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Warum haben unverheiratete Männer einen größeren gesellschaftlichen Nutzen als verheiratete? Welche Vorteile bieten Verstellung und Heuchelei? Warum faszinieren uns Liebe und Neid mehr als alle anderen Empfindungen? Diese und viele weitere moralphilosophische Fragen sind auch knapp 400 Jahre nach Bacons Tod brandaktuell. Selten werden sie jedoch mit einer so entwaffnenden psychologischen Schärfe und einer ähnlich raffinierten Metaphorik diskutiert wie in dieser Essay-Sammlung.
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Seitenzahl: 281
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Francis Bacon
(1561-1626), englischer Philosoph und Staatsmann, trug mit seinen Schriften maßgeblich zur Begründung des Empirismus bei. Unter seinen zahlreichen juristischen, literarischen und philosophischen Abhandlungen kommt vor allem den in lateinischer Sprache abgefassten Novum organon scientiarum, die als eine Art ‚Gründungsdokument’ neuzeitlicher Methodenforschung gelten können, eine zentrale Bedeutung zu.
Nachdem Bacon als Staatsmann unter James I. eine glänzende Karriere gemacht hatte, wurde er der Bestechlichkeit bezichtigt und vom Parlament verbannt. Nach seiner Begnadigung widmete er sich bis zu seinem Tod ausschließlich der Schriftstellerei.
Zum Buch
Der Enthüller des ‚Menschlich-Allzumenschlichen’
Wer immer schon über die verschiedenen Gesichter der Wahrheit, die Natur des Todes, geschickte und weniger geschickte Verhandlungstechniken, über die Ehe, das Alleinleben, die Liebe, Neid, Rache und allerlei andere ‚menschlich-allzumenschliche’ Regungen Genaueres wissen wollte, dem ist Bacons Essaysammlung noch heute ein unverzichtbares Vademecum. In einer Sprache, deren Anschaulichkeit und Klarheit ihresgleichen sucht und ihren Verfasser als einen der vollkommensten englischen Schriftsteller ausweist, wird hier jegliches zwischenmenschliche Phänomen mit psychologischem Feingefühl und illusionslos-analytischem Scharfsinn unter die Lupe genommen.
Warum haben unverheiratete Männer einen größeren gesellschaftlichen Nutzen als verheiratete? Welche Vorteile bieten Verstellung und Heuchelei? Warum faszinieren uns Liebe und Neid mehr als alle anderen Empfindungen? Diese und viele weitere moralphilosophische Fragen sind auch knapp 400 Jahre nach Bacon’s Tod brandaktuell. Selten werden sie jedoch mit einer so entwaffnenden psychologischen Schärfe und einer ähnlich raffinierten Metaphorik diskutiert wie in dieser Essay-Sammlung.
Aus dem Englischen neu übersetzt von Michael Siefener
Francis Bacon
Essays
Francis Bacon
Neu übersetzt aus dem Englischenvon Michael Siefener
Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet überhttps://dnb.d-nb.de abrufbar.
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Alle Rechte vorbehalten
Copyright © by marixverlag GmbH, Wiesbaden 2013Der Text basiert auf der Ausgabe marixverlag, Wiesbaden 2012Die Übersetzung erfolgte nach der Ausgabe London 1910Übersetzung: Dr. Michael Siefener, HamburgLektorat: Stefanie Evita Schaefer, marixverlag GmbHCovergestaltung: Nicole Ehlers, marixverlag GmbHBildnachweis: akg-images GmbH, BerlineBook-Bearbeitung: Bookwire GmbH, Frankfurt am Main
ISBN: 978-3-8438-0267-3
www.marixverlag.de
1. Abhandlung:
Über die Wahrheit
2. Abhandlung:
Über den Tod
3. Abhandlung:
Über die Einheit der Religion
4. Abhandlung:
Über die Rache
5. Abhandlung:
Über das Unglück
6. Abhandlung:
Über Verstellung und Heuchelei
7. Abhandlung:
Über Eltern und Kinder
8. Abhandlung:
Über Ehe und Alleinleben
9. Abhandlung:
Über den Neid
10. Abhandlung:
Über die Liebe
11. Abhandlung:
Über die hohe Stellung
12. Abhandlung:
Über die Dreistigkeit
13. Abhandlung:
Über die Güte und Gutmütigkeit
14. Abhandlung:
Über den Adel
15. Abhandlung:
Über Aufruhr und öffentliche Unruhen
16. Abhandlung:
Über den Atheismus
17. Abhandlung:
Über den Aberglauben
18. Abhandlung:
Über das Reisen
19. Abhandlung:
Über die Herrschaft
20. Abhandlung:
Über das Ratgeben
21. Abhandlung:
Über Verzögerungen
22. Abhandlung:
Über die List
23. Abhandlung:
Über die Eigensucht
24. Abhandlung:
Über Neuerungen
25. Abhandlung:
Über die rasche Erledigung von Geschäften
26. Abhandlung:
Über den bloßen Anschein der Weisheit
27. Abhandlung:
Über die Freundschaft
28. Abhandlung:
Über Ausgaben
29. Abhandlung:
Über die wahre Größe von Königreichen und Staaten
30. Abhandlung:
Über die Pflege der Gesundheit
31. Abhandlung:
Über das Misstrauen
32. Abhandlung:
Über das Gespräch
33. Abhandlung:
Über Kolonien
34. Abhandlung:
Über den Reichtum
35. Abhandlung:
Über Prophezeiungen
36. Abhandlung:
Über den Ehrgeiz
37. Abhandlung:
Über Maskenspiele und Triumphzüge
38. Abhandlung:
Über die Charakterschwächen des Menschen
39. Abhandlung:
Über Gewohnheit und Erziehung
40. Abhandlung:
Über das Glück
41. Abhandlung:
Über das Geldverleihen
42. Abhandlung:
Über die Jugend und das Alter
43. Abhandlung:
Über die Schönheit
44. Abhandlung:
Über Missbildungen
45. Abhandlung:
Über das Bauen
46. Abhandlung:
Über Gärten
47. Abhandlung:
Über das Verhandeln
48. Abhandlung:
Über Gefolgsleute und Freunde
49. Abhandlung:
Über Bittsteller
50. Abhandlung:
Über das Studium
51. Abhandlung:
Über Fraktionen
52. Abhandlung:
Über Höflichkeit und Achtung
53. Abhandlung:
Über das Lob
54. Abhandlung:
Über die Prahlerei
55. Abhandlung:
Über Ehre und Anerkennung
56. Abhandlung:
Über Rechtsprechung
57. Abhandlung:
Über den Zorn
58. Abhandlung:
Über die Unbeständigkeit der Dinge
Fragment einer Abhandlung:
Über die Gerüchte
An den sehr ehrenwerten, meinen sehr guten Lord, den Duke of Buckingham, seine Gnaden, Lord-Großadmiral von England.
Vortrefflicher Herr!
Salomo sagt: „Besser ein guter Name als gutes Öl“, und ich bin davon überzeugt, dass der Name Euer Gnaden bei der Nachwelt eine solche Aufnahme finden wird, denn sowohl Euer Geschick als auch Eure Verdienste sind herausragend. Und Ihr habt Dinge gepflanzt, die Bestand haben werden. Ich veröffentliche nun meine [Essays- oder Abhandlungen], die von all meinen die größte Verbreitung erfahren haben, weil sie, wie es mir scheint, die Handlungen und die Herzen der Menschen im Innersten berühren. Ich habe sowohl ihre Zahl als auch ihre Gewichtigkeit erhöht, sodass es sich in der Tat um ein neues Werk handelt. Daher hielt ich es als meiner Zuneigung und Dankbarkeit gegen Eure Gnaden angemessen, ihm sowohl in der englischen als auch in der lateinischen Ausgabe Euren Namen voranzustellen. Denn ich bin der Ansicht, dass der lateinische Band (da er in der Universalsprache verfasst ist) so lange Bestand haben wird, wie es Bücher gibt. Meine Wiederherstellung widmete ich dem König, meine Geschichte Heinrichs des Siebten (die ich nun ebenfalls ins Lateinische übertragen habe) sowie meine Beiträge zur Naturgeschichte hingegen dem Kronprinzen, doch Euer Gnaden widme ich dieses Werk, das zu den besten Früchten gehört, die Gott meiner Feder und meinen Mühen geschenkt hat. Gott führe Eure Gnaden bei der Hand.
Euer Gnaden ergebenster und getreuester Diener
Fr. St. Alban.
„Was ist Wahrheit?“, fragte Pilatus im Scherz, ohne eine Antwort darauf zu erwarten. Gewiss gibt es viele, die Freude an Leichtfertigkeit haben und es als beengenden Zwang empfinden, sich an eine bestimmte Überzeugung zu binden, denn sie lieben den freien Willen im Denken genauso wie im Handeln. Und obwohl die Sekten der Philosophen, die dieser Richtung angehörten, inzwischen verschwunden sind, gibt es doch noch gewisse beredte Geister, die zur selben Art zu zählen sind, auch wenn in ihnen nicht so viel Glut und Blut steckt wie in den Alten. Aber die Lüge wird nicht nur durch die Schwierigkeiten und Anstrengungen begünstigt, die die Menschen zur Auffindung der Wahrheit auf sich nehmen müssen, und auch nicht nur durch die Bürden, die ihnen die Wahrheit auferlegt, wenn sie endlich gefunden wurde, sondern es existiert vielmehr eine natürliche, wenn auch verdorbene Liebe zur Lüge an und für sich. Eine der späteren griechischen Denkschulen hat diese Angelegenheit untersucht und verharrt in Ungewissheit, wie sie darüber urteilen soll, dass die Menschen die Lüge lieben – nicht um des Vergnügens willen, wie bei den Dichtern; nicht einmal um des Vorteils willen, wie bei den Kaufleuten, sondern einfach nur um der Lüge selbst willen. Auch ich kann als Grund dafür lediglich angeben, dass die Wahrheit dem nackten und kalten Tageslichte gleicht und die Maskeraden und Mummereien und Triumphe der Welt nicht annähernd so prächtig und anmutig zu zeigen vermag wie das Kerzenlicht. Die Wahrheit ist zum Preis einer Perle zu haben, die am besten bei Tage erglänzt, aber sie steigt niemals zum Preis eines Diamanten oder Karfunkels an, der sich am vorteilhaftesten bei ungewissen Lichtverhältnissen zeigt. Die Hinzufügung einer Lüge verleiht jeder Wahrheit einen zusätzlichen Reiz. Bezweifelt es etwa irgendjemand, dass, wenn aus der Seele des Menschen eitle Ansichten, schmeichelhafte Hoffnungen, falsche Wertschätzungen und Vorstellungen und dergleichen mehr entfernt würden, bei einer großen Anzahl von Menschen diese Seele als armes, eingeschrumpftes Ding voller Melancholie und Unmut übrig bliebe, das ihnen selbst zuwider wäre? Einer der Kirchenväter bezeichnete in großer Strenge die Dichtkunst als vinum daemonum [Wein der Dämonen], weil sie die Phantasie erfüllt, jedoch nur mit dem Schatten der Lüge. Aber großes Leid bereitet nicht jene Lüge, die flüchtig durch die Seele hindurchfährt, sondern die Lüge, die einsinkt und sich festsetzt, so wie wir es vorhin beschrieben haben. Doch wie es auch immer um die verkommenen Urteile und Neigungen des Menschen stehen mag, so lehrt uns doch die Wahrheit, die nur über sich selbst urteilt, dass die Suche nach der Wahrheit, die dem Freien und Liebeswerben um sie gleicht, und das Wissen um die Wahrheit, das uns ein Gefühl für ihre Gegenwart verschafft, sowie der Glaube an die Wahrheit, der uns den Genuss an ihr ermöglicht, die höchsten Güter der menschlichen Natur sind. Die erste Schöpfung Gottes bei der Erschaffung der Welt war das Licht der Sinne, und die letzte war das Licht des Verstandes, und sein Sabbatwerk ist seit jeher die Erleuchtung durch seinen Geist. Als Erstes hauchte er der Materie und dem Chaos das Licht ein, dann hauchte er dem Antlitz des Menschen Licht ein, und seitdem haucht er noch immer das Licht dem Antlitz seiner Auserwählten ein und erfüllt sie damit. Der Dichter, der eine Denkschule verherrlichte, die ansonsten den anderen unterlegen war, drückte es auf die folgende ausgezeichnete Weise aus: Es ist ein Vergnügen, am Ufer zu stehen und zuzusehen, wie die Schiffe auf dem Meer hin und her geworfen werden; es ist ein Vergnügen, am Fenster einer Burg zu stehen und tief unter sich eine Schlacht und deren Wagnisse zu beobachten; aber kein Vergnügen ist mit dem zu vergleichen, auf dem erhöhten Boden der Wahrheit zu stehen (einem uneinnehmbaren Hügel, auf dem die Luft stets klar und heiter ist) und die Irrtümer, Irrungen, Nebel und Stürme im Tale drunten zu gewahren. Doch sollte dieses Zuschauen nicht in Stolz und Überheblichkeit, sondern in Mitleid geschehen. Sicherlich bedeutet es den Himmel auf Erden, wenn die Seele des Menschen vom Mitleid bewegt wird, im Glanz der göttlichen Vorsehung ruht und sich um die Pole der Wahrheit dreht.
Wenn wir von der theologischen und philosophischen Wahrheit zu jener im bürgerlichen Leben hinüberwechseln, so werden selbst jene, die sich dieser Wahrheit nicht bedienen, zugeben müssen, dass eine klare und offene Handlungsweise die menschliche Natur ehrt, während die Beimischung von Falschheit wie die Zugabe niederer Metalle in Gold- und Silbermünzen ist: Sie erleichtert die Bearbeitung, mindert aber den Wert. Denn es ist die Schlange, die sich auf krummen und gewundenen Pfaden fortbewegt. Niedrig kriecht sie auf dem Bauch, statt auf Füßen zu gehen. Kein anderes Laster bedeckt den Menschen so mit Schande wie das der Falschheit und Hinterlist. Und deshalb sagt Montaigne bei der Erörterung der Frage, warum die Lüge eine solche Schande und abscheuliche Beschuldigung sei, sehr schön: „Wenn man es recht bedenkt, was es heißt, einen Menschen einen Lügner zu nennen, so bedeutet es so viel, wie zu sagen, er sei Gott gegenüber ein Tapferer und den Menschen gegenüber ein Feigling.“ Denn Gott erkennt jede Lüge, während sie den Menschen entgeht. Falschheit und Treubruch sind ein Frevel, dessen Schwere darin ihren Ausdruck findet, dass er der letzte Glockenton sein wird, mit dem das Jüngste Gericht über die Menschheit hereinbricht, denn es steht geschrieben, dass, wenn Christus erscheint, „er keine Rechtschaffenheit auf der Erde finden wird.“
Die Menschen fürchten den Tod, so wie die Kinder den Gang durch die Finsternis fürchten, und wie diese zweite, natürliche Furcht bei den Kindern durch grausige Geschichten verstärkt wird, so ist es auch bei der ersten. Gewiss ist die Betrachtung des Todes als Urteil über die eigenen Sünden und Übergang in eine andere Welt etwas Heiliges und Frommes, aber die Furcht davor, bei der es sich um einen Tribut an die Natur handelt, zeugt von Schwäche. In frommen Betrachtungen findet sich bisweilen eine Mischung aus Einbildung und Aberglaube. In einigen mönchischen Büchern steht über die Kasteiung geschrieben, man solle sich einmal vorstellen, wie schmerzhaft es ist, wenn einem bloß die Fingerkuppe gequetscht oder torquiert wird, und danach solle man sich ausmalen, wie grässlich die Schmerzen des Todes sind, wenn der ganze Körper verwest und zerfällt. Dabei geht doch oftmals der Tod mit geringeren Qualen als bei der Folterung eines Gliedes einher, da die lebenswichtigsten Teile zumeist nicht die schmerzempfindlichsten sind. Deshalb sagte jener, der nur als Philosoph und einfacher Mensch sprach, zu Recht: „Pompa mortis magis terret quam mors ipsa [Der Totenzug erschreckt mehr als der Tod selbst].“ Ächzen und Zuckungen, ein entfärbtes Antlitz, weinende Freunde, schwarze Farben, Beisetzungsfeierlichkeiten und dergleichen zeigen den Tod auf schreckliche Weise. Es ist jedoch bemerkenswert, dass in der Seele des Menschen keine Leidenschaft so schwach ist, dass sie der Angst vor dem Tode nicht gleichkommt oder diese gar übertrifft. Daher ist der Tod kein so schrecklicher Feind, denn der Mensch besitzt so viele Helfer im Kampf gegen ihn. Die Rache triumphiert über den Tod, die Liebe behandelt ihn geringschätzig, der Ruhm strebt nach ihm, der Kummer flieht zu ihm hin, die Furcht vertieft sich ganz in ihn, und wir lesen sogar, dass nach dem Selbstmord des Kaisers Otho das Mitleid mit ihm (das die zarteste aller Neigungen ist) viele Menschen dazu veranlasste, sich aus reiner Zuneigung zu ihrem Herrscher ebenfalls selbst zu entleiben, wodurch sie sich als die treuesten seiner Gefolgsleute erwiesen. Seneca fügt alldem noch Feingefühl und Übersättigung hinzu: „Cogita quam diu eadem feceris; mori velle, non tantum fortis, aut miser, sed etiam fastidiosus potest [Bedenke, wie lange du schon dasselbe machst. Sterben will nicht nur der Tapfere oder der Unglückliche, sondern auch der des Lebens Überdrüssige].“ Es gibt Menschen, die weder aus Tapferkeit noch aus Unglück sterben wollen, sondern weil sie müde sind, wieder und wieder dasselbe tun zu müssen. Überdies ist es bemerkenswert, wie wenig das Heranahen des Todes den Charakter zu beeindrucken vermag, denn dieser scheint bis zum letzten Atemzug unverändert zu sein. Augustus Caesar starb mit einem Abschiedsgruß auf den Lippen: „Livia, conjugii nostri memor, vive et vale [Livia, erinnere dich stets unserer Ehre, lebe und lebe wohl].“ Tiberius starb in Heuchelei, denn Tacitus schreibt über ihn: „Iam Tiberium vires et corpus, non dissimulatio, deserebant [Schon verließen Tiberius die Kräfte des Körpers, nicht aber seine Unaufrichtigkeit].“ Vespasian verstarb auf einem Schemel mit einem Scherz: „Ut puto Deus fio [Ich glaube, ich werde gerade zum Gott].“ Galba verschied mit dem Spruch: „Feri, si ex re sit populi Romani [Schlag zu, wenn es der Sache des Römischen Volkes dient]“, und bot seinen Nacken dar. Septimius Severus sagte bei seinem Abgang: „Adeste si quid mihi restat agendum [Rasch zu mir, falls es noch etwas zu tun gibt].“ Und dergleichen mehr. Sicherlich maßen die Stoiker dem Tod ein zu großes Gewicht bei, und so wirkte er durch ihre ausufernden Vorbereitungen nur noch schrecklicher. Besser ergeht es jenem, „qui finem vitae extremum inter munera ponat naturae [der das Ende des Lebens zu den Geschenken der Natur zählt].“ Es ist so natürlich zu sterben, wie es natürlich ist, geboren zu werden, und für einen Säugling ist das eine vermutlich genauso schmerzlich wie das andere. Derjenige, der bei der Verrichtung einer ernsthaften Tätigkeit stirbt, ist wie jener, der im heftigen Gefecht verwundet wird. Zunächst spürt er die Verletzung kaum, und daher wehrt sein Geist, der noch auf etwas Gutes gerichtet ist, die Qualen des Todes ab. Aber glaubt mir, über alldem schwebt das süßeste Lied, das „Nunc dimittis [Nun lass mich scheiden]“, wenn sich die Erwartungen eines Menschen erfüllt haben und er ein würdiges Ende findet. Es ist auch eine Eigenschaft des Todes, dass er das Tor zum Ruhme öffnet und den Neid auslöscht: „Extinctus amabitur idem [Nach seinem Tod wird er geliebt].“
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