Emma - Jane Austen - E-Book

Emma E-Book

Jane Austen.

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Beschreibung

Emma Woodhouse ist gutherzig, kapriziös, verwöhnt, auch ein wenig arrogant, aber bei allen Mängeln sympathisch, meint sie in ihrer Umgebung Vorsehung spielen zu müssen und versucht, wie es ihr die Phantasie gerade eingibt, ihre männlichen und weiblichen Bekannten miteinander zu verheiraten. Das geht natürlich ständig schief, und es gelingt ihr auf diese Weise, das stille, eintönige Highbury gründlich durcheinanderzuwirbeln. Schließlich kommt auch sie, die nie heiraten wollte, zu Vernunft und Ehemann.

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Seitenzahl: 817

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Jane Austen

Emma

Roman

Aus dem Englischen von Horst Höckendorf

Mit einem Nachwort von Klaus Udo Szudra

Diogenes

Seiner Königlichen Hoheit

dem Prinzregenten

widmet dies Werk

mit Erlaubnis Seiner Königlichen Hoheit

in tiefster Ehrfurcht

Seiner Königlichen Hoheit

gehorsamst ergebene Dienerin

die Autorin

Erstes Buch

Erstes Kapitel

Emma Woodhouse, hübsch, intelligent und reich, mit einem behaglichen Heim und glücklichen Gaben ausgestattet, schien einige der besten Segnungen des Daseins auf sich zu vereinen und hatte in den knapp einundzwanzig Jahren, die sie auf der Welt war, sehr wenig Kummer und Sorge kennengelernt.

Sie war die jüngere von den beiden Töchtern eines sehr liebevollen, weichherzigen Vaters und hatte ihm nach der Heirat ihrer Schwester schon frühzeitig das Haus geführt. Ihre Mutter war zu lange tot, als daß Emma mehr als einige undeutliche Erinnerungen an ihre Zärtlichkeit bewahrt hätte, und an ihre Stelle war eine vortreffliche Gouvernante getreten, die nicht viel weniger Liebe aufgebracht hatte als eine Mutter.

Sechzehn Jahre hatte Miss Taylor zur Familie von Mr. Woodhouse gehört, war den Mädchen mehr eine Freundin als eine Erzieherin gewesen und hatte sie beide in ihr Herz geschlossen, besonders aber Emma. Zwischen ihnen bestand ein inniges schwesterliches Verhältnis. Schon ehe Miss Taylor aufgehört hatte, dem Namen nach das Amt einer Erzieherin zu versehen, hatte ihr mildes Wesen es ihr kaum je gestattet, irgendwelchen Zwang auszuüben. Dieser Schatten von Autorität war inzwischen längst dahin, und seither hatten sie wie zwei Freundinnen miteinander gelebt und sehr aneinander gehangen, und Emma hatte getan, was ihr paßte; denn sie schätzte Miss Taylors Urteil hoch, ließ sich aber gewöhnlich von ihrem eigenen leiten.

Die eigentlichen Übel in Emmas Lage waren ihre Macht, in gar zu vielen Dingen ihren eigenen Willen zu haben, und ihre Neigung, ein wenig zu gut über sich selbst zu denken. Das waren die einzigen Nachteile, die ihre vielen Freuden zu schmälern drohten. Vorerst jedoch ahnte Emma so wenig von dieser Gefahr, daß sie darin durchaus kein Unglück sah.

Der Kummer kam – ein milder Kummer, aber keineswegs in unangenehm bewußter Form. Miss Taylor heiratete. Miss Taylor zu verlieren bereitete ihr die erste Trübsal. Am Hochzeitstage ihrer geliebten Freundin machte sich Emma zum ersten Male traurige Gedanken von einiger Dauer. Als die Hochzeit vorbei und das Brautpaar fort war, mußte sich Emma mit ihrem Vater allein zu Tisch setzen, und sie hatten keine Aussicht, daß ein Dritter ihnen helfen würde, den langen Abend zu verkürzen. Nach dem Essen schlief ihr Vater wie gewöhnlich ein, und sie hatte nichts Besseres zu tun, als darüber nachzudenken, was sie verloren hatte.

Das Ereignis versprach in jeder Hinsicht, ihre Freundin glücklich zu machen. Mr. Weston hatte einen untadeligen Ruf, ein beträchtliches Vermögen, das passende Alter und angenehme Umgangsformen; und es lag etwas Befriedigendes in dem Gedanken, wie uneigennützig und großmütig sie als Freundin diese Verbindung immer herbeigewünscht und gefördert hatte. Für Emma selbst jedoch war es ein schwarzer Vormittag. Daß ihr Miss Taylor fehlte, würde sie von nun an täglich und stündlich spüren. Sie mußte daran denken, wie gut sie zu ihr gewesen war. Sechzehn lange Jahre hatte Miss Taylor sie freundlich und liebevoll umhegt, hatte sie von ihrem fünften Lebensjahr an unterrichtet, hatte mit ihr gespielt, hatte sich, wenn Emma gesund war, mit allen Kräften bemüht, ihr Herz zu gewinnen und sie zu zerstreuen – und hatte sie während der mannigfachen Krankheiten ihrer Kindheit gepflegt. Dafür stand Emma tief in ihrer Schuld; doch der Umgang der letzten sieben Jahre, die Gleichheit und die rückhaltlose Offenheit, die sich bald nach Isabellas Heirat zwischen ihnen eingestellt hatte, als sie nur noch füreinander da waren – das war ihr eine noch teurere, noch liebere Erinnerung. Miss Taylor war ihr eine Freundin und Gefährtin gewesen, wie sie nur wenige besaßen: verständig, kenntnisreich, hilfsbereit, freundlich, mit allen Gewohnheiten der Familie vertraut, an all ihren Belangen interessiert, besonders interessiert aber an Emma selbst, ihren Vergnügungen, ihren Plänen – ein Mensch, mit dem sie über alles sprechen konnte, was sie bewegte, und der sie zu sehr liebte, um je etwas an ihr auszusetzen.

Wie sollte sie diesen Wechsel ertragen? – Zwar zog ihre Freundin nur eine halbe Meile weit von ihnen weg; aber Emma fühlte, daß es ein himmelweiter Unterschied war, eine Mrs. Weston in einer halben Meile Entfernung oder eine Miss Taylor im Hause zu haben; und trotz all ihrer natürlichen und häuslichen Vorteile lief sie jetzt große Gefahr, unter geistiger Vereinsamung leiden zu müssen. Sie liebte ihren Vater sehr, aber ein Gesellschafter war er nicht. Er konnte nicht mit ihr Schritt halten, weder im ernsten Gespräch noch im Scherz.

Der Nachteil des ohnehin trennenden Altersunterschiedes (denn Mr. Woodhouse hatte nicht jung geheiratet) wurde durch die körperliche Verfassung und das Wesen ihres Vaters noch beträchtlich vergrößert. Da er sein Leben lang gekränkelt hatte und aller geistigen und körperlichen Tatkraft ermangelte, so wirkte er durch sein Gebaren noch älter, als er war; und wenn er durch seine Herzlichkeit und sein liebenswürdiges Wesen jedermann für sich einnahm, so hätte er sich jedenfalls nie durch seine Talente empfehlen können.

Ihre Schwester, seit der Heirat von ihr getrennt – wenn auch bloß eine verhältnismäßig kurze Strecke, denn sie wohnte in London, nur sechzehn Meilen entfernt –, war doch keineswegs jeden Tag für sie zu erreichen; und so mancher lange Oktober- und Novemberabend mußte in Hartfield durchgestanden werden, bis Isabella und ihr Mann und ihre kleinen Kinder zu Weihnachten das nächste Mal zu Besuch kamen und das Haus füllten und ihr wieder angenehme Gesellschaft leisteten.

Highbury, das große und dicht besiedelte Dorf, fast schon eine Stadt, zu dem Hartfield trotz seines eigenen Parks, seines eigenen Lustwäldchens und seines eigenen Namens in Wirklichkeit gehörte, hatte niemand aufzuweisen, der ihr ebenbürtig gewesen wäre. Die Woodhouses gaben dort den Ton an. Alle sahen zu ihnen auf. Emma hatte viele Bekannte am Ort, denn ihr Vater war zu allen höflich, doch es befand sich keine darunter, die man auch nur einen halben Tag an Stelle von Miss Taylor hätte akzeptieren können. Es war ein betrüblicher Wechsel; und Emma konnte nur seufzen, und sich Unmögliches wünschen, bis ihr Vater wieder aufwachte und sie nötigte, sich heiter zu geben. Man mußte ihn bei gutem Mut erhalten. Er war ein ängstlicher Mann und leicht niedergeschlagen; er liebte alle Menschen, an die er sich gewöhnt hatte, und haßte es, sich von ihnen zu trennen. Er haßte jeden Wechsel. Hochzeiten waren für ihn die Ursache von Veränderungen und daher immer etwas Unangenehmes. Er hatte sich noch keineswegs damit ausgesöhnt, daß seine eigene Tochter geheiratet hatte, und konnte sie immer nur bedauern, wenn er von ihr sprach, obwohl es eine echte Liebesheirat gewesen war, und nun mußte er sich auch noch von Miss Taylor trennen; und da er einen gelinden Egoismus besaß und stets unfähig gewesen war, sich vorzustellen, daß andere Leute etwas anderes fühlen könnten als er selbst, so neigte er sehr zu der Annahme, Miss Taylor habe sich ebenso großen Kummer bereitet wie ihnen und wäre erheblich glücklicher daran gewesen, wenn sie den Rest ihres Lebens in Hartfield verbracht hätte. Emma lächelte und plauderte so heiter mit ihm, wie sie konnte, um ihn von solchen Gedanken abzulenken; doch als man den Tee brachte, konnte Mr. Woodhouse nicht umhin, dasselbe zu sagen, was er schon beim Essen gesagt hatte:

»Die arme Miss Taylor! Wäre sie doch bloß wieder hier! Wie schade, daß Mr. Weston gerade auf sie verfiel!«

»Darin kann ich dir nicht recht geben, Papa; du weißt, ich kann es nicht. Mr. Weston ist ein so gutmütiger, angenehmer, vortrefflicher Mann, daß er unbedingt eine gute Frau verdient – und du hast doch sicher nicht gewollt, daß Miss Taylor ewig bei uns bleibt und all meine schrullenhaften Launen ertragen muß, wenn sie ein eigenes Haus haben kann?«

»Ein eigenes Haus! – Aber was hat sie denn von einem eigenen Haus? Unseres ist dreimal so groß. – Und du hast nie schrullenhafte Launen, mein liebes Kind.«

»Wie oft werden wir bei ihnen zu Besuch sein und sie bei uns! – Wir werden immer mit ihnen zusammen sein! Wir müssen den Anfang machen und ihnen möglichst bald unsere Hochzeitsvisite abstatten gehen.«

»Liebes Kind, wie soll ich mir das zumuten? Nach Randalls ist es doch viel zu weit! Ich könnte nicht den halben Weg gehen.«

»Aber nein, Papa, niemand verlangt, daß du zu Fuß gehst. Wir fahren natürlich mit der Kutsche.«

»Mit der Kutsche! Aber wegen einer so kurzen Strecke wird James nicht anspannen wollen – und wo sollen denn die armen Pferde bleiben, wenn wir unsern Besuch abstatten?«

»Sie werden in Mr. Westons Stall untergebracht, Papa. Du weißt doch, daß wir das längst alles geregelt haben. Wir haben das alles gestern mit Mr. Weston besprochen. Und was James betrifft, so kannst du ganz beruhigt sein; er wird immer gern nach Randalls fahren, weil seine Tochter dort in Stellung ist. Ich zweifle nur, ob er je woanders mit uns hinfahren wird. Das hattest du veranlaßt, Papa. Du hast doch Hannah diese gute Stellung verschafft. Niemand dachte an Hannah, bis du sie erwähntest. James ist dir dafür auch so dankbar!«

»Ich freue mich, daß ich an sie gedacht habe. Es war ein Glück, denn ich hätte auf keinen Fall gewollt, daß sich James übergangen fühlt. Und ich bin überzeugt, sie wird eine sehr gute Bediente sein. Sie ist ein so höfliches, artiges Mädchen; ich habe eine hohe Meinung von ihr. Immer, wenn ich sie sehe, macht sie einen Knicks und erkundigt sich nach meinem Befinden; sehr artig, wie sie das macht. Und wenn du sie für Näharbeit kommen läßt, dann beobachte ich, daß sie jedesmal den Türknopf richtig herumdreht und nie mit der Tür knallt. Sie wird ganz sicher eine ausgezeichnete Bediente; und der armen Miss Taylor wird es sehr angenehm sein, jemand um sich zu haben, an den sie gewöhnt ist. Jedesmal, wenn James hinkommt, um seine Tochter zu besuchen, wird sie von uns hören. Dann kann er ihr sagen, wie es uns allen geht.«

Emma ließ es nicht an Mühe fehlen, diesen glücklicheren Gedankenfluß in Gang zu halten, und hoffte mit Hilfe des Tricktrackspiels ihren Vater an diesem Abend einigermaßen bei Laune zu halten und von keinem andern Kummer geplagt zu werden als ihrem eigenen. Das Tricktrackbrett wurde zurechtgelegt; doch gleich darauf trat ein Besucher ein und machte es überflüssig.

Mr. Knightley, ein vernünftiger Mann von etwa sieben- oder achtunddreißig Jahren, war nicht nur ein alter und vertrauter Freund des Hauses, sondern als der ältere Bruder von Isabellas Mann noch besonders mit der Familie verbunden. Er wohnte etwa eine Meile von Highbury entfernt, erschien häufig zu Besuch und war immer willkommen und diesmal noch willkommener als sonst, weil er gerade von den gemeinsamen Verwandten in London kam. Er war nach mehrtägiger Abwesenheit zu einem verspäteten Mittagessen nach Hause zurückgekehrt und jetzt nach Hartfield herübergekommen, um mitzuteilen, am Brunswick Square sei alles wohlauf. Das traf sich glücklich, und es ermunterte Mr. Woodhouse für einige Zeit. Mr. Knightley hatte eine heitere Art, die ihm stets wohltat; und auf seine vielen Fragen nach der »armen Isabella« und ihren Kindern erhielt er sehr befriedigende Antworten.

Als das vorüber war, bemerkte Mr. Woodhouse dankbar: »Es ist sehr nett von Ihnen, Mr. Knightley, daß Sie sich zu dieser späten Stunde noch die Mühe gemacht haben, uns aufzusuchen. Der Weg muß ja eine entsetzliche Strapaze gewesen sein.«

»Durchaus nicht, Sir. Wir haben eine schöne, mondhelle Nacht; und es ist so warm, daß ich von Ihrem großen Feuer abrücken muß.«

»Aber draußen muß es doch sehr naß und matschig sein. Wenn Sie sich nur nicht erkälten!«

»Matschig, Sir? Sehen Sie sich doch meine Schuhe an! Kein Fleck ist dran.«

»Was! Das überrascht mich aber sehr, denn hier hat es mächtig geregnet. Während wir beim Frühstück saßen, hat es eine halbe Stunde entsetzlich gegossen. Ich bat darum, die Hochzeit zu verschieben.«

»Übrigens – ich habe Ihnen noch nicht gratuliert. Ich kann mir sehr gut denken, wie Ihnen beiden jetzt zumute sein wird, und deshalb habe ich mich mit meinen Glückwünschen nicht beeilt. Aber ich hoffe, es ist alles einigermaßen gut gegangen. Wie haben sich denn die Beteiligten benommen? Wer weinte am meisten?«

»Ach! Die arme Miss Taylor! Das ist eine traurige Geschichte.«

»Armer Mr. und arme Miss Woodhouse, wenn Sie wollen; aber ich kann doch unmöglich ›arme Miss Taylor‹ sagen! Ich schätze Sie und Emma sehr; aber wenn es darum geht, ob man abhängig oder unabhängig ist …! Auf alle Fälle muß es besser sein, wenn man es nur noch einem recht zu machen braucht anstatt zweien.«

»Besonders, wenn das eine dieser beiden Wesen so launenhaft und schwierig ist!« scherzte Emma. »Das ist doch Ihr Hintergedanke – und das würden Sie auch sicher sagen, wenn mein Vater nicht dabei wäre.«

»Ich fürchte, das ist allerdings sehr wahr, liebes Kind«, seufzte Mr. Woodhouse. »Manchmal bin ich wohl sehr launenhaft und schwierig.«

»Aber lieber Papa! Du glaubst doch nicht etwa, ich könnte dich meinen, und du nimmst doch nicht etwa an, Mr. Knightley könnte dich meinen! Welch schrecklicher Gedanke! Ach nein, ich meinte doch nur mich. Mr. Knightley findet nämlich gern etwas an mir auszusetzen – im Scherz –, es ist doch alles nur ein Scherz. Wir nehmen voreinander kein Blatt vor den Mund.«

Mr. Knightley war tatsächlich einer der wenigen Menschen, die an Emma Woodhouse Fehler bemerkten, und der einzige Mensch, der sie je auf ihre Fehler aufmerksam machte. Das war Emma nicht gerade angenehm; doch sie wußte, daß es ihrem Vater noch viel weniger angenehm wäre, und deshalb wollte sie ihn lieber gar nicht erst etwas davon ahnen lassen, daß sie nicht von jedermann für vollkommen gehalten wurde.

»Emma weiß, daß ich ihr nie schmeichle«, sagte Mr. Knightley. »Aber was ich sagte, sollte kein Vorwurf sein. Miss Taylor war gewohnt, es zweien recht machen zu müssen; jetzt hat sie bloß noch einen. Also ist doch anzunehmen, daß sie sich verbessert hat.«

»Nun –«, sagte Emma, bereit, ihm das durchgehen zu lassen, »Sie möchten gern etwas über die Hochzeit hören, und ich werde Ihnen gern etwas darüber erzählen, denn wir benahmen uns alle ganz reizend. Alle waren pünktlich, alle zeigten sich von ihrer Schokoladenseite. Keine Träne, und kaum einer machte ein betrübtes Gesicht. O nein, wir wußten ja, wir würden nur eine halbe Meile voneinander getrennt sein und uns bestimmt alle Tage treffen.«

»Die liebe Emma findet sich so tapfer mit allem ab«, sagte ihr Vater. »Aber, Mr. Knightley, sie ist in Wirklichkeit sehr traurig, daß sie die arme Miss Taylor verliert, und ich bin überzeugt, sie wird sie noch mehr vermissen, als sie glaubt.«

Emma wandte das Gesicht ab und wußte nicht, ob sie lachen oder weinen sollte.

»Es ist unmöglich, daß Emma eine solche Freundin nicht vermißt«, sagte Mr. Knightley. »Wir würden sie nicht alle so gern haben, Sir, wenn wir das annehmen müßten. Aber sie weiß, wie sehr diese Heirat Miss Taylor zum Vorteil gereicht; sie weiß, wie willkommen es Miss Taylor in ihrem Alter sein muß, sich ein eigenes Heim zu gründen, und wie wichtig eine gesicherte Versorgung für sie ist; und deshalb wird Emma auch weniger Schmerz darüber empfinden als Freude. Jeder Freund von Miss Taylor wird sich freuen, daß sie sich so glücklich verheiratet hat.«

»Und Sie haben noch eines vergessen, worüber ich mich freue«, sagte Emma, »und zwar ganz beträchtlich: daß ich diese Ehe selbst gestiftet habe. Ich brachte die beiden nämlich vor vier Jahren zusammen; und daß es zu der Heirat kam und daß ich recht behielt, während so viele Leute behaupteten, Mr. Weston würde nie wieder heiraten – das entschädigt mich für alles.«

Mr. Knightley schüttelte den Kopf. Ihr Vater erwiderte zärtlich: »Ach, liebes Kind, du solltest keine Ehen stiften und nicht die Zukunft voraussagen, denn was du sagst, das trifft immer ein. Stifte mir bitte nur keine Ehen mehr!«

»Ich verspreche dir, daß ich nicht mich selbst verheiraten werde, Papa; aber andere Leute verheiraten, das muß ich. Es ist mir das größte Vergnügen der Welt! Und noch dazu nach solch einem Erfolg! – Alle Leute haben gesagt, Mr. Weston würde nie wieder heiraten. Du lieber Himmel, nein! Mr. Weston, der schon so lange Witwer war, der immer von seinen Geschäften in der Stadt oder hier draußen von seinen Freunden beansprucht wurde, der überall willkommen, immer guter Dinge war – Mr. Weston brauchte ja nicht einen Abend im Jahr allein zu sein, wenn er keine Lust dazu hatte. O nein! Mr. Weston würde ganz sicher nie wieder heiraten. – Manche Leute redeten sogar von einem Versprechen, das er seiner Frau an ihrem Sterbebett gegeben haben sollte, und andere haben behauptet, der Sohn und der Onkel würden es nicht zulassen. Aller mögliche feierliche Unsinn wurde verbreitet, aber ich habe kein Wort davon geglaubt. Seit dem Tage, als Miss Taylor und ich Mr. Weston auf der Dorfstraße trafen (es ist etwa vier Jahre her) und er, weil es zu nieseln begann, so galant losrannte und bei Pächter Mitchell zwei Regenschirme für uns borgte, seitdem war es für mich abgemacht. Von der Stunde an plante ich die Heirat; und wenn mir in diesem Fall solch ein Erfolg beschieden war, lieber Papa, dann wirst du doch nicht denken, daß ich das Ehestiften lassen soll.«

»Ich verstehe nicht, was Sie mit ›Erfolg‹ meinen«, sagte Mr. Knightley. »Erfolg setzt Bemühungen voraus. Da haben Sie aber was Rechtes und Feines mit Ihrer Zeit angefangen, wenn Sie sich die vergangenen vier Jahre bemüht haben, diese Heirat zuwege zu bringen! Eine würdige Betätigung für den Verstand einer jungen Dame! Wenn aber, und das glaube ich schon eher, diese Ehestiftung, wie Sie dazu sagen, nichts weiter bedeutet, als daß Sie sie planten, daß Sie sich eines müßigen Tages sagten: ›Ich glaube, es wäre sehr gut für Miss Taylor, wenn Mr. Weston sie heiraten würde‹, und daß Sie sich das später ab und zu wieder sagten – weshalb reden Sie dann von Erfolg? Wo ist Ihr Verdienst? Worauf sind Sie stolz? Sie haben mit Glück das Richtige erraten – und das ist alles, was sich dazu sagen läßt.«

»Sie haben wohl nie das Vergnügen und den Triumph ausgekostet, etwas richtig erraten zu haben? – Sie tun mir leid. – Ich hatte Sie für gescheiter gehalten – denn verlassen Sie sich darauf: etwas richtig zu erraten hängt nicht nur vom Glück ab. Es gehört auch immer etwas Talent dazu. Und was mein schlecht gewähltes Wort ›Erfolg‹ betrifft, an dem Sie sich so stoßen, so weiß ich nicht, ob ich denn so gar keinen Anspruch darauf habe. Sie haben zwei schöne Bilder entworfen – aber vielleicht gibt es noch ein drittes – eines, das zwischen Nichts-dazu-getan-Haben und Alles-dazu-getan-Haben die Mitte hält. Wenn ich Mr. Westons Besuchen keinen Vorschub geleistet und ihn nicht ab und zu ein bißchen aufgemuntert und wenn ich nicht in vielen Kleinigkeiten nachgeholfen hätte, dann wäre vielleicht nie etwas daraus geworden. Ich denke, Sie kennen Hartfield gut genug, um das zu verstehen.«

»Einem aufrichtigen, offenherzigen Mann wie Weston und einer vernünftigen, natürlichen Frau wie Miss Taylor kann man es beruhigt überlassen, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln. Durch Ihre Einmischung haben Sie wahrscheinlich mehr sich selbst geschadet als ihnen genützt.«

»Emma denkt nie an sich, wenn sie andern Gutes tun kann«, entgegnete Mr. Woodhouse, der dem Gespräch nur teilweise folgen konnte. »Aber ich bitte dich, liebes Kind, stifte mir keine Ehen mehr! Das sind alberne Geschichten, und sie zerreißen einem bloß unangenehmerweise den Familienkreis.«

»Bloß noch eine, Papa; nur noch eine für Mr. Elton. Der arme Mr. Elton! Du hast doch Mr. Elton gern, Papa – ich muß mich nach einer Frau für ihn umsehen. In Highbury gibt es keine, die ihn wert wäre – und dabei wohnt er schon ein ganzes Jahr hier und hat sich sein Haus so gemütlich eingerichtet, daß es eine Schande wäre, wenn er noch länger ledig bliebe – und als er heute ihre Hände ineinanderlegte, da dachte ich, er sieht ganz danach aus, als ob er es gern haben würde, wenn ihm jemand den gleichen Liebesdienst erwiese! Ich halte große Stücke auf Mr. Elton, und es ist die einzige Möglichkeit, die ich habe, ihm einen Dienst zu erweisen.«

»Mr. Elton ist gewiß ein sehr netter junger Mann und ein sehr anständiger junger Mann, und ich schätze ihn sehr. Aber wenn du ihm eine Aufmerksamkeit erweisen willst, mein liebes Kind, dann lade ihn doch einmal zum Essen ein. Das wäre viel besser. Ich nehme an, Mr. Knightley wird so freundlich sein, ihm dabei Gesellschaft zu leisten.«

»Mit dem größten Vergnügen, Sir, jederzeit«, sagte Mr. Knightley lachend. »Und ich bin völlig Ihrer Meinung, daß das viel besser wäre. Laden Sie ihn doch zum Essen ein, Emma, und legen Sie ihm die besten Stücke vom Fisch und vom Geflügel vor; aber lassen Sie ihn sich seine Frau selbst aussuchen! Glauben Sie mir, ein Mann von sechs- oder siebenundzwanzig Jahren kann schon für sich selber sorgen.«

Zweites Kapitel

Mr. Weston war aus Highbury gebürtig und entstammte einer angesehenen Familie, die es in den letzten zwei oder drei Generationen zu Stand und Vermögen gebracht hatte. Er hatte eine gute Erziehung genossen, aber nachdem er mit jungen Jahren in den Besitz eines kleinen Vermögens gelangt war, hatte er sich nicht mehr zu der anspruchslosen Tätigkeit hingezogen gefühlt, der seine Brüder nachgingen, sondern hatte seine Unternehmungslust und sein Bedürfnis nach Heiterkeit und geselligem Umgang damit gestillt, daß er der Grafschaftsmiliz beitrat, die man damals gerade aufstellte.

Hauptmann Weston war überall Hahn im Korbe; und als ihn die Zufälle seiner militärischen Laufbahn mit Miss Churchill bekannt werden ließen, die einer bedeutenden Familie in Yorkshire angehörte, und als Miss Churchill sich in ihn verliebte, da überraschte das niemanden außer ihrem Bruder und seiner Frau, die Hauptmann Weston nie gesehen hatten und von einem derartigen Stolz und Hochmut erfüllt waren, daß sie sich durch diese Verbindung gekränkt fühlten.

Miss Churchill jedoch, die volljährig war und über ihr Vermögen frei verfügen konnte – wenn ihr Vermögen auch in keinem Verhältnis zu dem Familienbesitz stand –, ließ sich nicht davon abbringen, diese Ehe einzugehen, und heiratete zur unendlichen Beschämung von Mr. und Mrs. Churchill, die sie daraufhin in gebührender Form verstießen. Es war keine passende Verbindung, und sie brachte nicht viel Glück. Mrs. Weston hätte durchaus glücklicher sein können, denn sie hatte einen warmherzigen und freundlichen Mann, der ihr aus Dankbarkeit dafür, daß sie so gütig war, ihn zu lieben, alles zu schulden glaubte; doch dazu hatte sie nicht genug Charakter. Sie brachte zwar genügend Entschlossenheit auf, ihrem Bruder zum Trotz den eigenen Willen durchzusetzen, aber zu wenig, um nicht einen unvernünftigen Schmerz wegen des unvernünftigen Zornes dieses Bruders zu verspüren und nicht den Luxus ihrer früheren Umgebung zu vermissen. Sie lebten über ihre Verhältnisse; dennoch war es nichts im Vergleich mit Enscombe; sie hörte nicht auf, ihren Mann zu lieben, aber sie wollte zugleich die Frau von Hauptmann Weston und Miss Churchill von Enscombe sein.

Wie sich herausstellte, war Hauptmann Weston, von dem alle, insbesondere die Churchills, meinten, er habe eine erstaunliche Partie gemacht, bei diesem Handel der Benachteiligte; denn als seine Frau nach dreijähriger Ehe starb, war er ärmer als zuvor und mußte obendrein für ein Kind sorgen. Die Ausgaben für das Kind wurden ihm jedoch bald abgenommen. Der Knabe und dazu der zur Sanftmut gemahnende Umstand einer langwierigen Erkrankung seiner Mutter waren das Mittel zu einer Art Versöhnung geworden; und da Mr. und Mrs. Churchill keine eigenen Kinder hatten und auch nicht für andere Kinder der Verwandtschaft zu sorgen brauchten, so erboten sie sich bald nach dem Tode der Mutter, den kleinen Frank ganz in ihre Obhut zu nehmen. Es ist wahrscheinlich, daß der verwitwete Vater anfangs zögerte und einige Bedenken hatte; da diese jedoch durch andere Überlegungen zerstreut wurden, so vertraute er das Kind der Pflege und dem Reichtum der Churchills an und brauchte nur noch darauf bedacht zu sein, seiner eigenen Annehmlichkeit zu leben und seine Lage möglichst zu verbessern.

Es schien ihm wünschenswert, ein völlig neues Leben zu beginnen. Er schied aus der Miliz aus und wurde Geschäftsmann, denn seine Brüder waren bereits in London gut eingeführt, was ihm einen günstigen Anfang ermöglichte. Es war ein Unternehmen, das genügend Beschäftigung mit sich brachte. Er hatte noch immer ein kleines Haus in Highbury, wo er seine meiste Mußezeit verbrachte; und so verliefen die nächsten achtzehn bis zwanzig Jahre seines Lebens heiter zwischen nützlicher Betätigung und den Freuden der Geselligkeit. Er hatte mittlerweise ein ausreichendes Vermögen erworben – genug, um damit ein kleines Gut bei Highbury zu kaufen, das er sich immer gewünscht hatte, eine so mitgiftlose Frau wie Miss Taylor zu heiraten und ein Leben zu führen, wie es seiner freundlichen und geselligen Veranlagung entsprach.

Es war jetzt schon einige Zeit her, seit Miss Taylor begonnen hatte, seine Pläne zu beeinflussen; doch da es nicht der tyrannische Einfluß der Jugend auf die Jugend war, so hatte es ihn nicht in seiner Entschlossenheit erschüttert, nicht eher seinen Hausstand zu gründen, als bis er Randalls kaufen könnte, und er hatte sich lange auf den Erwerb von Randalls gefreut; doch er hatte mit diesen Zielen im Auge unbeirrt weitergearbeitet, bis sie erreicht waren. Er hatte sein Vermögen verdient, sein Haus gekauft, seine Frau genommen; und er begann einen neuen Lebensabschnitt mit der besten Aussicht, glücklicher zu werden als in dem bisherigen. Er war noch nie ein unglücklicher Mann gewesen; davor hatte ihn sein Temperament bewahrt, sogar während seiner ersten Ehe; seine zweite Ehe aber sollte ihm zeigen, wie reizend eine vernünftig urteilende und wahrhaft liebenswürdige Frau sein kann, und sollte ihm den angenehmsten Beweis dafür liefern, daß es weit besser ist, zu wählen als gewählt zu werden, Dankbarkeit zu erwecken als zu fühlen.

Er brauchte sich bei seiner Wahl nur nach seinem eigenen Wunsch zu richten: sein Vermögen gehörte ihm allein; was Frank betraf, so war es mehr als eine stillschweigende Übereinkunft, daß er seinen Onkel beerben würde – seine Adoption war eine so ausgemachte Sache, daß er den Namen Churchill annehmen sollte, sobald er volljährig würde. Es war daher ganz unwahrscheinlich, daß er je auf die Unterstützung seines Vaters angewiesen wäre. Sein Vater befürchtete nichts dergleichen. Die Tante war zwar eine sehr launische Frau und hatte ihren Mann völlig unter dem Pantoffel; doch es war nicht Mr. Westons Art, anzunehmen, daß eine Laune stark genug sein könnte, um einem so lieben Verwandten und, wie er meinte, verdientermaßen lieben Verwandten zu schaden. Er besuchte seinen Sohn jedes Jahr in London und war stolz auf ihn; und da er ihn zärtlich als einen sehr reizenden jungen Mann schilderte, so war auch Highbury gewissermaßen auf ihn stolz. Man hielt ihn für genügend einheimisch, um seine Verdienste und Aussichten zum Gegenstand allgemeiner Teilnahme zu machen.

Mr. Frank Churchill war also der ganze Stolz Highburys, und es herrschte eine lebhafte Neugier, ihn kennenzulernen, obwohl er dieses Kompliment so wenig erwiderte, daß er in seinem ganzen Leben noch kein einziges Mal da gewesen war. Es ging zwar oft die Rede davon, daß er seinen Vater besuchen sollte, doch aus irgendwelchen Gründen war es noch nie dazu gekommen.

Jetzt, nachdem sein Vater geheiratet hatte, war man allgemein der Ansicht, daß es eine sehr angebrachte Aufmerksamkeit wäre, diesen fälligen Besuch abzustatten. Es erhob sich keine Stimme dagegen, weder wenn Mrs. Perry bei Mrs. und Miss Bates zum Tee war, noch wenn Mrs. und Miss Bates den Besuch erwiderten. Jetzt wäre es für Mr. Frank Churchill die rechte Zeit, zu ihnen zu kommen; und diese Hoffnung verstärkte sich noch, als es hieß, er habe seiner neuen Mutter aus diesem Anlaß geschrieben. Einige Tage lang fiel bei jeder Morgenvisite in Highbury auch ein Wort über den schönen Brief, den Mrs. Weston erhalten hatte. »Sie haben doch sicher schon von dem schönen Brief gehört, den Mr. Frank Churchill an Mrs. Weston geschrieben hat? Es soll ja wirklich ein sehr schöner Brief gewesen sein. Mr. Woodhouse hat es mir erzählt. Mr. Woodhouse hat den Brief gesehen, und er sagt, es ist der schönste Brief, den er je im Leben sah.«

Es war in der Tat ein vielgerühmter Brief. Mrs. Weston hatte sich natürlich ein sehr günstiges Bild von dem jungen Mann gemacht; und eine solche gefällige Aufmerksamkeit war ein unwiderstehlicher Beweis für sein ausgezeichnetes Taktgefühl und ein höchst willkommener Beitrag zu den zahlreichen Glückwünschen, die ihr seit ihrer Hochzeit bereits zuteil geworden waren. Sie hielt sich für eine sehr glückliche Frau; und sie hatte lange genug gelebt, um zu wissen, für wie glücklich man sie halten durfte – gab es doch für sie nichts zu bedauern als eine teilweise Trennung von ihren Freunden, deren Gefühle für sie nicht erkaltet waren und denen es schwerfiel, von ihr zu scheiden!

Sie wußte, daß sie zuzeiten vermißt werden würde, und konnte nicht ohne Wehmut daran denken, daß Emma auf eine Freude verzichten oder eine langweilige Stunde erdulden mußte, weil ihr ihre Gesellschaft fehlte; doch die liebe Emma hatte keinen schwächlichen Charakter; sie war ihrer Lage besser gewachsen als die meisten andern Mädchen und hatte so viel Verstand und Tatkraft und Entschlossenheit, daß man hoffen durfte, sie würde glücklich über diese kleinen Schwierigkeiten und Entbehrungen hinwegkommen. Und dann tröstete es sie auch, daß Randalls in so bequemer Entfernung von Hartfield lag, so daß man auch als Frau allein einen Spaziergang dahin machen konnte, und daß bei Mr. Westons Neigungen und Verhältnissen auch die kommende Jahreszeit sie nicht daran hindern würde, jede Woche die Hälfte der Abende gemeinsam zu verbringen.

Ihre Lage war für Mrs. Weston der Gegenstand ganzer Stunden der Dankbarkeit und nur kurzer Augenblicke des Bedauerns; und ihre Befriedigung – ja, mehr als Befriedigung –, ihre innige Beglückung war so berechtigt und so offensichtlich, daß Emma, die doch ihren Vater kannte, zuweilen überrascht war, wie er denn immer noch »die arme Miss Taylor« bemitleiden konnte, wenn sie sie in Randalls inmitten ihrer häuslichen Behaglichkeit zurückließen oder wenn sie sahen, wie sie abends von ihnen ging und von ihrem angenehmen Mann zu ihrer eigenen Kutsche begleitet wurde. Aber sie ging nie, ohne daß Mr. Woodhouse ein wenig geseufzt und gesagt hätte: »Ach, die arme Miss Taylor! Sie wäre wohl gern geblieben.«

Er konnte Miss Taylor nicht zurückholen, und es war auch wenig wahrscheinlich, daß er je aufhören würde, sie zu bedauern; aber ein paar Wochen linderten Mr. Woodhouses Schmerz.

Die Glückwünsche seiner Nachbarn waren überstanden; niemand ärgerte ihn mehr damit, daß er ihm zu einem so traurigen Ereignis gratulierte; und der Hochzeitskuchen, der ihm so viel Sorge bereitet hatte, war aufgegessen. Sein Magen konnte nichts Schweres vertragen, und er konnte niemals glauben, daß es anderen Leuten anders erginge als ihm selbst. Was ihm nicht bekömmlich war, mußte auch für alle andern ungesund sein; und deshalb hatte er ihnen ernstlich abgeraten, überhaupt einen Hochzeitskuchen zu backen, und als sein Rat nicht fruchtete, hatte er ernstlich zu verhindern gesucht, daß jemand davon aß. Er hatte sich die Mühe genommen, Mr. Perry, den Dorfarzt, deswegen zu konsultieren. Mr. Perry war ein verständiger, wohlerzogener Mann, dessen häufige Besuche zu den Labsalen in Mr. Woodhouses Leben gehörten; und um Rat gefragt, konnte er nur zugeben (wenn auch anscheinend widerstrebend), daß Hochzeitskuchen vielen Leuten – ja vielleicht den meisten – nicht bekam, wenn man ihn nicht mäßig genoß. Mit einer solchen Ansicht, die seine eigene bestätigte, hoffte Mr. Woodhouse jeden Besucher des neuvermählten Paares umzustimmen; dennoch wurde der Kuchen gegessen; und sein wohlwollendes Herz fand nicht eher Ruhe, als bis der Kuchen alle war.

In Highbury ging ein merkwürdiges Gerücht um: man wollte sämtliche Kinder der Perrys mit einem Stück von Mrs. Westons Hochzeitskuchen in der Hand gesehen haben; aber Mr. Woodhouse glaubte es nicht.

Drittes Kapitel

Mr. Woodhouse liebte Gesellschaft auf seine eigene Weise. Er hatte es gern, wenn seine Freunde zu ihm kamen; und es gab eine Reihe verschiedener Gründe – seine lange Zugehörigkeit zu Hartfield, seine Gutmütigkeit, sein Vermögen, sein Haus und seine Tochter –, die es ihm ermöglichten, weitgehend über seinen kleinen Freundeskreis zu verfügen, wie es ihm beliebte. Mit Familien außerhalb dieses Kreises verkehrte er wenig. Sein Abscheu vor späten Stunden und großen Tafeln machte ihn ungeeignet für den Umgang mit Bekannten, außer wenn sie bereit waren, ihn unter seinen eigenen Bedingungen zu besuchen. Zu seinem Glück gab es in Highbury und in Randalls, das zur selben Gemeinde gehörte, sowie in Donwell Abbey in der Nachbargemeinde, wo Mr. Knightley seinen Landsitz hatte, davon eine ganze Reihe. Nicht selten speisten dank Emmas Überredungskunst einige der Auserwählten und Besten mit ihm zu Mittag; am liebsten aber hatte er Abendbesuch, und wenn er sich nicht gerade unpäßlich für Gesellschaft glaubte, so gab es kaum einen Abend in der Woche, an dem Emma nicht eine Kartenrunde für ihn zusammenbringen konnte.

Echte, lang gefühlte Hochachtung führte die Westons und Mr. Knightley herbei; und daß Mr. Elton, ein junger Mann, der ungern ledig war, das Privileg verschmähen würde, einen freien Abend seines eigenen unausgefüllten Daseins gegen die elegante Geselligkeit in Mr. Woodhouses Salon und gegen das Lächeln seiner reizenden Tochter einzutauschen, das war nicht zu befürchten.

Daran schloß sich ein zweiter Kreis von Bekannten; die zugänglichsten von ihnen waren Mrs. und Miss Bates und Mrs. Goddard, drei Damen, die fast immer für eine Einladung aus Hartfield zur Verfügung standen und die so oft geholt und wieder nach Hause gefahren wurden, daß Mr. Woodhouse darin keine Anstrengung für James oder die Pferde sah. Wäre es nur einmal im Jahre geschehen, dann wäre es eine Last gewesen.

Mrs. Bates, die Witwe eines früheren Landpfarrers von Highbury, war eine sehr alte Dame, die kaum noch zu etwas in der Lage war, als Tee zu trinken und Quadrille zu spielen. Sie lebte mit ihrer unverheirateten Tochter auf sehr bescheidenem Fuße und genoß alle Wertschätzung und Hochachtung, die eine harmlose alte Dame unter so mißlichen Verhältnissen erwecken kann. Ihre Tochter erfreute sich in Anbetracht des Umstandes, daß sie weder jung, hübsch, reich noch verheiratet war, eines ganz ungewöhnlichen Grades an Beliebtheit. Miss Bates hatte denkbar ungünstige Voraussetzungen, um in der Gunst der Öffentlichkeit hoch zu stehen, und es fehlte ihr die überlegene Intelligenz, die sie selbst dafür entschädigt oder anderen, die sie nicht leiden mochten, den äußerlichen Respekt abgenötigt hätte. Sie hatte nie durch Schönheit oder Witz geglänzt. Ihre Jugend war vergangen, ohne daß sie sich durch irgend etwas ausgezeichnet hätte, und die Mitte ihres Lebens widmete sie der Pflege ihrer gebrechlichen Mutter und dem Bemühen, mit einem kleinen Einkommen möglichst weit zu reichen. Und dennoch war sie glücklich und eine Frau, von der niemand ohne Wohlwollen sprach. Ihr eigenes allumfassendes Wohlwollen und ihr zufriedenes Wesen bewirkten solche Wunder. Sie liebte jedermann, nahm teil an jedermanns Glück, hatte ein offenes Auge für jedermanns Verdienste, hielt sich für ein glückliches Geschöpf, gesegnet mit einer so vortrefflichen Mutter und so vielen guten Nachbarn und Freunden und einem Haus, in dem es an nichts fehlte. Ihr schlichtes und heiteres Wesen, ihr zufriedenes und dankbares Gemüt dienten ihr bei jedermann als Empfehlung und waren für sie selbst eine Quelle des Glücks. Sie redete gern viel von Kleinigkeiten, was Mr. Woodhouse sehr gelegen kam, und steckte stets voller nichtiger Neuigkeiten und harmloser Klatschgeschichten.

Mrs. Goddard leitete eine Schule – kein Seminar, keine Anstalt oder etwas, was in geschraubten, unsinnigen Sätzen behauptet, auf neuer Grundlage und nach neuen Systemen höhere Bildung mit eleganter Moral zu verbinden – und wo man junge Damen für ein Heidengeld um ihre Gesundheit bringen und zu eitlen Dingern machen lassen kann –, sondern ein richtiges, ehrliches, altmodisches Mädchenpensionat, wo man ein vernünftiges Maß an Fertigkeiten zu einem vernünftigen Preis verkauft und wo man Mädchen hinschicken kann, damit sie nicht im Wege sind und sich ein bißchen Bildung aufklauben, ohne gleich Gefahr zu laufen, daß sie als Wunderwesen zurückkommen. Mrs. Goddards Schule stand in gutem Ruf – und sehr verdientermaßen, denn Highbury galt als ein besonders gesunder Ort; sie hatte ein geräumiges Haus und einen großen Garten, gab den Kindern reichliche und bekömmliche Kost, ließ sie im Sommer viel herumtollen und verband ihnen im Winter die Frostbeulen mit eigener Hand. Es war kein Wunder, daß ihr jetzt ein Zug von zwanzig Paar jungen Mädchen zur Kirche folgte. Sie war eine ungekünstelte, mütterliche Frau, die in ihrer Jugend viel gearbeitet hatte und sich jetzt berechtigt glaubte, sich gelegentlich die Zeit zu einem Teebesuch zu nehmen; und da sie einst Mr. Woodhouses Güte viel verdankte, so glaubte sie es ihm zu schulden, daß sie ihre ordentliche, ringsum mit Nadelarbeiten ausgehängte Stube verließ, sooft sie konnte, um an seinem Kamin ein paar Sixpence zu gewinnen oder zu verlieren.

Das also waren die Damen, die Emma häufig versammeln konnte; und sie war um ihres Vaters willen froh, daß sie die Möglichkeit dazu hatte; wenn es auch, was sie selbst betraf, nicht über das Fehlen von Mrs. Weston hinwegtrösten konnte. Es freute sie, wenn ihr Vater sich behaglich fühlte, und sie war sehr mit sich zufrieden, daß sie alles so gut einzurichten verstand; aber das langweilige Geschwätz dreier solcher Frauen gab ihr das Gefühl, daß jeder so verbrachte Abend tatsächlich einer jener langen Abende sei, vor denen sie sich gefürchtet hatte.

Als sie eines Morgens dasaß und sich auf einen ebensolchen Abschluß des Tages gefaßt machte, brachte man ihr ein Billett von Mrs. Goddard, die sehr respektvoll darum bat, Miss Smith mitbringen zu dürfen; eine höchst willkommene Bitte; denn Miss Smith war ein siebzehnjähriges Mädchen, das Emma von Ansehen gut kannte und auf das sie wegen seiner Schönheit schon seit langem aufmerksam geworden war. Also schickte die schöne Hausherrin eine sehr freundliche Einladung und sah dem Abend ohne Furcht entgegen.

Harriet Smith war irgend jemandes natürliche Tochter. Irgend jemand hatte sie vor mehreren Jahren auf Mrs. Goddards Schule geschickt, und irgend jemand hatte sie unlängst aus dem Stand einer einfachen Schülerin in den einer Haustochter erhoben. Das war alles, was von ihrer Geschichte bekannt war. Sie hatte keine sichtbaren Freunde außer denen, die sie sich in Highbury erworben hatte, und war soeben von einem langen Besuch bei einigen jungen Damen auf dem Lande zurückgekehrt, die mit ihr zur Schule gegangen waren.

Sie war sehr hübsch, und ihre Schönheit war von einer Art, die Emma besonders bewunderte. Sie war klein, rund und niedlich, mit feinem, frischem Teint, blauen Augen, blondem Haar, ebenmäßigen Zügen und sehr viel Anmut im Blick; und noch ehe der Abend zu Ende ging, hatte Emma an ihren Manieren ebensoviel Gefallen gefunden wie an ihrem Äußeren und war fest entschlossen, die Bekanntschaft fortzusetzen.

Miss Smith überraschte in der Unterhaltung nicht gerade durch besondere Gewandtheit, aber Emma fand sie trotzdem sehr anziehend – nicht übermäßig schüchtern, nicht unmitteilsam – und dennoch keineswegs vorlaut; und Miss Smith bezeigte ihr eine so schickliche und geziemende Hochachtung, war so wohltuend dankbar für die Einladung nach Hartfield und schien von dem ungewohnten Glanz so ungekünstelt beeindruckt, daß sie ein gutes Urteil haben mußte und gefördert zu werden verdiente. Gefördert sollte sie werden. Diese sanften blauen Augen und diese natürliche Anmut sollten nicht an die schnöde Gesellschaft von Highbury und Umgebung verschwendet werden. Die Bekanntschaften, die sie bereits geschlossen hatte, waren ihrer nicht würdig. Die Freunde, von denen sie sich soeben getrennt hatte, waren zwar ganz anständige Leute, mußten ihr aber schaden. Es handelte sich um eine gewisse Familie Martin; Emma kannte die Martins sehr gut vom Hörensagen. Sie hatten von Mr. Knightley eine große Farm gepachtet und wohnten in der Gemeinde Donwell – wahrscheinlich ehrbare Leute – Emma wußte, daß Mr. Knightley große Stücke auf sie hielt –, aber sie mußten doch grob und ungeschliffen sein und konnten sich nicht als Umgang für ein Mädchen eignen, dem an seiner Vollkommenheit nichts weiter fehlte als noch einige Kenntnisse und etwas Eleganz. Sie wollte auf Miss Smith achtgeben; sie wollte sie bilden; sie wollte sie von ihrem schlechten Umgang lösen und sie in die gute Gesellschaft einführen; und sie wollte ihre Ansichten und ihr Benehmen formen. Es wäre ein interessanter und gewiß ein sehr menschenfreundlicher Versuch, und er entspräche ganz ihrer eigenen Stellung im Leben, ihren Neigungen und Fähigkeiten.

Sie war so damit beschäftigt, diese sanften blauen Augen zu bewundern, zu plaudern und zuzuhören und zwischendurch all diese Pläne zu schmieden, daß ihr der Abend ganz ungewohnt wie im Fluge verging; und die Tafel für das Nachtmahl, das solche Gesellschaften stets beschloß und dessen Zeit sie sonst immer herbeisehnte, stand bereits fertig gedeckt vor dem Kamin, ehe sie etwas davon merkte. Mit noch mehr als dem gewöhnlichen Eifer eines Gemüts, das noch nie gegenüber dem Lob, alles gut und aufmerksam zu tun, gleichgültig geblieben war – mit der echten Bereitwilligkeit eines Geistes, der sich an seinen eigenen Einfällen entzückt, machte sie dann die Honneurs bei Tische, legte vor und empfahl das Hühnerfrikassee und die gebackenen Austern mit einem Nachdruck, von dem sie wußte, daß er dem Wunsch nach frühem Aufbruch und dem höflichen Sträuben ihrer Gäste willkommen sein würde.

Bei solchen Gelegenheiten gerieten Mr. Woodhouses Gefühle in einen bedauerlichen Zwiespalt. Er hatte es gern, wenn die Tafel gedeckt wurde, denn das war in seiner Jugend so Mode gewesen; da er aber Nachtmahlzeiten für sehr unbekömmlich hielt, so war er recht bekümmert, wenn etwas daraufgestellt wurde; und während er seinen Besuchern aus Gastfreundschaft gern alles vorsetzte, stimmte ihn die Sorge um ihre Gesundheit traurig, wenn sie etwas aßen.

Ebenso ein Tellerchen von dem dünnen Haferschleim, den er selber aß, war alles, was er ihnen mit voller Überzeugung empfehlen konnte, obwohl er es, wenn sich die Damen an die leckeren Dinge hielten, mitunter über sich brachte zu sagen:

»Mrs. Bates, darf ich Ihnen vorschlagen, doch einmal diese Eier zu probieren. Ein sehr weich gekochtes Ei ist nicht ungesund. Niemand versteht sich besser darauf, ein Ei zu kochen, als Serle. Ich würde Ihnen nicht zu einem Ei raten, das jemand anders gekocht hätte – aber Sie können unbesorgt sein, die Eier sind ja nur sehr klein, eines von den kleinen wird Ihnen nicht schaden. Miss Bates, lassen Sie sich doch von Emma noch ein wenig von den Törtchen auftun – ein ganz klein wenig. Es sind alles Apfeltörtchen. Bei uns brauchen Sie keine Angst vor ungesundem Eingemachtem zu haben. Ich rate Ihnen nicht zu dem Eierrahm. Mrs. Goddard, wie wär’s mit einem halben Gläschen Wein? Ein halbes kleines Glas – in einem Becher Wasser? Ich glaube nicht, daß es Ihnen nicht bekommen würde.«

Emma ließ ihren Vater reden – tat aber ihren Besuchern weit reichlicher auf; und sie hatte an diesem Abend das besondere Vergnügen, ihre Gäste beglückt nach Hause zu entlassen. Miss Smith war ganz so glücklich, wie es ihrer Erwartung entsprach. Miss Woodhouse war in Highbury eine so bedeutende Persönlichkeit, daß die Aussicht, ihr vorgestellt zu werden, ebensoviel Furcht wie Freude in ihr erweckt hatte – aber das bescheidene, dankbare kleine Mädchen ging höchst zufrieden heim – sie war entzückt, daß Miss Woodhouse sie den ganzen Abend so leutselig behandelt und ihr doch zum Schluß tatsächlich die Hand gegeben hatte!

Viertes Kapitel

Harriet Smiths freundschaftlicher Verkehr in Hartfield war bald etwas Feststehendes. Rasch und entschlossen in all ihrem Tun, verlor Emma keine Zeit, sie einzuladen, zu ermuntern und zu bitten, doch öfter wiederzukommen; und je mehr sich ihre Bekanntschaft vertiefte, um so mehr wuchs das Gefallen, das sie aneinander fanden. Emma hatte sehr bald vorausgesehen, welch eine nützliche Begleiterin sie an ihr auf ihren Spaziergängen finden könnte. In der Hinsicht war es ein schwerer Verlust, daß sie nicht mehr Mrs. Weston hatte. Ihr Vater ging nie über das Lustwäldchen hinaus, und zwei Parkbeete genügten ihm für seinen langen oder seinen kurzen Spaziergang, je nach Jahreszeit; und seit Mrs. Weston geheiratet hatte, fehlte es Emma an der nötigen Bewegung. Sie hatte sich einmal allein bis nach Randalls gewagt, aber es war kein Vergnügen, und eine Harriet Smith, die sie jederzeit zu einem Spaziergang herbestellen könnte, wäre für sie eine wertvolle Bereicherung. Doch je näher sie sie kennenlernte, um so mehr war sie in jeder Hinsicht mit ihr einverstanden und fand sich in all ihren menschenfreundlichen Absichten bestätigt.

Harriet war gewiß nicht geistreich, aber sie hatte ein angenehmes, folgsames, dankbares Wesen; Dünkel war ihr völlig fremd, und sie wünschte nur, sich von jemand leiten zu lassen, zu dem sie aufblicken konnte. Wie schnell sie sich zu Emma hingezogen fühlte, das war sehr reizend; und ihre Vorliebe für gute Gesellschaft und ihre Fähigkeit, zu erkennen, was elegant und geistreich war, deuteten darauf hin, daß es ihr nicht an gutem Geschmack fehlte, wenn man auch keinen scharfen Verstand bei ihr erwarten durfte. Alles in allem war Emma überzeugt, daß Harriet Smith gerade die junge Freundin war, die sie brauchte – genau das, woran es ihr zu Hause fehlte. An eine Freundin wie Mrs. Weston war gar nicht zu denken. Zwei solche Freundinnen waren einem nie vergönnt. Zwei solche Freundinnen brauchte sie auch nicht. Es war etwas ganz anderes – ein davon verschiedenes und unabhängiges Gefühl. Mrs. Weston war für sie Gegenstand einer Hochachtung, die auf Dankbarkeit und Wertschätzung beruhte. In Harriet dagegen würde sie einen Menschen lieben, dem sie nützen konnte. Für Mrs. Weston konnte sie nichts tun; für Harriet alles.

Ihre ersten Versuche, sich nützlich zu machen, bestanden darin, daß sie sich herauszufinden bemühte, wer die Eltern waren; aber Harriet konnte ihr nichts Näheres darüber sagen. Sie erzählte bereitwillig alles, was sie wußte, doch alle Fragen zu diesem Thema waren vergeblich. Emma war gezwungen, sich etwas Beliebiges vorzustellen – aber sie konnte nicht glauben, daß sie in der gleichen Lage nicht die Wahrheit herausbekommen hätte. Harriet hatte keinen Scharfblick. Sie hatte sich damit zufriedengegeben, alles anzuhören und zu glauben, was ihr Mrs. Goddard darüber zu sagen hatte, und forschte nicht weiter.

Mrs. Goddard und die Lehrerinnen und die Mädchen und die Ereignisse in der Schule im allgemeinen machten natürlich einen großen Teil von Harriets Gesprächsstoff aus – und ohne ihre Bekanntschaft mit den Martins vom Abbey-Mill-Hof wäre es sicher auch der einzige gewesen. Doch die Martins nahmen ihre Gedanken zu einem guten Teil in Anspruch; sie hatte zwei glückliche Monate bei ihnen verbracht und erzählte jetzt gern von den Freuden ihres Besuchs und den vielen Annehmlichkeiten und Wundern, die es dort gab. Emma regte sie zur Mitteilsamkeit an – sie belustigte sich über eine solche Schilderung einer anderen Gattung von Lebewesen und genoß die jugendliche Einfalt, die so begeistert davon reden konnte, daß Mrs. Martin zwei gute Stuben hatte, zwei sehr schöne gute Stuben, die eine ebenso groß wie Mrs. Goddards Salon; und daß sie eine Großmagd hatte, die schon seit fünfundzwanzig Jahren bei ihr lebte; und daß sie acht Kühe hatten, darunter zwei Alderneys und eine kleine Waliser Kuh, eine sehr hübsche kleine Waliser Kuh; und daß Mrs. Martin gesagt hatte, man wolle sie ihre Kuh nennen, weil sie sie so gern habe; und daß sie im Garten eine sehr schöne Sommerlaube hatten, in der sie im nächsten Jahr einmal alle Tee trinken wollten – eine sehr schöne Sommerlaube, in die ein Dutzend Menschen hineingingen.

Eine Zeitlang war sie belustigt, ohne an etwas anderes zu denken als den unmittelbaren Anlaß; doch als sie sich ein besseres Bild von der Familie machen konnte, wechselten ihre Gefühle. Sie hatte sich falsche Vorstellungen gemacht und angenommen, es handle sich um Mutter und Tochter, einen Sohn und dessen Frau, die alle unter einem Dache wohnten; als sich aber herausstellte, daß der Mr. Martin, der in der Erzählung eine Rolle spielte und ständig wegen seiner großen Gutmütigkeit gelobt wurde, noch ledig war; daß es in diesem Fall keine junge Mrs. Martin, keine Ehefrau gab – da witterte sie in all dieser Gastlichkeit und Güte eine Gefahr für ihre arme kleine Freundin und befürchtete, wenn man sich nicht ihrer annähme, so würde sie vielleicht aufgefordert werden, sich für immer wegzuwerfen.

Nach dieser beunruhigenden Vorstellung nahmen ihre Fragen an Zahl und Bedeutung zu; insbesondere veranlaßte sie Harriet, ihr mehr über Mr. Martin zu erzählen – und Harriet war anscheinend nicht abgeneigt.

Harriet berichtete sehr bereitwillig, wie er sich an ihren Mondscheinspaziergängen und an den fröhlichen abendlichen Spielen beteiligt hatte, und verbreitete sich ausführlich darüber, daß er so außerordentlich gutmütig und zuvorkommend war. Eines Tages war er drei Meilen weit geritten, um ihr ein paar Walnüsse zu bringen, weil sie gesagt hatte, wie gern sie welche äße – und auch in allen andern Dingen war er immer so zuvorkommend! Eines Abends ließ er den Sohn des Schäfers in die gute Stube kommen und Harriet etwas vorsingen. Sie hatte Gesang so gern. Er konnte selbst ein wenig singen. Sie hielt ihn für sehr tüchtig und glaubte, er verstehe alles. Er hatte eine sehr schöne Herde, und als sie bei ihnen war, bot man ihm für seine Wolle mehr als jedem andern im Lande. Sie glaubte, alle redeten gut von ihm. Seine Mutter und seine Schwestern liebten ihn sehr. Mrs. Martin hatte eines Tages zu ihr gesagt (und sie errötete, als sie es erzählte), daß man sich keinen besseren Sohn denken könne; und deshalb sei sie überzeugt, wenn er einmal heirate, so werde er einen guten Gatten abgeben. Nicht, daß sie wolle, daß er heirate. Sie habe es damit gar nicht eilig.

›Gut gemacht, Mrs. Martin!‹ dachte Emma. ›Sie wissen, was Sie wollen.‹

Und als sie wieder weggegangen war, da war Mrs. Martin so freundlich gewesen, ihr eine schöne Gans für Mrs. Goddard mitzugeben, die schönste Gans, die Mrs. Goddard je gesehen hatte. Mrs. Goddard hatte sie an einem Sonntag zubereitet und alle drei Lehrerinnen, Miss Nash, Miss Prince und Miss Richardson, zum Abendessen eingeladen.

»Ich vermute, Mr. Martin ist kein Mann, dessen Kenntnisse über seinen eigenen Erwerbszweig hinausgehen. Er liest wohl nicht?«

»O doch! Das heißt – nein – ich weiß es nicht – aber ich glaube, er hat viel gelesen – aber nichts, was Sie für lesenswert halten würden. Er liest die ›Landwirtschaftlichen Jahrbücher‹ und einige andere Bücher, die auf einer der Fensterbänke lagen – aber die liest er alle allein. Aber ehe wir uns abends zum Kartenspiel setzten, las er uns manchmal etwas aus den ›Eleganten Blättern‹ vor – sehr unterhaltsam. Und ich weiß, daß er den ›Landpfarrer von Wakefield‹ gelesen hat. ›Die Romanze im Walde‹ und die ›Klosterkinder‹ hat er nicht gelesen. Er hatte von diesen Büchern noch nie etwas gehört, ehe ich sie erwähnte; aber er will sie sich jetzt so bald wie möglich besorgen.«

Die nächste Frage lautete: »Wie sieht denn Mr. Martin aus?«

»Oh – nicht besonders – gar nicht so besonders. Erst hielt ich ihn für häßlich, aber jetzt finde ich ihn nicht mehr so häßlich. Wissen Sie, nach einer Weile gewinnt er. Aber haben Sie ihn denn noch nie gesehen? Er ist ab und zu in Highbury, und er kommt bestimmt jede Woche einmal durch das Dorf, wenn er nach Kingston reitet. Er ist schon oft bei Ihnen vorbeigekommen.«

»Das kann schon sein – und ich habe ihn vielleicht schon fünfzigmal gesehen, aber ohne zu ahnen, wie er heißt. Ein junger Landwirt ist das allerletzte, was mich neugierig machen kann, ob er nun zu Fuß geht oder reitet. Die Gutspächter sind gerade der Menschenschlag, von dem ich weiß, daß ich nichts mit ihm zu tun haben kann. Einige Stufen niedriger, und Leute von anständigem Auftreten könnten mich interessieren; ich könnte vielleicht hoffen, mich irgendwie ihrer Familie nützlich zu machen. Aber ein Pächter ist nicht auf meine Hilfe angewiesen und steht in dieser Hinsicht zu hoch, als daß ich ihn beachten könnte, während er in jeder anderen Hinsicht dafür zu tief steht.«

»Gewiß. O ja, es ist unwahrscheinlich, daß er Ihnen schon einmal aufgefallen ist – aber er kennt Sie wirklich sehr gut – vom Sehen natürlich.«

»Ich zweifle nicht daran, daß er ein sehr achtbarer junger Mann ist. Ich weiß sogar, daß er das ist, und deshalb wünsche ich ihm das Beste. Für wie alt halten Sie ihn denn?«

»Er wurde am achten Juni vierundzwanzig, und mein Geburtstag ist am dreiundzwanzigsten – genau einen halben Monat später! Ein merkwürdiger Zufall, nicht wahr?«

»Erst vierundzwanzig. Da ist er noch zu jung zum Heiraten. Seine Mutter hat völlig recht, wenn sie es damit nicht eilig hat. Es scheint ihnen ja auch so ganz gut zu gehen; wenn sie sich die Mühe machen wollte, ihn zu verheiraten, dann würde sie es wahrscheinlich bereuen. In sechs Jahren – wenn er dann einmal ein anständiges Mädchen kennenlernt, das seinem eigenen Stande angehört und etwas Geld mitbringt, das wäre ihm sehr zu wünschen.«

»In sechs Jahren! Liebe Miss Woodhouse, dann wäre er ja dreißig!«

»Nun, die meisten Männer können eben nicht eher heiraten, wenn sie unbegütert sind. Ich nehme an, Mr. Martin muß sich erst einmal ein Vermögen erwerben – er kann doch noch gar nicht auf Rosen gebettet sein. Wieviel er auch geerbt haben mag, als sein Vater starb – welcher Teil des Familienbesitzes ihm auch zufallen mag –, es ist doch vermutlich alles nicht flüssig, alles in Vieh angelegt und so weiter; und wenn er auch mit Fleiß und etwas Glück vielleicht einmal wohlhabend wird, so ist es doch so gut wie ausgeschlossen, daß er es schon jetzt zu etwas gebracht hat.«

»Gewiß, so ist es. Aber sie stehen sich ganz gut. Sie haben keinen Diener – aber sonst fehlt es ihnen an nichts; und Mrs. Martin redet davon, daß sie sich auch im nächsten Jahr einen Burschen nehmen wollen.«

»Hoffentlich entstehen Ihnen einmal keine Verlegenheiten daraus, wenn er heiratet, Harriet – ich meine, aus der Bekanntschaft mit seiner Frau –, denn wenn sich auch gegen seine Schwestern, die ja eine bessere Erziehung genossen haben, nicht unbedingt etwas einwenden läßt, so bedeutet das doch nicht, daß er eine Frau heiraten wird, mit der Sie verkehren können. Bei den unglücklichen Umständen Ihrer Geburt müssen Sie ganz besonders darauf achten, mit wem Sie Umgang haben. Es besteht überhaupt kein Zweifel, daß Sie die Tochter eines Gentlemans sind, und Sie müssen Ihren Anspruch auf diese Stellung mit allen Mitteln unterstützen, die Ihnen zu Gebote stehen, oder es wird viele Leute geben, die Sie mit Vergnügen degradieren werden.«

»Ja, gewiß – die wird es sicher geben. Aber solange ich in Hartfield verkehre und Sie so nett zu mir sind, Miss Woodhouse, so lange fürchte ich mich nicht davor, was mir irgendwer antun kann.«

»Sie verstehen sehr gut, was Einfluß vermag, Harriet; ich möchte Sie aber in der guten Gesellschaft so voll anerkannt sehen, daß Sie sogar von Hartfield und Miss Woodhouse unabhängig sind. Ich möchte, daß Sie dauerhafte gute Verbindungen anknüpfen – und dazu wäre es ratsam, daß Sie möglichst wenig unpassende Bekannte haben; ich sage Ihnen: sollten Sie noch hier in dieser Gegend sein, wenn Mr. Martin einmal heiratet, dann lassen Sie sich nur nicht durch Ihre Freundschaft mit den Schwestern dazu verleiten, mit seiner Frau Bekanntschaft zu schließen, denn sehr wahrscheinlich wird sie eine bloße ungebildete Bauerntochter sein.«

»Gewiß. Ja. Ich glaube zwar, daß Mr. Martin nur eine Frau heiraten wird, die auch ein bißchen Bildung hat – und sehr gut erzogen wurde. Ich will jedoch nicht Ihrer Ansicht widersprechen – und ich werde mich ganz bestimmt nicht danach sehnen, mit seiner Frau bekannt zu werden. Seine Schwestern werde ich immer sehr hoch achten, besonders Elizabeth, und es würde mir sehr leid tun, den Verkehr mit ihnen abzubrechen, denn sie hatten keine schlechtere Erziehung als ich. Aber wenn er eine ungebildete, gemeine Frau heiratet, dann ist es sicher besser, daß ich sie nicht besuche, wenn ich es vermeiden kann.«

Emma beobachtete sie, wie sie während dieser Rede schwankte, und bemerkte keine beunruhigenden Anzeichen von Liebe. Der junge Mann war ihr erster Bewunderer gewesen, aber sicher gab es nichts anderes, was sie an ihn band, und Harriet würde bestimmt keine ernsthaften Schwierigkeiten machen, wenn sie selbst einige freundschaftliche Vorkehrungen für sie träfe.

Sie begegneten Mr. Martin am nächsten Tage, als sie auf der Straße nach Donwell spazierengingen. Er war zu Fuß, und nachdem er Emma sehr ehrerbietig angesehen hatte, sah er mit unverhohlener Freude ihre Begleiterin an. Emma bedauerte es nicht, daß sich ihr eine so günstige Gelegenheit bot, zu sondieren; sie ging einige Schritte weiter, während die beiden miteinander sprachen, und machte ihr rasches Auge bald genügend mit Mr. Robert Martin bekannt. Sein Äußeres wirkte sehr adrett, und er machte den Eindruck eines vernünftigen jungen Mannes, aber sonst hatte er nichts Vorteilhaftes an sich; und wenn man ihn mit Gentlemen verglich, dann würde er wohl den Platz wieder abtreten müssen, den er in Harriets Herz erobert hatte. Harriet war für gute Manieren nicht unempfänglich; sie hatte von selbst das sanfte Wesen ihres Vaters voller Bewunderung und mit Erstaunen bemerkt. Mr. Martin sah nicht danach aus, als ob er wüßte, was gute Manieren sind.

Sie blieben nur wenige Minuten beisammen, da sie Miss Woodhouse nicht warten lassen konnten; und dann kam Harriet herbeigelaufen, strahlte über das ganze Gesicht und befand sich in einer Gemütsverfassung, die Miss Woodhouse sehr bald wieder zu beruhigen hoffte.

»Stellen Sie sich so was vor, daß wir ihn getroffen haben! – Wie merkwürdig! Es war reiner Zufall, sagte er, daß er nicht den Weg über Randalls nahm. Er glaubte nicht, daß wir je diesen Weg gehen würden. Er dachte, wir gehen an den meisten Tagen nach Randalls. Er hat sich noch nicht die ›Romanze im Walde‹ besorgen können. Als er das letztemal in Kingston war, da hatte er so viel zu tun, daß er es ganz vergaß, aber morgen ist er wieder dort. Ist das merkwürdig, daß wir uns getroffen haben! Nun, Miss Woodhouse, ist er so, wie Sie ihn sich vorgestellt hatten? Wie finden Sie ihn denn? Finden Sie ihn sehr häßlich?«

»Er ist sehr häßlich, ohne Zweifel – ungewöhnlich häßlich –, aber das ist gar nichts im Vergleich mit seinem vollständigen Bildungsmangel. Ich hatte nicht das Recht, viel von ihm zu erwarten, und ich habe nicht viel von ihm erwartet; aber ich ahnte nicht, daß er so überaus bäurisch, so ganz ohne jeden Schliff ist. Ich muß gestehen, ich hatte ihn mir eine ganze Kleinigkeit gebildeter vorgestellt.«

»Gewiß«, sagte Harriet betreten, »er ist nicht so gebildet wie wirkliche Gentlemen.«

»Ich glaube, Harriet, seit Sie bei uns verkehren, waren Sie schon wiederholt in Gesellschaft einiger echter Gentlemen, so daß Ihnen der Unterschied zu Mr. Martin selbst aufgefallen sein muß. In Hartfield haben Sie einige sehr gute Beispiele für wohlerzogene, wohlgebildete Männer kennengelernt. Es würde mich überraschen, wenn Sie danach noch einmal mit Mr. Martin zusammen sein könnten, ohne zu bemerken, daß er ein sehr niedriger Mensch ist – und ohne sich darüber zu wundern, daß Sie ihn je angenehm finden konnten. Fangen Sie nicht schon an, das zu spüren? Ist es Ihnen nicht aufgefallen? Ich bin überzeugt, Sie haben bemerkt, wie plump er aussieht und wie grob er sich benimmt – und wie rauh seine Stimme ist; ich konnte es bis hierher hören, daß sie völlig unmelodisch klingt.«

»Gewiß, er ist nicht wie Mr. Knightley. Er hat nicht so viel Schliff und eine so vornehme Haltung wie Mr. Knightley. Ich sehe den Unterschied deutlich genug. Aber Mr. Knightley ist ja auch so vornehm!«

»Mr. Knightley hat ein so vollendetes Benehmen, daß es ungerecht wäre, Mr. Martin mit ihm zu vergleichen. Sie finden vielleicht nicht einen Mann unter hundert, dem das Wort ›Gentleman‹ so deutlich im Gesicht geschrieben steht wie Mr. Knightley. Aber er ist nicht der einzige Gentleman, dessen Umgang Sie in letzter Zeit gewohnt waren. Was sagen Sie zu Mr. Weston und Mr. Elton? Vergleichen Sie doch einmal Mr. Martin mit einem von ihnen. Vergleichen Sie einmal ihre Art, sich zu bewegen, zu gehen, zu sprechen, zu schweigen. Der Unterschied muß Ihnen doch ins Auge springen.«

»O ja! Es ist schon ein großer Unterschied. Aber Mr. Weston ist doch schon fast ein alter Mann. Mr. Weston ist doch sicher schon hoch in den Vierzigern.«

»Um so wertvoller sind seine guten Manieren. Je älter ein Mensch wird, Harriet, um so mehr kommt es darauf an, daß er keine schlechten Manieren hat – um so auffälliger wird lautes Wesen, Roheit oder Plumpheit. Was in der Jugend hingehen mag, wird im Alter abscheulich. Mr. Martin ist jetzt plump und grob; wie wird er erst sein, wenn er einmal so alt ist wie Mr. Weston?«

»Das läßt sich gar nicht sagen!« erwiderte Harriet ziemlich ernst.

»Aber es läßt sich ziemlich gut denken. Er wird ein richtiger grober, bäurischer Stoffel sein, der keinerlei Rücksicht auf den guten Ton nimmt und an nichts anderes denkt als an Gewinn und Verlust.«

»So, ja, das wäre ja sehr schlecht.«

»Wie sehr ihn seine Geschäfte schon jetzt in Anspruch nehmen, zeigt sich ganz deutlich darin, daß er sich nach dem Buch zu erkundigen vergessen hat, das Sie ihm empfohlen haben. Er hatte viel zu sehr den Markt im Kopf, um an irgend etwas anderes zu denken – und so soll es ja auch sein, wenn ein Mann es zu etwas bringen will. Was hat er schon mit Büchern zu schaffen? Und ich zweifle auch nicht daran, daß er es eines Tages zu etwas bringt und ein sehr wohlhabender Mann wird – und daß er ungebildet und grob ist, braucht uns ja nicht zu stören.«

»Ich wundere mich, daß er nicht an das Buch gedacht hat«, war alles, was Harriet darauf zu erwidern hatte, und aus ihren Worten sprach ein so ernstliches Mißfallen, daß Emma meinte, sie damit getrost sich selbst überlassen zu können. Deshalb sagte sie eine Weile gar nichts, ehe sie den Faden wieder aufnahm.

»In einer Hinsicht hat Mr. Elton vielleicht noch feinere Manieren als Mr. Knightley oder Mr. Weston. Seine Manieren sind freundlicher. Man kann sie unbesorgt als Vorbild hinstellen. Mr. Weston hat ein offenes, kurz angebundenes, ja beinahe barsches Wesen, das jedermann bei ihm gut leiden kann, weil es sich mit so viel Humor verbindet – aber es würde sich für niemand empfehlen, es nachzuahmen. Das gleiche gilt für Mr. Knightleys festes, bestimmtes, herrisches Auftreten – obwohl es zu ihm