Erdmanns Deutschland - Konrad Erdmann - E-Book

Erdmanns Deutschland E-Book

Konrad Erdmann

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Beschreibung

In Erdmanns Deutschland - Über Bonn nach Berlin" beschreibt der Autor den verschuldeten Verlust der deutschen Gebiete östlich der Oder und Neiße nach dem Zweiten Weltkrieg, die mit der Vertreibung von mehr als zwölf Millionen Menschen auch aus weiteren Gebieten verbunden war. Das Sowjetimperium schob sich im Westen bis zur Elbe vor. In der Folge existierten zwei deutsche Staaten mit unterschiedlichen Gesellschaftssystemen. Beschrieben werden die Protagonisten und ihr politisches Handeln in den deutschen Staaten. Der Weg zum Fall der Mauer, das Ringen der Bundesregierung mit den Alliierten zur Wiedervereinigung sowie die Beschreibung der nicht vorhersehbaren Probleme, die Beitrittsländer in die Bundesrepublik Deutschland zu integrieren, sind wesentliche Aussagen des Buches. Der versteckte Zugriff des jetzt russischen autoritären Regimes auf die westlich demokratischen Staaten kommt in dem Versuch zum Ausdruck, den Krieg in der Ukraine zu erklären. Nicht nur am Beispiel seiner Familie berichtet der Autor vom Leben und der erfahrenen Willkür in der DDR.

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Wie wurde Deutschland zu dem, was es heute ist? Auch im zweiten Band steht diese Frage ganz im Mittelpunkt. Wie schafften es die beiden Erzfeinde Frankreich und Deutschland sich auszusöhnen? Wie hat Deutschland es nach der Katastrophe des Dritten Reiches geschafft, in den Kreis zivilisierter Völker zurückzukehren? Ganz im Zentrum stehen jedoch die deutsche Teilung und die Wiedervereinigung Deutschlands mit ihren Folgen. Spätestens hier gerät die persönliche Familiengeschichte tief in den Strudel der deutsch / deutschen Geschichte. Historische Geschehnisse werden am Beispiel der eigenen Familie anschaulich - und bleiben somit stets spannend, ja und auch unterhaltsam.

Inhalt Teil 2

I. Kapitel - Die Welt nach dem Zweiten Weltkrieg

1. Schuld und Sühne

2. Stalins Machtansprüche

3. Das Potsdamer Abkommen

II. Kapitel – Die Deutschlandpolitik der Siegermächte

1. Die Besatzungszonen

2. Die Initiativen der Westalliierten

3. Die Ländergründungen

4. Der West – Ostzerfall

5. Die Aufnahme politischer Arbeit in der Trizone

6. Die Zonen der Westalliierten

7. Die sowjetisch besetzte Zone der Sowjets (SBZ)

8. Das Leben meiner Familie in der SBZ/DDR

III. Kapitel - Die Zweistaatlichkeit Deutschlands

1. Der Weg zur Bundesrepublik Deutschland

2. Die Deutsche Demokratische Republik

3. Die Familientrennung

IV. Kapitel - Die deutschen Staaten bis zur Wende

1. Deutschland in den 60er Jahren

2. Deutschland in den 70er Jahren

3. Die Bundesrepublik in den 80er Jahren

4. Der Zusammenbruch des Ostblocks

V. Kapitel - Der Prozess der deutschen Einheit

1. Der Zerfall des sozialistischen Systems

2. Die Wege zur Einheit

3. Die Zwei-plus-Vier-Verhandlungen

4. Der Tag der deutschen Einheit Auszüge aus der Rede des Bundespräsidenten

VI. Kapitel - Die Berliner Republik

1. Der Umbruch durch den Beitritt

2. Die Kosten der Einheit

3. Die Stasi-Akten

4. Irritationen nach der Wende

5. Regierungswechsel

6. Die Krisen

7. Flucht und Vertreibung im 21. Jahrhundert

8. Geopolitische Machtkonstellationen nach 1991

9. Rück- und Ausblick

Motivation und Dank

Literaturverzeichnis

I. Kapitel

Die Welt nach dem Zweiten Weltkrieg

1. Schuld und Sühne

Nachdem in den letzten Kapiteln des ersten Teils dem Entstehen und dem Verlauf des nationalsozialistischen Regimes umfangreich Raum gegeben wurde, sind nun in den nächsten Kapiteln die deutsche Nachkriegsgeschichte mit den Folgen der Landnahme und der Vertreibung, der Teilung und der Wiedervereinigung Deutschlands die beherrschenden Themen. Der Krieg ist vorüber. Die Menschen können noch gar nicht begreifen, dass die Gräuel des Krieges nun ein Ende haben. Nach zwölf Jahren Terrorherrschaft und einem totalen Niedergang liegt nun eine weitere Ungewissheit darüber nicht nur für Deutschland vor uns, wie es wohl in der Welt weitergehen mag.

Die Kampfhandlungen der Eroberung des gesamten deutschen Reichsgebietes und die Luftbombardements durch die Alliierten ließen ein weitgehend zerstörtes Land zurück. Der Anteil der getöteten und geschädigten deutschen Zivilbevölkerung durch den Luftkrieg der Alliierten ist heute als ein Verbrechen einzustufen. Die Verschleppung und Vertreibung teilweise mit Todesfolgen der Bevölkerung aus ihren Wohngebieten deutscher Ostgebiete ist analog einzuordnen. Der Anteil der Kinder und Frauen bei diesem Massaker war sehr hoch. Diesen Blutzoll mit dem Verbrechen des Naziregimes zu rechtfertigen, kann nicht hingenommen werden.

Nicht nur für Deutschland waren die Folgen des Krieges mehr als einschneidend. Es gab nur wenige Länder, die durch Weltkriegsereignisse von 1939 bis 1945 nicht betroffen waren, abgesehen vielleicht von den Ländern des mittel - und südamerikanischen Kontinents. Die Länder des britischen Empires bezahlten durch gestellte Truppenkontingente ebenfalls einen hohen Blutzoll.

Japan konnte in seinen aggressiven Eroberungsplänen des asiatischen Raums - der schon Anfang der 30er Jahre begann - letztendlich erst durch den Abwurf von zwei Atombomben im August 1945 zur Aufgabe gezwungen werden. Die Schlusspunkte dieses verheerenden Krieges konnten schrecklicher nicht sein. Ein neues Zeitalter der Waffentechnik beschwor die Gefahr eines Weltuntergangs herauf.

Die großen Gewinner waren zunächst die Sowjetunion und die Vereinigten Staaten von Amerika, wobei Letztere ein bedeutend günstigeres Startpotential für den Auf- und Ausbau ihrer Weltpolitik hatten. Sie hatten, im Gegensatz zu der Sowjetunion, die Basis eines unzerstörten Landes.

Großbritannien und Frankreich waren jedoch nach dem Krieg großen Veränderungen ausgesetzt. Sie meinten jedoch, ihre Kolonialpolitik der Vorkriegszeit im alten Stil fortführen zu können. Dem war nicht so. Nicht nur die heimkehrenden Kolonialtruppen trugen zu Veränderungen in ihren Heimatländern bei. Farbige Eliten emanzipierten sich und trugen freiheitliches Gedankengut in die Bevölkerungen ein.

Frankreich war als ein teilweise besetztes, aber in Gänze bis zum Ende des Krieges vom Deutschen Reich abhängiges Land, bei den Entscheidungen der alliierten Siegermächte zunächst außen vor.

Den höchsten Blutzoll nebst unermesslichen Zerstörungen hatte die Sowjetunion und Polen erlitten. Trotz dieser enormen Verluste konnte die Sowjetunion nach dem Krieg durch ihre zielgerichtete, autoritäre, aber weiterhin skrupellose, menschenverachtende Diktatur über die Jahre zur militärischen Weltmacht neben den USA aufsteigen.

Die Vereinigten Staaten von Amerika und die Sowjetunion bestimmten dann über einen langen Zeitraum das Weltgeschehen. Die 1949 gegründete Volkrepublik China gesellte sich später dazu. Asiatische Staaten wie Japan, Südkorea sowie die Bundesrepublik Deutschland „mauserten“ sich zu wirtschaftlichen Großmächten.

Stellvertreterkriege erfassten den asiatischen, afrikanischen und den mittel- und südamerikanischen Kontinent.

Die nach dem Krieg geteilten Länder, Korea, Vietnam und Deutschland haben nach dem Krieg bis heute jeweils einen unterschiedlichen Geschichtsverlauf durchlaufen:

Korea verharrt nach einem Stellvertreterkrieg in der Ausgangssituation eines geteilten Landes in den Systemen bis heute.

Vietnam - ein schrecklicher Krieg setzte allem Übel die Spitze auf - muss sich noch finden und sehen, welchen Weg dieses Land gehen will.

Deutschland hat, wie Korea und letztendlich auch Vietnam, nach einer ebenso verordneten, teilweise schmerzhaften Teilung, friedlich und überwiegend selbstbestimmt, in die Wiedervereinigung gehen können. Wir Deutschen hatten das Glück - bei nur geringen Einflussmöglichkeiten in einem atomaren Umfeld - aus dem Wettrüsten der Weltmächte heil herausgekommen zu sein. Ein weiter Weg, der es Wert ist, noch einmal begleitet zu werden.

Immerhin konnten sich 1945 in New York die Vereinten Nationen (UNO) nach dem Niedergang des Völkerbundes in den 20er Jahren erneut und mit Erfolg konstituieren. Das Hauptanliegen der UNO ist die Einhaltung des Weltfriedens; ein schwieriges Unterfangen, wie sich weiterhin zeigen soll.

Jedoch, noch bestimmten die genannten Weltmächte über einen langen Zeitraum unsere Lebensbedingungen in Ost und West. Die Tragödie der deutschen Teilung begann.

Die Deutschen und der Nationalsozialismus

Ein Teil der deutschen Bevölkerung „rettete“ sich in Verharmlosungen dieses brutalen, lebensvergiftenden Regimes. So konnte man über einen langen Nachkriegszeitraum vernehmen, dass Zeitgenossen noch nicht geheilt sind bzw. sich erneut infiziert haben. Frühe Gespräche mit Kriegsteilnehmern – heute wird man kaum noch welche sprechen können –äußerten sich oft so, als wenn sie die ereignisreichste Zeit ihres Lebens verbracht hätten. Das stimmt zwar, aber Kritik in Bezug auf den Krieg und zu der Zeit allgemein war kaum zu hören. Die Kriege gegen Polen und Frankreich waren wohl „Spaziergänge“ mit anschließendem Spaß in der französischen Etappe. Rommels anfangs „glorreicher“ Afrikafeldzug wurde „durch und durch gekaut“. Ja, vor Moskau kam der frühe Winterbruch, sonst hätte „die Sache“ wohl anders ausgesehen. „Wo wir heute wohl ständen“? Und so weiter (…).

Zum anderen wurden die Deutschen durch die Zeit des Hitlerregimes paralysiert. Ereignisse wurden später schöngeredet und größtenteils in der Bundesrepublik nie richtig aufgearbeitet, weil die dafür Zuständigen teilweise auch Täter oder zumindest Mitläufer waren. Als dann die Alliierten den Deutschen deren Grausamkeiten servierten, schämte sich der größte Teil, ein kleinerer Teil der Täter, bedauerte, dass ihre „Vorhaben“ nicht vollendet werden konnten.

Die Nachfolgegeneration wurde im Osten mit den Abläufen der Hitlerzeit intensiver informiert. Die Besuche der Konzentrationslager zum Beispiel Ravensbrück der „Jungen Pioniere“ und später Buchenwald für die Mitglieder der „Freien Deutschen Jugend“ waren für mich verpflichtend und prägend.

Der westliche Teil Deutschlands ging allgemein mit der Aufarbeitung dieser Zeit, gelinde gesagt, zurückhaltender wenn nicht sogar nachlässiger um. Daher fiel es dieser Nachfolgegeneration schwerer, eine objektivere Einstellung zu finden. Die differenzierte, schulische Aufarbeitung ließ auch zu wünschen übrig. Daraus ergab sich eine unterschiedliche Aufarbeitung der Nazizeit in Ostund Westdeutschland. Das Geschichtsbild der Deutschen in Bezug auf das Dritte Reich kann man als ambivalent bezeichnen. Aber darüber wird noch zu sprechen sein.

Verbrechen an den sowjetischen Völkern

Der Überfall auf die Sowjetunion durch das „Dritte Reich“ hatte zur Folge, dass mehr als 20 Millionen Opfer, die aus soldatischen „Kampfopfern“ und verbrecherischen Opfern an Kriegsgefangenen und Zivilpersonen bestanden, zu beklagen waren. Darüber hinaus wurde ein weitest gehendes zerstörtes Land zurückgelassen.

Haben die Alliierten im Nürnberger-Kriegsverbrecherprozess mit der Verurteilung der Haupttäter, soweit man sie in Gewahrsam nehmen konnte, noch in weitgehender Einigkeit agiert, so erfolgte die weitere Bestrafung hunderttausender Täter des „Dritten Reiches“ in den Zonen und späteren deutschen Staaten dem jeweiligen System entsprechend nicht nur unvollkommen, sondern auch unterschiedlich.

Die USA ahndeten, wie aufgeführt, die Verbrechen an KZInsassen der Führungs- und Wachmannschaften in den Prozessen von Dachau und weiteren Lagern. Die Sowjets gingen umfangreicher und oft wenig rechtsstaatlich vor, je nach Erfordernis der Lage. Sie praktizierten in Abhängigkeit zu ihren Leiden im Krieg eine fast verständliche pauschale Härte hinsichtlich der deutschen Kriegsgefangenen, es sei denn, die Gefangenen hätten langfristig nützlich sein können, wie sich später bei der Weiterentwicklung der Raketen und der Entwicklung der Nukleartechnik zeigen sollte. Die spätere DDR-Justiz betätigte sich bei der Verfolgung von Kriegsverbrechen als Zuarbeiter der Sowjets.

Die Anglo-Amerikaner hatten in den ersten Nachkriegsmonaten logistische Versorgungsprobleme, der großen Anzahl der Kriegsgefangenen Herr zu werden. Die Franzosen hatten Mühe, die militärische Niederlage 1940 und die folgenden über vier Jahre währende Besetzung zu verkraften und sie verhielten sich nach dem Krieg zunächst entsprechend.

Die politischen Organe der jungen Bundesrepublik meinten wohl, die Verfolgung und Aburteilung von Kriegsverbrechen sei Sache der Alliierten. Viele der neuen „Bundesdiener“ waren selbst belastet und froh, nicht belangt zu werden. Die Verbrechen an den Juden wurden jedoch offensichtlicher publiziert und die Erinnerungskultur durch Anlegen und Öffnen von Gedenkstäten intensiviert.

Die Verbrechen der Himmler-Mordkommandos und auch der Wehrmacht im Barbarossa-Feldzug wurden in ihrem Ausmaß eher heruntergespielt. Die Hauptthemen der beteiligten Generation und auch meiner waren doch: Warum ging dieser Krieg verloren? Ist der Verlust der Heimat auf ewig hinzunehmen? Die Fragen zu einem Schuldbekenntnis, diese Schuld sühnen zu wollen und erste Schritte einer Vergebung gehen zu wollen, das waren kaum ernsthaft, öffentlich-diskutierte Themen.

Die immense Schuld an den Völkern der Sowjetunion wurde in der Bundesrepublik Deutschland kaum thematisiert. Im Vordergrund standen die enormen Probleme der Nachkriegszeit, die Auswirkungen der brutalen Vertreibung, das versuchte Aushungern der Westberliner durch die Sowjets, die immerwährende Atomgefahr des Kalten Krieges, die wohl bis zu den Anfängen der sozialliberalen der Regierung Brandt keinen angemessenen Raum für die Wahrnehmung der eigenen Schuld und für Gespräche einer Verständigung oder des Ausgleichs mit der Sowjetunion ließen.

Die Schuld der christlichen Kirchen

Die Kirchen in Deutschland haben im August 1945 auf der Bischofskonferenz in Fulda und im Oktober 1945 der Evangelischen Kirchen in Deutschland (EKD) mit Einschluss einer Ökumene in Stuttgart einen ersten Versuch gemacht, die Verbrechen und damit die Leiden an den slawischen Völkern mit dem Schwerpunkt in Polen und der Sowjetunion, sowie gezielt an den Juden, Sinti und Roma, zu benennen. Auf eine historische Schuld wurde hingewiesen. Aber weder das Versagen der Kirchenleitungen im „Dritten Reich“ noch ein öffentlich-kritisches Verhalten hinsichtlich des Vernichtungskrieges gegen die Sowjetunion wurden bedauert. Im Darmstädter Wort des Bruderrats der EKD vom August 1947 ist zwar vom Irrweg der Kirchen und für das Eintreten für Vergebung, Versöhnung und Frieden im sozialen und politischen Sinne die Rede, jedoch schien ein Versuch der direkten Kontakt- und Gesprächsaufnahme mit den osteuropäischen Kirchen aus beiderseitigen politischen Gründen noch nicht möglich zu sein. Die Suche der Kontaktaufnahme und des Gesprächs kann nur als ein erster Schritt des Wegs der Kirchen gesehen werden. Die Politik dagegen befand sich über Jahrzehnte noch auf einem gegenläufigen Weg.

Die Kirchenführungen beider Konfessionen waren teilweise zum Überfall der Sowjetunion noch der Meinung, dass es recht sei, dem gottlosen kommunistischen Staat ein „Ende“ zu bereiten. Es wurden vom deutschnationalen Protestantismus Thesen dahingehend propagiert, dass es sich um einen Entscheidungskampf des christlichen Abendlandes gegen den Sowjetkommunismus handele. Die Einstellung der deutschen katholischen Bischöfe mit unterstützender Ansicht des Papstes zum Weltkommunismus ist als vergleichbar anzusehen. Die Kommunisten waren die Feinde der Weltkirchen. Erst, als sich im Verlauf des Krieges nach Stalingrad abzeichnete, dass die Kirchen als „Helfershelfer“ mit nicht zu übersehender Schande dastehen würden, drehte sich der Wind. Nun wurde der Herrgott beschworen, wie er die Grausamkeit des alltäglichen Krieges wohl zulassen könne. Die Überwindung des Todes stärkt den Glauben an die Auferstehung und der Bibelspruch des Johannes 15,13 ‚dass niemand eine größere Liebe hat denn die, dass er sein Leben lässt für seine Freunde‘ waren gängige Trostsprüche der Seelsorger der im Rückzug um ihr Leben kämpfenden Truppe.

Aussagen auf der Fuldaer Bischofskonferenz sowie vom Rat der Evangelischen Kirche unter ökumenischer Beteiligung in den ersten Monaten nach dem Krieg beschränkten sich auf Selbstanklagen und Bitten an Gott um Verzeihung. Danach wurden jedoch seitens der Kirchen einzelne Verbindungen zur orthodoxen Kirche der Sowjetunion aufgenommen. Diese Aufnahme der Verbindungen zu den russischen Kirchen war in der Öffentlichkeit der BRD nicht nur umstritten. Sie hatte auch keinen offiziellen Charakter. Im Darmstädter Wort des Bruderrats der EKD vom August 1947 ist zwar vom Irrweg der Kirchen und für das Eintreten für Vergebung, Versöhnung und Frieden im sozialen und politischen Sinne die Rede, jedoch scheint ein Versuch direkter Kontakt- und Gesprächsaufnahmen mit den osteuropäischen Kirchen aus beiderseitigen politischen Gründen noch nicht möglich gewesen zu sein.

Erst im Januar 1988 wurde ein gemeinsames Wort der Evangelischen Kirchen in Deutschland, der BRD und der DDR, an die Gemeinden herausgegeben. Anlässlich des 1000-jährigen Gedenkens der Taufe der Russischen Orthodoxen Kirchen wurden nun Worte der deutschen Kirchen um Vergebung zur leidvollen Vergangenheit gerichtet. Die deutschen Kirchen seien dankbar, dass die Bitten um Vergebung von den Orthodoxen Kirchen Russlands angenommen wurden. Es wurde bedauert, dass die deutschen Kirchen durch die Ablehnung des sowjetischen Systems den verbrecherischen Eroberungs- und Vernichtungskrieg sogar gestützt haben. Zum Schluss heißt es, dass die Kirchen in ihrer neuen Gemeinschaft die Kraft der Versöhnung erfahren haben.

Es sollten aber auch die christlichen Menschen genannt werden, die sich beispielhaft gegen die Naziherrschaft aufgelehnt haben. Der evangelische Pfarrer Paul Schneider zum Beispiel prangerte wiederholt die Nationalsozialisten bereits kurz nach der Machtergreifung über die Jahre an. Er wurde als „Prediger von Buchenwald“ dort 1939 ermordet. Die Beerdigung des freigegebenen Leichnams in sein Heimatdorf wurde von mehr als 1000 Gläubigen der beiden Konfessionen begleitet; darunter 200 Pfarrer in ihren Talaren.

Der 8. Mai 1945

Der 8. Mai, der Tag der Kapitulation der Wehrmacht in Berlin- Karlshorst, wurde in der Ostzone und der späteren DDR zum Tag der Befreiung vom Hitlerregime festgelegt. Dieser Tag hat heute und auch weiterhin eine historische Bedeutung. Wir „alten“ DDR-Bewohner haben diesen Tag zwar verordnet begangen, aber nie mit einer befreienden Freude, haben sich doch durch die neuen Machthaber neue Zwänge aufgetan. Hinzu kam für die Deutschen, die dem „Hitlerwahn“ erlegen waren, dass die „Befreiung“ mit Schuld verbunden war und noch nicht begreiflich erschien.

Die Aufarbeitung war vor dem Hintergrund der Schwere der begangenen Verbrechen des Hitlerregimes nach dem Zweiten Weltkrieg an vielen europäischen Völkern und besonders an den Polen und den Völkern der Sowjetunion, und hier sei die Bundesrepublik in der Aufarbeitung an erster Stelle zu nennen, war unzureichend bis mangelhaft.

Der Tag der Befreiung vom Hitlerfaschismus hat in der Bundesrepublik bis heute nicht die gefeierte Bedeutung wie in einigen anderen Ländern Europas. Die Bonner Republik hat mit dem Feiertag des 17. Juni des Aufstandes in der DDR später eher von der Stunde null im Mai 1945 von einem angemessenen Nationalfeiertag abgelenkt. Erst die Gedenkrede des Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker anlässlich des 40-jährigen Jahrestages 1985 wurde dem 8. Mai gerechter. Von Weizsäcker führte die Tatbestände der Vergangenheit von Versailles, Weimar bis zum Potsdamer Abkommen auf. Er appellierte an die noch lebenden Verursacher und an die Nachfolgegenerationen die Zeichen der Zeit ohne Vergessen einer notwendigen Erinnerung und die Schuld zu den Taten zu sehen. Der 8. Mai sei immerhin mit der bedingungslosen Kapitulation der Endpunkt einer Schreckensherrschaft des nationalsozialistischen Regimes im Deutschen Reich gewesen. Erinnerndes Gedenken für diesen Tag der Befreiung sei sicherlich für Deutschland ehrend.

Ähnliche Feststellungen zum deutschen Kapitulationstag wurden von einem Niederländer im niederrheinischen Grenzgebiet zum Nachbarland festgestellt. Während die Niederländer im März 2020 die 75-jährige Befreiung von der Wehrmacht sichtbar begehen, ist im deutschen Nachbarland nichts dazu wahrzunehmen, wie dieser Zeitzeuge verwundert in einem Artikel der NRZ bemerkte. Obige Bemerkungen könnten auch heute noch dafür eine Erklärung sein.

Die Sieger und die befreiten Staaten feiern den Zeitraum der Niederwerfung des Hitlerregimes zu Recht freudig und bewegend. Wir Deutschen hatten dagegen in der Gesamtheit der Nation unterschiedliche Betrachtungsweisen. Untergang und Aufbruch zugleich ist wohl eher ein grenzwertiges Ereignis. Aus diesen Beweggründen heraus, halte ich es heute noch für richtig und notwendig, der Aufarbeitung dieser Zeit einen nachhaltigeren Raum zu geben. Nicht zuletzt geben deutliche Anzeichen nationalistischer Gedankengänge und entsprechende Bewegungen dazu wieder Anlass.

2. Stalins Machtansprüche

Der riesige Verlust deutscher Landesteile jenseits der Oder/Neiße-Linie und die unterschiedliche Entwicklung in den besetzten Zonen, die die Entwicklung zu einem demokratischen Gesamtdeutschland nicht zuließen, waren überwiegend dem stalinistischen Machtanspruch geschuldet.

Stalin wollte im Osten mit der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) zunächst mit dem Teil Deutschlands seine Macht ausüben und festigen und sukzessive in Richtung Westen erweitern. Dafür war ein instabiler westlicher Teil Deutschlands Voraussetzung. Die systemkonformen, moskauhörigen Kommunisten in der SBZ wussten sicherlich, worauf sie sich einließen, jedoch viele Sozialdemokraten, Kommunisten oder einfach nur Menschen, die den Glauben hatten, aus den Ruinen was Neues aufzubauen, lebten überwiegend von der Hoffnung, dass die Welt menschlicher und sozialer zu gestalten sei.

Die USA, Großbritannien und Frankreich spielten gleich nach dem Krieg in Deutschland noch nicht die Rolle. Diese Mächte entstammten gefestigten bürgerlichen Demokratien und waren sich im Gegensatz zu Sowjetrussland noch gar nicht ganz im Klaren, wie sie politisch mit Deutschland weiter verfahren sollten. Bis sie sich darüber klar wurden und entscheidende Maßnahmen einleiteten, vergingen zwei Jahre. Für die Versorgung der Bevölkerung und für einen Wiederaufbau Deutschlands eine verlorene Zeit.

Die Sowjets haben erst einmal alles was nicht niet- und nagelfest war, abgebaut und rausgeschleppt. Abertausende heimkehrende Wehrmachtssoldaten, die sich nicht nach dem Westen retten konnten oder ihre Familien in der sowjetischen Besatzungszone hatten, wurden in die Kriegsgefangenschaft geführt. Nicht nur Grundbesitzer und Teile des Großbürgertums hatten sich größtenteils in den Westen über die „grüne Grenze“ abgesetzt.

Hier weise ich noch einmal auf die repressiven Staatsformen des zaristischen Russlands und nun der Sowjetunion hin, die sich nur hinsichtlich verschiedener Modalitäten auswirkten. Die besonders menschenverachtenden Praktiken der Stalin-Ära nahm sich der Nobelpreisträger Alexander Solschenizyn mit seiner Dokumentation zum Archipel Gulag (Glawnoje Uprawlenije Lagerej – Hauptverwaltung aller Lager) vor. Das Geflecht von Straflagern war über die gesamte Sowjetunion verteilt. Sie standen den NS-KZ, vielleicht bis auf die systematische Liquidierung jüdischer und slawischer Bevölkerungsteile in nichts nach und forderten Millionen Opfer in nicht genau zu benennender Höhe.

Die menschenverachtende Rolle der herrschenden Klasse sowohl in der zaristischen Ära als auch im so genannten Staat der Arbeiter und Bauern unter Stalin im Verhältnis zu allen übrigen Schichten der Bevölkerung war buchstäblich. Aus eigener Erfahrung habe ich erlebt, dass der Mensch beim Militär wie bei den Preußen, erst beim Offizier begann. Die zweite allmächtige Kaste waren die Kommissare in der Partei. Ich glaube, diese Abhängigkeit der Bevölkerungsmasse vom Führungsclan hat sich bis heute gehalten.

Die seit 1919 selbstständigen baltischen Staaten, den Pariser Verträgen von 1919 zum Hohn, wurden diesmal einem „Roten Zarenreich“ einverleibt und nicht zuletzt ist der erbitterte Widerstand, den die Finnen 1940 leisteten, um nicht ganz und gar im Sowjetreich zu verschwinden, zu betonen.

Auch die Sowjets gingen nach der Vereinnahmung Ostpolens vergleichbar grausam wie die Deutschen gegen die Elite der Bevölkerung vor. Es traf vor allem die bürgerliche Intelligenz, von der sie meinten, dass diese Menschen sich ihrer zukünftigen Herrschaft entgegenstellen würden. Den Mittelstand, mit einem hohen jüdischen Anteil, traf es durch Deportationen besonders hart. Stalin schuf in diesem Gebiet ebenso Fakten, die denjenigen in der Sowjetunion noch übertrafen. Die Massaker von Katyn und weiteren Massenmorden im Ablauf der Besetzung des polnischen Gebietes durch die Politkommissare der Roten Armee mit rd. 20.000 polnischen Eliten mit einem hohen Offiziersanteil im Jahre 1940 fiel in diese grausame Vorgehensweise Stalins. Die Offiziere, die nicht ermordet wurden, oder sich in Gefangenschaft befanden, schlugen sich auf abenteuerliche Weise bis nach Großbritannien durch und kämpften dann in polnischen Verbänden auf Seiten der Alliierten.

Vorerst abgeschlossen wurde dieses Verbrechen Stalins erst im März 2010 mit der Entschuldigung des russischen Präsidenten Medwedew auf dem Gedenkfriedhof von Katyn. Die Ironie der Geschichte ist, dass bei der Anreise der polnische Präsident Lech Kaczynski mit einer großen Anzahl führender polnischer Persönlichkeiten bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam. (Katyn liegt westlich von Moskau bei Smolensk).

Wie haben die Westalliierten jedoch Stalin beurteilt, nachdem er Polen hälftig vereinnahmte und ein analoges Vorgehen zur deutschen Besatzung durchzog? Die westlichen Demokratien ermöglichten es diesem Regime immerhin durch die Verhandlungen ab Teheran bis Potsdam seinen Machtbereich über ganz Osteuropa und in Deutschland bis an die Elbe auszudehnen. Konsequenzen gegenüber dem sowjetischen Waffenbruder wurden weder in den Verhandlungsrunden im Kriegsverlauf noch nach dem Sieg über den deutschen Faschismus gezogen. Diese nun mögliche Herrschaftsausübung der Sowjetunion über die osteuropäischen späteren Satellitenstaaten bis zur Oder/Neiße und Ostdeutschland entsprach daher einem enormen Machtzuwachs sowie ein unangemessenes Zugeständnis der westlichen Demokratien. Der spätere Ostblock fand dadurch seinen „Urstand“. Die 45 Jahre nach Kriegsende mit der Spaltung der deutschen Nation bis zur Wiedervereinigung waren daher ein Spaltungsakt ohnegleichen, der nach über 30 Jahren nicht verheilt ist und seine klischeehaften Merkmale noch immer erkennen lässt.

Vor diesem Hintergrund ist zu fragen: Hätte die Möglichkeit bestanden, dass das Nachkriegsdeutschland in anderen Grenzen und Nachkriegsverwaltern einen anderen Neustart hätte finden können? Wäre nicht ein anderer Verlauf ohne Verlust der Ostgebiete möglich gewesen? Hätte die Einflussnahme der Sowjets auf den östlichen Teil Deutschlands und damit die Teilung verhindert werden können?

Man kann sich kaum vorstellen, wie schwierig der Weg für Deutschland ab 1945 bis zur Wiedervereinigung und auch nach der Wende war und bis heute noch immer ist. Die Kriegsgeneration ist fast abgetreten. Wir, die Folgegeneration mögen vielleicht noch ein Gespür und ein Interesse haben, Auswirkungen der letzten Kriegsjahre mit den Folgen zur deutschen Nachkriegsgeschichte zu hinterfragen. Hätte die Nachkriegszeit für Deutschland nicht anders verlaufen können? Wer war die treibende Kraft für diese Abläufe und wer hat allem zugestimmt? Ist dieser für uns Deutsche nachteilige Ablauf mit den Verbrechen der Nationalsozialisten und dem Verhalten der Deutschen im „Dritten Reich“ gerechtfertigt? Verhält man sich revanchistisch oder populistisch, wenn diese Fragen einem unter den Nägeln brennen? Das ist ein Fragenkatalog, der heute Antworten kaum zulässt. Die Fragen sollten aber nicht ungestellt bleiben.

Nach den Niederlagen Hitlerdeutschlands vor Moskau 1941, um Stalingrad 1942/43 und dem ständigen Vormarsch der Roten Armee der Sowjets stellte sich die Frage, wie die Alliierten nach einem sich immer deutlicher abzeichnenden Sieg mit Deutschland und seinem europäischen Umfeld vorgehen wollten? Das stalinistische Regime hatte dazu klare Vorstellungen, die sich auf den Konferenzen ab Teheran über Jalta abzeichneten und in Potsdam sanktioniert wurden.

Die Sowjetunion konnte zum Kriegsgewinn durch die stalinistische Diktatur, verbunden mit dem selbstlosen Einsatz ihres „Menschenmaterials“, sowie durch die enormen USamerikanischen Militärhilfen entscheidend zum Kriegsgewinn beitragen. Die stalinistische Militärführung verteidigte die russische Heimat ebenso mit unvergleichbarer Konsequenz und Führungsstärke wie das Hitlerregime dieses Land zu erobern versuchte.

Casablanca

Im Januar 1943 trafen sich Roosevelt und Churchill mit den kriegsentscheidenden Generälen (u.a. Marshall) in Casablanca zu Geheimverhandlungen. Sie kamen zu dem Beschluss, den Krieg nur mit einer bedingungslosen Kapitulation - ohne jegliche Verhandlung mit den Feindmächten - zu beenden. In Casablanca wurde allerdings ohne die Anwesenheit Stalins verhandelt, denn zu diesem Zeitpunkt war die Schlacht um Stalingrad noch nicht entschieden.

Die zu dieser Zeit aktiv-führenden Köpfe des Widerstands, die Militärs, - u.a. um den Generalfeldmarschall von Witzleben und Generaloberst Beck, sowie im zivilen Bereich um den ehemaligen Leipziger Oberbürgermeister Goerdeler - blieben mit ihren Bestrebungen, nach der Beseitigung des NS-Staates Waffenstillstandsverhandlungen womöglich aufzunehmen, um einen für Deutschland günstigen Friedensvertrag abzuschließen zu können, ohne jegliche Erfolgsaussichten. Die Entscheidung der Alliierten, den Krieg nur durch eine bedingungslose Kapitulation zu beenden, war in dieser Situation daher durchaus mutig und man war durchaus optimistisch, den Krieg zu gewinnen; allerdings gab es zu diesem Zeitpunkt keine Wende im Osten um Stalingrad und an eine Landung an der französischen Atlantikküste war noch nicht zu denken. Kurz: Von einem unmittelbaren Ende der Naziherrschaft war zu diesem Zeitpunkt nicht auszugehen.

Teheran, Moskau und London

Bereits im Oktober 1943 wurde von den Außenministern Englands, der Sowjetunion und den USA in Moskau beschlossen, eine Europäische Beratende Kommission (European Advisory Commission, EAC) mit Sitz in London zu berufen, die dann ihre Vorstellungen speziell zu Deutschland konkretisieren sollte. In Moskau wurden dann bereits Punkte fixiert, die dann Teil der EAC-Vorschläge wurden, z. B., die Regierungsgewalt im besiegten Deutschland durch eine alliierte Kontrollkommission wahrzunehmen.

Das Treffen der Alliierten, der jetzt „Großen Drei“ – der Sowjetunion, den USA und Großbritannien - fand dann im Nov./Dez.1943 in Teheran statt, um nach einem erfolgreichen Kriegsverlauf die Lage in Europa und der Welt zu beraten.

Stalin übte schon hier einen starken Druck auf seine westlichen „Kollegen“ dahingehend aus, die polnische Grenze nach Westen zu verschieben.

Anfang 1944 nahm die EAC ihre Beratungen auf. Wie dem Bericht des amerikanischen Kommissionsmitglieds, George F. Kennan zu entnehmen ist, hingen die Amerikaner wochenlang in der Luft. Die Sowjets gingen zu Recht mit einem starken Selbstbewusstsein in die Verhandlungen. Die Wehrmacht war Ende 1943 bereits aus der heutigen Russischen Föderation verdrängt worden. Die Rote Armee stand im Norden vor dem damaligen Leningrad und im Süden war der Dnepr teilweise überschritten.

England war von den Sowjets bereits bezüglich der deutschen Ostgebiete und der Zonenaufteilung und Zuordnung dieser Zonen „Restdeutschlands“ weichgekocht“ worden. Doch die Briten meinten, für die Polen das Bestmögliche auf Kosten der Deutschen herausgeholt zu haben. So wurde den Briten und damit Churchill in Teheran immer bewusster, dass die Sowjets bezüglich der Ostgrenze Polens unverrückbare Vorstellungen hatten. Die Grenzen im Rahmen der Abwicklung Nachkriegsdeutschlands wurden von den Briten akzeptiert.

Roosevelt präsentierte in Teheran einen Plan für das Nachkriegsdeutschland, der, wenn er sich hätte durchsetzen können, für Deutschland ab 1945 günstiger verlaufen wäre. Vorgestellt wurden fünf deutsche Teilstaaten: Preußen, mit Hannover ein norddeutscher Staat, Sachsen, ein erweitertes Hessen und Bayern. International kontrolliert werden sollte das Ruhrgebiet, das Saarland und die Städte Hamburg und Kiel. Die Provinzen Ostpreußen und Niederschlesien wurden als „Verhandlungsmasse“ angeboten. Nachdem die Amerikaner nach Kennan wochenlang nichts zur Vorbereitung im Rahmen der EA-Kommission in London zur Vorbereitung der Teheran-Konferenz beigetragen hatten, standen sie nun mit ihren nicht abgestimmten Vorschlägen auf verlorenem Posten. So konnten die USA auf Grund der Direktive ihres schlecht informierten Präsidenten Roosevelt nur die Vorschläge der Briten und Sowjets zur Kenntnis nehmen. Letztendlich setzten sich also die Sowjets durch.

Worin kann man die Gründe dafür sehen, dass Stalin und seine engsten Genossen nach der Schlacht von Stalingrad und während des weiteren Vormarsches zu dem Entschluss kamen, zunächst ihre eigene Grenze auf Kosten der Verlierer, und dazu gehört auch Polen, nach Westen zu verschieben? Die Konsequenz einer derartigen Entscheidung war mit einem ethnischen „Austausch“ verbunden. Spätestens nach Erreichen der „alten“ Curzon-Linie war es das anvisierte Ziel der Sowjets, ein zukünftig von ihnen abhängiges Polen auf Kosten deutscher Gebiete zu „verschieben“. Ein mehr als ein einschneidendes Unrechtsereignis.

Durch den oben geschilderten Terror, ab 1939 in Gesamtpolen und ab Mitte 1941 in deutscher alleiniger Schreckensherrschaft, hatte sich in London eine polnische Exilregierung etablieren können, der sich Churchill verpflichtet hatte. Die demokratischen Vorstellungen dieser Exilregierung nach dem Krieg einerseits und Stalins noch verdeckt eingebrachtes, geopolitisches Machtverhalten andererseits konnten unterschiedlicher nicht sein. Das heißt, auch die Briten sahen zwar die Nachkriegsordnung realistischer, waren aber in einer kaum lösbaren Zwickmühle. Die legitimen Forderungen der polnischen Exilregierung konnten nicht erfüllt werden.

Ein Vorgang offenbart die rigorose Einstellung der Sowjets. Gegen den Anfang August 1944 begonnenen polnischen Aufstand in Warschau gegen die Besatzung der Wehrmacht unternahmen die Sowjets nichts, den Aufstand in einer möglichen Form zu unterstützen; im Gegenteil, sie verweigerten ihren westlichen Verbündeten Landungsmöglichen für Waffenhilfen. Und spätestens hier, als sie ihr wahres Gesicht zeigten, hätte speziell Churchill auch im Interesse der polnischen Exilregierung die Sowjets massiv in die Schranken weisen müssen. Nicht nur Polen wurde im Stich gelassen. Als Mitteleuropäer mit jahrzehntelanger Einschätzung der Probleme des Kontinents hätte Churchill die Erkenntnis gewonnen haben sollen, dass das Hitler-Regime im deutschen Sprachraum eine überschaubare Endlichkeit haben dürfte. Mit einem derartigen Glauben hätte Deutschland nach seinem „nationalsozialistischen Intermezzo“ die Chance mit einem Neuanfang bekommen müssen und nicht fast hälftig einer neuen, jetzt kommunistischen Diktatur ausgesetzt werden dürfen. Und die Vereinigten Staaten, mit welchen Beweggründen wurden sie angetrieben, Deutschland nach der Totalbombardierung teilweise an das stalinistische Regime auszuliefern? Die Machtpolitik der Sowjets war doch offenbar. Ein entnazifiziertes Gesamtdeutschland hätte in der bevorstehenden Auseinandersetzung der Systeme ein stärkeres Bollwerk gegen die kommunistischen Machthaber sein können. 45 Jahre Teilung und das 30-jährige „noch immer nichtzueinanderfinden“ wäre uns erspart geblieben.

Der Machtanspruch Stalins wurde immer beherrschender zum Ausdruck gebracht. Auf den Einwand Churchills, dass man den von Stalin geforderten Gebietsanspruch an Polen nicht hinnehmen könne, könnte man sich den Gegeneinwand Stalins vorstellen, ‚sollen die Deutschen diesen polnischen Verlust halt ausgleichen‘. Die Oder – Neiße Grenze war das Ergebnis.

Stalin setzte nicht nur sein Ziel um, die Westgrenze Polens um die ca. 200 km, in etwa der Curzon-Linie folgend, nach Westen zu verschieben, sondern darüber hinaus vereinnahmte er die drei Baltischen Staaten, die rumänischen Gebiete Bessarabiens und die Bukowina, die Hälfte der deutschen Provinz Ostpreußen, Teile des finnischen Kareliens und der Tschechoslowakei. In der Summe annektierten die Sowjets über 500.000 km2. Hinzu kommen alle osteuropäischen Staaten einschließlich einer zu bildenden deutschen sowjetisch-verwalteten Zone, die sie in ihre Machtsphäre einbezogen. Diese Staaten standen trotz der Kriegsauswirkungen und auch des landwirtschaftlichen Charakters immer noch auf einer eher bürgerlich-gesellschaftlichen Stufe als die sowjetischen Machthaber in ihrem Land. Vorausgesetzt, die Sowjets verhielten sich in den von ihnen kontrollierten Ostblockstaaten ebenso - und davon ist auszugehen – wie in der DDR, dann kann nur der Text aufgeführt werden, den Otto Zierer an einem Zitat bemerkte:

„Die potentiellen Gegner durch eine vorgetäuschte Freundschaft und politische Garantien zu beruhigen, ihre Energie zu lähmen, sie in einem zweiten Stadium durch erzwungene ‚Säuberungen‘ von angeblichen ‚faschistischen Elementen‘ zu schwächen, dann durch politische Prozesse zu diffamieren, mit allen Mitteln zu terrorisieren, schließlich aus den Parlamenten auszutreiben und völlig zu entmachten, um zur Alleinherrschaft zu gelangen – diese in allen Satellitenländern angewandte, systematisch und konsequent angewandte Methode vermögen die westlichen Politiker nicht zu durchschauen. Wenn man sie nicht mehr braucht, werden sie kaltgestellt verschwinden in den Kerkern oder werden hingerichtet“.1

In dieser von den Sowjets vorgesehenen polnischen „Landverschiebung“ in Richtung Westen und des damit verbundenen, „ethnischen Austauschs“, der sich dann als brutale Vertreibung, Verschleppung und Ermordung von Millionen Deutschen seinen Lauf nahm, ahnten die westlichen Alliierten einerseits sicherlich nichts von der rigorosen Rücksichtslosigkeit, die mit der Eroberung deutscher Gebiete und der anschließenden Vertreibung der Bevölkerung verbunden war. Andererseits hatte doch sicherlich die westlich-demokratisch-geführte Kriegsallianz alle Möglichkeiten wahrgenommen, sich über ihre Botschaften und Geheimdienste zu informieren, nach welchen Maßstäben das Sowjetreich über die Jahre regiert wurde: Terror war die erste Devise. Spätestens beim Abschluss des Hitler-Stalin-Paktes und den Folgen musste den westlichen Kriegsalliierten bewusst sein, wie das Sowjetreich einzuschätzen war, und welche entsprechenden Schlussfolgerungen sie zu ziehen hatten. Der Pakt war die Initialzündung der neuen Partner zum Überfall Polens und damit zum Ausbruch des zweiten Weltkrieges.

Die westlichen Demokratien – die Vereinigten Staaten und Großbritannien haben bei ihren Verhandlungen spätestens in Teheran zugelassen, dass der Einfluss der Sowjets auf ganz Osteuropa ausgeweitet wurde und in Deutschland bis zur Elbe vorgeschoben wurde. Die „Verlegung“ der Westgrenze Polens mit dem Verlust von 120.000 km2 deutschen Bodens war schon ein durch die Sowjetunion erpresstes Zugeständnis. Eine sowjetisch besetzte Zone hätte es unter diesen Bedingungen nie geben dürfen. Eine weitere nicht zu verzeihende Schwäche des Westens; die sich daraus abzeichnende Teilung Deutschlands hätte sich erübrigt.

Mit der Verschiebung der polnischen Westgrenze zugunsten der Sowjets war das Soll des „Habenwollens“ mehr als erfüllt. Die USA und speziell ihr Präsident Roosevelt waren nicht auf dem Laufenden. Churchill war durch das Fiasko seines Polen-Engagements schwer angeschlagen.

Die Vereinigten Staaten versuchten die Absichten der Sowjetunion direkt beim „Generalissimus“ zu erfahren. Stalin ließ gegenüber dem amerikanischen Botschafter und einem hochrangigen General mit der Aussage die Maske fallen. „Wir wollen Polen, und wir wollen es mit Haut und Haar. Die polnischen Untergrundleute, die sich der kommunistischen Autorität nicht gebeugt haben, scheren uns einen Dreck. Für uns sind sie nicht mehr wert als die Deutschen, wenn sie und die Deutschen sich gegenseitig abschlachten, umso besser. Was ihr Amerikaner darüber denkt, ist uns völlig egal. Von jetzt habt ihr in Polen nicht mehr mitzureden, und es wird Zeit, dass ihr es kapiert“,2 so die Aufzeichnung Kennans nach dem Gespräch der Amerikaner mit Stalin. Hier wurde Tacheles geredet. Die USA hätten daraus konsequentere Schlussfolgerungen für die Zukunft treffen müssen.

Aber die USA hatten es nicht verstanden. Solange Deutschland und Japan noch nicht besiegt waren, musste die „Waffenbrüderschaft“ gewahrt werden. Soll sie auch! Aber Schlussfolgerungen für die Nachkriegszeit und eine sich abzeichnende Einschätzung eines zukünftigen Gegners, bereits vor dem „Kalten Krieg“, wurden nicht gezogen.

Als ich meinen Schulfreunden aus der DDR-Zeit diese „historische Wahrheit“ unterbreitete, hieß es, willst du uns 40 Jahre gute und schlechte Erfahrungen unseres Lebens nehmen? Auch drei meiner Schwestern mit sieben Kindern nebst Partnern hatten ja diese Erfahrungen gemacht. Alle in der DDR zufriedenen Bürger werden jetzt aufschreien, falls sie diese Zeilen lesen sollten. Sie werden sagen: Die guten Jahre unseres Lebens im Sozialismus wollen wir nicht missen. Die guten und die schlechten Seiten des 40-jährigen DDR-Lebens kommen noch zur Sprache.

Jalta

In Jalta auf der Krim wurde im Februar 1945 eine Erklärung zur Machtverteilung eines befreiten Europas abgegeben. Die wesentlichsten Punkte wurden dann Bestandteil des Potsdamer Abkommens:

Polens Westverschiebung wurde nach Teheran bestätigt Die Ostgrenze Polens sollte der Curzon-Linie von 1919 entsprechen.

Stalins Forderung zur Ostgrenze Deutschland an der Oder/Neiße wurde noch keine Zusage erteilt.

Japan ist unter Einbezug der Sowjetunion mit allen Kräften zu besiegen.

Die Besatzungsrechte der Sowjetunion in Korea wurden akzeptiert.

Die Aufteilung Deutschlands in Besatzungszonen wurde beschlossen.

Bezüglich der Entmilitarisierung und Entnazifizierung Deutschlands wurde Einigung erzielt.

Das Angebot an Frankreich, Besatzungsrechte in Deutschland wahrnehmen, wurde erst in Potsdam aufgenommen. Stalin bestand darauf, dass ein späterer französischer Anteil einer Besatzungszone in Deutschland auf Kosten der Westalliierten erfolgt.

Damit wurde bereits in Jalta die Nachkriegsordnung vor allen Dingen in Europa sanktioniert. Das Ende des Krieges in Europa mit dem Sieg über Deutschland war nunmehr überschaubar. Dass die naiven Amerikaner und die ohnmächtigen Briten den Sowjets halb Europa als Beute servierten, ist unverständlich und nicht nachvollziehbar. Wurden die Annexionen der baltischen Staaten, der Krieg gegen Finnland, das Verhalten der Roten Armee beim Warschauer Aufstand im August 1944, die bekannten Verbrechen beim Vormarsch auf deutschem Reichsgebiet nicht bekannt oder etwa nicht geschehen? Oder hatten die USA als zukünftig bestimmende Supermacht lieber ein halbiertes Deutschland für ihre hegemonialen Pläne? Der Einzige in Europa, der die angloamerikanische „Gleichgültigkeit“ erkannt hatte, war de Gaulle. Aber der hatte 1945 noch kein politisches Gewicht und wurde zur Jalta-Konferenz nicht einmal eingeladen.

Fünf Szenarien eines möglichen anderen Kriegsausgangs

In den letzten Monaten des Jahres 2019 erschienen in der Presse vermehrt Kriegsereignisse des zweiten Halbjahres 1944; also, was sich vor 75 Jahren im Land und an der Kriegsfront so getan hat. Das hat mich nachdenken lassen, ob nicht weitere Korrekturen nach der Vereinbarung von Teheran, unter der Bedingung einer kompromisslosen Haltung der westlichen Alliierten gegenüber den Sowjets, möglich gewesen wären.

Fünf entscheidende Ereignisse standen im Mittelpunkt als nichtundenkbare Möglichkeiten eines anderen Verlaufs der deutschen Nachkriegsgeschichte. Aber wie so oft bestimmen Einzelpersonen aber auch zufällige Ereignisse geschichtliche Abläufe. Daher kann ich nur von einem theoretischen Gedankenspiel sprechen; das ist eher ein nachträgliches Wunschdenken!

Ich muss auch einleitend einräumen, dass der Zeitraum über knapp acht Monate von der Landung der westlichen Alliierten im Juni 1944 und der Kampflinie der Roten Armee, zu diesem Zeitpunkt ungefähr Riga-Bukarest im Osten, bis zur vorletzten Beschlussfassung der Alliierten über Deutschland im Februar 1945 in Jalta zu knapp und zu spät war, um durch eine militärische Stärke des Westens noch an entscheidende Änderungen der Festlegungen von Teheran zu denken.

Entgegen meiner bereits in den Kapiteln des ersten Teils geäußerten Absicht, keine militärischen Abläufe zu erläutern, führe ich hier fünf Szenarien auf, die ein schnelleres Zusammenbrechen des Hitlerregimes „ermöglicht hätte“.

1. Der 20. Juli 1944 hätte bei „positivem Ausgang“ des Anschlags sicherlich einen anderen Verlauf der deutschen Nachkriegsgeschichte genommen. Das Staufenberg-Attentat ist hinreichend analysiert worden. Die Wahl einer Baracke statt eines betonbewehrten Bunkers ist der geschichtsträchtige Zufall des Misslingens. Selbst wenn Hitler unter den Toten gewesen wäre, wäre der weitere Verlauf ungewiss gewesen. Speziell die westlichen Alliierten ließen über die Geheimdienste durchblicken, dass ausschließlich die totale Niederlage Deutschlands das Ziel war. Immerhin waren jedoch hohe deutsche Militärs am Attentat beteiligt bzw. involviert. Positive Signale der westlichen Alliierten an die zivilen und militärischen Führungsköpfe des Attentats wären sicherlich förderlich im Falle des Gelingens des Attentats gewesen.

2. Der Kampf um die Brücke in Arnhem im September 1944 verzögerte den Zusammenbruch des Hitlerregimes vielleicht um sechs Monate. Nach gut drei Monaten seit dem D-Day am 6. Juni 1944 wurde Nordfrankreich befreit. Die alliierten Truppen standen in der Nord-Süd-Ausrichtung mit Aachen als östlichstem Punkt. Es galt nun die Niederlande nördlich der Schelde mit dem wichtigsten Nachschubhafen Antwerpen einzunehmen. Zu diesem Zeitpunkt wechselte der Oberbefehl von Großbritannien (Montgomery) zu den USA (Eisenhower). General Patton im Süden hatte als Haudegen das Ohr seines Oberbefehlshabers. Kompetenzgerangel der alliierten Führer und zufällig günstige Positionen der Wehrmacht verhinderten einen Brückenschlag und Querung des Nederrijns bei Arnheim. Die Brücke von Arnheim ist der Begriff für diesen Ablauf. Ein weiterer schneller Vorstoß in den norddeutschen Raum und die Umklammerung des Ruhrgebiets war nun nicht mehr möglich. Ein Vorstoß nach Berlin bis zum Ende des Jahres 1944 wäre möglich gewesen. Ein sich anschließender Vormarsch bis zur Oder und das Einbehalten dieses Gebietes hätte die spätere Teilung Deutschlands ausgeschlossen, vorausgesetzt, man hätte Härte gegenüber der Sowjetunion gezeigt. Die hatten bereits das gesamte Gebiet bis zur Oder in den Vorverhandlungen mit ihrem Anspruch unmissverständlich angezeigt. Die Brutalität der Sowjetunion in der Ausführung ihrer Pläne war spätestens zu diesem Zeitpunkt bekannt, wurde aber nicht ernstgenommen.

3. Die Kämpfe in der Eifel bei der Ortschaft Hürtgen, geführt als Schlacht im Hürtgenwald waren seitens der Amerikaner menschen-, material- und zeitverschwendend und ein „Knackpunkt“ mit negativen Folgen hinsichtlich eines schnellen Vormarschs der Alliierten. Hier waren fast ausschließlich Amerikaner im Einsatz. Man muss ihnen heute eine gewisse Arroganz einer angenommenen Überlegenheit unterstellen. Vom Gelände und verhangenem Himmel her konnten ihre schwere Artillerie und die Luftwaffe kaum zur Entfaltung kommen. In diesem Kampf war ihnen die Wehrmacht im Hürtgenwald überlegen. Ca. 30.000 Tote, Verletzte und Gefangene soll es auf beiden Seiten gegeben haben mit der Folge eines verhältnismäßig kleinen Geländegewinns für die Alliierten. Die Kämpfe erstreckten sich über den Zeitraum von Oktober 1944 bis in den Februar 1945. Sicherlich wäre eine andere Strategie des Vormarschs möglich gewesen. Die amerikanische Führung sah sich nach dem Krieg angesichts dieses „Blutzolls“ einer starken Kritik ausgesetzt. Alle im Kampf eingesetzten Ressourcen fehlten beim weiteren Vormarsch.

4. Ein nicht nachvollziehbarer Vorgang war die Ardennenoffensive, die unter dem Decknamen „Die Wacht am Rhein“ am 16. Dezember 1944 begann; inszeniert vom „Führer“. Der Diktator befahl und seine Generalität führte - zu diesem Zeitpunkt entgegen aller strategischen Vernunft - Hitlers Befehle aus. Ein typischer versuchter Befreiungsschlag à la Hitler – alles oder nichts. Mitte Januar 1945 brach die Offensive in sich zusammen. Weitere 70.000 Mann - nur auf deutscher Seite - waren gefallen, verwundet oder „bestenfalls“ in Gefangenschaft geraten. Auch diese Ressourcen, wenn man die eingesetzten Menschen auch derart benennen darf, hätten an der Ostfront ihren Einsatz finden sollen, um der bevorstehenden Großoffensive mehr Widerstand entgegenbringen zu können. Damit hätte möglicherweise abertausenden Flüchtlingen der Weg „verlustfreier“ zum Westen gelingen können. Nicht nur die Tragödien auf dem Frischen Haff und der Untergang der „Gustloff“ stehen dafür. Hatte die Generalität gegenüber Hitler so wenig Durchsetzungsvermögen, um dieser Fluchttragödie die Spitze zu nehmen? Die Generäle Keitel und Jodl stehen dafür. Beide wurden in Nürnberger Kriegsverbrecherprozess zum Tode am Galgen verurteilt; die größte, denkbare Demütigung für einen Offizier. Die Panzergeneräle Guderian und Reinhart, die das Oberkommando der Wehrmacht (OKW) auf das Missverhältnis ihrer Kräfte zur bevorstehenden Offensive der Sowjets hinwiesen, konnten sich nicht durchsetzen. Nach dem Durchbruch der Sowjets wurden sie im Frühjahr nach Auseinandersetzungen mit Hitler 1945 aus dem Dienst entfernt. Die Tragödie für die Ostflüchtlinge nahm ihren weiteren Verlauf.

Zum Zeitpunkt dieses Zusammenbruchs der Ardennenoffensive startete also

5. die sowjetische Großoffensive im Januar 1945. Das Ergebnis: Die Sowjets konnten mit dieser Offensive von der Linie Tilsit-Warschau und dann geradlinig nach Süden verlaufend, im Laufe des Aprils ohne entscheidende Gegenwehr der Wehrmacht bis an die Oder vorrücken. Die „Ressourcen“, die in der aussichtslosen Ardennenoffensive „verheizt“ wurden, fehlten, um den Vormarsch der Sowjets mindestens zu verzögern. Hätte das Land westlich der Oder-Neiße-Linie (spätere sowjetisch besetzte Zone) womöglich damit in den Einflussbereich der westlichen Alliierten kommen können?

Alle fünf Szenarien sind längst Geschichte, von Experten vielschichtig beurteilt, aber trotzdem sind diese Abläufe es wert, noch einmal in Erinnerung gerufen zu werden.

Die Auswirkungen des Zweiten Weltkrieges waren nicht nur für Deutschland weitaus verheerender als der Erste Weltkrieg. Bis auf das Eindringen russischer Truppen in Ostpreußen 1914, die dann aber in der Schlacht bei Tannenberg besiegt wurden, lagen die weiteren Kampfhandlungen außerhalb der deutschen Reichsgrenzen. Zum Ende des Krieges stand immerhin noch ein zwar kriegsmüdes und zermürbtes, aber nichtgeschlagenes Heer außerhalb der deutschen Reichsgrenzen zur Verfügung. Die Kriegsgegner operierten „nur“ im Süden (Italien) und im Westen (Alliierten) mit überlegenem Potential. Es waren also sowohl kompetente Militärführer und nicht besiegte Kräfte (Heer, Marine) vorhanden, als auch eine parlamentarisch-legitimierte Reichsregierung funktionsfähig, um die Form des Waffenstillstands (Bahnwaggon in Compiègne) und den Versailler Vertrag „fairer“ aushandeln zu können. Darüber ist viel geschrieben worden, auch in einigen Kapiteln des ersten Teils.

Diese Voraussetzungen waren im Mai 1945 von deutscher Seite bei Weitem nicht gegeben. Die Verantwortlichen hatten sich durch ihr Tun - auch wenn sie sich einer Verhandlung hätten stellen können - als verhandlungsunwürdig, verbrecherisch diskreditiert.

Der im Sportpalast von Goebbels einer Nazi-Clique suggerierte „Totale Krieg“ machte die „Totale Niederlage“ zwangsläufig. Deutschland war den Siegermächten ohne Verhandlungsführer ausgeliefert. Die Schergen, soweit sie sich nicht durch einen Suizid ihrer Verantwortung entzogen haben sowie ihre militärischen Erfüllungsgehilfen (Keitel, Raeder) konnten, falls sie noch „greifbar“ waren, nur noch die bedingungslose Kapitulation entgegennehmen.

Stalin erzwang mit den Abkommen von Jalta und Potsdam einen Anspruch auf, jedoch auch die Verantwortung, für alle eroberten und später unter seinem Einfluss stehenden Gebiete. Diese Aufgabe setzte die Sowjetunion mit der geballten stalinistischen Konsequenz, ohne Rücksichtnahme auf die betroffenen Menschen, um. Die Sowjets hatten nach Kriegsende durch diesen riesigen Raum und der gewaltigen Menschenmasse eine Mammutaufgabe zu bewältigen.

Nach dem Krieg wurde die politische Landmasse um die südosteuropäischen Staaten einschließlich der verbliebenen deutschen Gebiete östlich der Elbe mit ihren Menschen als Bollwerk gegen den „imperialistischen Westen“ aufgebaut.

Die Sieger stellten aber schnell fest, dass die Reste der überwiegend im Krieg zerstörten Infrastruktur und Produktionsstätten (z. B. Brücken, Straßen, Gleisanlagen und Betriebe) für die eigene Versorgung unzureichend zur Verfügung standen und durch die intensiven Demontagen, vor allem in der Britischen Zone und der Sowjetischen Zone noch prekärer wurde. Die Versorgung der hungernden deutschen Bevölkerung stand zunächst hintenan.

Selbst den Sowjets in der Ostzone standen für ihre Truppen kaum ausreichende Nahrungsmittel zur Verfügung. Hinzu kam, dass die Sowjetunion 1946 von einer großen Dürre heimgesucht wurde. Eine Hungersnot brach aus. Es sollen zwei Millionen Menschen verhungert sein. Wie es in autoritären Staaten üblich ist, wurden hier u.a. die Leiter von Sowchosen (Staatsgütern) und Kolchosen (LPG-vergleichbar) in Stalin-üblicherweise bestraft. In den Westzonen sah es zunächst nicht viel anders aus. Die amerikanisch-britischen Kriegsgefangenen in den Rheinauen – und nicht nur dort – lagerten im Freien und wurden nur unzureichend versorgt.

Durch das eindeutig schuldhafte Verhalten des Deutschen Reiches hinsichtlich des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs wäre ein noch härteres Procedere mit noch größeren Sanktionen im Verhältnis zu der Zeit nach 1918 zu erwarten gewesen. Die Konferenzen vor Potsdam ließen das Schlimmste befürchten, denn die Verträge waren „anders“ schlimm: Die Abtrennung aller Reichsgebiete östlich der Oder und der Lausitzer Neiße und was noch einschneidender war, war der so genannte „ethnische Austausch“ der Bevölkerung in den Gebieten westlich der alten polnischen Ostgrenze.

Unbedarft bis verworren waren die amerikanischen Vorstellungen, die wohl auf Grund ihrer qualitativen und quantitativen Überlegenheit ihren sowjetischen Waffenbruder in seinen geopolitischen Bestrebungen vollkommen unterschätzten. Der Präsident Franklin D. Roosevelt ist hier als „Entscheider“ an erster Stelle zu nennen.

3. Das Potsdamer Abkommen

Seit Potsdam sind nun mehr als 75 Jahre „ins Land gegangen“. Nach vielen Irritationen, Hoffnungen, Korrekturgeschrei und Revanchegelüsten und den Verträgen ab 1970 bis 1990 sieht die dritte und vierte Nachkriegsgeneration den Verlust gelassen und als gegeben, als „non reversibel“ an. Und das ist gut so. Obwohl Brandenburger der Uckermark, kommt bei mir bei verschiedenen Fahrten durch die „verlorenen Landschaften“ Wut, aber auch Wehmut auf. Wut auf unseren „Ver-Führer“ und seine Paladine, auf die machthungrigen Stalinisten, die jedoch durch die Schwäche, Inkonsequenz und Gleichgültigkeit der Westalliierten diese Landverschiebung mit all den Folgen zugelassen haben. Die Wehmut kann auch in meinem Alter gemildert werden, wenn man sich mit Tatsachen auseinandersetzt, diese zur Kenntnis nimmt und letztendlich akzeptiert. Bei aller Akzeptanz dieses unglaublichen Vorgangs meine ich, sind wir es unseren Nachfahren schuldig, trotz des unverrückbaren Vorgangs, den Versuch zu machen, etwas Licht in die Abläufe der Alliierten bei ihren Verhandlungen und Verträgen von Casablanca bis Potsdam zu bringen.

Ein Plan vom August 1944, wonach Deutschland zu einem Agrarstaat werden sollte, war nur ein „Gedankenspiel“ eines Misters Morgenthau, der von den Alliierten ernsthaft diskutiert wurde. Nach Bekanntwerden des Plans jedoch haben die Nazimachthaber entsprechend propagandistisch reagiert. Von antisemitischen Verschwörungstheorien war die Rede, die bis heute durch rechtsextreme Fanatiker genährt werden und durch die Presse geistern.

Die sogenannten „Fünf- De“ Beschlüsse

Im Juli 1945 kamen in Potsdam die drei Staatschefs der Siegermächte, Stalin, Truman und Churchill zusammen. Ende Juli wurde Churchill durch den neugewählten Labour-Parteiführer Attlee abgelöst. Konferenzort war das Schloss Cecilienhof, das für den Kronprinzen im englischen Landhausstil bis 1917 nach den damaligen modernsten technischen Möglichkeiten erbaut wurde.

Der schon zitierte George F. Kennan hatte zu dieser Konferenz eine zwiespältige Einstellung, vor allem, weil er auf Grund seiner Erfahrungen an der Moskauer Botschaft die naive Einschätzung der amerikanischen Außenpolitik zu ihren sowjetischen Verbündeten mit realistischen Vorstellungen gegenüberstand. Kennan schrieb:

„Die Idee, Deutschland gemeinsam mit den Russen regieren zu wollen, ist ein Wahn. Ein ebensolcher Wahn ist es, zu glauben, die Russen und wir könnten uns eines schönen Tages höflich zurückziehen, und aus dem Vakuum werde ein gesundes und friedliches, stabiles und freundliches Deutschland steigen. Wir haben keine andere Wahl als unseren Teil von Deutschland – den Teil, für den wir und die Briten die Verantwortung übernommen haben - zu einer Form von Unabhängigkeit zu führen, die so befriedigend, so gesichert ist, dass der Osten sie nicht gefährden kann. Und weiter: „Es versteht sich – bei solchen Überzeugungen – dass ich die Arbeit der Konferenz von Potsdam mit Skepsis und Entsetzen verfolgte. Ich kann mich an kein politisches Dokument erinnern, dass mich je so deprimiert hätte wie das von Truman unterzeichnete Kommuniqué am Ende dieser verwirrenden Verhandlungen. Nicht nur weil ich wusste, dass die Idee einer gemeinsamen Viermächtekontrolle, die man jetzt zur Grundlage für die Regierung Deutschlands gemacht hatte, abwegig und undurchführbar war. Auch die unpräzise Ausdrucksweise, die Verwendung so dehnbarer Begriffe wie „demokratisch“, „friedlich“, „gerecht“ in einem Abkommen mit den Russen lief allem direkt zuwider, was siebzehn Jahre Russlanderfahrung mich über die Technik des Verhandelns mit der sowjetischen Regierung gelehrt haben“.3

Diese vorausschauenden Gedanken kamen aber erst zum Tragen, als die westliche Diplomatie nach über zwei Jahren ernsthafte Gegenmaßnahmen traf, um sich dem sowjetischen Vorhaben zu widersetzen, ein neutrales Deutschland in ihre Machtoptionen einzuordnen. Diese vorausschauenden Gedanken hätten auch immer Bestandteil grundsätzlichen Gedankenguts der Genossen, egal ob rot oder dunkelrot, ob in Deutschland West oder Ost, sein müssen. Und dieses Gedankengut muss über die Zeit bis heute verinnerlicht werden.

Grundlage der Konferenz von Potsdam waren die Vereinbarungen vom Februar gleichen Jahres in Jalta, auf der von amerikanischer Seite Franklin D. Roosevelt noch Verhandlungsführer war. Jetzt wurden die Grundsätze der deutschen „Abwicklung“ des Deutschen Reiches festgelegt. Die so genannten „Fünf-De“ kamen zur Ausführung.

Denazifizierung,

Demilitarisierung,

Demokratisierung,

Dezentralisierung,

Demontage.

Die Entnazifizierung, ein schwieriges Thema. Wie kann man ein nationalsozialistisches, ein „nazifiziertes“ Volk von dieser infiltrierten Seuche befreien? Die Alliierten hatten über Deutsche zu urteilen, die sich nach dem Völkerrecht sehr unterschiedlich strafbar gemacht haben. Die Hauptschuldigen – u.a. Hitler, Göring (nach dem Nürnberger Todesurteil), Himmler und Goebbels entzogen sich durch Selbstmord einer Strafe; andere Haupttäter wurden in Nürnberg abgeurteilt und teilweise mit dem Tode bestraft wie, also Göring, Keitel oder Kaltenbrunner, andere, wie Heß, Dönitz und Speer zu langen Haftstrafen verurteilt.

Die Alliierten haben bei ihren Vormärschen in der Endphase des Krieges die Grausamkeiten des Naziregimes vor Augen gehabt. Allein bei der Befreiung der Konzentrationslager Dachau, Buchenwald, Mauthausen und Flossenbürg traten unbeschreibliche Grausamkeiten des Naziregimes zu Tage. Die Begegnung mit Todestrecks und Evakuierungszügen zeigte Leichenberge sowie ausgezehrte Gestalten, die teilweise auch durch die Versorgung der amerikanischen Stellen nicht mehr gerettet werden konnten.

Ende 1945 wurden im Prozess von Dachau von den Amerikanern 40 Personen des ehemaligen Lagerpersonals angeklagt. 36 Todesurteile wurden verhängt, von denen 28 zur Vollstreckung kamen. In den weiteren Prozessen zu den obengenannten KZs wurde bis 1948 weitere Anklagen von den Amerikanern gegenüber 1672 Personen erhoben.

Nicht wenige der verantwortlichen Kriegsverbrecher haben sich durch Flucht (Eichmann) der Justiz entzogen. Sie nahmen neue Identitäten an. Viele, wie z.B. Adenauers Staatssekretär Globke, wurden gehalten, weil sie, wie man meinte, auch im Demokratisierungsprozess fachlich benötigt wurden. Das „Benötigen von Fachkräften“ war für viele Nationalsozialisten ein Freibrief. Dieser „Fachkräfte“ bedient haben sich alle, sowohl Sieger als auch Deutsche auf beiden Seiten, Ost wie West. Das beste Beispiel für „interessante Fachkräfte“ war der V-Raketenspezialist von Peenemünde, Wernher von Braun, der es in den Vereinigten Staaten zum mitentscheidenden Mann des NASA-Unternehmens „Mond“ brachte. Viele „Belastete“ kamen im Westen durch eine weniger strenge Justiz günstiger davon. Teilweise hatte eine belastete Justiz über ehemals gleichbelastete zu urteilen.

Jemand, der in späteren Jahren den Nürnberger Prozess beurteilt hat, meinte, unter diesen Bedingungen gehörten auch vier Verantwortliche der Kriegsführung der Alliierten verurteilt: Stalin, nicht nur wegen der Ermordung polnischer Offiziere in Katyn, Churchill mit seinem Luftmarschall Harris wegen der menschenverachtenden Luftangriffe auf deutsche Städte mit dem Höhepunkt der Angriffe auf Dresden im Februar 1945 und Truman wegen der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki.

Die menschliche Demilitarisierung wurde je nach Seite unterschiedlich hart durchgeführt. Jeder Angehörige der Wehrmacht versuchte der russischen Kriegsgefangenschaft zu entgehen. Von 3,15 Millionen deutschen Kriegsgefangenen ab 1941 in der Sowjetunion kamen 1,11 Millionen um. 1955 wurden die letzten Kriegsgefangen auf Intervention des Bundeskanzlers Adenauer entlassen. Die Sterberate der deutschen Kriegsgefangenen in Süd- und Osteuropa lag über 30 %. Dagegen waren es in Großbritannien und den USA weit unter 1 %. Wenn man den vielfachen Tod der sowjetischen Kriegsgefangenen in den Gefangenen- und Arbeitslagern in Deutschland anführt, so hat sich die Nazidiktatur bezogen auf die Genfer Konvention noch schuldiger gemacht.

Die technische Entmilitarisierung war nach der bedingungslosen Kapitulation für das am Boden liegende Deutschland nicht mehr entscheidend. Härter hat uns in der Wiederaufbauphase das Fehlen der beschlagnahmten Handelsmarine getroffen.

Die Demokratisierung war in der Potsdamer Konferenz eine Absichtserklärung. Am 2. August 1945 wurde in Potsdam von den Kriegsalliierten festgelegt, zonenübergreifend die gesamte deutsche Bevölkerung einheitlich zu behandeln und gemeinschaftlich die Grundlagen für einen dauerhaften Frieden und Demokratie zu schaffen. Der gemeinsame Kontrollrat sollte die Überwachungsinstanz sein. Aber bereits vier Wochen nach Ende des Krieges wurde die Sowjetische Militäradministration eingerichtet, die sich um die späteren gemeinsamen Verpflichtungen nicht scherte und die Sowjetzone nach den Anweisungen des Generalissimus abwickelte. Also nichts als hehre Worte.

Bei der Konferenz war in einem vorgesehenen Demokratisierungsprozess die wirtschaftliche Einheit Deutschlands angedacht. Der Westen nahm die Zustimmung der Sowjets zu diesem Punkt genauso blauäugig zur Kenntnis, wie analoge Vereinbarungen, obwohl hinlänglich bekannt war, dass es in der Sowjetunion keine demokratischen Vorgänge gab.

Auch die westlichen Zonen hatten bezüglich der Demokratisierung eine lange und auch unterschiedliche Anlaufzeit. Bei den westlichen Alliierten taten sich Frankreich am schwersten. Bei den Sowjets hatte eine Demokratisierung der Ostzone bzw. der späteren DDR nie stattgefunden.

Eine Dezentralisierung im aufzubauenden Staatswesen (Länder) und in der Wirtschaft wurde in allen Zonen zügig auf den Weg gebracht. Alle Alliierten haben grundsätzlich den historisch gewachsenen Charakter der föderalen Struktur Deutschlands Rechnung getragen. Man konnte auf Ansätze des Kaiserreiches und der Weimarer Republik zurückgreifen. Teile des aufgelösten Landes Preußen wurden in die neugegründeten Bundesländer integriert (z.B. Rheinland-Pfalz bzw. Nordrhein-Westfalen).

Die Demontage der Wirtschaft, die von der Kriegseinwirkung verschont blieb, wurde konsequent angegangen. Die Alliierten sahen es als ihre Aufgabe an, das zivile Leben wieder in Gang zu bringen. Um Unterkünfte wieder notdürftig herzurichten, wurden Baumaterialien und Stahl benötigt. Die von den Kriegseinwirkungen verschonten Anlagen unterlagen jedoch den Demontageauflagen. So waren die Alliierten in einer zwiespältigen Situation. Die Sowjetunion scherte sich aber wenig darum und demontierte radikal weiter. Der in Potsdam festgelegte Reparationsrahmen waren für die USA schon früh nicht mehr so entscheidend. Dafür schöpfte die Sowjetunion den festgelegten Gesamtrahmen in ihrer Zone aus. Diese Radikaldemontage nicht nur betrieblicher Einrichtungen, sondern auch für die spätere Infrastruktur enorm wichtigen Eisenbahnverbindungen, belasteten die spätere DDR enorm. Was die Briten demontierten und was dann Teil ihrer Betriebsanlagen wurde, gehörte später zu den veralteten und nicht mehr konkurrenzfähigen Anlagen. Die Westdeutschen konnten sich dann mittels Marschallplan wichtige Vorteile in der Marktwirtschaft der westlichen Hemisphäre schaffen.

In Potsdam saß nun mit Truman für die USA ein neuer Verhandlungsführer. Präsident Franklin D. Roosevelt war im Frühjahr 1945 verstorben. Auch die Briten mussten durch die Abwahl Churchills mit Clement Attlee einen anderen Mann nach Potsdam schicken.

Damit behielt Stalin von der ersten Stunde der Verhandlungen in Potsdam alle Fäden der Abläufe und Festlegungen in der Hand. Die Gegensätze der Protokollinhalte der Potsdamer Beschlüsse zu dem was die Sowjetunion vor Potsdam protokollierte und nach Potsdam durchsetzte, hätte nicht größer sein können.

Protokolliert wurde im Abkommen: Regelung überterritorialer Fragen bezüglich der deutschen Ostgebiete, bis zur endgültigen Festlegung in einem Friedensvertrag. Die Alliierten übernahmen territorial die Treuhänderschaft.

Zum Zeitpunkt des Protokolls Anfang August 1945 waren längst territoriale Fakten geschaffen. Die Treuhänderschaft der Westalliierten fand so gut wie nicht statt und wenn, wurde sie von den Sowjets behindert. Weiter heißt es im Protokoll von Potsdam: Die Bevölkerungsteile sind ordnungsgemäß umzusiedeln. So eine Farce! Die Praxis der „Umsiedelung“ beschreibe ich unter Vertreibung. Stalin bestimmte die Marschrichtung, wohlwissend, dass die Westalliierten machtlos, ahnungslos und vielleicht auch gleichgültig waren. In Versailles saßen die Deutschen noch am „Katzentisch“. In Potsdam waren die Vertreter des Deutschen Reiches durch die Verbrechen ihres Regimes ganz abgemeldet.

Für Europa waren in den Vorverhandlungen die Ziele weitestgehend abgesteckt und bedurften „nur“ nach der Paraphierung der Absegnung. So meinten die westlichen Alliierten, in Europa mit Potsdam Ziel und Nachlass zum Naziregime abgeschlossen zu haben. Stalin jedoch, dachte längs weiter. Seine in Europa bis zur Elbe aufgebaute neue Einflusssphäre war abgesteckt.

Im Osten Asiens tobte für die USA der Krieg gegen Japan weiter. Die sich abzeichnende japanische Hinterlassenschaft eröffnete für die Sowjetunion Möglichkeiten, die ins Auge gefasste Welthemisphäre auch im Osten abzustecken. Hier seien nur die Grenzgebiete zur späteren Volksrepublik China (Mandschurei) und die koreanische Halbinsel genannt.

Vertreibung

Die Hintergründe, die zum Verlust der deutschen Ostgebiete führten, habe ich ausführlich beschrieben. Die Konferenz von Potsdam hat prinzipiell das alles bestätigt, was in den Vorkonferenzen eigentlich schon beraten wurde.

Die offenstehende Frage der polnischen Westgrenze hat Stalin mit seinem Machtapparat bereits in seinem Sinne geregelt und vorab quasi Fakten geschaffen. Truman war wohl mit seinen Entscheidungen zur Atombombe an der Grenze der menschlichen Belastbarkeit und hatte mit dem Krieg im pazifischen Raum andere Sorgen. Churchill und sein Nachfolger Attlee als pragmatische Politiker hatten die Grenzen ihrer Einflussnahme in dieser deutsch-polnischen Frage längst erkannt. Für Polen konnten sie nichts mehr tun. Und Churchill sah bekanntlich die Deutschen lieber am Boden liegen, ‚als sie zukünftig wieder an der Kehle zu haben‘. Die Parlamentswahlen entschieden dann sein Politikerleben. So kam „es“, was Stalin wollte.

Stalin schuf Fakten und ließ nach der Einnahme eine 100 bis 200 km breite Zone östlich der Oder und Neiße größtenteils räumen, bevor die Beschlüsse von Potsdam endgültig und „kontrollierte“ Räumungen überhaupt möglich waren.

In Europa und besonders für Deutschland wurde eine millionenfache Bevölkerungsverschiebung von Ost nach West vollzogen. Damit sind Flucht und Vertreibung der Deutschen im Osten nach den Weltkriegen ein weiteres finsteres Kapitel.

Der nördliche Teil Ostpreußens mit Königsberg wurde der Sowjetunion zugeschlagen, während der südliche Teil zu Polen kam. Diese Gebiete sind noch heute menschenleer und besonders der jetzige russische Teil Ostpreußens ist ziemlich heruntergekommen. Wo einmal eine blühende Landwirtschaft von 2,5 Millionen Ostpreußen bewirtschaftet wurde, blieb auch aus militärischen Gründen ein ziemlich verlassenes Stück Land zurück. Die Menschen um Königsberg, heute Kaliningrad nach einem sowjetischen Präsidenten benannt, besinnen sich erst seit kurzem wieder in kultureller Hinsicht auf die deutschen Ursprünge.

Sowohl Russen, Polen als auch Tschechen begannen „frühzeitig“ systematisch, gedeckt durch jeweilige Dekrete, die deutsche Bevölkerung im Schnelltempo nur mit Handgepäck versehen, grausam zu vertreiben. Das Vorgehen der SS und auch teilweise der Wehrmacht während der Besatzungszeit rächt sich nun.

Von 17 Millionen Bewohnern, die unter sowjetischen Einfluss standen, von Ostpreußen, Hinterpommern, die sich südlich daran anschließende Neumark bis nach Niederschlesien, dem Sudetenland über die Tschechoslowakei und weiteren Gebieten in Rumänien, Ungarn und Jugoslawien haben bis 1950 bis zu 14 Millionen Menschen diese Gebiete verlassen bzw., sie wurden zwangsweise ausgesiedelt, sprich vertrieben. Hauptinitiator der „ethnischen Säuberung“ dieser deutschen Gebiete war Stalin. Der Diktator vollzog, was sein braunes Pendant mit seinem „Generalstabsplan Ost“ vorhatte; 30 Millionen „Fremdrassige“ zu verdrängen. Die Deutschen hatten bereits 1941 Polen und polnische Westpreußen vertrieben und Deutsche aus Osteuropa dort angesiedelt. Die Diktatoren „verschoben“ also ungeheure Menschenmassen nach ihren Vorstellungen.

Folgende Gebiete waren nach ihrer Größe nach dem Krieg betroffen:

○ Ostpreußen ca.

37.000 km

2

○ Nieder- und Westoberschlesien

34.500 km

2

○ Hinterpommern und Stettin

31.300 km

2

○ Posen/Westpreußen

7.700 km

2

○ Ostbrandenburg-Neumark

1.300 km

2

○ Summe der abgetrennten Gebiete

ca. 121.800 km

2

Das entspricht im Größenvergleich der Summe der folgenden, heutigen Bundesländer: Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Baden-Württemberg und dem Saarland und mehr als 25 Prozent des Deutschen Reiches bezogen auf die Zeiten der Weimarer Republik.

Zum Saarland ist im Übrigen nach dem Krieg zu sagen, dass es bis 1955 einen Status zwischen Frankreich und Deutschland hatte und erst ab 1957 nach einem Volksentscheid (67 Prozent für Deutschland) ein deutsches Bundesland wurde. Ein analoger, fairerer Ablauf wäre für die deutschen Ostgebiete nicht unmöglich gewesen. Sicherlich nicht mit dem Ausgang des Saarlandes; aber wie erwähnt, Stalin schuf Fakten. Die Saarlandsituation wird in einem Kapitel zu den Anfängen der Bundesrepublik erläutert.

Die Sowjetunion dachte aber nie daran, die deutschen Gebiete östlich der Oder-Neiße wieder rückabzuwickeln. Polen wurde mit deutschem Land ihrer annektierten Gebiete im Osten entschädigt. Eine „Rückabwicklung“ war politisch nicht gewollt und technisch sowie menschlich nicht durchführbar. Das Gleiche gilt auch analog für die Räume des Sudetenlandes.

Bis hierher ist nur von „Landmassen“ die Rede. Was mit den Menschen „passierte“, ist kaum zu beschreiben; muss hier aber auch einen deutlichen Niederschlag finden.

Die Rote Armee vollzog nach ihrem Vormarsch jenseits der imaginären Curzon-Linie, der in etwa von ihnen vorgesehenen, späteren Ostgrenze Polens, über zwangsläufige Kampfhandlungen hinaus systematische Zerstörungen an Dörfern und Städten, die nicht nur dem übermütigen Siegestaumel geschuldet waren. Das Land erfuhr ein vierfaches Inferno:

Durch den Bombenterror der Anglo-Amerikaner auf Städte wie Königsberg, Danzig oder Breslau.

durch die vom Naziregime befohlene sinnlose, jedoch für die Bevölkerung verhängnisvolle Durchhaltestrategie (zum. Beispiel in Königsberg und Breslau) mit der Folge einer weiteren Drangsalierung der nicht mehr fliehen-könnenden Bevölkerung während der Eroberung. Hinzu kam die Gefahr, als „Arbeitskraft“ - egal ob Mann oder Frau und auch Kinder - in die Gulag-Lager der Sowjets verschleppt zu werden.

Durch weitere Zerstörungen nach der Eroberung.

Falls die Bevölkerung diese Kriegsauswirkungen noch lebend überstand, kamen weitere Herausforderungen unter Lebensgefahr auf der Flucht in Richtung Westen hinzu.