen soziale Unterschiede ins Spiel. Auch formal fand eine Veränderung statt: An die Stelle des Alexandrinerverses[5], den Lessing in Samuel Henzi noch verwendet hatte, trat Prosa. Mit der entstehenden deutschen klassischen Literatur wurde der Blankvers in das bürgerliche Trauerspiel oder in vergleichbare Werke aufgenommen (vgl. Lessings Nathan der Weise).
Der Hof von Guastalla in Emilia Galotti war kein Abbild des Braunschweiger Hofes; es gab in Deutschland an vielen Höfen ähnliche Verhältnisse. Insofern entsprach der italienische Hof von Guastalla der typisierten deutschen Kleinresidenz. Der protestantische Lessing, der für ein protestantisches Publikum schrieb, verlegte die Handlung in ein katholisches Umfeld, in dem der Tugendbegriff zusätzlich eine religiöse Dimension bekam und von Emilia im Zusammenhang mit ihrem Todeswunsch im Blick auf „Heilige“ (HL S. 70/R S. 85) auch aktiviert wird.
Die Situation deutscher Untertanen war 1772 misslich. Teuerung, Hungersnot und Krankheiten (Faulfieber) herrschten. Der Prinz beginnt sein Regierungsgeschäft mit Ausrufen über „Klagen“ und „Bittschriften“ (HL S. 5/R S. 5). Zeitgenossen empfanden Deutschland als einen Park, „worin alles, was Jagduniform trägt, sich ziemlich Pläsir machen kann; was aber einen Pelz oder Feder hat, muss sich verkriechen, wofern es nicht zertreten sein will“[6]. Von Zerlumpten und Ärmsten, Leibeigenen und Gesellen war in diesem zeitgenössischen Bericht nicht einmal die Rede. Diese vorrevolutionäre Zeit führte in Frankreich 1789 zur großen Veränderung. In Deutschland blieb die Revolution aus bzw. fand als literarische Revolution im Sturm und Drang statt. Die Forderungen der Französischen Revolution – Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – wurden in Deutschland nicht eingelöst.[7] Es gab nur die literarische, später durch Kants Kritik der reinen Vernunft die philosophische Revolution. Andererseits erstarrte das bürgerliche Denken in seinen Moralvorstellungen und hemmte so den erwünschten Fortschritt. Der Prinz weiß nichts von politischer und gesellschaftlicher Entwicklung und Revolutionen; mit Odoardo Galotti sind sie nicht zu denken. Solche Gestalten gab es nicht nur am Braunschweiger Hof, obwohl der natürlich bei dem Stück einfällt.
In gut dreißig Jahren vollzog sich Weltpolitik und folgenreiche Kunstpolitik gleichermaßen im Umfeld der bürgerlichen Französischen Revolution von 1789. Bezieht man das Nebeneinander von rücksichtslosem Umgang mit Menschen, brutaler Verwertung der „Ware Mensch“, ausgeprägter Mätressenwirtschaft einerseits und hohen künstlerischen Ansprüchen, Stilisierungsversuchen zu Musenhöfen und weitreichenden Kulturinteressen andererseits in die Betrachtung der Emilia Galotti ein – gespannt zwischen die Kunstinteressen des Prinzen und seine schnelle Bereitschaft, Todesurteile zu unterschreiben –, erkennt man ihren differenzierten, antihöfischen Charakter und die ihr innewohnende Erfüllung höfischer Ansprüche. Es ist Lessings Meisterschaft, diese einander widersprechenden, zeitgenössischen Vorgänge unlösbar miteinander verbunden zu haben.
Emilia Galotti wurde 1772 in einer Zeit des Umbruchs uraufgeführt. Die französischen Enzyklopädisten, von denen Lessing besonders Voltaire kannte und seine Werke übersetzte, schufen eine philosophische Orientierung für die Französische Revolution von 1789. Die ökonomischen Grundlagen hatten sich verändert: Es setzte sich die kapitalistische Produktionsweise als modernste und fortgeschrittenste durch.
Mit Minna von Barnhelm (1767) war die Reform des Lustspiels gelungen, mit Miss Sara Sampson (1755) und der Hamburgischen Dramaturgie (besonders dem 14. Stück 1767) war die Reform des Trauerspiels betrieben worden. Begleitet und abgeschlossen wurde sie mit Emilia Galotti.