6,99 €
Gesammelte Gedichte von Christa Wißkirchen aus den Jahren 1980 bis 2020.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 56
Ich rede fließend
mit mir. Aber das Sprechen
lernte ich von euch.
Junger Ahorn
Auf dem Boden des Systems
Anhörung
Blickfeld
Ländlicher Anblick
Kein Stein
Tierwappen
Nach der Flut
Anspruch
Das Blatt
Sehen, verstehen
Der Reif
Am Rhein
Hund in der U-Bahn
Biotop
Stilleben
Der Granit
Winter
Die Muschel
Waldesrand
Porno
Gesellschaft der Krüge
Der graue Phönix
Sie gehn
Grafik
Im Bogen
Flaumfeder
Stop
Eben noch
Klangraum
Mörikes Bildschirmschoner
Die Farne
Grüne Walnuss
Stabheuschrecke
Steinatem
Trabantenbeschimpfung
Wie das schwarze Kalb...
sagt T.
Symmetrisch: die Möwe und ich
Düne
Staub
Zwei Farben des Ackers
Ballon?
Großer Bruder
Physik
ON
Der Nährwert des Kiesels
Das Girl und der Tod
Comcom
Das Schweigen
Generationssuppe
Als Petrarca
Fasson
Futterale
Kontaminiert zurück
dienst leister ballade
Nachtsequenz
Abendschein
Anblick eines Anblicks
Buchsbaum
Das a in Vater
Dienstbesprechung
Die Schildkröten
Draußen
Feldkreuz
Genitiv-Etüde
Halme
Heurige Amsel
Hohlraum in Flussnähe
Irische Melodie
Kein Durchgang
Kleist - Lebenszeilen
Krypta
Lady
Lichteffekt
Lupus in fabula
Mails
Matinee
Minute
Mohn-Verlauf
M-Optionen
Neuerscheinung
Plötzliches Genügen
Prinz in der Hecke
Privat
Risus paschalis
Säuberung
Sanctus
Scan
Selbstversuch
Sonderfall
Spät
Sprach-Verlagerung
Sterbender Pianist
Stufen der Einsicht
Teppich
Zisternen
Schnittmuster
Crescendo
Choralbearbeitung
Unten
Vorstufen
Open air
Groteske
Mensch filmt Natur
Gott, homöopathisch
Mond-Event
Zeitgenossen
Zufuhr
Lichtkanal
Versäumter Apparat
Verirrter ICE
Störung
Verhängnis
Lichtquelle
Rosemarie
Auf dem Seil
Reflexe
SteinLeben
Bleistift
Die Linie
Mein Tiger zum Tee
Meldung
Devise mit alten A-Wörtern
Robert W. auf der Buchmesse
Sub-Alphabet
Im Feldlager
Ritter, Tod und sag ihn nicht
Denknest
SEIFE
Die Drähte
Sprache des Winds
Altstadt-Geläut
Schätze der Menschen
nil admirari
Status
Fragen Sie den Professor
Das untere Leben
Fandango
Stadtführung
Veränderungen über A ist B
Passt
Interne Direktive
Die guten Tassen
Kleists Bär
Poeten-Promenade
Idol
Schöpfungsplan A/ B
Glanz
Grabmal des unbekannten Datums
Handvoll
Anprobe
System
Seitenschiff mit Erddrehung
Marder
Er
Exhibitionist
Brutkolonie
Ende der Ausbaustrecke
Das Lächeln der Wellen
Der Fund
Der Hund und die Glocken
Inspektion
Die Menschen!
Homo
Warnung vor Pluralgebrauch
Vor der Erfindung
Es ist nicht Hochmut
Unmöglichkeit einer Kastanie
Die Schraube
Trauerhaken
Dichter-Gewissen
Dom, außen
Evolutionsgewinn
Wo er aufwächst, leicht schief an der Böschung,
ist tiefste Provinz,
aber das weiß er nicht.
Es gibt diesen Tümpel, etwas Gebüsch,
jedoch keinerlei kulturelle Impulse
(hier waren nicht mal die Römer).
Still, wenig Wind. Ohne Publikum
greift er, gegen die Schwerkraft, aus in den Raum,
färbt, denn es ist grad die Zeit, seine wenigen Blätter
(das aber – sagen wir doch: genial).
Tümpel und Böschung kann er nicht sehen,
weil er ja blind ist.
Aber das weiß er nicht.
Umgangsformen, das ja:
höflich bedauert der Läufer,
wenn er nun abschnurrt, der Turm
bittet um Nachsicht für Gradlinigkeit (seine Natur),
die Königin streift zarte Handschuhe an, eh sie mordet,
nur diese Bauern, zäh und verschlagen,
stampfen wie immer nach vorn, vorn, vorn.
Sie haben ihr Alibi allezeit bei sich,
insgemein blitzen ihnen die Augen
vom Charme unendlicher Möglichkeiten,
niemals berührn sie einander
beim unerbittlich grazilen Wenn-Dann-Menuett,
und so sind sie unschlagbar.
Aber der eine Funke, der glimmt ihnen nie:
dass der gnädige, große, mit Tränen ersehnte,
der SPIELVERDERBER, der künftig verheißene,
dass er in Wahrheit kommen
könnte und ihnen unter den Füßen wegziehn
das schwarzweiße Feld.
Aber es gibt zuviele
Aber das schillernde Kragengeschmeide
passgenaue Schichtung
zartmetallisches Fließen der kleinen Deckfedern
wenn sie das Hälschen rucken im Trippeln
Aber es gibt zuviele
Aber das Auge rundes Juwel
und das Phänomen Flug
sie können es alle
auch die zänkischen milbenverseuchten
und ihre Familienangelegenheiten
wichtige Gurr-Gründe
auf verkrusteten Filigransimsen
zwischen Kadavern im Glockenturm
Aber es gibt zuviele
Aber sahst du je eine junge
reinstes Pastell
wie sie erstmals die Welt
anblickt …
Dach, Stern und Sichel haben nichts gemein,
einander fern stehn sie in Abendklarheit
mir nur zugleich im Blickfeld, doch das Auge
nennt sie in einem Atem, unbelehrbar,
und komponiert ein frommes Abendbild.
So lass ich sie, das Dach, den Stern, die Sichel,
drei Chiffren eines Kinderabendfriedens,
der nie gewesen, aber mir gewiss ist,
dort stehn als unbeweisbaren Besitz.
Lauter Programmabläufe parallel
auf ein Rechteck gebündelt
aufrecht, gedrängt und grün.
Zeitgleich erheben sie sich zunächst
bis zu gewisser Höhe plus-minus
hängen wenns soweit ist
die weißlichen Staubfäden raus
treuherzig unprätentiös
überm dämmernden Halmwald schwanken
die Fruchtknoten-Aggregate
allseits gleiches Design
paarsymmetrischer Vorrat
bis zu gewisser Anzahl plus-minus.
Ungeheurer unhörbarer Multiplikations-
Knall explodierendes Hoffnungs-Kollektiv.
Lassen sich dann ohne Gegenwehr
umhaun wenns soweit ist
ihre Sprengkraft sich absammeln geduldig
von schlauen Herrenwesen.
Bizarre Erfindung
kaum im Vorbeigehn zu fassen
was sich: Gerstenfeld nennt.
Es wird
Abend im Klosterhof
unter rötlichem Licht
schatten die Mulden
kein Stein
ohne Mal viel Abende kamen hier schon
unsre Hand ist so jung
auf dem
Mauerrand ansässig da wie der Fels
nur wenig geschliffen von Händen der
anderen
man sollte solang das rötliche Licht
Laubgeruch Abendgeräusche vielleicht noch
bleiben
Zwei Vogelwesen, man sieht sie
geschlungen in verrenkter Symmetrie,
die gefährlichen Schnäbel einander nah.
Es kommen und gehn die Betrachter
und sehn einen Kampf.
Das ist Täuschung.
Zwei Vogelwesen,
ein jedes sucht Zuflucht
unter den Flügeln des andern.
Das Wasser fällt
und sie kommen wieder zum Vorschein
die Pfähle des Wissens.
Zäune und Wegweiser
vermessen aufs neue das Land.
Zieh die schweren Stiefel an: zu Schiff
kommst du nicht mehr über den Acker.
Und da
im Zeichengewimmel der großen Wand
zwischen Kratzspuren geritzten Malen
tasten die Fingerspitzen staunend ein weites Oval
großzügig geschwungen in klarem Bogen:
die leere Königskartusche der Liebe.
Niemand ist je imstand
den Meißel zu führen
wir fühlen an ihr vorbei
sie bleibt leer.
Gib acht, schon bröckelt
es zwischen den Rippen aus,
gebleichtes Netzwerk zur Hälfte,
doch lange noch kenntlich: ein Ahornblatt.