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Der Ratgeber für angehende Autoren historischer Romane – enthält über Jahre zusammengetragene Erfahrungen von Annette Oppenlander, der preisgekrönten Autorin von ›Vaterland, wo bist Du?‹ und ›Erzwungene Wege‹. Dieser praktische Ratgeber richtet sich an Autoren, die spannende historische Romane schreiben wollen. Doch was sind gute Geschichten, was macht, um beim Thema dieses Buches zu bleiben, eine erfolgreiche historische Erzählung aus? Was ist das Besondere am historischen Genre? Warum bevorzugen viele Leser historische Romane über andere Genres? Was genau suchen diese Menschen? Welche Epochen sind besonders beliebt? Wie funktioniert die Recherche? Und welche Techniken nutzt der Autor historischer Romane, Figuren, Dialog und Handlung historisch zu verankern und den Leser in die Vergangenheit zu entführen? Diesen Fragen und einigen mehr gehen wir auf den Grund.
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Erfolgreich(e) historische
Romane schreiben
Wie man Leser in die Vergangenheit entführt
Titelseite
ANNETTE OPPENLANDER
Weitere Bücher der Autorin
Englische Bücher
Zitate
1.1 Das History-Genre
1.2 Historisch ist nicht gleich historisch – Unterkategorien historischer Romane
1.3 Länge eines historischen Romans
1.4 Veröffentlichung, Distribution und Verkauf
1.5 Das Besondere am historischen Roman
1.6 Das Missverständnis vom Reichwerden
5.1 Primärquellen
5.2 Sekundärquellen
5.3 Fremdsprachige Quellen
8.1 Epoche und Lage
8.2 Soziale Einflüsse
8.3 Kultur
8.4 Politik
8.5 Wirtschaft
Anmerkung der Autorin
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© 2021 Annette Oppenlander
Umschlaggestaltung, Illustration: Angie Alaya, Fiverr
Korrektorat: Dr. Anette Nagel, Contexta.de
Herausgeber: Annette Oppenlander, Erfer Str. 27, 42657 Solingen
ISBN E-Buch: 978-3-948100-26-1
ISBN Taschenbuch: 978-3-948100-27-8
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Vaterland, wo bist du? Roman nach einer wahren Geschichte (deutsche Übersetzung der achtfach nominierten/preisgekrönten Originalausgabe »Surviving the Fatherland«)
47 Tage: Wie zwei Jungen Hitlers letztem Befehl trotzten (Novelle — Zweiter Weltkrieg)
Immer der Fremdling: Die Rache des Grafen
Leicht wie meine Seele (Novelle – Zweiter Weltkrieg)
Bis uns nichts mehr bleibt: Historischer Roman (amerikanischer Bürgerkrieg)
A Different Truth (Historical Mystery — Vietnam War Era)
Escape from the Past: The Duke’s Wrath I (Time-travel Adventure Trilogy)
Escape from the Past: The Kid II
Escape from the Past: At Witches’ End III
47 Days: How Two Teen Boys Defied the Third Reich (Historical Novelette)
Surviving the Fatherland: A True Coming-of-age Love Story Set in WWII
(Historical Biographical Fiction)
Everything We Lose: A Civil War Novel of Hope, Courage and Redemption (American Civil War)
Where the Night Never Ends: A Prohibition Era Novel
A Lightness in My Soul: Inspired by a True Story
Boys No More (Short Story/Novella Collection)
»Geschichte ist die Lüge, auf die man sich geeinigt hat.«
Napoleon I. Bonaparte (1769-1821), französischer Feldherr und Politiker, Kaiser der Franzosen von 1804 bis 1814/15
»Die Geschichte irgendeines Wissens zu schreiben ist immer eine bedenkliche Sache. Denn bei dem redlichsten Vorsatz kommt man in Gefahr, unredlich zu sein; ja, wer eine solche Darstellung unternimmt, erklärt im voraus, daß er manches ins Licht, manches in den Schatten setzen werde.«
Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)
EINFÜHRUNG
Ich habe mich länger gefragt, ob es sinnvoll ist, ein Handbuch zum Schreiben historischer Romane zu verfassen. Immerhin gibt es jede Menge Ratgeber über die Schreibkunst, die Themen und Techniken unter die Lupe nehmen. Mit Recht, denn Schreiben ist 90 Prozent Lern- und Fleißarbeit und 10 Prozent Talent. Doch das Schreiben historischer Romane fordert vom Schriftsteller – der Einfachheit halber nutze ich nur ein Gender, natürlich sind Schriftstellerinnen ebenso gemeint – eine besondere Kombination aus Spezialinteresse, Eifer, Zeitaufwand und Schreibkunst. Auch bedient sich der Autor historischer Romane verschiedener Techniken, z.B. wie man neue Ideen findet, sich von der Masse der historischen Informationen nicht überwältigen lässt oder einen historischen Dialog authentisch und glaubhaft rüberbringt.
In den verschiedenen Foren werden immer wieder Fragen zum historischen Genre gestellt, und auf den jährlichen Kongressen, z.B. der Historical Novel Society, bleiben viele Themen zum Schreiben historischer Romane aktuell. Da ich beim Schreiben von mehr als fünfzehn historischen Romanen und Novellen in englischer und deutscher Sprache so einiges gelernt habe, das ich dem beginnenden Autor historischer Werke mit auf den Weg geben kann, vor allem weil ich mir selbst damals ein solches Buch gewünscht hätte, hoffe ich, dass angehende Schriftsteller einigen Nutzen aus diesem Ratgeber ziehen können.
Nicht jedes Thema bezieht sich ausschließlich auf das historische Genre, und manche Bereiche werde ich aus Platzgründen und weil bereits wunderbare Ratgeber zur Verfügung stehen, nur kurz anreißen und nur, sofern sie für das historische Genre von Bedeutung sind.
Doch zuvor möchte ich noch ein paar Worte der Weisheit und auch der Warnung loswerden: Wer meint, er könne in wenigen Monaten zum Bestsellerautor aufsteigen, ohne entsprechende Lernphasen zu durchlaufen, der wird sich nicht nur irren, er wird Zeit verschwenden und letztendlich enttäuscht sein. Das gilt auch für Neuautoren, die sich bereits sehr gut in einer Epoche auskennen. Detaillierte, historische Fachkenntnisse bedeuten nicht automatisch, dass man einen super spannenden und sich gut verkaufenden historischen Roman verfassen, geschweige denn verkaufen kann.
Ohne Frage fallen Lernkurve und investierte Zeit bei jedem anders aus, doch selbst wenn man gerne liest, erzählt oder ein Tagebuch führt, ist Romanschreiben kein angeborenes Talent. Man sagt, dass man es zum Experten in einem Bereich schafft, wenn man 10.000 Stunden praktiziert hat. Dem stimme ich grundsätzlich zu. Wem Schreiben nicht wirklich Spaß macht, der sollte sich fragen, warum er ein Buch verfassen will. Wenn die Antwort dazu ›viel Geld verdienen‹ lautet, wäre eine Investition in ein Lotto-Ticket sinnvoller.
Man erwartet ja auch nicht, Geigenspieler in einer Philharmonie zu werden, ohne entsprechende Stunden dafür geübt zu haben. Oder sollte man sich von einem Arzt eine Knieprothese einsetzen lassen, wenn der noch nie eine solche Operation durchgeführt hat. Genauso wenig wollen Leser Bücher kaufen und lesen, die laienhaft klingen und vor Fehlern strotzen.
Wer also spannende und erfolgreiche historische Romane schreiben will, der investiert in seine Kunst, indem er Bücher über das Schreiben liest, Workshops besucht, viel liest und viel schreibt. Hoffentlich schließt er sich Gleichgesinnten an und wird Mitglied einer Schreibgruppe. Egal ob man sich in Person trifft oder virtuell arbeitet, das regelmäßige Besprechen der eigenen Manuskripte sowie das Lektorieren von Werken der Kollegen motiviert und lehrt. Die Schreibgruppe muss nicht unbedingt aus Autoren des History-Genres bestehen, im Gegenteil, es ist durchaus empfehlenswert, die Arbeiten anderer Genres zu verstehen und zu analysieren.
Doch was sind spannende Erzählungen, was macht, um beim Thema dieses Ratgebers zu bleiben, eine erfolgreiche historische Erzählung aus? Und wie schafft es der Autor, den Leser in die Geschichte eintauchen zu lassen? Was ist das Besondere am historischen Genre? Welche Techniken nutzt der Autor historischer Romane, wie baut man authentische historische Welten, entwickelt überzeugende Figuren, die sich authentisch in ihrer Welt bewegen? Warum bevorzugen viele Leser historische Romane über andere Genres? Was genau suchen diese Menschen? Welche Epochen sind besonders beliebt? Diesen Fragen und einigen mehr gehen wir auf den Grund.
Historische Romane auf dem Buchmarkt
In Deutschland gibt es zurzeit etwa 30 Millionen Buchkäufer. In der Belletristik stehen neben Krimis und Thrillern, die 65 Prozent der Leser bevorzugen, an zweiter Stelle mit knapp 50 Prozent historische Romane (Umfrage von 2017). Auch in den USA und England liegen Krimis und Thriller vorn, wobei Liebesromane dort das meiste Geld einfahren. Das ›Historical Fiction‹-Genre erfährt im englischsprachigen Markt weit weniger Nachfrage – in den USA liegen historische Romane an neunter Stelle.
Sollte man deshalb Krimis oder Thriller schreiben oder sich auf Liebesromane konzentrieren? Ich glaube, man sollte schreiben, was man mag, selbst gerne liest, was interessiert und begeistert. Nur dann wird man die notwendige Energie aufbringen, bei der Sache zu bleiben. Wer diesen Ratgeber aufgreift, hat dafür Gründe. Auch gibt es genug Subkategorien, die Genres kombinieren, man denke z.B. an historische Krimis wie die erfolgreichen Sherlock-Holmes-Abenteuer. Wer also gerne Krimis schreiben möchte, der plant seine Plots vielleicht im 19. Jahrhundert oder erfindet einen Sheriff im Wilden Westen.
Und wenn man nach einem halben Jahr feststellt, dass man keine Lust mehr hat, mehr über das Mittelalter zu erfahren oder sich in die viktorianische Zeit einzulesen? Dann ist das in Ordnung. Wir erfahren genug Druck von außen und üben oftmals noch mehr Druck auf uns selbst aus. Mittel- bis langfristig wird es wenig bringen, sich mit etwas zu beschäftigen, das einem nicht wirklich Spaß macht.
Alternativ kann man z.B. eine andere historische Epoche unter die Lupe nehmen oder einfach eine Weile historische Romane verschlingen. Oftmals hilft es auch, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen, eine Konferenz oder einen Autorentreff zu besuchen. Manchmal motivieren Ratgeber oder Workshops über die Kunst des Schreibens. Man sollte allerdings Vorsicht walten lassen, wenn der Titel sofort einen Bestseller verspricht. Auf der anderen Seite ist nichts unmöglich und auch Debüts können durchaus großen Erfolg haben. Man denke an Kathryn Stocketts Roman The Help (Gute Geister), der das Leben der schwarzen Bediensteten im Süden der USA in den frühen 1960er Jahren unter die Lupe nimmt und der es auf Anhieb auf die Bestsellerlisten schaffte und fast sofort – innerhalb von zwei Jahren – verfilmt wurde. Es gibt viele erfolgreiche Autoren, die sich auf das historische Genre spezialisiert haben und damit einen wunderbaren Lebensunterhalt verdienen. Oliver Pötzsch, Rebecca Gablé, Wolf Serno und Sabine Ebert sind auf dem deutschen Markt bekannt und wer kennt nicht Diana Gabaldons Highland Saga? Ob und wie man mit historischen Romanen ein Auskommen erzielen kann, werden wir noch ausführlicher diskutieren.
Der Leidenschaft folgen
Wer seine Leidenschaft für die Vergangenheit entdeckt hat und einfach ständig in der Geschichte herumstochert, dazu gerne liest und schreibt, dem sind keine Grenzen gesetzt. Ich habe erst in den Vierzigern mit dem ernsthaften Schreiben historischer Romane begonnen. Historisches gelesen habe ich schon als Kind und das Schreiben ging mir auch im Marketing beruflich gut von der Hand. In meiner Jugend tagträumte ich gerne und ging so tief in Gedanken zur Schule, dass ich mich oft wunderte, wenn ich ankam und mich an nichts auf dem Weg erinnern konnte.
In den ersten Jahren meines neu entdeckten Hobbys, das übrigens 2003 ernsthaft begann und 2009 bei einer Kurzgeschichten-Schreibwerkstatt an der Indiana University in den USA einen deutlichen Vorwärtsschub tat – damals lebten wir noch in den USA –, arbeitete ich noch und schrieb deshalb abends und an Wochenenden. Ich wurde Mitglied zweier Schreibgruppen, die ihre Arbeiten gegenseitig und regelmäßig lektorierten, las und schrieb, las und schrieb. Erst 2015, nachdem ich mehr als ein Jahr mit einem Literaturagenten verschwendet hatte, veröffentlichte ich die ersten beiden historischen Romane. Seither sind noch einige mehr erschienen, zunächst in englischer Sprache und seit 2019 auch in Deutsch, und ich kann weiterhin mit dem Schreiben schlecht aufhören.
Das heißt nicht, dass ich keine Phasen der Lustlosigkeit durchlebe. Gerade die Covid-19-Pandemie hat mir wie vielen Kreativen zugesetzt. Es fehlen einfach die Eindrücke von außen. Für historisch Interessierte bedeutete das auf Reisen zu verzichten, auf denen man neue Ideen sammeln oder den Ort des Geschehens unter die Lupe nehmen kann. Das Gehirn braucht einfach neue Stimulation, die sich, zumindest für mich, schlecht mit Bücherstudien im eigenen Heim ersetzen lässt.
Ich will damit sagen, dass Alter beim Schreiben keine Rolle spielt. Wer früh zur Autorentätigkeit findet, der hat einfach noch mehr Gelegenheit, tolle Werke zu entwickeln. Wer sich erst später dazu berufen fühlt oder die nötige Zeit findet, der hat mehr positive und schwierige Lebenserfahrungen gemacht, mehr Beziehungen geknüpft, mehr Menschenkenntnis gesammelt, vielleicht geliebte Menschen leiden sehen oder verloren – alles Erlebnisse, die das Schreiben bereichern können. Es gibt Menschen, die haben erst mit über neunzig Jahren zum ersten Mal ein Buch publiziert.
Warum also nicht jetzt mit dem Romanschreiben beginnen?
Es ist nie zu spät! Deshalb auf jetzt, schauen wir uns an, was das Besondere am historischen Roman ist und was wir zum Schreiben historischer Werke wissen müssen.
Der historische Roman als Genre
Ist es nicht interessant, dass das Wort Geschichte nicht nur Historie bedeutet, sondern auch ein Synonym für Erzählung ist? Auch in der englischen Sprache enthält das Wort ›history‹ (Geschichte im Sinne von Historie) das Wort ›story‹, Geschichte im Sinne von ›Erzählung‹. Vielleicht eignet sich unsere Historie eben besonders gut als Erzählung und hat sich deshalb im Sprachgebrauch so entwickelt? Geschichte wird also zur Geschichte. Um Konfusion zu vermeiden, beziehe ich mich in diesem Ratgeber beim Wort Geschichte ausschließlich auf die Vergangenheit.
Schauen wir uns also zunächst näher an, was Geschichte ist:
Alles, was in der Vergangenheit liegt, ist Geschichte, doch uns interessiert in diesem Zusammenhang die Geschichte der Menschheit.
Je nach unserem Entwicklungs- und Erkenntnisstand ändern sich Einstellung und Interpretation der Geschichte. Geschichte wird ausgelegt, hierhin und dorthin gedreht, bewundert und kritisiert, analysiert, beleuchtet, angebohrt, auseinandergezupft, immer in der Hoffnung, dass wir letztendlich die ultimative Wahrheit des Vergangenen entdecken. Doch Historiker widersprechen sich, argumentieren, rätseln und entwickeln neue Hypothesen – in jedem Jahrzehnt werden neue Erkenntnisse und Auslegungen publiziert, die das Alte neu aufrollen. Man denke an Atlantis, die sagenumwobene, verschollene Zivilisation, über deren Standort bis heute diskutiert und theoretisiert wird, oder Christopher Columbus, der längst nicht als Erster den Atlantik überquerte und mit ziemlicher Sicherheit nicht Amerika entdeckte, weil die Chinesen längst dort gewesen waren.
Eine objektive, absolute Wahrheit des Vergangenen ist eine Illusion.
Auch wenn ich in diesem Buch hin und wieder von neuen Wahrheiten spreche, dann handelt es sich eher um Erkenntnisse, die uns die Vergangenheit besser erklären, eine neue Aufbereitung oder Sichtweise zeigen, die den heutigen Menschen Geschichte schmackhaft machen. Doch Historiker sind keine Schriftsteller. Egal welche Informationen sie aufdecken, sie schaffen es selten, im Leser Gefühle wachzurütteln.
Das schafft nur der historische Roman – als Form der Kunst ist er ... eine kreative Bearbeitung des Vergangenen, die es sich zum Ziel macht, zu unterhalten, zu informieren und hoffentlich zu bereichern.
Wikipedia definiert einen historischen Roman »als fiktionales Prosawerk, dessen Handlung in einer historischen Zeit spielt und geschichtliche Vorgänge und Personen ohne Anspruch auf wissenschaftliche Richtigkeit in belletristischer Form behandelt.«
Ich stimme dieser Definition nur bedingt zu, denn dass ein Roman ohne Anspruch auf wissenschaftliche Richtigkeit geschrieben werden kann, ist schon allein problematisch, wenn wir wie oben diskutiert, nicht mal wissen, was richtig oder falsch ist.
Ich bin eher auf der Seite Johann Wolfgang von Goethes, der sagte, dass wir mit unserer Wahl, dem Schreiben einer vergangenen Geschichte, etwas in den Vordergrund stellen und gleichzeitig einiges im Dunkeln lassen. Ob absichtlich oder unbewusst, Geschichte ist immer subjektiv, wächst immer aus unserer modernen Sichtweise, egal wie viel Zeit wir mit dem Studium historischer Welten verbringen.
Letztendlich sollte für jeden Schriftsteller die Erzählung an sich an erster Stelle stehen.
Darin liegt ja gerade der Reiz, das Alte, Vergangene mit Hilfe von interessanten Figuren in eine spannende Handlung zu verwandeln. Sonst könnten wir genauso gut Historiker werden.
Trotzdem glaube ich, dass der Schriftsteller historischer Romane grundsätzlich das Ziel haben sollte, seine Erzählung authentisch und glaubwürdig zu entwickeln. Leser, und dazu gehören auch Historiker, die sich in einer bestimmten Epoche auskennen, werden grobe Fehler sehr schnell erkennen, sich darüber ärgern, vielleicht eine schlechte Rezension hinterlassen. Mit Sicherheit werden sie das Buch nicht an andere weiterempfehlen, und für die meisten Autoren, vor allem wenn sie nicht von großen Publikumsverlagen gefördert werden, ist die Mund-zu-Mund-Propaganda von enormer Wichtigkeit. Leser, denen die Werke eines Autors gefallen, werden gerne weitere Bücher kaufen und lesen. Manche entwickeln sich zu richtigen Fans, die jedes neu erschienene Buch des Autors sofort bestellen.
Welche und wie viele historische Abweichungen vertretbar sind, ist eine Frage der Abwägung. Es gibt kleine Fehler, große Unstimmigkeiten und dann gibt es solche Abänderungen, die der Autor absichtlich vornimmt. In letzterem Fall handelt es sich z.B. um Alternativgeschichte, aber die sollte in der Regel als solche von vornherein erkennbar sein. Absichtliche historische Abänderungen werden idealerweise als solche im Autorenkommentar am Ende des Werkes erklärt.
WAS IST DENN NUN EIN historischer Roman? Wie unterscheidet sich das Genre von anderen? Die Historical Novel Society, eine internationale gemeinnützige Organisation, die sich für die Pflege und Förderung historischer Romane und deren Autoren einsetzt, bezeichnet solche Erzählungen als ›historisch‹, die mindestens 50 Jahre von der Gegenwart zurückliegen.
Stimmt das denn? Was spricht z.B. dagegen, die Geschichten der Wende, der deutsch-deutschen Wiedervereinigung (1989-1990), als historische Ereignisse zu definieren? Immerhin sind seit dieser Zeit mehr als 30 Jahre vergangen, nicht nur haben wir einen tieferen Einblick gewonnen, was damals vorgefallen ist, das Geschehene ist oft tief bewegend. Dass uns die Jahre des Kalten Kriegs, die Menschen hinter dem Eisernen Vorhang beschäftigen, sieht man auch an der hohen Zahl neuer Analysen, Romane und Filme, die das Thema aufgreifen. Der Begriff ›historisch‹ ist also eher ungenau, der Interpretation ausgesetzt, und verschiebt sich von Jahr zu Jahr.
Historische Welt als Kulisse
Manchmal verwechselt der beginnende Autor die historische Epoche mit dem Plot, deshalb möchte ich das hier ansprechen. Die historische Welt, die Epoche, sei sie auch noch so interessant, schrecklich, schockierend oder aufregend, ist NICHT der Plot.
Stattdessen dient die gewählte historische Zeit dem Roman als Kulisse, mit der der Plot verknüpft wird. So wichtig das richtige (Be-)Schreiben der historischen Welt ist, noch wichtiger und im Vordergrund stehen der Protagonist und seine Handlung, die Nebenfiguren und ihre Aktivitäten, die Erzählung selbst, die Entwicklung der Figuren und Handlungsbögen usw. – eine rundum gute Erzählung.
Deshalb sollte man sich das Thema des Plots gut überlegen. Hier unternimmt der historische Autor eine Gratwanderung. Auf der einen Seite muss ein Plot unabhängig von den historischen Ereignissen entwickelt werden, sozusagen auf eigenen Füßen stehen können, gleichzeitig beeinflussen die historischen Ereignisse Denken und Handeln der Figuren.
Genau darin liegt ja auch einer der Reize, nämlich die historische Zeit in die Erzählung einfließen zu lassen und sie mit dem Plot zu verknüpfen. Wenn man z.B. über Epochen mit Kriegen schreibt, dann sollte der Krieg selbst nicht als der Hauptplot hinhalten. Für die meisten Leser ist das Interesse an Schlachten längst geschwunden, doch sobald man das Kriegsgeschehen als Kulisse betrachtet, die sich zwar mit dem Geschehen verwebt, aber deren Figuren tiefgründige, auch gerne durch die historische Zeit hervorgerufene Konflikte erleben, zieht man den Leser mit und weckt u.U. bei großen Verlagen Interesse.
Wie wählt man also eine passende Epoche, eine historische Ära, die nicht schon hundertmal in Romanen abgehandelt wurde? Hier sind ein paar Fragen, die bei der Analyse helfen.
Fragen: Epoche als Aufhänger des Plots
Was an meiner Epoche ist einzigartig und unterscheidet sie von anderen Ären? Welche Vor- und Nachteile hat diese historische Zeit?
Wie verändert meine Epoche Lebensweise, Denken und Handeln der Figuren?
Wie macht meine Epoche den Figuren das Leben schwer? Protagonisten müssen leiden!
Welche spezifischen geschichtlichen Ereignisse sind für meine Erzählung von Bedeutung ... kann ich für meinen Plot verwenden? Warum sind sie wichtig? Warum wähle ich sie für meinen Roman?
Welche historischen Details kann ich einfließen lassen, die vielleicht noch nicht in anderen Romanen behandelt wurden?
Kann mein Protagonist einen ungewöhnlichen historischen Beruf ausüben?
Kann mein Protagonist an weniger bekannten Gefechten teilnehmen oder sich an einem ungewöhnlichen historischen Ort aufhalten?
Kann mein Protagonist ungewöhnliche Fähigkeiten besitzen?
Kann ich einen seltenen oder ungewöhnlichen historischen Aspekt näher beleuchten und in meiner Erzählung verarbeiten?
OFT HABEN LESER BESTIMMTE Vorlieben, also Epochen, die sie besonders interessieren. Man kann also als Autor gleich zwei Neigungen vereinen, z.B. für Historie und für Fantasy. George R. R. Martin wurde mit seiner mittelalterlich angehauchten Fantasy-Serie Game of Thrones weltberühmt.
Wie viele unterschiedliche historische Spezialgebiete es gibt, ist schwierig zu bemessen. Thalia Online unterscheidet keine Unterkategorien. Amazon macht es dem Leser leichter und bietet für historische Romane folgende Subkategorien:
Alternativweltgeschichte
Biografien
Christentum
Fantasy
Historische Krimis
Judentum
Kulturerbe
Kurzgeschichten & Anthologien
Militär
Mystery
Für historische Jugendromane gibt es weitere Kategorien:
Antike Zivilisationen
Biografisch
Erkundung & Entdeckung
Holocaust
Krimis & Thriller
Militär & Kriege
Mittelalterlich
Modern & Zeitgenössisch
Ur- & Frühgeschichte
Bei E-Books findet man folgende Kategorien:
Biografisch
Deutsch
Fantasy
Kulturgut
Kurzgeschichten
Mystery, Thriller & Spannung
Wo passt also mein Roman hin, welche Kategorien sind richtig? Diese Frage sollte man sich als Autor stellen, und zwar nicht erst dann, wenn das Manuskript fertig ist. Es lohnt sich in jedem Fall, die Kategorien des History-Genres zu studieren und zu analysieren, wo die eigene Idee für das historische Werk am besten hinpasst. Ideen zur Auswahl der Kategorien und wie man sie bei Amazon unterbringt, gibt es unter Tipps. Zu beachten ist auch, dass Amazon häufig Änderungen vornimmt, d.h. neue Kategorien listet oder andere verschwinden lässt. Auch kann man das historische Genre als Unterkategorie verstehen. Gehört also der Roman, in dem ein Mordfall in den 1920er Jahren aufgeklärt wird, eher zum Krimi oder historischen Genre?
Fragen: In welches Genre passt meine Erzählung?
Historischer Roman
Historischer Liebesroman (Unterkategorie Liebesromane)
Historischer Thriller
Historischer Krimi
Alternativweltgeschichte und Zeitreisen (Unterkategorie des Science-Fiction-Genres)
Historische Fantasy
Wer Genres kombiniert, wird sich nicht nur mit den Besonderheiten des historischen Schreibens auseinandersetzen müssen, sondern zusätzlich mit den Regeln des zweiten Genres. Liebesromane folgen gewissen Mustern, Krimi und Thriller ebenso. Es lohnt sich auf jeden Fall, sich mit den Eigenheiten des gewählten zweiten Genres vertraut zu machen.
Historische Romane von früher
Bücher von Jane Austen (1775-1817), der bekannten britischen Schriftstellerin aus der Zeit der Regency, gelten auch als historische Romane, obwohl Jane Austen damals aus einer zeitgenössischen Perspektive schrieb. Obwohl der moderne Autor nicht in diese Kategorie fallen kann, da er ja in unserer Zeit lebt, ist es durchaus von Vorteil, solche zeitgenössischen Quellen der gewählten Epoche, wenn es sie gibt, zu Rate zu ziehen – mehr dazu unter Sekundärquellen.
IN DEN USA RECHNET man in Wortanzahl und die liegt bei historischen Romanen zwischen 70.000 und 100.000 Wörtern, was bei Amazon E-Books durchschnittlich 275 bis 350 Seiten bedeutet. Historische Werke sind oft länger als z.B. Krimis oder Liebesromane. Und gerade bei historischen Romanen gibt es richtig lange Erzählungen mit Seitenzahlen über 1.000. Die Vorliebe zu längeren Büchern ist eher in Deutschland zu erkennen, wo grundsätzlich mehr gelesen wird und Leser sich von dicken Wälzern nicht abschrecken lassen.