Man muss die Dinge nehmen, wie sie kommen. Und wenn sie nicht kommen, muss man ihnen entgegengehen! Ein kesser Roman durch und durch frivolen Inhalts, entstanden in privater Kleinstauflage um 1910, wiederaufgelegt mit über 15 Bildern garantiert unzweideutigen Gegenstands.
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Seitenzahl: 108
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Erstbesteigung
Man muss die Dinge nehmen, wie sie kommen.
Und wenn sie nicht kommen, muss man ihnen entgegengehen!
Ein kesser Roman durch und durch frivolen Inhalts, entstanden in privater Kleinstauflage um 1910, wiederaufgelegt mit über 15 Bildern garantiert unzweideutigen Gegenstands.
eISBN 978-3-95841-747-2
© by Cupitora in der BEBUG mbH, Berlin
Vorwort des Übersetzers
Niemand Geringerem als Algernon Charles Swinburne wird das Werkchen zugeschrieben, das nun zum ersten Male in deutscher Gewandung vor das Publikum tritt. Solche, die den Altmeister englischer Verskunst kennen, und solche, die ihn lieben, sagen alle übereinstimmend, »Flossie«, diese Venus im Backfischröckchen, ist die Tochter seines Feuers, seiner dichterischen Leidenschaft. Swinburne hat heute längst das biblische Alter überschritten, und wird mit wehmütigem Lächeln der goldenen Sonnentage gedenken, da er die »Flossie« schrieb. Wohl für eine Geliebte schrieb, eine Geliebte, die solche Veilchenaugen besaß wie Flossie. Denn wenn ein wirklicher Dichter sich hinsetzt und mit glühendem Pinsel Stunden wildschäumender Leidenschaft malt, dann ist es das Erlebnis selbst, das ihn an den Schreibtisch drängt. Vielleicht um der Geliebten zu huldigen. Vielleicht um Erinnerungen an unwiederbringlich Entschwundenes wieder wachzurufen und noch einmal durchzukosten.
Das ist die Poesie der sinnlichen Leidenschaft, die leider Gottes so oft und so gern mit Pornographie verwechselt wird. Stumpfsinnige Mucker und verlogene Tartuffes werfen alles in einen Topf. Sie sehen in einem Werke wie »Flossie« nicht die unendliche Poesie, die liebevolle Zartheit; unter ihren dicken Fingern zerreißen diese feinen Schleier, mit denen der Dichter die sinnlichsten Vorgänge umwebt. Ihnen bleiben nur die Stellen in den Händen, die sie rot ankreiden können, und an denen sie sich selber im Verborgenen ergötzen.
Gewiss, die »Flossie«, diese Geschichte eines jungen Mädchens ist keine Geschichte für junge Mädchen. Ganz in der Stille musste es seinerzeit der Dichter drucken lassen. Und auch nur für einen kleinen Kreis seiner Freunde. Aber von Hand zu Hand ging das Büchlein, und jeder, der es las, nahm es noch einmal und noch einmal vor. Und jeder sah aus den Zeilen Swinburnes Dichterantlitz grüßen und selig lächeln. Nicht etwa, weil in der englischen Originalausgabe eines seiner reizendsten Gedichte steht. Sondern weil sie fühlten, dass eben diese glutvolle, und doch dabei zarte Sprache nur er führen konnte. Um einen Dichter erkennen zu können, wenn er sich einmal verbirgt, muss man ihn nicht nur verstehen, sondern vor allem fühlen.
Und nun soll erst er, und dann sein Werk reden.
Vorwort
Ich lege dem kritischen Publikum diese Erzählung eines entzückenden Erlebnisses vor, aber ich weiß wohl, dass ich nicht imstande bin, dem unbeschreiblichen Zauber meiner Heldin gerecht zu werden.
Sie war wahrhaftig eine Tochter der paphischen Göttin. Aber außer ihrer erotischen Kraft, die sie von ihrer unsterblichen Mutter geerbt, besaß sie einen Humor, wie er sich in den auf dem Berge Ida und anderwärts abspielenden Ereignissen nicht vorfindet. Diejenigen meiner Leser, die das seltene Glück gehabt, einmal auf eine solche Vereinigung zu stoßen, werden gewiss meine Behauptung nicht bestreiten, dass sie für die Taten der Liebe ein unvergleichlicher Ansporn ist.
Einige dieser Taten, wie sie hier geschildert werden, werden sicherlich auf eine ziemlich vorgeschrittene Stufe der Schule der Liebe rangiert werden. Aber ich bitte zu bedenken, dass Flossie dem Ende des Jahrhunderts angehört, einer Zeit, in der man dergleichen nur tut, zur Sicherheit, zum Wohl und zum Entzücken einer ungeheuren Zahl schöner englischer Mädchen, allerdings auch zum unaussprechlichen Vergnügen ihrer Anbeter. Crede experto!
Und nun in den Worten des Toastredners der City:
»Meine Herren, bitte Silentium, für ihre Heldin Flossie, die sechzehnjährige Venus!«
I. A.
Nachschrift:
Flossie hat dies anspruchslose Werk selbst durchgesehen und hie und da mit einer Fußnote versehen. Aber nichts liegt ihr ferner, als ihre Bemerkungen als störende Unterbrechungen dieser wahren Erzählung angesehen zu wissen.
»Ein junges Kind nur ist mein Lieb«
An einem prächtigen und sonnigen Spätnachmittag im Juni bummelte ich durch eine der ruhigen Straßen Piccadillys, als meine Augen durch zwei Gestalten gefesselt wurden, die mir entgegen kamen. Die eine von ihnen war eine hohe, schön gebaute Frau von etwa siebenundzwanzig Jahren, die unter anderen Umständen wohl mehr als einen bloß zufrieden musternden Blick von mir empfangen hätte. Aber so bannte ihre Gefährtin meine Augen in beinahe atemloser Bewunderung. Ein junges Mädchen war es, von sechzehn Jahren und von solch überraschender Schönheit des Gesichts und der Gestalt, wie ich sie bis jetzt nicht im Leben, nicht im Traum gesehen. In schweren Massen fiel ihr welliges hellbraunes Haar zur Taille herab, und unter seinen langen schmeichelnden Locken schauten zwei tiefviolette Augen hervor, deren Blick sich mit den lustigen Linien um die vollen roten Lippen zu einem fröhlichen Lächeln vereinte. Diese Reize und mit ihnen tausend andere kannte ich ja später alle, alle so gut; aber was mich beim ersten Anblick so traf, war des Mädchens außerordentlich große und schöne Büste, deren vollendete Formen sich durch ihre nach französischer Art zwischen den Brüsten zusammengezogene Bluse in liebevoller Deutlichkeit abzeichneten. Groß und biegsam von Figur, bewegte sie sich gleich einer Göttin. Dabei ließ ihr kurzer Rock ein Paar wundervoll gedrechselter Beine frei, die in ihren lohfarbenen, durchbrochenen Seidenstrümpfen ganz danach angetan waren, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Unfähig, meine Augen von dieser bezaubernden Erscheinung abzuwenden, näherte ich mich dem Paar. Plötzlich nannte zu meinem nicht geringen Erstaunen die ältere von ihnen meinen Namen:
»Erinnern Sie sich nicht an mich, Kapitän Archer?« Einen Augenblick lang war ich in Verlegenheit, aber die Stimme half mir auf den richtigen Weg.
»Aber natürlich«, erwiderte ich, »Sie sind Miss Letchford, die früher meine Schwestern unterrichtete.«
»Ganz recht. Da ich aber das Unterrichten Gott sei Dank nicht mehr nötig habe, gab ich es auf, und lebe jetzt mit meiner kleinen Freundin hier in einer eigenen Wohnung. Gestatten Sie, dass ich vorstelle: Flossie Eversly – Kapitän Archer.«
Die violetten Augen lachten mich an, und die roten Lippen öffneten sich zu einem fröhlichen Lächeln. In den Mundwinkeln erschien ein Grübchen – aus und geschehen war’s mit mir! Ja, fünfunddreißig Jahre war ich alt; kannte alle Phasen, alle Arten der Liebe, und warf mich vor diesem reizenden Mädel nieder, das mich über die knospende Weiblichkeit seiner runden Brüste empor anlächelte, und gab mich ihm gefangen!
Wenige Augenblicke später trennte ich mich von ihnen, die Adresse ihrer Wohnung in der Tasche, und mit dem feierlichen Versprechen am nächsten Tag den Tee bei ihnen zu trinken.
Mittags erhielt ich folgenden Brief:
»Mein lieber Kapitän Archer!
Leider muss ich Sie davon verständigen, dass ich bei Ihrem Besuche nicht zu Hause sein werde. Es tut mir leid und tut mir wieder nicht leid, denn ich möchte, dass Sie Flossie sehr genau kennenlernen. Sie ist eine Waise, ohne einen Verwandten auf der weiten Welt. Sie ist eben aus ihrer Pariser Schule zurückgekommen, und dem Alter nach natürlich noch ein Kind. Ein Weib jedoch in Wissen und Benehmen; auch in der Figur, wie Sie ja schon selber sehen können. Sie ist eine ganz außergewöhnlich warme und leidenschaftliche Natur, und der Blick, den Sie ihr gestern zuwarfen, ging bei ihr nicht daneben. Nun, um ganz offen zu sein, sie hat sich in Sie verliebt! Sie werden an ihr eine entzückende Genossin finden. Gehen Sie sehr, sehr zart mit ihr um, und was auf der Welt möglich ist, wird sie für Sie tun. Sprechen Sie auch mit ihr über ihr Leben in der französischen Schule: sie erzählt riesig gern davon. Ich möchte sie glücklich sehen, und ich denke mir, Sie können mir dabei helfen. Aber denken Sie daran, dass sie erst sechzehn Jahre ist.
Immer die Ihre
Eva Latchford.«
Meine Gefühle bei Erhalt dieses merkwürdigen Schreibens kann ich nicht schildern. Mein erster Gedanke war, überhaupt das versprochene Rendezvous in der Wohnung nicht einzuhalten. Aber da drängte sich das Blumengesicht mit den sanften roten Lippen und den lachenden Augen in meinen Geist; die wundervollen Brüste und die zartgerundeten Beine in den braunen Seidenstrümpfen folgten, und ich wusste, das Schicksal war stärker als ich. Es war ja unmöglich, den Sinn von Evas Brief misszuverstehen, und wirklich öffnete sie, als ich zur Wohnung kam, selber die Tür und flüsterte mir zu, während sie hinausschlüpfte:
»Flossie wartet drinnen auf Sie. Der ganze Raum gehört euch beiden. Und noch eins. Sie sind ja viel in Paris gewesen, nicht wahr? Flossie ebenfalls. Sie ist sehr, sehr jung – – und es gibt verschiedene Wege – – Grüß Gott!«
Ich betrat das nächste Zimmer. Flossie saß in einen langen Stuhl geschmiegt und las. Mit einer raschen Bewegung schob sie die Beine unterm Rock hervor, sodass ich für einen Augenblick ihre mit Spitzen besetzten Hosen der ganzen Länge nach zu Gesicht bekam, und erhob sich. Die Wangen mit zartem Rot überhaucht, mit glänzenden Augen kam sie auf mich zu, ein bezauberndes Gemisch an mädchenhafter Schüchternheit und verhaltener Lust. Bei ihren Schritten wehte ihr kurzer weißer Rock hinter ihr her, ihre Brüste standen fest und rund unter der eng anliegenden Seidenbluse empor – welcher Mann aus Fleisch und Blut hätte solchem Zauber widerstehen können! Ich ganz gewiss nicht! Im nächsten Augenblick hatte ich sie in meinen Armen und übersäte ihr Haar, ihre Stirne, Wangen, Augen mit heißen Küssen. Und dann zog ich sie näher und näher an mich heran, presste meine Lippen auf den Purpurmund und schwelgte in einem langen, wahnsinnig süßen Kusse, einem Kusse, den ich mir immer und immer merken werde, und so gut gemerkt habe, dass ich es versuchen will, ihn zu beschreiben.
Meine Hände umklammerten Flossies Köpfchen, vergraben in ihrem langen braunen Haar. Ihre Arme schlangen sich um meinen Leib, fesselnd und bindend. Bei der ersten Berührung waren ihre Lippen geschlossen, aber schon im nächsten Augenblick öffneten sie sich, und langsam, wie in der Ausübung einer feierlichen Pflicht, schob sich ihre Zunge in meinen Mund, erfüllte ihn mit dem wonnigen Duft ihrer Kehle und schlang liebevoll sich um die meine. Auf den Zehen richtete sie sich auf und packte mich plötzlich an der gewissen Stelle, wo Schenkel und Rücken zusammenstoßen. Mit solcher Kraft und Glut zog sie mich zu sich herunter, dass die unteren Teile unserer Körper beinahe schon jetzt vereinigt schienen. Keiner sprach ein Wort – und wahrhaftig, in dieser Situation war ja jedes Sprechen unmöglich, denn unsere Zungen umschlangen sich mit einer unbeschreiblichen Wonne, die keiner zuerst brechen wollte. Schließlich aber trieb mir eine solche Glut das Blut durch die Adern, dass ich mich von ihrem Munde losreißen musste. Noch immer schweigend, aber mit Augen, vergehend vor Liebe und Sehnsucht, drückte sie mich in einen Lehnstuhl und setzte sich selbst auf dessen Arm. Die Hand schob sie hinter meinen Kopf und blickte mir voll in die Augen, in denen sie meine Glut brennen sah, gleich dem Widerschein eines rasenden Feuerstroms. Wieder und wieder küsste ich ihren offenen Mund.
»Wie lange dauert’s, bis deine Freundin Eva zurückkommt?«, fragte ich endlich, als ich fühlte, dass nun die Zeit für ein paar Erklärungen da wäre.
»Sie ist aufs Land gegangen, und wird erst am Abend zurückkommen.«
»Dann kann ich also bei dir bleiben, ja?«
»Ja, bleib, bleib, bleib, Jack! Weißt du, ich habe mir Sitze für ein Ibsen-Stück heute Abend gekauft. Ich – – ich weiß aber nicht, ob – du – – mich – mitnehmen würdest.«
»Dich mitnehmen – zu einem Stück von Ibsen – mit deinem kurzen Rock, und deinem Haar da am Rücken! Ich glaube, sie ließen uns gar nicht hinein.«
»Ach, wenn das alles ist – warte einen Augenblick!«
Sie huschte aus dem Zimmer, und ihr Rock flog nur so um die runden Beine. Bevor ich noch Zeit hatte mich zu fragen, was sie eigentlich vor hatte, war sie schon wieder da. Evas langen Rock hatte sie an, und auf ihrem hoch oben auf dem Kopfe zusammengesteckten Haar balancierte mein steifer Filzhut. Mit einem blauen Zwicker auf der Nase und einem Krückenstock in der Hand, kam sie verwegen auf mich zu, schaute mich über ihr Pincenez weg an und sagte mit tiefer männlicher Stimme:
»So mein Herr, wenn Sie also zu Ibsen wollen, dann los! Sollten Sie aber einen so niedrigen Geschmack besitzen, dass Ihnen an einem Theaterstück überhaupt nichts liegt – schön dann will ich Ihnen einen Unterrocktanz zum Besten geben.«
Bei diesen Worten zog sie den langen Rock aus, warf meinen Hut aufs Sofa, ließ mit einem Schwung der Hand ihr Haar wieder über den Rücken fallen und drängte mich zum Piano. Und fasste den Saum ihrer Röcke. Und tanzte.
Die lustige Fixigkeit, mit der sie sich in ein »Ibsen-Frauenzimmer« verwandelt, hatte mich begeistert. Als ich aber nun am Piano saß, und sie nach den Takten, die ich klimperte, tanzen sah, geriet ich völlig außer Rand und Band.