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Diplomarbeit aus dem Jahr 2007 im Fachbereich Soziale Arbeit / Sozialarbeit, Note: 1, Universität Kassel, Sprache: Deutsch, Abstract: Eine Zuordnung des frühkindlichen Autismus wird im ersten Teil der Arbeit ermöglicht. Ein knapper Überblick über die Themengebiete Entwicklung seit der Erstbeschreibung, Ätiologie und Pathogenese, Prävalenz, Klassifikation und Symptomatik sowie Diagnostik wird gegeben. Der Hauptteil der Arbeit setzt sich mit der Entwicklung von Kindern mit frühkindlichem Autismus auseinander. Der kindliche Entwicklungsverlauf wird an den Bereichen Sensorik, Motorik, Stereotypien und Verhaltensauffälligkeiten, Kognition, affektive und soziale Entwicklung, Spielverhalten sowie Sprachentwicklung und Kommunikationsverhalten skizziert. Im dritten und letzten Teil der Arbeit wird mit dem TEACCH-Ansatz eine Möglichkeit der Förderung von Kindern mit frühkindlichem Autismus vorgestellt. Die Entstehungsgeschichte von Division TEACCH in den USA wird kurz dargestellt, bevor anschließend der pädagogisch-therapeutische Ansatz, das Structured Teaching mit den beiden Hauptbestandteilen Strukturierung und Visualisierung sowie die Förderung des Sozialverhaltens und der Kommunikationskompetenz erläutert werden. Zudem werden kritische Punkte benannt und Kernaussagen aus Studien zur Effektivität von TEACCH dargestellt.
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„Das Leben im Autismus ist eine miserable Vorbereitung für das Leben in einer Welt ohne Autismus. Die Höflichkeit hat viele Näpfchen aufgestellt, in die man treten kann. Autisten sind Meister darin, keines auszulassen.“1
Warum ist das so? Die vorliegende Arbeit hat sich zum Ziel gesetzt, anhand der Darstellung der Entwicklung von Kindern mit frühkindlichem Autismus Antworten aufzuzeigen. Am Beispiel des TEACCH-Ansatzes soll demonstriert werden, wie die Kinder bei ihrem Hineinwachsen in dieseWelt ohne Autismusunterstützt und gefördert werden können.
Es wird nicht der Anspruch erhoben, einzelne Teilbereiche in voller Tiefe behandeln zu können, doch wird gehofft, dass diese Arbeit einen allgemeinen und gut verständlichen Beitrag über den Entwicklungsverlauf darstellt.
Eine Zuordnung des frühkindlichen Autismus wird im ersten Teil der Arbeit ermöglicht. Ein knapper Überblick über die Themengebiete Entwicklung seit der Erstbeschreibung, Ätiologie und Pathogenese, Prävalenz, Klassifikation und Symptomatik sowie Diagnostik wird gegeben.
Der Hauptteil der Arbeit setzt sich mit der Entwicklung von Kindern mit frühkindlichem Autismus auseinander. Der kindliche Entwicklungsverlauf wird an den Bereichen Sensorik, Motorik, Stereotypien und Verhaltensauffälligkeiten, Kognition, affektive und soziale Entwicklung, Spielverhalten sowie Sprachentwicklung und Kommunikationsverhalten skizziert.
Im dritten und letzten Teil der Arbeit wird mit dem TEACCH-Ansatz eine Möglichkeit der Förderung von Kindern mit
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frühkindlichem Autismus vorgestellt. Die Entstehungsgeschichte von Division TEACCH in den USA wird kurz dargestellt, bevor anschließend der pädagogisch-therapeutische Ansatz, dasStructured Teachingmit den beiden Hauptbestandteilen Strukturierung und Visualisierung sowie die Förderung des Sozialverhaltens und der Kommunikationskompetenz erläutert werden. Zudem werden kritische Punkte benannt und Kernaussagen aus Studien zur Effektivität von TEACCH dargestellt.
Die Entscheidung, TEACCH als Beispiel einer Fördermöglichkeit auszuwählen, beruht zum einen darauf, dass dies ein interdisziplinärer Ansatz ist und somit unter anderem auch Handlungsfelder für die Sozialpädagogik bietet. Zum anderen spielt der individuelle Entwicklungstand des jeweiligen Kindes eine zentrale Rolle im TEACCH-Ansatz. „It is essential, however, to understand each individual's developmental profile so that activities and expectations can be introduced at levels that will be most meaningful. If tasks are meaningful, they will be understood more easily, later practiced independently, and finally generalized.“2So schließt sich dieses Fördermodell nahtlos an eine Darstellung der Entwicklung von Kindern mit frühkindlichem Autismus an.
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Der Begriffautistischwird bereits 1911 von Bleuler eingeführt, der damit die Tendenz schizophrener Patienten beschreibt, sich in ihre Innenwelt zurückzuziehen.31943 veröffentlicht Kanner in den USA in der ZeitschriftNervous Childelf Fallbeschreibungen von Kindern - unter dem TitelAutistic Disturbances of Affective Contact.4Dieser Artikel gilt als die Erstbeschreibung des frühkindlichen Autismus’. Im gleichen Jahr schreibt Asperger in Europa, aufgrund der Umstände im zweiten Weltkrieg ohne Kenntnis von Kanners Werk, über autistisches Verhalten.5In den folgenden Jahrzehnten hält sich die vor allem von Bettelheim vertretene These, der frühkindliche Autismus würde ausgelöst durch ein Fehlverhalten der Eltern. Der Begriff derKühlschrankmutterwird geprägt.6Heute wird allgemein anerkannt, dass potentielle Störungen der Eltern-Kind-Beziehung aus dem Leben mit dem Autismus resultieren und nicht umgekehrt. Trotzdem halten sich nach wie vor Schuldgefühle seitens der Eltern.7
Lange Zeit herrscht Uneinigkeit darüber, ob der frühkindliche Autismus ein eigenständiges klinisches Erscheinungsbild ist. Rutter prägt 1978 den Begriff derEntwicklungsstörungund ersetzt somit den bis dato verwendeten Psychosebegriff. Dies hat Auswirkungen auf die Diagnosekriterien und führt dazu, dass der frühkindliche Autismus 1980 offiziell anerkannt und in eine neue Klasse der Behinderungen aufgenommen wird - die dertiefgreifenden Entwicklungsstörungen.8Heute geht man vor allem im anglo-amerikanischen Sprachraum mehr und mehr dazu
Vgl. Remschmidt 2000, S. 93Vgl. Kanner 1943, S. 2174Vgl. Asperger 1960, S. 535
Vgl. Bettelheim 1984, S. 525-5296
Vgl. Frith 1992, S. 81; Klicpera/Gasteiger Klicpera 1996, S. 252; Sigman/Capps 2000,7S. 140
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über, von einerAutism Spectrum Disorderzu sprechen, ein Begriff, der die große Heterogenität innerhalb des Erscheinungsbildes ausdrücken soll.9
Für die vorliegende Arbeit wurde bewusst der Begriff des frühkindlichen Autismus’ gewählt. Zum einen, weil er bislang im deutschen Sprachraum noch gängig ist, zum anderen um eine Eingrenzung und Spezifizierung innerhalb eines weiten Spektrums zu ermöglichen.
Nachdem in Kapitel 2 einführend ein Überblick über die Entwicklung der Autismusforschung seit der Erstbeschreibung Kanners gegeben wurde, wird im Folgenden beschrieben, wie sich die aktuelle Sachlage in derUrsachenforschungdarstellt und welchen Aufgaben sich zukünftige Studien widmen werden.10
Amorosa spricht von Autismus als einempolyätiologischen Syndrom.Dem heutigen Forschungsstand zufolge ist man sich einig, dass Autismus von verschiedenen Faktoren bedingt wird.11„Die Autistische Störung ist eben keine einheitliche Krankheit mit einer einzigen Ätiologie. Es ist ein heterogenes
Verhaltenssyndrom, das sich mit vielen unterschiedlichen Ätiologien in Zusammenhang bringen lässt.“12
Seit längerer Zeit werdenneuroanatomische, hirnorganischeundgenetischeEinflüsse auf ihre Beteiligung bei der Entstehung von
Vgl. Kusch/Petermann 2001, S. 16-189
10Da die vorliegende Arbeit dieEntwicklungundFörderungvon Kindern mit frühkindlichem Autismus zum Gegenstand hat, wird an dieser Stelle der aktuelle Forschungsstand in der Ätiologie lediglich skizziert. Weiterführende Literatur findet sich zum Beispiel bei Bölte/Feineis-Matthews/Poustka 2001; Kusch/Petermann 2001; Rutter 2000 & 2005
11Vgl. Amorosa 1996, S. 13; Frith 1992, S. 94; Sigman/Capps 2000, S. 140
12Sigman/Capps 2000, S. 140
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Autismus untersucht. „Im Hinblick auf dieses Syndrom sind zwei Komponenten für Ätiologie und Genese gut belegt: hirnorganische Faktoren und genetische Einflüsse.“13Mit unterschiedlicher Häufigkeit wird immer wieder eine Beziehung zwischen hirnorganischen Erkrankungen und Autismus beschrieben,14während Bölte, Feineis-Matthews & Poustka keine „(…) invariante Beziehung zum Autismus“15sehen.
Koenig, Tsatsanis & Volkmar halten fest, dass sich die Forschung heute mit Störungen im Zentralnervensystem und genetischen Faktoren beschäftigt. „Although in the first two decades following its initial description by Kanner there was relatively little awareness regarding the neurobiological aspects of the disorder, it is now clear that autism is associated with a number of features that suggest abnormal nervous system functioning and that implicate genetic factors.”16
Bedeutende Fortschritte wurden in der genetischen Forschung gemacht. „We know now that, despite that early skepticism, genetic influences are hugely important in the liability to autism, that they involve the operation of several interacting genes, and that the liability extends well beyond traditional concepts of a handicapping disorder usually accompanied by some degree of mental retardation, and often with the development of epilepsy in adolescence.”17Heute wird angenommen, dass zu 90% genetische Faktoren an der Entstehung von Autismus beteiligt sind. Jedoch sind auch erworbene Schädigungen, prä- oder perinataler Art, unter bestimmten Voraussetzungen als Ursachen möglich.18
13Weber/Remschmidt 1997, S. 359
14Vgl. Sigman/Capps 2000, S. 137-139; Weber/Remschmidt 1997, S. 359
15Bölte/Feineis-Matthews/Poustka 2001, S. 223
16Koenig/Tsatsanis/Volkmar 2001, S. 81
17Rutter 2000, S. 11, Fehler i. Org.
18Vgl. Kusch/Petermann 2001, S. 38
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Als zukünftige Aufgaben der ätiologischen Forschung sieht Rutter die Identifizierung der betroffenen Gene und, darauf aufbauend, die Nutzung der genetischen Befunde, um nach weiteren Risiko-faktoren der Umwelt zu suchen. Des Weiteren fordert er, auf der Grundlage der Erkenntnis, dass die Anzahl der diagnostizierten Autismusfälle in den letzten 20 Jahren deutlich gestiegen ist, die Erforschung der Zusammenhänge zwischen Immunstörungen und Autismus: „There is no doubt that to a very considerable extent, this is likely to reflect a combination of better ascertainment and a broadening of the diagnostic concept. On the other hand, it is not possible to rule out the possibility of a real rise in incidence. If there has, some form of immunological factor would constitute a plausible possibility. It is generally assumed that autism constitutes some form of system disorder and, although the main focus has been on brain systems, it is necessary to consider the possibility of the implication of broader bodily systems. The research need, therefore, is for high-quality research to examine the possibility that some cases of autism might be due to some form of immunological dysfunction.”19
Eng verbunden mit den Ergebnissen der Ursachenforschung ist diePathogenese,d.h. die Entwicklung des frühkindlichen Autismus. Kusch & Petermann stellen ein ätiopathogenetisches Modell vor, in dem sieprädisponierende, auslösendeundaufrechterhaltende Bedingungenden biologischen, psychologischen und sozialen Faktoren als Ordnungsprinzip zugrundelegen: „Auslösende Bedingungen gehen häufig mit dem ersten Auftreten von biologischen oder psychosozialen Symptomen einher. Sie führen dazu, daß die Belastungsgrenzen des Organismus überschritten werden, so zum Beispiel wenn Reifungsprozesse, Entwicklungsschritte oder die soziale Umwelt
19Rutter 2005, S. 251f.
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bestimmte Anforderungen an den Organismus stellen. Im wesentlichen hängt es aber von den prädisponierenden Faktoren ab, ob es durch auslösende Bedingungen zu einer akuten oder chronischen Störung kommt.“20Die aufrechterhaltenden Bedingungen, die ebenfalls aus biologischen, psychologischen und sozialen Faktoren bestehen können, beeinflussen die Entwicklung des frühkindlichen Autismus’ hauptsächlich „(…) nachdem die ersten typischen Verhaltenssymptome beobachtbar sind.“21Auch Frith sieht die Notwendigkeit, bei der Erforschung einer Entwicklungsstörung, die Interaktion verschiedener Faktoren zu berücksichtigen.22
Analog zur Ätiologie bleibt auch die Pathogenese, trotz bereits erheblicher Erkenntnisfortschritte, vorerst ungeklärt.23
Bezüglich derHäufigkeitdes frühkindlichen Autismus’ lässt sich festhalten, dass es verschiedene Angaben aufgrund eines unterschiedlich eng bzw. weit gefassten Diagnosebegriffes gibt.24
Ähnlich wie Rutter bestätigen auch Kusch & Petermann einenAnstieg der Prävalenzraten:„Um diesen Anstieg zu verstehen, muß geklärt werden, ob es tatsächlich mehr Kinder mit autistischen Störungen gibt oder es sich um ein Artefakt handelt. So können Stichprobenfehler, eine gesteigerte Sensibilität gegenüber den Störungen oder differenzierte diagnostische Kriterien und Erhebungsmethoden die Angaben verfälschen.“25
20Kusch/Petermann 2001, S. 38f.
21Kusch/Petermann 2001, S. 42
22Vgl. Frith 1992, S. 82
23Vgl. Kusch/Petermann 2001, S. 40
24Vgl. Kusch/Petermann 2001, S. 49
25Kusch/Petermann 2001, S. 53
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Das Diagnostische und Statistische Manual Psychischer Störungen (DSM-IV-TR) gibt einen Median von 5 Fällen von diagnostiziertem Autismus auf 10000 Personen an.26Ähnliche Zahlen finden sich auch bei anderen Autoren.27
DieGeschlechterverteilungzeigt, dass Autismus bei Jungen verbreiteter ist als bei Mädchen, mit einem Verhältnis von vier bis fünf zu eins.28„Einige Studien haben ergeben, dass dieses Verhältnis in Abhängigkeit zum IQ ansteigt, es also bedeutend mehr autistische Jungen als Mädchen gibt, die einen IQ von mehr als 50 aufweisen.“29Mädchen haben beispielsweise einen niedrigeren nonverbalen Intelligenzquotienten und schneiden bei Tests zu einfachen Aufgaben des täglichen Lebens, zur Sprache und zur Wahrnehmung schlechter ab. Sie sind demzufolge zusätzlich zu dem Autismus noch von anderen Beeinträchtigungen stärker betroffen als Jungen. Betrachtet man jedoch Bereiche wie Spiel, Affekt und Beziehungsfähigkeit, so lässt sich kein signifikanter Unterschied feststellen. „Dieses Ergebnis ist wichtig, denn es spricht dafür, daß diese speziellen Merkmale, die für Autismus entscheidend sind, relativ unabhängig von der intellektuellen Leistungsfähigkeit und von erworbenen Fertigkeiten bestehen.“30
Die beidenKlassifikationssysteme ICD-10undDSM-IV-TRunterscheiden in der Gruppe der tiefgreifenden Entwicklungs-26Vgl.American Psychiatric Association 2003, S. 106
27Z. B. Klicpera/Klicpera Gasteiger 1996, S. 244; Sigman/Capps 2000, S. 13 Kusch/Petermann 2001, S. 54 und Volkmann/Chawarska/Klin 2005, S. 317 setzen die Zahlen jedoch deutlich höher an. Bei Letzteren finden sich Angaben zwischen 1 : 500 und 1 : 1000.
28Vgl. American Psychiatric Association 2003, S. 106
29Sigman/Capps 2000, S. 13; siehe auch Frith 1992
30Frith 1992, S. 65
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störungen zwischen dem frühkindlichen Autismus, dem Aspergersyndrom, dem atypischen Autismus, dem Rett-Syndrom, anderen desintegrativen Störungen des Kindesalters, sonstigen tiefgreifenden Entwicklungsstörungen und nicht näher bezeichneten tiefgreifenden Entwicklungsstörungen.31Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist der frühkindliche Autismus. Im Folgenden wird, wenn nicht anders kenntlich gemacht, ausschließlich auf dieses Syndrom Bezug genommen.
Vor allem im anglo-amerikanischen Sprachraum wird die sprachliche Unterscheidung zwischenhigh-undlow-functioning Autistengetroffen. Gemeint ist hiermit ein IQ im Normalbereich bzw. eine zusätzliche geistige Behinderung. Der überwiegende Teil der Menschen mit frühkindlichem Autismus ist zusätzlich von einer geistigen Behinderung betroffen. Klicpera & Gasteiger gehen davon aus, dass bei nur 3% der Menschen mit frühkindlichem Autismus der Intelligenzquotient im Normalbereich liegt.32
Beim frühkindlichen Autismus sind in Anlehnung an Kanner und Rutterdrei Kernsymptomezu nennen:
•soziale Zurückgezogenheit
•Sprach- bzw. Kommunikationsstörungen
•Angst vor Veränderungen33
Die ICD-10 und das DSM-IV-TR führen statt des Gleicherhaltungstriebs „(…) ein deutlich eingeschränktes Repertoire an Aktivitäten und Interessen“34an.
31Vgl. American Psychiatric Association 2003, S. 107; Weltgesundheitsorganisation 2006, S. 275-286
32Vgl. American Psychiatric Association 2003, S. 105; Frith 1992, S. 65f.; Klicpera/Gasteiger Klicpera 1996, S. 2447
33Vgl. Klicpera/Gasteiger Klicpera 1996, S. 243f.
34American Psychiatric Association 2003, S. 103; siehe auch Weltgesundheitsorganisation 2006, S.277
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„Die wesentlichen Symptome des Autismus sind sowohl bei geistig behinderten wie bei normal intelligenten Kindern anzutreffen, die Störung ist nur bei niedrigerer Intelligenz in vielen Bereichen stärker ausgeprägt.“35
Charakteristisch für den frühkindlichen Autismus ist ein auf allen Ebenen auffällig ungleichmäßiges Entwicklungsprofil.36
Die diagnostischen Kriterien der ICD-10 der Weltgesund-heitsorganisation und die des DSM-IV-TR der American Psychiatric Association sind weitgehend übereinstimmend. Im Folgenden werden die Kriterien der ICD-10 aufgeführt, da sich dieses Klassifikationssystem im Allgemeinen international ausrichtet, während das DSM-IV-TR eher auf US-amerikanische Verhältnisse zugeschnitten ist.
„A. Vor dem dritten Lebensjahr manifestiert sich eine abnorme und beeinträchtigte Entwicklung in mindestens einem der folgenden Bereiche:
1. rezeptive oder expressive Sprache, wie sie in der sozialen Kommunikation verwandt wird;
2. Entwicklung selektiver sozialer Zuwendung oder reziproker sozialer Interaktion; 3. funktionales oder symbolisches Spielen. B. Insgesamt müssen mindestens sechs Symptome von 1., 2. und 3. vorliegen, davon mindestens zwei von 1. und mindestens je eins von 2. und 3.:
1. Qualitative Auffälligkeiten der gegenseitigen sozialen Interaktion in mindestens zwei der folgenden Bereiche:
a. Unfähigkeit, Blickkontakt, Mimik, Körperhaltung und Gestik zur Regulation sozialer Interaktionen zu verwenden; b. Unfähigkeit, Beziehungen zu Gleichaltrigen aufzunehmen,
35Innerhofer/Klicpera 1988, S. 184
36Vgl. Frith 1992, S. 100
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c. Mangel an sozio-emotionaler Gegenseitigkeit, die sich in einer
d. Mangel, spontan Freude, Interessen oder Tätigkeiten mit
2. Qualitative Auffälligkeiten der Kommunikation in mindestens einem der folgenden Bereiche:
a. Verspätung oder vollständige Störung der Entwicklung der
b. relative Unfähigkeit, einen kommunikativen, sprachlichen
c. stereotype und repetitive Verwendung der Sprache oder idiosynkratischer Gebrauch von Wörtern oder Phrasen;